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Normale Reaktionen

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22.09.2003
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Normale Reaktionen

Normale Reaktionen

Das größte Problem eines Stotterers ist meistens das Telefon ( Viele Stotterer nennen es auch liebevoll ‚Stottiefon’).
Viele Stotties haben wahnsinnige Angst vor dem Stottiefonieren, denn man sieht sein Gegenüber nicht, kennt ihm meist nicht und somit kann man ihn auch nicht einschätzen und beurteilen. Was macht er gerade, schlägt er sich die Hände über den Kopf, grinst er sich einen ab, oder versucht er ernst und nüchtern zuzuhören, während man ihm voll stottert?
Bei mir ist das eigentlich kaum der Fall: Klar ,habe ich oft Angst ,doch läuft es mir nicht eiskalt den Rücken runter, bildet sich kein Angstschweiß auf der Stirn und ich mache mir vor Schreck, wieder stottiefonieren zu müssen, nicht in die Hosen. Einkaufen und Stottiefonieren haben mir meine Eltern nicht abgenommen – heute bin ich Ihnen dafür recht dankbar!
Ich stottiefoniere eigentlich recht gerne, gerade mir fremden Personen, die ich nie gesehen habe und wahrscheinlich nie sehen werde, stottere ich gerne was vor. Platz eins meiner Vorstotter - Hitliste hat dabei die Auskunft eingenommen.

An einem Tage im Mai, war es nicht anders. Ich musste einige Anrufe erledigen, deshalb machte ich es mir auf der Couch gemütlich , lehnte mich zurück, platzierte meine Füße auf dem Tisch, doch anstatt eines Bieres gönnte ich mir nur das Stottiefon.
Es konnte also losgehen: Ich musste das Klinikum in Aachen anrufen und brauchte die Stotter- Nummer. Zwar hatte ich diese schon längst, doch ein Anruf bei der Auskunft schadet ja nicht!
Gesagt getan, es ging auch eigentlich ganz gut, bis aufs Wort ‚Klinikum’, da wollte mein Sprachfluss nicht mehr so , wie ich es wollte, aber das kennt man ja. Wenn man es am wenigsten erwartet, stottert man. Plötzlich kommt es über einen, schüttelt es einem die Buchstaben durch den Raum und man sucht händeringend nach Ausweichmöglichkeiten. Vergeblich und in Windeseile begibt man sich auf der Suche nach Ersatzwörtern, versucht sein Glück in merkwürdigen Mimiken, zuckenden Bewegungen oder verkrampft sich am ganzen Körper.
In diesen Momenten ist es aus mit lustig, Angstschweiß bildet sich und ein Schamgefühl ergreift Besitz von dir , man will im Boden versinken, doch es passiert nichts dergleichen, abbrechen und auflegen kommt nicht in Frage, denn das hieße Aufgeben und ist oft peinlicher als zu stottern.
Doch all die Gedanken sind so schnell verflogen, wie sie gekommen sind. Es war ein kurzer Satz, ich bin noch glimpflich davon gekommen. Etwas Scham ist zwar noch da, aber was solls , die Frau am anderen Ende hat sich wahrscheinlich genauso darüber amüsiert, wie ich mich im nachhinein darüber amüsiere. Ich stelle mir ihr verdutztes Gesicht vor, sehe Ihre Gedanken kreisen, ob sie mir helfen soll oder nicht, ob sie meine halbausgesprochenen Wörter vervollständigen soll oder nicht. Hilflos sah sie sich meinen Stottern ausgesetzt, genauso hilflos wie ich. Zwei Leidensgenossen, konfrontiert mit ein und derselben Sache, aber doch weit voneinander entfernt.

