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Nur ein Haufen

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Nur ein Haufen

Nur ein Haufen

Am Wegesrand sammelten sich so einige Ameisen. Sie besiedelten wilden feurig-roten Klatschmohn, der grade in praller roter Blüte stand. Der Rasen war besprenkelt von funkelnden Wassertropfen, die an den Halmen entlang abwärts perlten. Doch das kühle Nass tropfte nicht auf braune Muttererde, nein, denn auf dem Boden herrschte ein reges Durcheinander. Das Ende des Weges eines Tautropfens war zumeist ein winzig schwarzer Körper.

Der Waldpfad selbst wurde zu einer Ameisenautobahn und der Förster beachtete die ungeschriebenen Straßenvorschriften. Er hockte sich bedächtig und mit äußerster Vorsicht auf den festgetrampelten schmalen Weg. Seine Finger waren, im Gegensatz zu den zarten Grashalmen, riesig und faltig. Er schob ein paar längere Grashalme sacht zur Seite und erblickte das schwarz-glänzende Gewusel. Ein wildes Wirrwarr aus kleinen schwarzen Leibern, Fühlern und Beinen.

Als der Förster wenige Tage später mit einem Gestell aus Maschendraht zurückkehrte, konnte er schon einen gleichmäßig geformten, kleinen Hügel erkennen. Vorsichtig stülpte er, liebevoll lächelnd, seine Konstruktion über das belebte Chaos. Die Ameisen konnten sich noch frei bewegen und waren durch den Maschendraht dennoch geschützt. Täglich ging der Förster an dem Hügel vorbei. Stetig wuchs der Hügel, ebenso seine Bewunderung für die fleißigen Ameisen. "Bald muß ich ein größeres Gestell für meine kleinen Freunde bauen", dachte er bei Betrachtung des wachsenden Palastes der Ameisen mit glänzenden Augen.

Wie jeden Tag folgte er dem Weg entlang des Ameisenhaufens, auch an jenem Morgen.

Komplett zerstört! Ein Dachs!

Zornesröte stieg ihm ins Gesicht. Ein reifer Mann war er und Tränen wegen ein paar Ameisen waren nicht erlaubt. Doch pocherten die salzigen Tränen unter gegerbter Haut. Hinaus wollten ganze geschmolzene Gletscher, über Jahre angestaut. Ein Staudamm, den es zu durchdringen galt.
Verhalten sah er sich um. Kein Mensch war weit und breit zu sehen.

Verschüchtert ergoß sich eine Träne aus seinem Auge, schnell fing sein Jackenärmel sie noch auf. Verschleierten Blickes sah er sich um, der roten Mohn in seiner grazilen Form wurde unförmig. Angemalte böse Fratzen wogen sich im Wind.

Der Staudamm brach und die Gletscherbäche suchten sich ihren Weg ins Tal.
Verzweifelt schlug er seine Hände vors Gesicht, doch die Bäche fanden ihren Weg.
Er zuckte, als hätter er Fieber und schluchzte wie ein kleines Kind. Eine jede Träne, die ihre eigene Geschichte erzählen will.
Geschichten hinter einem Staudamm.
Lange stand er da und schluchzte. Schluchzte mit jeder Träne.
Schluchzte mit jeder Geschichte.

Dann sah er wieder klar. Der Wind kühlte sein erhitztes Gesicht.
Er lächelte sanft, als er sah, dass der kleine geschändete Haufen den Himmel zurückerobern wollte. Stetig stieg das schwarzfunkelnde Krabbeln in die Höhe.

Er pflückte die schönste Mohnblüte, nahm das verdellte Schutzgestell aus Maschendraht,es mußte ja repariert werden, und eilte befreit nach Hause.

[Beitrag editiert von: Maya20 am 28.02.2002 um 00:39]

 

Nette kleine Geschichte!

Sie beschreibt die Faszination der Natur. Ich mag solche Geschichten sehr gerne, wenn sie auch nicht gerade spektakulär sind.
Der Schreibstil gefällt mir auch.
Nur bei den Recherchen wurden Fehler begangen. Denn Waldameisen haben Keinen Schwarzen Körper. Zumindest nicht die, die in Europa nagesiedelt sind. Von den anderen Kontinenten weiß ich da nichts. Das wäre Fehler Nummer eins.
Fehler Nummer zwei ist, dass ein Wildschwein nie einen Ameisenhügel zerstören würde. Das würde ihr Schutzinstinkt nicht zulassen. Denn die Säure der Ameisen, die sie zur Lähmung ihrer Beute nutzen Wirkt im Fell der Schweine wie kleine unaufhörliche Stromstösse.
Ich an deiner Stelle würde den Zerstörer einen Dachs nennen. denn die lieben das Wühlen in Ameisenhügeln.
Was mich aber am meisten an der Story stört, ist, das du einen ganz normalen Verlauf der natur mit der Flugzeugkatastrophe in New York vergleichst.
Du musst bedenken, dass alles was in der Natur geschieht seinen Sinn hat, doch dieses Attentat war nur noch sinnlos!
Den Schluss könntest du also nochmal überdenken.

