Mitglied
- Beitritt
- 29.08.2001
- Beiträge
- 460
- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 5
Nullsummenspiele
Nullsummenspiele
I.
Endlich Nachricht! Katul betätigte den Visokonstruktor. General Xatras Gesicht erschien als Projektion im Raum.
„Ich grüße Sie, Administrator Katul von Galish-Knag.“
Xatras Auge blinzelte nervös, er schien unzufrieden.
„Nun, zwar könnten Sie von mir aus auf dieser Kolonie verrotten, aber der Großstrategische Rat hat beschlossen, dass Sie, alle drei Kompanien und das gesamte technische Personal den Planeten binnen eines halben Jahres zu verlassen haben. Sie werden dann einen Posten auf Gerak-Knag als Administrator des nördlichen Kontinents übernehmen.“
‚Keine weite Reise’, dachte Katul, ‚aber immerhin angenehme 55 Grad Durchschnitts-Temperatur.’
„Bereiten Sie also den Transport vor … und Katul … nur ein Fehler, nur einen, und ich versetze sie in die Kyras-Minen.“ Xatras beendete das Gespräch und die Projektion brach mit einem Knacken zusammen.
Katul lachte erst einmal geschlagene zwei Minuten, um dann die Administratoren der Zentralsektoren zu sich rufen. Den Abzug zu organisieren würde die erste Aufgabe sein, die er auf diesen gottverdammten Planeten gerne übernehmen würde. Er fühlte sich wie Fragdo von Cblia. ‚In nur einer einzigen Schlacht den Krieg gegen das terranische Imperium umzukehren kann kaum besser sein als das hier’, dachte er vergnügt, und begann zu überlegen, wie er seine kostbare Sammlung an illegal erworbenen Lebensformen nach Gerak-Knag schaffen würde.
II.
Tief unten in den Höhlen herrschte Aufruhr. RufusVII hielt eine Ansprache.
„Dies ist bereits das Dritte Jahrhundert in Unfreiheit! Drei mal Einhundert Jahre Unterdrückung, Knechtschaft, Erniedrigung, Entartung! Sie haben unsere Armeen geschlagen, uns zusammen getrieben wie Vieh, unsere Kultur ausgelöscht – und als wäre das nicht genug – sie haben unsere Art verändert. Die künstliche Seuche, die unser Volk erfasst hat. Der Virus, der uns zu besseren Arbeitern machen sollte. Voll ausgewachsen in nur einer handvoll Jahren, dann der Tod mit 35. Und doch – meine Freunde – und doch stehen wir hier. Wir stehen hier als freie Männer. Der menschliche Wille obsiegt jede bösartige genetische Anpassung. Wir haben es geschafft unser Erbe zu erhalten, einen winzigen Splitter des Ruhmes zu bewahren, der unsere großartige Welt einmal erstrahlen ließ. Noch hausen wir unter der Erde, aber während ich hier rede trainieren 5000 Männer Tag für Tag um uns von der Tyrannei zu befreien. Mit unserem Blut und unserem Schweiß, und den unbezähmbaren Willen, der einzig unserer Rasse eigen ist, haben wir 2300 Phasengewehre hergestellt! Und dazu noch 3000 Projektilwaffen! Der Gegner ist schwach. Dick und fett ist er geworden, wie ein Grin-Wurm im Speck. Ich sage: Die Zeit ist gekommen. Lasst sie uns in den Weltraum zurückjagen!“ Er unterstrich seine Worte in dem er theatralisch einen Schritt nach vorne machte und ein unsichtbares Gewicht in die Höhe zu schleudern schien.
Die Menge antwortete mit Gemurmel. Einer sagte: „Wir sollten weiter ausharren bis das terran…“, weiter kam er nicht. Rufus unterbrach ihn in blanker Wut: „Das terranische Imperium schert sich einen Dreck um uns! Es ist im Zerfallen begriffen, was interessiert die denn irgendeine Welt im hintersten Eck des Universums? Nein! Wir müssen uns selbst helfen. Und das werden wir auch …“
Es würden noch viele Reden folgen.
