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Ohne Fleiß kein Preis

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05.05.2012
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Ohne Fleiß kein Preis

Kennst du das Gefühl, nach einem nasskalten Herbstspaziergang in der heißen Badewanne zu liegen? So fühlt sich Herr Bokert, wenn er frisch geschnittenes Holz berührt. Der einfühlsame Pinselstrich, mit dem van Gogh seine Sonnenblumen zeichnete, wirkt auf ihn grobschlächtig, verglichen mit der feinen Maserung von Walnussholz. Er würde den Chanel-Duft seiner Frau jederzeit gern gegen den würzigen Geruch von Harz tauschen. Seine Freunde nennen ihn den Holzwurm.

Diese Obsession entwickelte sich bereits in seiner Kindheit. Die »Sendung mit der Maus« zeigte, wie ein Nachttischchen mit Schublade hergestellt wird. An diesem Tag begann er, mit Holz zu basteln und später zu schnitzen. Tiere, Menschen, Dosen, Vasen, Teller - die Eltern konnten kaum so schnell Material heranschaffen, wie der kleine Herr Bokert produzieren wollte. Es entstand der Traum vom eigenen Blockhaus. Die Vorstellung mit Holzgeruch in der Nase wach zu werden, beim Essen auf die rustikalen Bohlen der Küchenmöbel zu schauen und das Knarren der Paneele auf dem Weg zur Tür zu hören, hat ihn sehnsüchtig gemacht. Nicht selten träumt er bei der Arbeit, dass der Handlauf, den er gerade drechselt, für die Treppe seines eigenen Hauses sei.

Er arbeitet gern. Nein, das ist zu wenig! Er liebt seinen Job und hasst den Feierabend. Aber der schlaue Herr Bokert hat eine geniale Lösung für dieses Problem. Kurzerhand trägt er Pläne und Unterlagen zu sich nach Hause. In diesem Augenblick verbessert er auf einer Zeichnung mit Lineal und feinem Bleistift Skizzen eines runden Tisches, der mit einem eleganten Mechanismus größenverstellt werden kann. Die Ausarbeitung nimmt ihn so ein, dass er gar nicht merkt, wie ein Foto seiner Kinder vom Schreibtisch in das Chaos auf dem Fußboden fällt. Es wird in den nächsten Tagen mit all den anderen Dingen, wie zum Beispiel dem angefangenen Schnitzelefant, in Vergessenheit geraten.

Herr Bokert zuckt zusammen, als aus seinem Handy die Melodie der lustigen Holzhackerbuam tönt. Er wühlt es zwischen den Ordnern hervor. »Hallo, nein, natürlich hab ich euch nicht vergessen.« Während des Telefonats legt er nicht einmal den Stift beiseite. »Spinner! Logisch weiß ich, dass Skat nur zu dritt geht. Du, das tut mir echt total leid, aber glaub‘ mir - heute passt es wirklich nicht, das ist ein superwichtiger Termin mit der Messe!« Das mit dem Ellbogen festgehaltene Lineal droht zu verrutschen. »Na klar hätte ich noch abgesagt … Nein, du störst nicht … Bis dann!« Mist, seine zermürbte Stimme hat doch verraten, wie gern er in Ruhe gelassen worden wäre.

Die Messe ist vorbei und das Konzept ist aufgegangen. Der clevere Ausziehtisch war der Verkaufsschlager und es gibt es einen Riesenstapel neuer Aufträge. Zu seiner Frau sagt er, er hätte gern etwas von der Arbeit an die Kollegen abgegeben. Die besäßen in der finalen Umsetzung nur einfach nicht die nötige Erfahrung. Das ist allerdings nicht ganz die Wahrheit. Jetzt liegen die Vorgänge deshalb - auf Herrn Bokerts Mahagonischreibtisch. Liebevoll streicheln seine rauen Handwerkerfinger darüber. Die Zeiger der riesigen Standuhr rücken bereits auf Viertel nach zehn, als die Holzhackerbuam in den Raum platzen. Er sieht nicht mal nach, wo sein Handy ist. Egal!

