Mitglied
- Beitritt
- 17.03.2002
- Beiträge
- 3
Nur noch ein Kilo
Wie so oft stand Sandra vor dem Spiegel, begutachtete sich von oben bis unten und konnte beim besten Willen nichts Schönes an Ihr entdecken.
Da war das braune Haar das kraft- und schwunglos das runde Gesicht umrahmte. Da war der viel zu grosse Busen, der ihre kleine Körpergrösse noch mehr betonte. Und natürlich waren da auf dem geblümten Teppichs ihres Zimmers diese 2 Beine. Diese Beine die nichts, rein gar nichts gazellenartiges hatten, wie es von der Modeindustrie verlangt wurde.
Sandra kamen die Tränen, niemals, niemals würde sie mit diesem Anblick zufrieden sein. Jetzt war Schluss, nun war es Zeit diesem Anblick ein Ende zu setzten.
Kurz, Sandra beschloss auf Diät zu gehen.
Anfangs war es einfach, sie ass nur noch Obst und Gemüse, manchmal etwas Brot. Im Schulsport wurde sie auch besser. Überhaupt Sport war nun ihre einzige Freizeitbeschäftigung, neben dem Kalorienzählen. Sie begann zu joggen, zu schwimmen und wieder zu joggen. Manchmal sogar 90 Minuten am Tag.
Sandra hatte ihre neue Leidenschaft gefunden. Bei möglichst geringer Kaloriezufuhr ein Maximum an Leistung zu bringen.
Auch das sich der Zeiger der Waage unaufhörlich der 40 näherte machte ihr Freude.
Das sonderbare war sogar, dass Jungs sie nun beachteten und ihren schlanken Körper bewunderten.
Sogar die Klassenkameradinnen fingen an sie zu bewundern.
Nein, die alte tramplige Sandra gab es nicht mehr.
Doch irgendwann reichte das nicht mehr, jeden tag musste die Waage weniger anzeigen. Es musste noch ein Kilo sein, nur noch ein Kilo.
Dieses Spiel trieb sie dann bis zur 30.
Da wurden auf einmal die Eltern aufmerksam. Die anfängliche Freude, über die immer hübscher werdende Tochter war verflogen.
Nun zierten tiefe Sorgenfalten das Gesicht Sandras Mutter.
Doch es war zu spät. Niemand konnte sie mehr aufhalten.
Nahrung war der Feind, Nahrung war Fett, Nahrung war eine Belastung.
Sandra wollte nichts mehr in ihrem Körper aufnehmen.
Sie glich einem Skelett, einem kindlichen Skelett, das doch etwas wunderschönes war. Denn wer fand schon Fett attraktiv. Die Modeindustrie, nein die schickte ja selbst wandelnde Skeletts über den Laufsteg.
Ein Jahr nach dem Sandra gestorben war, sah ihre Mutter einen Bericht im Fernsehen. Er handelte von den Juden im 2. Weltkrieg in den KZ's.
Die Frau sah die jämmerlichen Gestalten an und es entflog ihr leise ein Wort aus dem Mund :
" Sandra ".
Diese Gestalten sahen ihrer Tochter einfach zu ähnlich.
Dann erhob sich die Frau und ging zum Aerobic-Kurs, sonst würde doch das 34 er Channel Kostüm nicht mehr passen...........