Ohne Worte
Es war in einer Disco... nee... nee... das ist zu typisch, es war auf einer Goa-Trance-Party... Party!? Das gefällt mir auch nicht... Ach! Sagen wir mal es war in einer Stadt. Oder besser irgendwo in der Welt. Vielleicht an einer Bushaltestelle? Oder in einem Cafe? Restaurant? Oder am Strand. Eigentlich egal. Man trifft sich da, wo man sich trifft, hier und dort, durch Zufall oder Schicksal.
Sie war hübsch... Nein! Interessant. Sie war interessant und hübsch... also, sie sah gut aus. Für meine Begriffe gut oder hübsch.
Ich sagte Hallo. Sie schaute mir in die Augen, lächelte leicht, gab keine Antwort. Wir tauschten die Nummern. Ohne Worte. Es war am Nachmittag. 14.15 h. Oder war es etwas später? Nicht so wichtig.
Am Abend gegen 22.00 h rief ich sie an. Sie sagte nichts. „Und?“ Sagte ich, „sehen wir uns morgen?“ Sie sagte wieder nichts. Ich hörte sie leicht lächeln. „Wie wäre es auf der Lilienbrücke? Um 10.00?“ Sie legte auf. Ohne Worte.
Am Morgen auf der Lilienbrücke sah sie so aus, wie sie gestern ausgesehen hatte. Wir haben uns über alles Mögliche unterhalten. Ich habe erzählt, sie hat zugehört. Politik war für sie anstrengend. Wenn ich gesagt habe Marx, Lenin oder Gandhi haben dies oder jenes gesagt, hat sie immer weggeschaut. Musik, Kunst, Kultur, vor allem Philosophie hat sie sehr interessiert, glaube ich. Vielleicht auch nicht. Sie hat immer leicht gelächelt.
Nach drei Stunden waren wir bei ihr. Wir haben gefrühstückt. Während dessen schaute sie mir tief in die Augen. Ich stand auf, ging zu ihr und habe sie geküsst. Mein Gott! Mein Gott! Ich sterbe ...
Wir waren Tag und Nacht zusammen. Ab und an sagte ich irgendwas. Sie sagte nie etwas. Es war Samstag. Ich wohne im 5. Obergeschoss. Als wir im 4. ankamen hat sie angefangen zu husten... noch mal... und sehr stark.
Ich rief den Notarzt an. Sie musste sofort ins Krankenhaus. Es wurde mir dort gesagt, dass sie Lungenkrebs hat. Nach drei Tagen ist sie gestorben. Sie hatte AIDS.