Ohne Worte
Ohne Worte
Es war schon spät an jenem sonnigen Sommermorgen, als sie plötzlich wieder die Nähe des vertrauten Körpers spürte. Sie war schon einmal kurz erwacht und hatte das Bett neben sich leer gefunden, nicht ungewöhnlich am frühen Morgen eines freien Tages, während sie selbst es liebte, am Wochenende lang in den Tag hinein zu schlafen.
Sie ließ die Augen geschlossen und nahm die Präsenz des vertrauten Körpers mit allen Sinnen in sich auf. Sie selbst war ein wenig mollig, den sinnlichen Freuden des Lebens zugetan und mit einer gründlichen Abneigung jeglicher sportlichen Tätigkeit gegenüber ausgestattet, und so bildete ihr weicher Körper einen angenehmen Kontrast zu dem, der sich jetzt an sie schmiegte: hart, fast sehnig und durchtrainiert, von intensiver Sonnenbräune, dazu ein markantes Gesicht, ein herber frischer Duft, der ihr in all den Jahren ebenso vertraut geworden war wie das feste, fast drahtige kurze dunkle Haar, durch das sie ihre Finger zärtlich gleiten ließ, während ein Paar Hände ihren Körper erstaunlich sanft berührte und geduldig auf ihre Reaktion wartete.
Sie hielt die Augen weiter geschlossen und genoss eine Weile still die Liebkosungen. Es brauchte keine Worte zwischen ihnen, nicht mehr, seit sie sich vor Jahren kennengelernt hatten und nach anfänglich schüchternen Annäherungsversuchen endlich das gefunden hatten, was sie beide schon so lange gesucht hatten, ohne es selbst zu wissen, ohne es sich eingestehen zu wollen. Spielerisch glitt ihre Hand über das markante Gesicht, streichelte eine Wange, fuhr sanft über die schon leicht geöffneten Lippen, fühlte den regelmäßigen Atem auf ihrem Handrücken. Sie wartete zu, blieb passiv, das war ihre Rolle, in die sie sich ganz natürlich eingefügt hatte, ihre wahre Natur, ohne dass das hätte zwischen den beiden besprochen werden müssen, es war einfach so gewesen, von Anfang an. Die Hände erforschten ihren noch bettwarmen Körper nun intensiver, fanden die Stellen, die zuvor kein Liebhaber so traumhaft sicher, so selbstverständlich gefunden hatte. Angenehm leichte Wogen der Erregung flossen durch ihren Körper, sie ließ sich nun einfach treiben, hörte auf, die einzelnen Berührungen zu unterscheiden, ließ sich einhüllen in die fordernde, Besitz ergreifende Zärtlichkeit, die sie so liebte, die sie so brauchte.
Schließlich fühlte sie, wie sie sanft, aber bestimmt an den Schultern genommen und mit dem Rücken tief in das Bett gedrückt wurde. Sie fröstelte leicht, als die wärmende Bettdecke von ihrem Körper gezogen wurde, doch sie wusste, sie würde nicht lange warten müssen, bis sich der harte, muskulöse Leib auf sie schieben würde. Schon fühlte sie die Hände an ihren Hüften, unendlich zärtliche Lippen begannen sie erst zu küssen, dann sanft zu saugen, eine warme und weiche Zunge begann sie zu erforschen, in sie einzudringen. Zwei Schenkel legten sich an ihre Wangen, übten zusammen mit den Händen gerade so viel Druck aus, dass sie den starken Willen spürte, den Anspruch, sie bedingungslos zu besitzen, dem sie sich nun bereitwillig hingab. Sie öffnete den Mund, ihre Lippen fanden, was ihnen dargeboten wurde, sie begann ebenfalls erst zärtlich zu lecken, dann zu saugen, und bald war ihre Nase voll von dem Duft, ihr Mund erfüllt von dem vertrauten Geschmack, den sie so liebte, der es ihr ermöglichte, sich vollkommen zu öffnen, vollkommen hinzugeben. Wellen der Lust durchströmten ihren Körper, wie Wogen der Brandung, die über ihrem Kopf zusammenschlugen. Sie spürte, wie sich langsam Resonanz einstellte, die beiden Körper eins wurden, die Lust und Leidenschaft synchron erlebten, einander zu immer neuen Gipfeln aufstachelten, bis sie schließlich – wieviel Zeit war vergangen? – erschöpft innehielten, noch minutenlang in der Position der perfekten Verschmelzung verharrten.
Es fröstelte sie wieder leicht, als sich ihre Geliebte und Lebensgefährtin langsam von ihr löste, sich neben sie legte und ihr mit ihren dunklen Augen ein lächelndes "Guten Morgen, Liebling" entbot. Sie fühlte, wie sie losgelassen wurde, und schmiegte Halt suchend ihr blondes Haar an die Schulter der Freundin. Ihre Augen gaben den Gruß wortlos zurück. Es war wie immer zwischen ihnen: Worte waren nicht notwendig, es war alles gesagt.