Luja sog i

 

Hallo noch einmal.

Ich komme selbst aus einer sehr ländlichen Gegend und ich bin mir relativ sicher, dass auch Wildschweine sich an Ameisenhaufen "vergreifen", aber es stimmt schon, ein Dachs wäre sinnvoller gewesen.

Mit der kleinen Story wollte ich auch mal eine andere Sichtweise auf den tragischen 11. September werfen. Jeden Tag passieren solche Grausamkeiten in der Natur, wenn auch von Instinkten gesteuert und nicht von brutaler Zerstörungswut, aber dennoch, sie geschehen und kaum ein Mensch bekommt es mit.

Ich habe die kleine Naturgeschichte absichtlich mit dem Schluß angegriffen und irgendwo auch zerstört.

Kannst du diese Aussagen darin wieder erkennen?

 

Kannst du diese Aussagen darin wieder erkennen?

Das kann ich irgendwie nicht.
Denn die Ereignisse des 11. September sind durch fanatismus und Zerstörungswut geschehen. Doch diese Charaktereigenschaften gibt es in der Natur nicht.
Ich muss auch geschehen, dass mich deine Geschichte nur deswegen zu Überlegungen über die Katastrophe verleitet, weil ich da keinen Zusammenhang sehe.
Für mich ist die Story eine gute Naturgeschichte, und deshalb wert gelesen zu werden, mehr jedoch nicht!

Luja sog i

 

Ich sehe das genau so wie Hennaboindl. Bis zu dem Satz

Der Förster dachte an den „Turmbau zu Babel“ und dann...

...dann dachte er an zwei hohe Türme in New York.


fand ich die Story richtig gelungen.

Es ist zu absurd, dass jemand bei einem solchen "Naturvergehen" an das brutale Attentat zu denkt, finde ich.
Es ist andererseits auch gefährlich, weil das Attentat dann mit einer Instinkthandlung gleichgesetzt wird. Wut und Hass spielten eine Rolle. Ich glaube nicht, dass das Wildschwein in diese Beziehung hineinpasst.

Außerdem habe ich bei dem Vergleich mit dem "Turmbau zu Babel" Zweifel. Nach der Sage sürzte der Turm als Bestrafung Gottes für die Eitelkeit der Menschen ein. Auch dies lässt sich vergleichend in dem Schicksal des Ameisenhaufens nicht wiederfinden.

Vielleicht findest du etwas Passenderes für dieses "Attentat".

Viel Glück
Frederik

[Beitrag editiert von: Frederik am 30.01.2002 um 17:17]

 

Moin einmal.

Habe über eure Kritikpunkte nachgedacht und die Geschichte geändert, eigentlich ist sie jetzt komplett geändert.
Ihr hattet recht, der Turmbau zu Babel oder der 11. September paßten da nicht so recht zu. Genaugenommen gar nicht.

Ich hoffe, sie findet so besseren Anklang????

Lieben Gruß
Maya

 

Hallo Maya

Kenne das Original nicht. Bin auch kein Naturmensch. Aber die Idee des Försters, der nur dann weint, wenn ihn niemand sieht, ist drollig. Die Person ist ausbaufähig. Erinnert mich irgendwie an den Alm-öhi aus "Heidi." Harte Schale, weicher Kern.
Ist er Single und lebt nur mit ein paar Tieren zusammen - könnte ich mir so vorstellen?

Stefan

[Beitrag editiert von: Quasimodo666 am 28.02.2002 um 15:55]

 

Moin Stefan!

Danke für's Lesen.

Ist er Single und lebt nur mit ein paar Tieren zusammen - könnte ich mir so vorstellen?
Er sollte eigentlich hervorgehen, dass er eine Familie (zumindest ein sozial gefestigtes Umfeld) hat, weil er ja erst weinen "kann", wenn er alleine ist.
Scheint dann aber nicht so logisch rüberzukommen, hmmh?

Lieben Gruß,
Maya

 

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