Nochmals tief Luft holen und nun das Klinikum anrufen, zuerst natürlich höflich an der Information nachfragen:
Das hatte mir jetzt noch gefehlt, ein Typ mit strenger und lustloser Stimme meldet sich. Ich bin erst mal irritiert, hatte mir die Stimme etwa Angst gemacht? Also gut, Auflegen gibt es nicht, da muss ich durch, brauche ja nur zu sagen, er soll mich mit der Logopäden Abteilung verbinden, dürfte ja nicht so schwer sein.
Doch weit gefehlt, ich stottere ihm auf höchstem Niveau etwas vor, keine Verkrampfungen lösen meine Wörter, ich kann machen was ich will, ich komme nicht vorwärts. Diese krächzende Männerstimme, hatte mir mehr Angst eingejagt, als ich anfangs dachte.
„Ich verbinde“ tönt es aus der Leitung. Wieso denn verbinden, ich habe doch noch nicht gesagt , was ich will und mit wem ich überhaupt verbunden werden will. Mit wem verbindet er mich denn jetzt, kann er etwa Gedanken lesen?
„Kiefer - Chirurgie ,guten Tag“. Da wollte ich bestimmt nicht hin, zornig und recht flüssig, sage ich, dass es sich um einen Irrtum handle und man solle mich wieder mit der Information verbinden. Denn dem will ich jetzt erst recht noch mal etwas vorstottern.
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Wie war das noch damals bei der Musterung, als man mich erst mal zum Psychologen schickte. Oder bei Lennys Musterung, als man ihm fragte , ob er schon bei einem Kiefer - Spezialisten wegen seines Stotterns war. Dass man einem Stotterer seelische Probleme vorwirft, ist ja alt bekannt , aber dass man ihnen auch schon Kiefer-Chirurgen auf dem Hals hetzt, ist mir neu.
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Jetzt lasse ich ihn spüren , dass ich wütend bin, sage in einem zornigem Ton, dass er mich falsch verbunden hat und dass er mich endlich mit der Logopädenabteilung verbinden soll. Doch siehe da, wie gut ich doch reden kann, wenn ich zornig bin. Warum kann ich nicht immer so wütend sein beim Sprechen?

Stammt die Frage wirklich von mir, glaube ich ernsthaft ,dass mir dann noch jemand zuhören würde? Schlage ich schon in die selbe Kerbe , wie all die Leute die sagen ,ich solle langsam und leise reden, oder ich solle singend reden.
Nein, ich stottere den Leuten lieber etwas vor, als eine gekünzelte Sprache anzunehmen, eine Sprache ohne Emotionen, Kalt wie ein Roboter.

 

Moin Tigerchen!

Vom Inhalt her fand ich deine Idee gut. Ich kenne auch einen Stotterer und daher war es schon interessant, deine Geschichte, geschrieben aus der Sicht eines Stotterers, zu lesen. Die Angst vorm Telefonieren, aber eine gewisse Lust, den Leuten was vorzustottern ... hmm ... kommt sicherlich auf die Persönlichkeit der Person an. Ich denke mal, dass nicht alle Stotterer dies gerne tun.

Stilistisch gesehen aber sicherlich noch ausbaufähig - du benutzt zum Beispiel im ersten Absatz sage und schreibe 10 Mal ein Wort, was mit "stottern" zu tun hat. Liest sich nicht gut. Gerade der erste Satz - 3 Mal. Schau da bitte noch mal drüber und versuche, das zu ändern. Zum Beispiel so (in diesem Satz kann man nur ein "stotter"-Wort beseitigen):

Das größte Problem eines Stotterers ist meistens das Telefon ( Viele Stotterer nennen es auch liebevoll 'Stottiefon').
Vorschlag:
Das größte Problem eines Stotterers ist meistens das Telefon, meistens liebevoll 'Stottiefon' genannt. oder Das größte Problem eines Stotterers ist meistens das 'Stottiefon', wie das Telefon von ihm liebevoll genannt wird.

Wie du siehst, es gibt genügend Möglichkeiten.

Was mich layoutmäßig gestört hat, waren die Kommata. Ob es mal so aussah "wort, wort"; "wort , wort" oder "wort ,wort" - fällt einem sofort auf und schaut echt nicht toll aus, wenn du das alles einheitlich (am Besten "wort,
wort") machen könntest, wäre gut.

Greetinx
Alisha

 

Hallo Alisha Devils,

Erst mal herzlichen Dank für Deine Kritik.
Ich habe die Geschichte schon 1996 geschrieben und wollte mal sehen wie die auf andere wirkt.
Leider ist es bisher die Einzigste, die ich über meine Behinderung schreiben konnte.

Du hast recht, das Wort 'stottern' kommt im ersten Satz wirklich oft vor, ich selber habe es nie so als störend empfunden, aber ich sollte es wirklich ändern.
Auch das mit den Kommata, werde ich auch noch ändern.

Wie ändere ich eigentlich eine Geschichte, muß ich diese neu reinsetzen und die alte löschen?

Gruß

Volker

 

Hi Tigerchen!