Die Nacht zieht vorüber, während auf dem Schreibtisch Entwurf um Entwurf entsteht. Dann endlich ist es so weit. Stolz hält er die fertige Präsentation in der Hand und nimmt die Hand vor den zum Gähnen aufgerissenen Mund. Beim Blick auf die Uhr zuckt er zusammen. Es ist gerade noch Zeit, vor dem Termin zu duschen und sich einen frischen Anzug anzuziehen. Er macht sich Vorwürfe, dass er eigentlich ausgeschlafen sein sollte und sich im Vorfeld noch mehr Zeit hätte nehmen müssen, aber die Tage waren einfach immer zu kurz. Viel zu oft sind während der Arbeit Stunden verloren gegangen. Sie haben scheinbar nie stattgefunden. Er schüttelt diese Gedanken ab und reißt sich zusammen. »Ohne Fleiß, kein Preis!«

Die Kunden sind neugierig, als er dynamisch das Besprechungszimmer betritt. Er wird ihnen das ideale Möbel für ihren Konferenzraum zeigen, dessen sind sie gewiss. Der Raum wird abgedunkelt, auf der Leinwand erscheinen Bilder von bereits umgesetzten Variationen und dazu erklärt Herr Bokert Vor- und Nachteile. Einmal muss er eine Redepause machen, um mit geschlossenem Mund gähnen zu können. Die Konzepte der Nacht und kleine Holzmuster gehen auf dem Tisch herum, und mit jedem weiteren Blatt werden die Gesichter länger. »Die Ideen sind nicht schlecht«, sagt der Kunde. In seiner Hand ist ein Entwurf des Ausziehtisches aus Kirsche. Eigentlich hübsch, aber die Mechanik ist aus Metall. Auf der Messe wurde doch erklärt, dass die weichen Holzvarianten nur mit Kunststoffmechanik dauerhaft gut funktionieren. »Hier hätte mit etwas Sorgfalt vermieden werden können …«, sagt der Einkäufer. Zu dem hellen Ahorn passt der Einsatz aus Eichenholz, wie ein pinkes Top zu einer Trauerfeier. Herr Bokert wird blass.

Nach dem Termin nimmt sein Chef ihn beiseite. »Sie müssen einfach mal Urlaub machen. Sie sind nur überarbeitet.« Er nickt leer und fragt sich, wie gerade ihm das passieren konnte. Mit hängenden Schultern trottet er vom Büro zum Auto. Sein Ziel ist ein Wanderparkplatz am Waldrand. Fest umklammert er seinen Aktenkoffer und macht sich auf den Weg zum Grillplatz. Es riecht blumig nach frischen grünen Trieben, als Bokert, begleitet von Vogelgezwitscher, den Inhalt seiner Tasche auf den Rost schüttet. Ein Päckchen Streichhölzer lächelt ihn an. Das Geräusch, als er das Schwefelköpfchen anstreicht, lässt ihn zusammenzucken. Seine Pläne, Holzmuster und die Stempelkarte färben sich kohlschwarz, rollen sich im Todeskampf zusammen und zerfallen zu Asche. Er wirft ein paar trockene Äste dazu und schnuppert. So riecht das also.

Auf dem Heimweg klingelt sein Handy. Eine Berührung aktiviert das Headset. »War das schon heute? Das hab‘ ich total verschwitzt.« Er fährt den Wagen auf den Seitenstreifen und hört seit langer Zeit das erste Mal wieder aufmerksam seinem Skatfreund zu. »Da hab‘ ich das Telefon bestimmt überhört. ... Ihr habt ohne mich gewonnen? Das ganze Turnier?« Tränen vernebeln ihm die Sicht und es kostet Mühe seine Stimme fest klingen zu lassen. »Der Gewinn war was? … ein Blockhaus?«

 
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Hallo Lockenwolf, ein herzliches Willkommen wünsch ich dir.
Hat dein Nick mit deinem Hobby zu tun? Klingt lustig.

Ich habe deine Geschichte gerne gelesen, denn du schreibst schön. Damit meine ich nicht nur solche Selbstverständlichkeiten wie eine anständige Rechtschreibung und die Grammatik und so, sondern dein Stil insgesamt, die Bilder und Formulierungen, mit denen du charakterisierst und Atmosphäre erzeugst. Da sind einfach sehr ansprechnde Ideen dabei

Auch die Geschichte selbst gefällt mir gut, eine einfache, aber angenehme story mit einer netten Idee und einer witzigen Moral. Hör ich gern, wenn einer solche Alltagsredewendungen veräppelt wie "Ohne Fleiß kein Preis".

Ich habe jedoch zwei Kritikpunkte.

Erstens ist mir nicht klar geworden, warum seine Präsentation in die Dutten geht. Er kommt doch ganz dynamisch rein, ich weiß schon, du weist sicherlich auf seine Müdigkeit hin, aber dennoch hätt ich hier mehr besser gefunden.

