Notizen aus einem Internet Flirtprofil 1
19.04.2002
Habe hin und her überlegt, wie ich meine beste Rede, die ich jemals gehalten habe, hier einstellen kann. So einstellen, daß die gesamte Tiefe und epische Breite der Rede erkennbar wird. Sie hat Welten geändert und wurde von den anwesenden Massen mit heller Begeisterung aufgenommen, ja, fast mit frenetischem Beifall. Sie enthielt mehr Leben als alle Profile auf <Name des Flirtservers> zusammengenommen (meins inklusive). Eine ähnlich klare, wohl strukturierte und vor allem kurze Rede habe ich nie wieder hinbekommen. Wie drückt man den Schrei nach seiner Geburt aus??????
Gestern war ein großer Tag. Ich hielt mich für einen großen Wissenschaftler, meine Mitbewohnerinnen glaubten wahrscheinlich, ich probe einen neuen Volkstanz oder so, und die Passanten haben sicherlich über den zappeligen Irren den Kopf geschüttelt. Aber das ist ok. Ich wollte mal die Aussage überprüfen, ob es physisch tatsächlich möglich ist, über den eigenen Schatten zu springen. Es war ein Gehetze, Gespringe, Gejohle, es war sagenhaft. Am Ende wars ein kleiner Schritt für mich, ein großer für die Menschheit. Man muß ein wenig gelenkig sein, einen guten Stand haben, definiert Springen eher als ein Hüpfen und geht davon aus, daß die neu eingenommene Position nicht ewig Bestand hat. Ja, dann ist es tatsächlich möglich. Ärgert mich natürlich ein bißchen. Hätte es nicht geklappt, hätte ich mich wunderbar drüber auslassen können und es als leere Phrase und geistlose Worthülse brandmarken können, aber ein Körnchen Wahrheit ist unerwarteterweise enthalten – wie in jeder Legende ;-)))))
18.02.2003 und PlugIn: In jedem zweiten Profil lese ich “...der weiß, was er will...”. Bravo. Fast 1 Satz, 5 Worte, 16 Buchstaben, keine Fehler aber NULL Information. Werdet zielstrebig, werdet Redenschreiber für Politiker. Die werfen mit leeren Worthülsen und inhaltslosen Sätzen nur so um sich. – Hey Scout! Komm zur Besinnung! Was redest Du da für Schwachsinn? – Stimmt. Entschuldige meine voreilige, sicher beleidigende Redeweise... Gleich vorweg, ich weiß, was ich will und was mir gegen den Strich geht und distanziere mich entschieden von den Jasagern und unentschiedenen Turnbeutelvergessern. Auch kann ich so klare Ansagen wie “Poppen?” oder “Ein kleiner Quickie ist doch drin, oder?” nicht verstehen. Diese minderbemittelten Typen sind zu direkt, richtig herzlos, und wissen zu genau, was sie wollen. Da gefällt mir die Fraktion, die einfach nur “Hi” schreibt schon besser. Kurz, prägnant, wie die meisten Profile. Gentlemanlike, wie ein echter Genießer wünschen sie einen schönen Tag. In diese präzisen zwei Buchstaben würde ich sogar die Aussage hineininterpretieren, daß der Gesprächspartner von Deinem göttlichen Wesen beeindruckt ist, so sehr, daß es ihm die Sprache verschlagen hat. Bevor ich mich nun auf die kühne und gewagte Behauptung versteifen kann, daß in einem kurzen “Hi” oder einem Freundschaftsangebot ohne vorherigen Kontakt mehr Aussage steckt, als in einem “...der weiß, was er will...”, bemerke ich galanter Weise, daß die Teekanne leer und mein Gedankenvorrat für heute erschöpft ist ;-)))))
Aber hier eine kleine Übersetzung in die “common language”: Ich stehe mit beiden Beinen im Leben, auch wenn der Geruch übel ist, mit mir kann man Pferde stehlen, auch wenn das eine Straftat darstellt, ich weiß was ich will, aber nicht die beiden ersten Punkte, ich mag Emanzen, wenn man unter diesem Begriff Frauen zusammenfaßt, die den ersten Schritt tun. Ich bin der härteste Richter, vor dem ich stehen kann, über mir gibt es keine Instanz mehr. Vielleicht erscheint das selbstherrlich. Ist es aber nicht. Ich habe einen guten Leumund und kann für jede Aussage mehrere honorige Zeugen benennen. ;-))))))))))))))))))))))))))))
