Ob es eine gute Idee war?
Ob es eine gute Idee war, das Foto von der Silvesterparty auszudrucken? Meine Hände suchen es ständig, meine Augen blenden Lena, Yannick, Björn und Thorsten aus, bis einzig wir beide übrig sind: Esther und Daniel - der bildliche Beweis des Höhepunktes nach zwei, drei tollen Wochen.
Deine Augen strahlen durch die Fotopapierbeschichtung hindurch. Die Lachfalte zwischen Nase und Mund steht Dir so hervorragend. Deine Haare versprechen in dem Moment, sich drei oder vier Stunden später wie das Kostbarste auf der Welt anzufühlen; und sie haben nicht gelogen. Dein Mund... oh Dein Mund.
Theoretisch kennen wir uns seit Jahren, lebten verschiedene Leben, die sich gelegentlich zart berührten, mit gemeinsamen Freunden, nur manchmal in derselben Stadt. Du warst immer die schöne, ein wenig unnahbare, beste Freundin von Lena. Ich weiß nicht, wann meine Wahrnehmung anfing, sich zu korrigieren. Als ich bemerkte, wie schön und häufig du lachst? Als wir mit Lena in einer einzigen Nacht die erste Staffel von "The Killing" sahen und ich mir oft wünschte, sie würde sich noch auf die Couch setzen, damit du gezwungen wärest, näher an mich heranzurücken? Oder als Du beim Ehemaligentreffen so wunderbar süß betrunken warst, dass du mich batest, Dir die Jacke zuzumachen?
Wahrscheinlich waren es diese und weitere Momente, sodass es insgeheim meine Hoffnung für Silvester war, dass man nicht bloß nebeneinander feiern würde.
Ob es eine gute Idee war, das Foto auszudrucken? Während mich die Erinnerung an und die Hoffnung auf Dich in Gefangenschaft nehmen, sitzt Du im Flieger nach Hanoi. Ein Monat. 30 Tage Angst, dass das Foto verblassen könnte.