Der zweite Kritikpunkt ist mir wichtiger. Du beschreibst und erklärst sehr viel, zu viel, statt show don´t tell zu "machen". Dass dir das ein Begriff ist, habe ich deinem Kommentar entnommen. Falls ich mch vertan haben sollte, shreib einfach noch mal. Dadurch bleibt dein Holzwurm, allein für den Namen solltest du gelobt werden, sehr blass, obwohl du viele schöne Ideen hast, mit denen du ihn charakterisierst.
Seinen Blockhauswunsch beispielsweise, den könnte er ja in einem Gespräch einem Freund erzählen und dabei immer an einem Holzstück schnüffeln. Und so könnte er auch der Holzwurm werden.
Das ist jetzt nur eine Idee. Einfach nur als Anregung, wie man das "Zeigen" einbauen könnte.

Ja, noch mal, gerne gelesen, und ich wünsch dir noch viel Spaß hier.
Viele Grüße Novak

PS: Klasse fand ich es auch, dass du gleich nicht nur eie Geschichte geschrieben, sondern auch jemand anderen kommentiert hast. Und das sehr fachkundig. Toll.

 
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Habe auch eine Schwäche für Holzdinge und deshalb gespannt gelesen.

Stilistisch gäbe es einiges zu verbessern, und das Ende ist schwach.

Es wird nicht klar, was denn bei der Präsentation schief ging.

Und wenn er am Skatturnier teilgenommen hätte, hätte er ja nicht zwangsläufig das Blockhaus gewonnen, oder? Also keine Grund zum Winseln für Bokert, finde ich.

Jannes

 

Vielen Dank für meine ersten Kritiken hier. Schön, dass ihr euch Zeit genommen habt für Herrn Bokert und dass es euch sogar ein wenig gefallen hat. Mein Nickname ist meinen 3 Pudeln geschuldet. Ich werde mich um einen Avatar kümmern.

Erstens ist mir nicht klar geworden, warum seine Präsentation in die Dutten geht. Er kommt doch ganz dynamisch rein, ich weiß schon, du weist sicherlich auf seine Müdigkeit hin, aber dennoch hätt ich hier mehr besser gefunden.
Ok, ich habe da noch ein wenig eingefügt. Das schlimme: das hier ist schon eine erweiterte Version, anfangs war noch subtiler, dass er einfach zu müde ist und mit dem Gähnen dachte ich... aber gut. Wenn es noch nicht reicht, dann bekommt ihr noch nen Haps drauf!
Du beschreibst und erklärst sehr viel, zu viel, statt show don´t tell zu "machen".
Wirklich? Ich habe mir Mühe gegeben alle Gefühle zu zeigen:
"Herr Bokert wird blass.
Er nickt leer ...
Tränen vernebeln ihm die Sicht und es kostet Mühe seine Stimme fest klingen zu lassen."

An einigen Stellen habe ich das jetzt noch intensiviert - er erschrickt jetzt nicht als er auf die Uhr sieht, sondern zuckt zusammen. Ich finde allerdings nicht, dass es sich flüssiger liest oder beim Leser besser eindringt. Aber es ist zugegebenermaßen auch nicht schlechter ;)

Stilistisch gäbe es einiges zu verbessern
Verrätst du auch was? Das würde mir helfen!
Es wird nicht klar, was denn bei der Präsentation schief ging.
Prima, hab ich gleich zwei Leser beglückt mit meinem Zusatzgähner ;)
Also keine Grund zum Winseln für Bokert, finde ich.
Wie grausam du bist. Sein Lebenstraum.. das Holzhaus, die Arbeit, er hat alles richtig gemacht und doch verloren - ich finde das melodramatisch und hätte ihn am Liebsten aus dem Fenster springen lassen und auf der Holzterrasse landen!

Ich würde mich über weitere Kritiken sehr freuen. Wer noch kritisieren mag, sollte diesen "Spoiler" vielleicht nicht aufklappen.

Herr Bokert heisst so, weil Bokert der arbeitswütige Fabelbiber ist. Das Projekt war eine "Antifabel" - mit Widerlegung statt Erklärung einer These und mit Menschen die die Fabeltiereigenschaften haben. Mir schwebt eine Idee für eine Sammlung solcher Stories im Kopf - denkt ihr das könnte funktionieren?

 
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Hallo lockenwolf,

und herzlich Willkommen bei KG.de.

Ich habe die Geschichte gern gelesen. Dein Herr Bokert macht auf mich einen sehr sympathischen Eindruck, deshalb habe ich auch gern meine Zeit mit ihm verbracht.