Stottern als Behinderung, ein interessantes Thema finde ich. Ich denke, Stottern wird in der Allgemeinheit immer noch vielfach eingeschätzt, die Menschen reagieren auf starke Unflüssigkeiten oft peinlich berührt, genervt oder verwundert. Ich finde Deinen Text hier als „Aufklärung“ sehr gut, als Geschichte geht mir manche Formulierung allerdings schon fast zu sehr ins Berichtende, ist grad am Anfang etwas belehrend...meine Meinung. Die Entwicklung, das Telefonat mit der falschen Verbindung finde ich allerdings sehr gelungen. Dass der Prot im Zorn flüssiger war, widerlegt sämtliche blöden Ratschläge :D und hat mir gut gefallen. Auch der Schluss, dass sich der Prot gegen eine Therapie entscheidet, weil er er selbst belieben will, sich und sein Stottern anerkennt, gefällt mir sehr gut. (Auch wenn nicht jede Therapie „Maschinen“ erzeugt ;))

Schöne Grüße
Anne

 

Hallo Tigerchen 04,

ich fand deine Geschichte sehr gelungen und unterhaltsam zu lesen. Du hast die Probleme beim Telefonieren sehr eindrücklich beschrieben, man kann sich gut in den Protagonisten hineinversetzen.

Deine Einstellung zum Stottern gefällt mir auch sehr gut, das Selbstbewusstsein zu entwickeln und dazu zu stehen, kann der ganzen Thematik die Schärfe nehmen. Jeder Mensch ist anders, und man sollte versuchen, das Stottern zu integrieren. Wenn es bekämpft wird wie ein Krebsgeschwür, wird es oft nur noch schlimmer.

Die Idee mit der Hilfe durch den Psychologen finde ich nicht so abwegig. Ich habe oft erlebt, dass Menschen die stottern, neben einer genetischen Disposition irgendein Problem hatten, was z.T. unbewusst wirkte, oder in die frühe Kindheit zurückreicht. Und wenn das alles nicht zutrifft, so erfährt man von einem guten Therapeuten eine Stärkung des Selbstbewusstseins.

Der letzte Satz enthält mehrere Rechtschreibfehler, es heißt gekünstelt, und nach einem Komma wird klein weitergeschrieben.

Das so ein Thema hier in kurzgeschichten.de aufgegriffen wird, finde ich gut, weil dann auch Leute darüber nachdenken, die sonst nicht damit konfrontiert wurden.

Also weiter so!
Herzliche Grüße! Marion

 

Danke für die Kritiken

@ Maus
Ich bin nicht gegen Therapien, ich selber habe ich 4 gemacht, zum Teil recht viel Geld ausgegeben und wenig erreicht.
Stottern ist leider ein unerforschtes Gebiet. Es gibt nicht 'die' Therapie.
Unter den unmengen von Therapie Arten und Angeboten ist gewiss für viele etwas dabei. Aber es gibt wirklich Therapien, wo man mit einer völlig anderen Spache rauskommt. Z.b sollte ich nur 3 Wörter sprechen und dann eine Pause machen - probier mal aus wie es klingt;)
Als erstes sollte halt jeder lernen mit seiner Behinderung zu leben. Bei mir ging es mit Witz und Ironie - eine recht trauriges Erlebnis, Witzig zu schildern - recht gut.

@Marion
Ich glaube ich habe mich falsch ausgedrückt, ich bin natürlich nicht gegen Psychologen. Ich selber habe schon Psychologische Hilfe gesucht und gefunden.
Mir es darum, dass wirklich viele Leute stottern als Psychologischen Defeckt oder geistiges Defizit ansehen.
Die Aktion bei der Musterung - mich erstmal zum Psychologen schicken - war schon recht peinlich.
Der Vorteil war nur, dass ich Ausgemustert wurde:D

Ahh, ich seh gerade Dein Profil, kein Wunder das Du eine Lantze für Psychologen brechen willst:cool:

 

Wieso? Ich bin doch keine Psychologin. Deine Gedanken finde ich schon richtig, in der eigenen Akzeptanz liegt der Schlüssel zum Glück. Wenn du dich selber akzeptierst, dann werden es auch andere tun. Und Humor ist sowieso immer goldrichtig. Ich liebe humorvolle Menschen, und wenn man sich selbst nicht ganz so wichtig nimmt, kann das auch nichts schaden.
Von der technischen Seite finde ich deine Geschichte gut geschrieben, zumal du ja selbst sehr nah an der Thematik bist. Ich habe eben selbst gemerkt, wie schwer das ist, eine Geschichte zu schreiben, mit der man selbst verbunden ist.
Bei dieser künstlichen Sprache kann ich dir nur zustimmen, das ist zu weit weg von der Realität. Ich habe letztens einem Stotterer eine Möglichkeit vermittelt in so einem Art Ferienlager unterzukommen. Da können die Betroffenen sehen, dass sie mit ihrem Leiden nicht alleine sind, und sich gegenseitig stützen.
Herzliche Grüße! marion

 

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