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Nur ein Gedanke
Er liegt auf seinem Bett, die Arme hinter dem Kopf verschränkt, die Augen geschlossen. Eine Träne spiegelt sich ganz unscheinbar im einfallenden Licht der kleinen Nachttischlampe. Unbeirrt geht sie ihren Weg, und niemand weiß, wohin es sie verschlagen wird. Es ist eine schwere Zeit für ihn, er muss viel durchmachen, vielleicht zu viel für seinen schmalen, gebrechlichen Körper. Er hat in seinem Leben schon eine Menge Leid erlebt, doch es war ganz gewiss noch nie so schlimm wie in diesen Februartagen. Er denkt an die Kälte, die das Land außerhalb seiner Gedankenwelt beherrscht, und er kann sie spüren, nicht da draußen, nein, er spürt sie hier, mitten in seiner Seele. In dieser beschissenen Apparatur, einer Maschine der Irrrationalität.
Gefühle.
Er hat das Gefühl, dass sein ganzes Leben nur eine Farce ist, ein Spiel voller Anonymität, in dem es niemanden interessiert, was den anderen kümmert. Eine Welt aus rohem, glattem Stahl, nur er empfindet das Feuer, das früher so viel bewegt hat. Verloren im Eis ewiger Gefühlskälte.
Wie lange ist das jetzt her? Stunden, Tage? Es könnten Wochen sein, er weiß es nicht, Zeit hat für ihn jegliche Bedeutung verloren, wie alles andere auch. Für ihn zählen keine Grenzen und Gesetze mehr. Die Realität hat ihn eingeholt, jegliche Fiktion weicht klaren Gedanken, die ihn treffen, hart und erbarmungslos, und was bleibt ist ein beißender Schmerz, ein loderndes Feuer, entfacht von Belanglosem, voll zerstörerischer Wut, die sich im Becken der Welt zu sammeln scheint, bevor sie mit voller Wucht auf ihn zuschießt.
Es zerreißt ihn. Immer wieder, wenn er denkt, wenn er versucht, zur Normalität zurückzukehren, Geschehenes vergessen zu machen. Allein der Versuch lässt ihn schreien. Denn mit jedem Gedanken ist verbunden, was er schon immer wusste, was er sich nie eingestehen wollte, was ihn nun getroffen, weggehauen hat, wie ein Orkan,
Es gibt nichts Wahres mehr im Leben eines Menschen. Alles ist nur noch Lüge, erfüllt von Missgunst, Heuchlerei, einer feigen und beschämenden Falschheit. Er fühlt sich wie der einzig bunte Hauptdarsteller in einem Schwarz-Weiß-Film, ihm scheint, als sei er der einzige, der erkannt hat, was in der Existenz eines jeden Bestand hat, jeden Tag, jede Minute. Er erfährt es permanent, es steckt in ihm, in den hintersten Winkeln seines kranken Hirns.
Und das Schlimmste? Seine Schreie sind nur ein Echo am Horizont. Zu schwach, um von irgendjemandem empfangen zu werden. Er ist ein Gefangener seiner eigenen Gedanken.
[ 03.05.2002, 13:43: Beitrag editiert von: Basstardo84 ]