So ein bisschen Kleinkram habe ich aber mitgebracht:

Kennst du das wohlige Gefühl, nach einem nasskalten Herbstspaziergang mit einer heißen Schokolade und einem guten Buch in der Badewanne zu liegen?
So fühlt sich Herr Bokert, wenn er frisch geschnittenes Holz berührt.

Eigentlich finde ich den Einstieg schön. Im Leser ein wohliges Gefühl zu wecken und dann nachzusetzen, so fühlt sich Herr Bokert, wenn er frisches Holz riecht, ist schon schön gemacht. Ich weiß nur nicht, ob ich wirklich all die Informationen aus dem ersten Satz brauche. Nasskaltes Wetter, heiße Schokolade, gutes Buch - das dreht sich um sich selbst.
Kennst du das Gefühl, durchgefroren nach einem nasskalten Herbstspaziergang in der Badewanne zu liegen?
Viel Verlust an Intensität ginge bei der Verkürzung nicht verloren.

...die Eltern konnten kaum so schnell Material heranschaffen, wie der kleine Herr Bokert produzieren wollte.

Schön.

Die Vorstellung mit Holzgeruch in der Nase wach zu werden, beim Essen auf die rustikalen Bohlen der Küchenmöbel zu schauen und das Knarren der Paneele auf dem Weg zur Tür zu hören, hat ihn sehnsüchtig gemacht.

Sehr schön hier der Bezug auf die verschiedenen Sinne. Riechen, sehen, hören.

... hat ihn sehnsüchtig gemacht. Sehr sehnsüchtig. Bis heute hatte der Wunsch viele Jahre Zeit zu reifen. Jeden Tag wünscht er sich, dass der Handlauf, den er auf der Arbeit drechselt für die Treppe seines eigenes Hauses sei.

Das ist irgendwie so mit der Pauke. Damit man es auch ja nicht überlesen kann. Dabei ist es dem Leser doch schon völlig klar, wie er tickt ;).

... hat ihn sehnsüchtig gemacht. Und nicht selten träumt er auf Arbeit, dass der Handlauf, den er gerade drechselt für die Treppe seines eigenes Hauses sei.

Die Ausarbeitung nimmt ihn so ein, dass er gar nicht merkt, wie am Rand des Tisches ein Foto seiner Kinder in das Chaos auf dem Fußboden fällt.

Das ist auch schön für die Figurenzeichnung. Und ich dachte, dies läuft auf eine Geschichte hinaus, in der ein Workaholic seine Familie verliert. Insofern hat mich Den Verlauf überrascht. Ist ja gut, wenn man eine Geschichte nicht vorhersehen kann.

Eine Woche später.

Solche Einschübe wirken ungeschickt. Zeitsprünge in den Fließtext zu integrieren, ohne sie dabei dem Leser so direkt vors Auge zu nageln, ist schon schwieriger. Allerdings kannst Du hier darauf verzichten, da im nächsten Satz ja eigentlich alles gesagt wird. Die Messe ist vorbei, sie liegt jetzt in der Vergangenheit, damit ist klar, Zeit ist dazwischen vergangen.

Die Kunden sind neugierig, als er dynamisch das Besprechungszimmer betritt. Dieser Mann hat also den genialsten Tisch der Messe auf ihre Bedürfnisse angepasst. Er wird ihnen das ideale Möbel für ihren Konferenzraum zeigen,

Das ist auch so eine inhaltlich Wiederholung, weil Du dem Leser nicht traust. Weil Du glaubst, es noch einmal fett aufs Brot schmieren zu müssen. Tut gar nicht Not und könnte gestrichen werden.

Nach dem Termin nimmt sein Chef ihn beiseite. »Sie müssen einfach mal Urlaub machen. Sie sind nur überarbeitet.« Er nickt leer und fragt sich, was er falsch gemacht hat.

Das fragt er sich nicht wirklich. Er weiß ja, was er falsch gemacht hat. Vielmehr stellt er sich die Frage, wie ausgerechnet ihm diese Fehler passieren konnten.

So viel Herzblut und Leidenschaft stecken in diesem Projekt. Sein Traum von der bravourösen Präsentation, von dem großen Auftrag, von dem Moment, in dem ihm alle auf die Schulter klopfen, zerplatzt wie eine Seifenblase und hinterlässt Wehmut.

