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Ohne Moos nichts los?
Tomas schlurfte zum Briefkasten. Sein Magen krampfte sich zusammen. Hoffentlich nicht wieder eine Absage. Doch kaum hatte er den Briefkasten geöffnet, fiel ihm ein dicker großer Umschlag entgegen – seine Bewerbungsunterlagen kamen zurück: Firma Westhoff & Co. KG. Gerade hier hatte er sich Chancen ausgerechnet. Bedrückt schlich er zurück in die Wohnung. Vera schaute kurz auf, doch sein Gesicht sprach Bände. Er brauchte nichts zu sagen.
Um ihn abzulenken fragte sie: „Hast du schon mal nach einem Baum geguckt? Wo wollen wir ihn denn dieses Jahr aufstellen?“
Ach ja, einen Weihnachtsbaum, dafür war in der neuen Wohnung wirklich kein Platz! Sie waren gerade von 90 auf 60 Quadratmeter umgezogen. Und wovon sollte er einen Baum bezahlen?
Er zuckte mit den Schultern. „Wir haben ja nicht mal alle Möbel untergebracht. Hier ist kein Platz. Wenn ich wieder Arbeit habe, gibt’s erst mal wieder eine größere Wohnung, dann haben wir auch Platz für einen Baum.“
Er sah die enttäuschten Gesichter von Vera und seiner kleinen Tochter Leni. Es brach ihm das Herz. Was war er nur für ein elender Versager. Nicht mal einen Weihnachtsbaum konnte er seiner Familie bieten. Und Geschenke? Vera und Tomas wollten das dieses Jahr ausfallen lassen, aber für die Kleine hatte er versprochen, etwas zu besorgen. Doch wo von? An ein Festessen war schon gar nicht zu denken.
Tomas zog seine Jacke an und gab vor, bei einem Schrotthändler vorzusprechen, der angeblich eine Aushilfe suchte. Er musste einfach raus.
Als er ziellos durch die Straßen schlenderte, kam er schließlich zum Weihnachtsmarkt. Es roch nach Anis, Zimtwaffeln, gebrannten Mandeln und Glühwein. Gleich in der ersten Reihe war ein Stand mit gerösteten Maronen. Wie die wohl schmecken würden? .
Er ging weiter zu einem Stand mit Holzspielzeug. Leni wünschte sich ein Puppenbett. Da stand tatsächlich eins für 86,00 Euro, unbezahlbar. Weiter hinten stand eins für 20,00 Euro, weiß lackiert mit roter Bettwäsche. Das würde Leni gefallen.
Er ging weiter. Hier gab es sogar künstliche Weihnachtsbäume, die wunderschön geschmückt waren, mit vielen kleinen Lämpchen und die nur 30 cm groß waren. Die hätten sogar in der kleinen Wohnung Platz, aber 25,00 Euro, unmöglich!
Der nächste Stand hatte Duftkerzen in weihnachtlichen Kerzenhaltern, gar nicht kitschig, sehr schöne Handarbeit, 18,00 Euro.
Er ging weiter; Lebkuchen, Printen, Nüsse in feinen Schokoladen, ach ja, das wäre schön. .
Nun kam ein Kinderkarussell. Er sah die strahlenden Kindergesichter. Gern würde er Leni eine Fahrt spendieren.
Der nächste Stand hatte Kräuterseifen und Badezusätze. Das wäre was für Vera, sie liebte Kräutersachen, aber 5,00 Euro für ein Stück Seife, der helle Wahnsinn.
Er verließ den Weihnachtsmarkt und lief weiter durch die Straßen.
„Guten Tag Herr Breuer“, grüßte ihn ein gutgekleideter junger Mann. Im ersten Moment erkannte er ihn nicht, doch dann sah er, dass es der Sohn seines früheren Nachbarn war.
„Ja. Martin, gut schaust du aus! Du bist ja ein richtiger junger Herr geworden.“
„Ich habe meine Ausbildung zum Verkäufer beendet und arbeite jetzt im Kaufhaus Benz.“
Das Kaufhaus Benz bediente die gehobene Käuferschicht ... Hier hatte Tomas noch nie eingekauft, auch nicht, als er noch Arbeit hatte.