21.02.2003
Ich muß etwas präzisieren, was ich in meiner Hast (ich gebs zu, auch ich bin gelegentlich ein Schnellschreiber, wie die meisten Männer) verschwommen formuliert habe. Sorry Ladies. Auf meinen Streifzügen lese ich die eine oder andere Stilblüte, wie z. B. “jemand, der mit beiden Beinen fest im Leben steht” (ich gebe auch zu, daß ich ab und an schnell zur Sache komme). Der Hausbesetzer (Stadtmensch) und der Ackermanager (Landwirt) in mir haben mit der Formulierung so ihre Probleme. Aus Sicht des Hausbesetzers ist das eine sehr klare, romantische Formulierung, die alles auf den Punkt bringt. Der Ackermanager in mir versucht krampfhaft ein ernstes Gesicht zu machen und lacht dann brüllend los (stimmt, auch ich kann unbeherrscht sein). Habt ihr schon mal im richtig prallen Leben gestanden? Kuhwiesen sind das klassische Beispiel, es gibt aber genügend andere Beispiele. Man findet sie en masse, überall. Leuten, die mit beiden Beinen (soll Standfestigkeit verkörpern?) im prallen Leben stehen, oder gestanden haben, haftet unstrittig ein wirklich übler Geruch an. Wer steht auch schon wirklich gern drin? Als Kind hatte ich mal Sandalen an und habe meine Schritte unbedacht gemacht und siehe da, plötzlich stand ich mitten drin, im Leben. Kein wirklich erhebender Augenblick und das Gefühl war auch ziemlich Scheiße. Etwas grünes, von fast flüssiger Konsistenz, quoll über meine Füße, zwischen meine Zehen und eigentlich überall hin. Ich stand mittendrin im Leben, bis zu den Knöcheln. Und jetzt, zwei Dekaden später, lese ich vom Traum vieler Frauen........... Aber ach, reden wir über einfachere Themen, z. B. Kernfusion.......
20.06.2003
Wie heißt der Thread im Forum? „Gibt es ein Leben nach <Name des Flirtservers>?“
Jetzt gerade bezweifele ich es. Heute ist Feiertag in Bayern, habe seit heut vormittag sturmfrei und sitze gerade, eingewickelt in ein neongrünes Badetuch, am Schreibtisch, weil mich eine Frage beschäftigt und ich keine Lösung finde. Metallica kreischen gerade „Free Speech for the Dumb, Free Fucking Speech“ und meinen damit Theoretiker (mich), die einfache Probleme nicht lösen können.
Ok, ich komme mal zum Punkt. Ich habe mir also ein Bad eingelassen und lese in der Bedienungsanleitung auf der Tüte „Für 1 Vollbad...“. Seltsam. Habe noch nie gehört, daß man zum baden voll sein muß, aber es ist ein Wellness Badesalz Relax Care Orangenblüte, da muß es wohl so sein. Also schnell einen Weißwein entkorkt, während das Bad einläuft. Hm. Je weiter meine Gedanken wandern, desto mehr weicht die Sicherheit, daß mit „Vollbad“ „Betrunken“ gemeint ist. Man soll ja auch nicht besoffen schwimmen gehen. Könnte mit „Vollbad“ ne volle Wanne gemeint sein? Aber woher bekomme ich jetzt Badewillige? Habe doch sturmfrei, niemand da! Meine Mitbewohnerinnen würden auch sicher nur lachen und absagen.... Und es soll ein Entspannungsbad werden und nicht in wilden Sexspielen enden. Die dritte Möglichkeit, die mir einfällt, wäre eine wassergefüllte, volle Badewanne, aber der Hersteller wird sicher nicht zu solcher Wasservergeudung anstiften wollen. Außerdem würde das Wasser bei jeder Bewegung überschwappen (Hallo Nachbarn). Gerade jetzt, wo sich die Weinflasche dem Ende zuneigt und ich einen herben Orangenduft verbreite, bräuchte ich einen Rat, was mit „Vollbad“ gemeint ist, aber die doofe Technik streikt. Also werde ich diesen Text morgen erst online stellen können und hoffe auf konstruktive Hinweise. Thanks in advance.
Metallica „Crash course in Brain Surgery“.