Das ist auch so ein Erzählereinschub, der nur für den Leser gedacht ist, aber nicht für die Geschichte. Dieses darauf drücken, wie enttäuscht er von sich ist, wie er glänzen wollte, aber versagt hat. Da würde ich mir liebe Handlung wünschen, in der ich sehen kann, wie es den Bokert zerreißt und beschämt, als es so mit Phrase (Seifenblase zerplatzen) präsentiert zu bekommen. Mit ihm fühlen ist stärker, als über ihn zu hören ;).

»Da hab' ich das Telefon bestimmt überhört. ... Gewonnen? Das ganze Turnier?« Tränen vernebeln ihm die Sicht und es kostet Mühe seine Stimme fest klingen zu lassen. »Der Gewinn war was? … ein Blockhaus?«

Ja, dass ist schon Ironie des Schicksals. Allerdings war mein letzter Stand der Dinge noch, dass er gar nicht zum Skat gegangen ist, wegen der vielen Arbeit. Und jetzt ist auf einmal die Rede von einem Turnier, dass er gewonnen hat und dann noch mit einem solchen Preis. Ich will auch an einem solchen Turnier teilnehmen! Aber sei es drum. Meine Hauptkritik ist, warum er auf einmal doch Zeit für Skat hat und wieso der Gewinn verfällt, wenn er das Telefon nicht abnimmt. Am Ende merkt man stark den Konstruktionswillen des Autors, da wackelt es mächtig, da sind die Lücken zu groß um überzeugen zu können. Mich jedenfalls. Die Idee hinter der ganzen Geschichte, da reibt sich jemand auf, schuftet wie ein Irrer und am Ende fährt genau deshalb der Zug des "Glücks" an ihm vorbei.

Viel Freude Dir noch hier im Forum.
Beste Grüße Fliege

Herr Bokert heisst so, weil Bokert der arbeitswütige Fabelbiber ist. Das Projekt war eine "Antifabel" - mit Widerlegung statt Erklärung einer These und mit Menschen die die Fabeltiereigenschaften haben. Mir schwebt eine Idee für eine Sammlung solcher Stories im Kopf - denkt ihr das könnte funktionieren?

Nein. Ich denke nicht, dass das funktioniert. Also Widerlegung statt Erklärung ja, aber was soll das mit den Fabeltieren? Ich habe an keiner Stelle Deines textes einen Biber vor mir gesehen. Und auf Fabeltiere werden menschliche Eigenschaften gelegt. Und jetzt willst Du tricky, auf Tiere übertragene menschliche Eigenschaften auf Menschen zurückübertragen? Verstehe ich nicht. Natürlich haben Menschen menschliche Eigenschaften. Wie soll den der Leser dahinter erkennen, das diese von einem Biber herkommen? Ich glaube, da beißt sich die Katze in den Schwanz.

 

Vielen Dank für deine wirklich vielen nützlichen Anregungen, Fliege. Die meisten konnte ich gut nachvollziehen und habe mich dabei erwischt, dass viele meiner Sätze tatsächlich nur da stehen, weil ich will dass der Leser auf jeden Fall ganz genau das und nur das vor sich sieht, was ich im Moment des Erfindens im Kopf hatte. Erschreckend, weil das ja auch schon in den anderen Kommentaren durch schimmerte. *note.to.self* Ich muss mich zwingen, meinem Leser mehr Platz zu lassen!

Mein Schluss und die Handlung scheinen nicht ganz deutlich zu werden, weil es mir manchmal schwer fällt mich in den Leser zu versetzen, der nicht weiß, was ich weiß. Gedacht ist es so, dass er die gesamte Nacht durcharbeitet an dem Ausziehtisch und deshalb damit baden geht - wegen totaler Übermüdung und weil er seit Ewigkeiten immer alles selber machen will, ohne zu peilen, dass er sich völlig übernimmt. In der Nacht rufen seine Skatkumpel an und erreichen ihn nicht. Sie fahren ohne ihn hin (irgendwoher haben sie bestimmt jemand gefunden, der mit zockt) und gewinnen ohne ihn das Haus. Dabei ist ein wenig unplausibel, dass es bei den üblichen Dorfturnieren bestimmt keine Häuser als Preis gibt, aber dass sie ohne ihn gewinnen kann ja passieren. Vielleicht sollte es lieber Poker sein, aber zum Holzwurm war mir Skat passender.

