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Nur ein paar Tropfen
Alle Augen waren auf ihn gerichtet. Unverständnis, Fassungslosigkeit, Ärger und Abscheu waren darin zu lesen. Gerade drehte sich einer der Gäste zu seinem Tischnachbarn um und sagte zu diesem, laut genug, dass auch er es hören konnte: „Was für ein Arschloch.“
Und es waren nicht die einzigen Worte dieser Art, die sich nun durch seine Ohren in sein Gehirn fraßen.
Was war nur in ihn gefahren? Das eben war doch gar nicht er. Nein, so war er nicht.
Die Blicke, die Kommentare an den anderen Tischen, sie drückten ihm fast die Luft ab. Er wagte kaum zu atmen.
Nun erschien die Chefin, stellte eine frische Tasse Kaffee vor ihn hin und gab ihm überfreundlich, aber sehr bestimmt zu verstehen, dass diese Tasse nichts kostete, ihn hoffentlich für seinen Ärger entschädige, aber dass er ihr Café niemals wieder betreten solle. Beifälliges Nicken ringsherum.
Keinen Schluck brachte er hinunter. Er wünschte sich ans Ende der Welt, oder tot unter die Erde. Alles besser, als das hier. Wie ein geprügelter Hund verließ er das kleine Café, in das er sich nach seinem Auftritt sowieso nie wieder gewagt hätte. Er schämte sich entsetzlich und wusste, eigentlich müsste er sich entschuldigen. Aber ihm fehlten der Mut und auch die Worte.
Was war da gerade mit ihm passiert? Ein paar winzige Tropfen Kaffee. Lächerliche drei Tropfen auf der Tischdecke vor ihm, nicht einmal auf seinem Anzug, und er verlor jegliche Selbstkontrolle. Praktisch aus dem Nichts heraus, nie dagewesene, rasende Wut. Eine winzige Ungeschicklichkeit der jungen Bedienung, und sie konnte sich vor seinen wüsten Beschimpfungen nur noch weinend in die Küche flüchten. Solche Dinge würden ihm doch niemals über die Lippen kommen. Ihm doch nicht. Und doch hatten sie schreiend seinen Mund verlassen.
Oh, wie sehr er sich selbst verachtete. Nachher bei seiner Frau, und auch morgen an der Arbeit, würde er die Respektlosigkeiten ihm gegenüber, die Demütigungen und Missachtung, wie immer klaglos erdulden, denn er ist doch ein höflicher, stiller Mensch, der anderen stets mit Respekt begegnet.