15.07.2003
Habe gerade überlegt, wie man sich am effektivsten dumm stellt, ohne daß es groß auffällt. Egal. – Ich freue mich erstmal auf Urlaub. Eigentlich verwerflich, oder? Alle anderen dürfen arbeiten und ich falle ständig ins Wasser, weil mich die Typen von Green Peace nicht mehr aus dem Wasser lassen: „Rettet ihn, werft ihn wieder in sein Element!!!“. Stimmt. Das ist eigentlich unterstes Niveau. Werde mich auch ganz schlecht fühlen und nicht wissen, was ich mit der freien Zeit anfangen soll. Telefoniere sicherlich alle 5min mit meinen Kollegen und frage, ob gerade Land unter ist, wegen der Auftragsflut. Nachts kann ich dann sicherlich auch nicht ruhig schlafen, sondern werde mich von einer Seite auf die andere wälzen und ganz schreckliche Träume haben und ein schlechtes Gewissen. Werde ich leiden. Wenn der Urlaub dann vorbei ist, komme ich völlig fertig und unausgeschlafen, aber mit einem glücklichen Lächeln in den Mundwinkeln, ins Büro und freue mich, daß ich wieder arbeiten darf. – Wie stellt man sich am besten dumm??? :-))))))))))))))))))
29.07.2003
„....wir bedienen das Klischee!“
Ich arbeite ja im Büro und ganz ehrlich, ich erscheine morgens, im Laufe des Tages, hole mir ne Tasse frischen Kaffee, lege die Füße auf den Tisch und warte auf den Feierabend am frühen Nachmittag. Wenn jemand so unverfroren ist und stört mich telefonisch in meiner verdienten Ruhe, dann mache ich ihn lang. Gibts doch gar nicht! Manche Menschen sind wirklich rücksichtslos! Wenn die Chefs durch die Gänge und Hallen schlendern, hält man ein kleines Schwätzchen über Gott und die Welt, diskutiert über Fußball oder die neuesten Strickmoden, lacht zusammen über die Leute, die bei diesem Wetter arbeiten und freut sich des Lebens. Oftmals meckern wir auch alle im Chor über die lausige Bezahlung, aber das setze ich als bekannt voraus.
25.08.2003
In der späten Nachmittagssonne war ich im Land der goldgelben Felder und der grünen Bäume. Rot gedeckte Dächer, in der Mitte der spitze Kirchturm, säumten den Weg. Wie zur Abnahme der Parade durch den König angetreten. The sound of silence. Aus dem Paradies der Segelflieger zurück in die Stadt mit den schönsten Frauen Deutschlands . Ok, die meisten scheinen vom Maskenball zu kommen oder sich gerade dorthin zu begeben, auf unsicheren Sohlen, aber das ist eine andere Geschichte. „Wie steht mir mein neues Kleid? Die Schuhe? Die Ohrringe? Und mein zweites Gesicht?“ „Außergewöhnlich schön, hinreißend wie immer Ma’am.“ Auf zur Arbeit. „Jongleur der Zahlen, einen Salsa bitte! Und Herr Fechtmeister der Spache, der spitzen Zunge und des Rechts, auf ein Wort bitte! Meine Herren, die holde Weiblichkeit gewährt sich diese Woche eine Auszeit vom Zirkus. Die Komödianten warten nicht gern und sind ungeduldig wie eh und je. Also lassen wir sie nicht ungebührlich warten. Spannen wir sie nicht auf die Folter, sonst imitieren sie wieder einen Ameisenhaufen und täuschen Ordnung und Betriebsamkeit vor, um uns hinters Licht zu führen. Hinauf und hinan meine Herren!“
Nachtrag:
Manchmal frage ich mich, was ich in meinen vorherigen Leben verbrochen habe, damit mich meine Erbauer so verdammt schick und gutaussehend konzipiert haben. Das ist eine elende Bürde. Ich kann keine hübschen Klamotten anziehen, die meine natürliche Schönheit unterstreichen. Würde ich mich nicht immer in Sack und Asche kleiden und nicht getarnt unterwegs sein, würden meine Groupies mir ständig die Kleidung vom Leib reissen..... Das ist auch der beste Grund, in München zu leben. Understatement. Hier verkleiden sich alle um ihren Fans zu entkommen.... :-))))))))
01.09.2003
Zusammenfassung des königlichen Besuchs
Es ist Sonntag abend und königlich sanktionierte Musik (Apocalyptica) rauscht aus den Lautsprechern der Musikanlage. Der König hat gerade seine verdeckte Inkognitoaudienz in seinem Volk beendet. Es war sehr erstaunlich. Seine Hoheit war gekleidet wie ein normaler Vertreter seines Volkes, vielleicht nicht so herausgeputzt, aber auf jeden Fall unauffällig gewandet und angetan mit den Insignien der Macht, die da wären Krone, Reichsapfel und Zepter. Damit der Besuch nicht zu auffällig war und die Menschenmenge den König nicht erdrückt, wurde gnadenlos improvisiert.