III.
Katul betrachtete die Kalkulationen. Eine glückliche Fügung des Schicksals hatte dazu geführt, dass ein Handelsabkommen mit einer neu entdeckten Spezies zustande gekommen war, das die Prognose für den Preis von GN-752-Erz auf ein Zehntel des aktuellen Wertes drückte. Die Produktivität seiner Kolonie sank somit auf knapp Null. Bald würde er einer angenehmen Arbeit nachgehen, sich drei - oder warum nicht gleich vier? - neue Sklavinnen besorgen und in eigens dafür geschaffenen Gebieten auf die Jagd gehen. Wenn ihm da nur nicht der alte Xatra in die Quere kam. Und das nur wegen einer einzigen Frau, als sie beide noch nicht mal das Offiziersexamen bestanden hatten. Leider war der Jabb-Cubus so gefallen, dass Xatra die Karriere-Leiter ein Stück höher geklettert war … und dann musste er auch noch sein Vorgesetzter werden! Aber so schlimm war es nicht. Wenn er nichts falsch machte - und er würde sich hüten etwas falsch zu machen - dann konnte ihm Xatra nichts anhaben.
Katuls Gedanken wurden von Xlinas anziehender Gestalt unterbrochen. Mit zwei ein halb Metern Größe und einer optimalen Fettverteilung schien sie Katul geradezu prädestiniert zu sein um sie nach Ankunft auf Gerak-Knag zu seiner Frau zweiten oder dritten Ranges zu machen.
„Administrator“, begann sie freudig, „die Hinrichtungen wurden vorbereitet. Wünschen Sie sie selbst durchzuführen?“
Und wie Katul das wünschte. Alles Bürokraten, die ihn über Jahre erpresst hatten: Wenn jenes nicht passiert sorge ich dafür, dass die Produktion an Zwischenprodukt GJ-K5 um 20% zurückgeht, General Xatra wird nicht sehr erfreut sein! Das Blatt hatte sich gewendet. Sie hatten keine Macht mehr über ihn. Nur noch ein paar hundert Soldaten befanden sich noch auf Galish-Knag, und bereits morgen würde der Planet verlassen sein.
„Ja das tue ich.“ Antwortete er knapp. Und beobachtete wie Xlinas zarte vierfingrige Hände die Kontrollen des Visokonstruktors betätigten. Eine dreidimensionale Abbildung der Zelle erschien und Katul befahl näher hinzufahren. Mit offiziellen Ton begann er zu verkünden: „Rrok, dritter Beaufsichtiger von Werk 337. Ich verurteile sie nach §3344 Zivilordnung für militärischere Einrichtungen aufgrund schwerer Vergehen gegen die Produktionsordnung 015 zum Tod. Sie haben willentlich mehrfach die Produktion unter erreichbarem Niveau gehalten. Schämen Sie sich! Im Namen des Großstrategischen Rates vollziehe ich nun das Urteil.“ Ein Knopfdruck folgte und ein zielgenauer Strahl vaporisierte den Leib des Bürokraten. „Hrek, Leiter der Zwischenproduktfabrik 188 …“
IV.
Der Angriff war schon seit Wochen geplant. Eine Eliteeinheit von 40 Mann würde die wenigen Wachen der nördlichen Schildgeneratoren überwältigen und anschließend die Energiekopplungen sabotieren. Die Modulation der Frequenzen würde schließlich zu einem Zusammenbruch des schützenden Schildrings führen. Dann sollte die Hauptmacht eindringen. Sicher – es würde hohe Verluste geben. Am Ende des blutigen Weges standen jedoch Frieden und Freiheit.