Jedenfalls habe ich auf Basis deiner Vorschläge gerne noch mal editiert. Ich weise darauf hin, dass ich mich dabei als Frau von der heißen Schokolade in der Wanne trennen musste. Ich bin über den schmerzlichen Verlust dieses Bildes noch nicht ganz weg! ;)
Was mir am schwersten fällt, und was ich bisher noch nicht umsetzen konnte, ist deine (berechtigte!) Kritik an der Seifenblase. Ich verstehe worauf du hinaus willst, und bestimmt wäre es sehr einprägsam, wenn er etwas tun könnte, was seine Emotionen ausdrückt. Aber was ich auch schreibe, es kommt mir an den Haaren gezogen vor. Ich verspreche an dieser Stelle später nochmal weiter zu arbeiten. Bis dahin tausend Dank!

 

Hallo Lockenwolf!

Ich habs nicht ungern gelesen, aber fands auch nicht so doll. Der erste Absatz war gut, fand ich, aber dann hast du es übertrieben mit dem Holz. Da war so viel Holz drin, dass ich kein Holz mehr haben wollte irgendwann, sondern mehr von der Figur. Du kannst schon schöne Sätze drechseln, aber es bleibt mir zu eindimensional. Gefühle kommen nicht auf, mir ist der Holzwurm egal, weil ich ihn nicht kenne. Ich kenne nur eine Seite von ihm, das reicht aber nicht, weil sich das nicht nach einem Mensch anfühlt.

Das Ende:

Was mir am schwersten fällt, und was ich bisher noch nicht umsetzen konnte, ist deine (berechtigte!) Kritik an der Seifenblase. Ich verstehe worauf du hinaus willst, und bestimmt wäre es sehr einprägsam, wenn er etwas tun könnte, was seine Emotionen ausdrückt
Ich gebe Fliege Recht, da wäre eine Szene besser und vielleicht würde die ganze Geschichte einiges gewinnen, wenn am Ende eine wortlose Szene stünde. Ich finde, er sollte sich am Holz vergehen. Nichts Spektakuläres, nichts Übertriebenes. Einfach irgendwie zeigen, dass etwas zerbrochen ist in ihm. Vielleicht macht er sich eine Flasche Rotwein auf, seufzt, guckt aus dem Fenster und dreht den Korkenzieher in irgendein Stück frisches, duftenes Holz, dass die Maserung zersplittert. Was weiß ich.


Lollek

 

Hallo Lollek
Danke für deinen Kommentar. Ich habe an einigen Stellen im Text ein paar Formulierungen umgestellt, um das Holz nicht allzu nervig werden zu lassen. Wegnehmen wollte ich allerdings nichts davon. Es ist eine Szene aus Bokerts Leben und es geht im Wesentlichen um diesen einen Zug von ihm.
Deine Korkenidee hat mich endlich auf eine Idee gebracht, die die hässliche zerplatzende Seifenblase würdig ablösen kann. Sie ist noch nicht perfekt, aber ich bin superglücklich, dass ich hier umstellen konnte. Für dich ist es vermutlich zu spektakulär und übertrieben. Aber für mich fühlt es sich erstmal deutlich besser an, als das platte "die Welt zerbricht".
Danke für diesen Schubser!
lockenwolf

 

Kennst du das Gefühl, nach einem nasskalten Herbstspaziergang in der heißen Badewanne zu liegen?,
gerad' heruas: nein!,

liebe® lockenwolf,

auf eine direkte Frage gehört die direkte Antwort: ich scheue nämlich wie Wolf und dessen Derivate nicht grundsätzlich, aber heißes Wasser. Und damit erst einmal

herzlich willkommen hierselbst,
und das nicht nur, weil wir Liebhaber der nicht börsengehandelten Derivate des Wolfes sind, sondern auch noch Armin Maiwald und seine Crew kennen!

So fühlt sich Herr Bokert, wenn er frisch geschnittenes Holz berührt –
was ich folgerichtig nach dem Einleitungssatz nicht so recht nachvollziehen kann, was aber nicht bedeuten soll, dass ich darauf bestünde, den Einleitungssatz etwa dergestalt, dass ich in handwarmen Branntwein oder eiskaltem Klaren (östliche Wässerchen böten sich dort an) baden müsste, was zwar eine Totaldesinfekion ohnegleichen wäre, ich diese aber lieber auf meinen einleitenden Verdauungstrakt insonderheit des Zahnfleisches beschränken würde (mich reitet Jean Paul – ich kann dem nicht entkommen!, was wiederum kein Hilfeschrei ist, sondern pure Anpassung – mal eine andere Art von mainstream), womit wir recht aufwändig den ersten von wohltuend wenig Schnitzern - um in der Sprache des Protagonisten zu bleiben - erreichen:

Der einfühlsame Pinselstrich* mit dem van Gogh seine Sonnenblumen zeichnete, …
Hier empfehle ich ein Komma, sollten doch beendete Nebensätze auch „gekennzeichnet“ beginnen … Alternativ böten sich natürlich für Anfang und Ende Gedankenstriche an …, wie auch hier

Es ist gerade noch Zeit[,] vor dem Termin zu duschen und sich einen frischen Anzug anzuziehen.
, was selbstverständlich ein Folge der Ausnahmen zur kann-Regelung der Infinitivsätze bildet (K 117 Ziffer 2, Duden Bd. 1)

Diese Obsession entwickelte sich bereits in seiner Kindheit.
Ja, so spielt das Leben, dass manchen Kindheitserfahrungen nicht mehr verlassen … Aber wäre der „chanel-Duft natürlicher als der des Harzes? Was wird da dem Kinde aufgezwungen? Ähnlich, wie hier

Zu dem hellen Ahorn passt der Einsatz aus Eichenholz, wie ein hautenges Top zu Rainer Callmund –
Was ich wieder einen unpassenden Vergleich finde.

Wer bestimmt eigentlich, wie Menschen aussehen und was sie tragen dürfen, gleiche Typen, die auch Hunde mit eingeschlagener Schnauze, coupiertem Schwanz etc. hübsch finden? Da ist mir der so weit als möglich selbstbestimmte Calmund lieber als ein dubioser mainstream. Aber das nur am Rande!

Gruß & schönes Wochenende vom

Friedel

 

Herzlichen Dank lieber Armin-Maiwald-Mitkenner. Danke für deinen Kommentar, den ich nicht nur inhaltlich nützlich, sondern auch künstlerisch äußerst bereichernd fand.
<friedrichard-modus an>Ich lege dir allerdringendst nahe, dir eine solche heiße Wanne zu besorgen - und einige Lockenwölfe dazu, damit du das Bokertholzgefühl nachempfinden kannst. Jedenfalls solltest du keinesfalls in eiskaltem östlichen Klaren baden, da stimme ich zu! Nicht zustimmen kann ich bei Hunden mit eingeschlagener Schnauze und kupierten Ruten oder Ohren. Meine sind die lebenden Beweise für den einfachen Merksatz: gute Hunde sind schwarz und haben Locken (meiner hat ganz kurze und sieht so aus: http://youtu.be/d8_--rgIWVc).
Die Ausnahme der kann-Regelung für die Infinitivsätze werde ich mir unters Kopfkissen legen und habe die hässlichen Interpunktionsfehler ausgemerzt. Und, last but not least, habe ich mich von Rainer Callmund verabschiedet, weil er auch ohne Top kein tolles Bild in meiner Geschichte abgibt. Er fiel einer Alliteration zum Opfer, die viel eloquenter mein Bild für die schlampige Farbauswahl spiegelt.<friedrichard-modus aus>
Also tausend Dank für deine Tipps und die nette Begrüßung. Ich muss echt zugeben, dass solche Posts mich in dem Gefühl bestätigen: hier biste richtig!

 

Zu dem hellen Ahorn passt der Einsatz aus Eichenholz, wie ein pinkes Top zu einer Trauerfeier
gefällt meinem Zwobeiner, der wieder nur Maibock im Sinne hat,

liebe lockenwölfin,

tatsächlich besser und - im Jargon der Handwerkerzünfte - angemessener. Denn Keiner wäscht Rainer, Calmund muss sich selber waschen ist nun wahrlich kein TrauerKloß.

Bingo-Bongo

von Wolke sieben und für den Vorschulkindergarten nebst Export cloud nine. Mit einer Ablichtung meiner geliebten Belgia - der schönsten Groendaele unter Gottes weitem Hundehimmel - kann ich leider nicht dienen. Aber wenn die Sonne mal wieder scheint, wird Belgias Fell hennafarben leuchten ...

 

Hi lockenwolf!

Das hab ich gern gelesen, das ist ein hübscher kleiner Text.
Herr Bokert vergräbt sich in seine Holzarbeit so sehr, dass er darüber das Leben vergisst, überarbeitet sich, so dass er in der Arbeit versagt, und verpasst dadurch auch noch die Chance auf sein Blockhaus. Schlimme Sache.

Den ersten Absatz fand ich sprachlich wunderschön.

Kennst du das Gefühl, nach einem nasskalten Herbstspaziergang in der heißen Badewanne zu liegen? So fühlt sich Herr Bokert, wenn er frisch geschnittenes Holz berührt.
Macht mir ein schönes Bild im Kopf, mag ich. Hier tut der Text noch wie eine Kindergeschichte "Kennst du das Gefühl ...", richtet sich mit van Gogh, Chanel und Frauenduft dann aber gleich an Erwachsene. In den ersten zwei Absätzen fand ich diese Mischung noch sehr gut.