„Das ist ja wunderbar. Ich hätte auch gern wieder Arbeit. Seit Hoffmann dicht gemacht hat, läuft nichts mehr.“
„Mensch, das sind ja schon zwei Jahre ...“
„Inzwischen würde ich alles annehmen, glaub mir.“ Tomas Augen wurden feucht.
„Ja wissen Sie... das ist ja nichts Richtiges, aber ...“ Der Junge zögerte. „Bei Benz suchen sie gerade einen Weihnachtsmann, der die Werbegeschenke verteilt. Für 3 Tage, bis Heiligabend. Wie gesagt, es ist nichts Richtiges, aber ...“
„Meinst du denn die haben noch keinen, das Arbeitsamt hat doch Hunderte, die so was machen.“ Tomas Stimme klang mutlos.
„Versuchen Sie es doch. Rufen Sie an und fragen nach Herrn Keller, der hat mich auch eingestellt.“
Tomas bedankte sich, suchte gleich ein Telefonhäuschen und rief an. Herr Keller fragte, ob er von der Weihnachtsmann-Vermittlung komme. Tomas verneinte und erzählte von der Begegnung mit seinem jungen Freund.
„Das hört sich gut an, denn wissen Sie, was diese Vermittler einem da so schicken, nein das ist nicht unser Niveau. Können Sie denn gleich vorbeikommen und evtl. morgen anfangen?“
Tomas war glücklich. Schnellen Schrittes ging er zum Kaufhaus Benz. Herr Keller erwartete ihn, stellte ein paar Fragen nach seinem bisherigen Leben, seiner derzeitigen Situation und reichte ihm zum Abschied das Weihnachtsmannkostüm, das für die nächsten drei Tage seine Arbeitskleidung sein sollte. 150 Euro für 3 Tage! Da konnte er beim nächsten Besuch des Weihnachtsmarktes richtig zuschlagen, und ein Festessen war auch noch drin.
Als er das Kaufhaus verließ, sah er, wie ein Angestellter drei junge Leute verscheuchte, die vor dem Kaufhaus musiziert hatten.
„Aber wir sammeln das Geld doch nicht für uns!“, hörte er das junge Mädchen mit der Flöte rufen. „Es ist für die Einsamen, Kranken und Alten in unserer Pfarrgemeinde. Wir wollen Ihnen eine Weihnachtsfreude machen.“
„Bitte sammeln Sie woanders, unsere Kundschaft könnte sich belästigt fühlen.“
Die jungen Leute packten ihre Instrumente und räumten den Vorplatz des Kaufhauses. Tomas sagte zu dem Mädchen. „Vielleicht probiert ihr es am Rand vom Weihnachtsmarkt. - Ihr sammelt für die Kirche?“
Das Mädchen schaute auf und Begeisterung ließ ihre Augen strahlen und ihre Wangen glühen:
„Am Heiligen Abend besuchen wir kranke und alte Menschen, die nicht mehr zur Kirche kommen können und bringen Ihnen einen Weihnachtsgruß. Unsere Mutter packt kleine Päckchen mit Gebäck und einer verzierten Kerze. Im Pfarrsaal findet eine Weihnachtsfeier für einsame Menschen statt und da möchten wir ein Weihnachtsessen ausgeben, aber dafür brauchen wir noch Geld und Helfer. Deshalb machen wir Musik.“ Voller Erwartung fügte sie hinzu: „Können Sie uns helfen?“ .
Gerade wollte er antworten, dass er kein Geld habe, aber dann hörte er sich sagen: „Vielleicht braucht ihr noch jemanden zum Dekorieren oder Servieren? Kochen kann ich ja nicht, aber meine Frau ... Ich werde sie fragen!“
Die Drei strahlten ihn dankbar an.
„Ungewöhnlich – so Weihnachten zu feiern, aber warum eigentlich nicht ...“, dachte Tomas. „Mal sehen, was Vera dazu sagt...“