RufusVII betrachtete die Monitore vor sich, die die Bilder der Helmkameras zeigten. Noch Fünf Sekunden bis zur Sprengung. Der laute Knall wurde von seinen Klangfiltern gedämpft. Er sah nur noch eine Staubwolke und hörte die schnell folgenden Anweisungen, die der Gruppenführer seinen Leuten übermittelte. Die Vier Wachen, die sich im Gebäude befanden waren schnell unschädlich gemacht.
„Sir, ich wittere eine Falle. Sollen wir wie geplant fortfahren?“
RufusVII stockte kurz. Dann erwiderte er: „Der Angriff wird fortgesetzt. Halten sie die Augen offen!“.
Sieben Minuten später brach der Schild zusammen, und 5000 zu allem entschlossene Krieger stürmten die Anlagen. Erfolgsmeldung reihte sich an Erfolgsmeldung. Fabrikhalle für Fabrikhalle, Knotenpunkt für Knotenpunkt wurde unter Kontrolle gebracht.
RufusVII lief ungeduldig hin und her. Was war bloß los? Wo blieben die Verlustmeldungen? 87% der Anlangen waren bereits befreit, der Widerstand des Gegners kaum nennenswert. Alles war einfach zu glatt gegangen. Das konnte doch einfach nicht sein!
Katul befand sich auf der „Ehre Fragdos“, als die Meldungen über den Angriff eintrafen. Grimmig gab er Anweisung zur Flächendeckenden orbitalen Bombardierung. Er würde nichts übrig lassen von diesem stinkendem Planten. Es würde eine Menge Krediteinheiten kosten, das Ganze vor Xatra geheim zu halten.
Satelliten starteten, und brachten sich auf Position. Binnen einer halben Stunde war die planetare Bombardierung abgeschlossen. Das Leben auf Gerak-Knag zu Ende. Die Revolutionäre hatten ihre Freiheit bekommen!
„Administrator Katul, General Xatra wünscht Sie zu sprechen“ sendete die telepathische Stimme seines Gefechtscomputers. ‚Wenn man an den Teufel denkt …’ murrte Katul und ließ den Visokonstruktor das Bild aufbauen.
Ein Lächeln gönnte sich Xatra, dann wechselte er zur offiziellen Grimasse. Langsam, jedes Wort abwägend – oder genießend? – las er ab:
“Katul, Administrator von Galish-Knag. Ich verurteile sie nach §12 Kriegsordnung zum Tod. Durch vollkommene Inkompetenz haben sie einen einfachen Transport zu einer militärischen Niederlage werden lassen.“, dann fiel er einen Moment aus seiner Rolle, „ich habe schon immer gewusst das Sie nichts taugen! Im Namen des Großstrate …“
Eine Meldung unterbrach ihn.
V.
Die „Zerstörung“ begann ihren Namen alle Ehre zu machen. Zusammen mit ihren drei Schwesterschiffen feuerte sie aus allen Rohren. Die Schilde des gegnerischen Schiffes blitzten und blinkten. Energetische Entladungen kündigten vom baldigen Zusammenbruch.
Die Geheimdienstinformationen hatten sich als richtig erwiesen. General Xatras Schiff hatte sich tatsächlich im Atlas-System befunden. Ein erster wichtiger Schritt zur Demoralisierung des Gegners. Dem Feldzug im R7-Sektor war allerhöchste Priorität eingeräumt worden. Die Rückeroberung ehemals terranischer Gebiete sollte mit schnellen gezielten Schlägen vorangebracht werden.
Das Schiff zitterte unter dem vereinzelten Beschuss des Gegners. GabrielXI gab die nötigen Befehle. Die Schlacht endete schnell.
Später las er die Berichte zur Lage, die angefordert hatte. Die Menschen von „Galish-Knag“, wie der Feind den Planeten nannte, hatten doch tatsächlich eine Revolte organisiert – und waren dabei in den Tod gerannt.
‚Nicht mal ein Nullsummenspiel’ notierte er in sein Notizblock - Ledereinband, echtes Papier, ganz im Stile der postindustriellen Ära - dann begann er die Pläne für die Rückeroberung zu studieren.