Die Krone wurde von Burger King gesponsort, der Reichsapfel war ein Golden Delicious mit stilisiertem BK-Kreuz, als Zepter hielt eine Premium Columbia Banane (möglichst gerade) her. Man wollte ja nicht auffallen und unnötige Aufläufe verursachen. Um auch jeden Verdacht auf die blaublütige Herkunft zu zerstreuen, wurde ein beladener Tagesrucksack geschultert und das Gefolge auf einen Berater eingeschränkt, der dem Herrscher in einem Abstand von etwa 5m durch die stark frequentierte Innenstadt folgte und die Reaktionen der Menschen im Auditorium, das München heißt, beobachtete.
Die Reaktionen auf einen schlicht gewandeten Mann, ausgestattet mit den Insignien der Macht, reichten von erstaunten, ungläugigen Blicken, Kopfschütteln (wahrscheinlich wegen dem leichtsinnigen wandeln ohne Leibgarde) , einem erkennendem Lächeln oder der völligen Ignoranz des würdevollen königlichen Auftretens. Gerade dafür sollte der Monarch sich bedanken, da damit anerkannt wurde, daß er aus dem Volk kommt, dazu gehört, aber gleichzeitig auch anerkannt wurde, daß er nicht mit jedem Einwohner seines Reiches ein Wort wechseln kann. Ok.
Nach dem weiten Spaziergang, völlig ohne standesgemäße Kutsche, dürstete den König und wo kann man standesgemäß ein Erfrischungsgetränk des einfachen Volkes besser zu sich nehmen, als im „Hof“bräuhaus? Hier gab es zweierlei Überraschungen. Einerseits säuft das Volk unter großer Geräuschentwicklung aus Eimern, die es „Maß“ nennt. Befremdlich. Andererseits befolgt es immer noch die königlichen Gebote des Bierbrauens mit Stolz. Auf diese Weise wieder gnädig gestimmt, sieht der Herrscher über die Maßlosigkeit des Biertrinkens hinweg, auch wenn aus und mit „Maßen“ getrunken wird.
Inkognito wurde die königliche Haushaltskasse noch in einem Lichtspielhaus geringfügig gemindert. Völlig verstört verließ seine Hoheit diesen Ort des Schreckens und wird nun nie wieder einen Fuß in die herrschaftlichen Wälder setzen. Dort laufen nur Irre rum, if you make a „Wrong Turn“.
Im Laufe des Wochenendes wurden verschiedene Gastwirtschaften begutachtet und mit meist guten Eindrücken wieder verlassen. Es gab ein fürstliches Trinkgeld und etwas verwirrt stellte der König fest, daß er sich nicht als einziger verkleidet durch seine Gemarkungen bewegt. Es könnte auch sein, daß das Sinnesorgan, mit dem man das Alter eines Wesens schätzt, versagt hat. Bei einer aussagekräftigen, demoskopischen Erhebung war der König gezwungen festzustellen, daß er die körperlichen Proportionen einer gerade 19-jähigen Elfe bewundert hatte. An dieser Stelle muß festgehalten werden, the king was definetly not amused. Er hat den Schock aber ritterlich und mit Anstand überwunden.
Wegen Widrigkeiten des Wetters, das mal wieder aus der Reihe fiel, kam seine Majestät leider, oder zum Glück, nicht mehr dazu, die landauf und landab bekannte bayrische Köstlichkeit „Weißwürschtl“ zum Diner zu probieren.
In Begleitung seines Beraters und der zeitweisen Anwesenheit einer Lady, hat seine erlauchte Majestät einen interessanten Einblick in das tägliche Leben seines Volkes gewonnen und ist zu ebenso interessanten Schlußfolgerungen gelangt.
Dieser Bericht kann leider nicht im Ansatz wiederspiegeln, wie erhebend und großartig das vergangene Wochenende war.
Seine Majestät
Im Jahr der galoppierenden Veränderungen, anno domini 2003