Er würde den Chanel-Duft seiner Frau jederzeit gern gegen den würzigen Geruch von Harz tauschen.
Wer würde nicht! Seifiges Chanel oder Harz? Tausendmal Harz natürlich :)

Das mit dem "Holzwurm" gefällt mir auch sehr gut.

Diese Obsession entwickelte sich bereits in seiner Kindheit. Die »Sendung mit der Maus« zeigte, wie ein Nachttischchen mit Schublade hergestellt wird. An diesem Tag begann er, mit Holz zu basteln und später zu schnitzen. Tiere, Menschen, Dosen, Vasen, Teller - die Eltern konnten kaum so schnell Material heranschaffen, wie der kleine Herr Bokert produzieren wollte. ...
Ja, das ist alles rein erzählt, und hübsch dabei, mit diesem märchenhaften Ton "der kleine Herr Bokert", gefiel mir immer noch gut.

Er arbeitet gern. Nein, das ist die Untertreibung des Jahrhunderts! Er liebt seinen Job und hasst den Feierabend. Aber der schlaue Herr Bokert hat eine geniale Lösung für dieses Problem.
Ab hier empfand ich die Sprache als "brüchig". Da ist noch der Kindergeschichtenerzähler drin "der schlaue Herr Bokert hat eine geniale Lösung", aber ab hier läuft das unrund für mich. Der "Kinderton" schwindet dann auch ganz, die Erzählstimme bleibt zwar noch naiv, kurze einfache Sätze, aber irgendwie ... ach, so richtig begründen kann ich das leider nicht. In der direkten Rede kommt dann normale, moderne Umgangssprache. Ich bekam die unterschiedlichen "Tonlagen" des Textes nach den ersten zwei Absätzen nicht mehr unter einen Hut.
Solche Mischungen haben wirklich interessante Effekte. Bei mir hat die Sprache nicht mehr so gut funktioniert nach dem Einstieg, da hatte ich das Gefühl, der Text wüsste sprachlich nicht, wohin er wollte.
(Die Untertreibung des Jahrhunderts würde ich unbedingt rausnehmen, das ist so eine abgelutschte Phrase.)

färben sich kohlschwarz, rollen sich im Todeskampf zusammen und zerfallen zu Asche.
Das fand ich schön.

Ja, wie gesagt, gern gelesen, aber hab über die Sprachenmischung stutzen müssen. Das geht bestimmt noch runder ... du wolltest so Richtung moderne Fabel? Vielleicht findest du gute Übersetzungen von James Thurber, da könnte man mal gucken, wie der das so macht ...?

LG,
MG

 

Das hab ich gern gelesen, das ist ein hübscher kleiner Text.
Das freut mich außerordentlich.
Ab hier empfand ich die Sprache als "brüchig". ... Bei mir hat die Sprache nicht mehr so gut funktioniert nach dem Einstieg, da hatte ich das Gefühl, der Text wüsste sprachlich nicht, wohin er wollte.
Ich kann erahnen, worauf du hinaus willst. Aber eine richtige Lösung fällt mir noch nicht ein, wie ich der Geschichte aus diesem Dilemma helfen kann. Vielleicht habe ich ein wenig Hirnschmalz übrig, wenn ich mit den Dinos fertig bin.
(Die Untertreibung des Jahrhunderts würde ich unbedingt rausnehmen, das ist so eine abgelutschte Phrase.)
Jo, kein Problem. Ist weg.
Vielleicht findest du gute Übersetzungen von James Thurber, da könnte man mal gucken, wie der das so macht ...?
Tatsächlich schwebte mir mal die Idee im Kopf eine ganze Sammlung von solchen Anti-Fabeln zu basteln. Immerhin habe ich das so gut hinbekommen, das die Absicht erkennbar ist :) Die Idee war, die Moral zu widerlegen statt zu beweisen und dafür Menschen einzusetzen, die Charakteristika der Fabeltiere tragen. Bokert ist der arbeitswütige Fabelbiber. Daraus wollte ich mit einem Rahmen eine Gesamtgeschichte basteln, aber ich bin drüber weg.
Der Tipp mit James Thurber ist trotzdem spannend, ich habe mir für 8,50 Euro mal 75 Fabeln gegönnt und bin gespannt.
Vielen Dank für dein Feedback.

 

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