On the road again
Mit gemischten Gefühlen und dennoch wachsender Begeisterung betrachte ich das Land, das sich da vor mir auftut. Ein Wechselspiel von Ebenen und Hügellandschaften, wellenförmigen Formationen und rötlichen Felsen, deren starker Eisengehalt dem Gestein diese Farbe verleiht, staubtrockener Erde und bröckelndem, aber mächtig in die Höhe strebenden Fels beschreibt den Charakter jener Insel, die eine Brücke zwischen Kontinenten, Kulturen und deren Menschen schlägt. Palmen breiten immer wieder ihre weiten Fächerarme aus, stehen in der Landschaft wie die Säulen der Welt, ducken sich mit zunehmender Höhe allerdings immer mehr, bis sie die Herrschaft doch endlich an das dichte dornige Gestrüpp abgeben, das weite Flächen der Gebirgsketten bedeckt. Jene so unzähmbaren Berge beugen sich vor nichts und niemandem. Sie waren hier lange bevor es Menschen gab. Geboren in jener Zeit, als die Erde noch flüssig war und Feuer und Magma spie, erlebten jene Gipfel den Werdegang einer Welt, die langsam entstand und sich ständig modifizierte. Wie jene gebieterische arabische Stadtmauer in Palma zieht sich das Tramuntanagebirge über die Insel, alles Ungünstige aufhaltend, was sich der Insel zu nähern droht. Sogar das sonst so herrische Meer scheitert hier zuerst in seinem ewigen Dunkelblau, dann in einem phosphorierenden Türkis, später aber am Ende seiner langen Reise in einem schmalen Streifen weißer schäumender Gischt an der Mächtigkeit uralten Gesteins.
Die Häuser, aus einem rauhen braunen Naturstein errichtet, drängen sich dicht nebeneinander, als würden sie Schutz suchen, im Bestreben, in ihrer Ansammlung ein Dorf oder eine Stadt zu bilden. Verzierte Dachsimse liegen im Widerstreit, welches denn am anmutigsten sei: die strenge Jugenstilbalustrade mit ihren geometrisch angeordneten Wellen und Schlaufen oder die arabische Zierleiste, die mit dem filigranen Zierwerk auf wenigen Quadratmetern die Geschicke einer prachtvollen Kultur und deren an Bildern reicher Sprache erzählt.
Wenn sich dann der von der sengenden Sonne Mallorcas geprägte Tag endlich neigt und der Wind einem kühlen Zephir gleich dem Land die lange ersehnte Linderung schenkt, kommt Leben in die eng verwinkelten Straßen und Gassen. Stühle und Tische werden aufgestellt, Lachen, Schreien und Reden tönt an das Ohr des Betrachters, Männer sitzen vor dem Hauseingang, beobachten Vorübergehende, nicken bedächtig und lassen ihr Leben wie einen langen ruhigen Fluß vorüberfließen. Frauen kramen ihre Handarbeiten aus schmutzig braunen, aus Schilf geflochtenen Körben, spielen Karten und rufen dabei ihrem Nachbarn auf der gegenüberliegenden Straßenseite den neuesten Tratsch zu, unter heftigem Gestikulieren versteht sich. Hier im Land der Sonne wird jedes Wort mit einer Geste unterstrichen, jeder Satz mit der Ausdruckskraft einer niemals ruhenden Hand und dem typisch spanischen Temperament noch machtvoller in Szene gesetzt.
Und während ich all dies beobachte, trägt mich mein Auto schon wieder weiter weg in rasender Geschwindigkeit meinem nächsten Ziel zu. Der Wind weht mir um die Ohren, wirbelt um mich herum und lässt meine Haare in Ekstase aus dem offenen Fenster tanzen. Warme Sonnenstrahlen tummeln sich auf meinem Arm, der gebräunt schon etliche Sonnentage hinter sich und noch mehrere vor sich hat. Inzwischen haben meine Augen schon den blaßblauen Streifen erfaßt, der sich hinter der kargen Küstenlandschaft am Horizont erstreckt und ganz draußen mit dem Himmelsblau eins wird, manchmal unterbrochen von einem weißen Segel, das über die Wasserfläche gleitet, und dennoch auch dann eine Brücke zwischen Himmel und Erde. Und als ich dann endlich das Gefühl habe, die Wärme und Schönheit dieser Insel in mir aufgenommen zu haben und sich ein Lächeln auf meinen Lippen breit macht, weiß ich, dass ich diese Zeit niemals bereuen werde.