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Nomen Omen est?
Eigentlich bin ich davon überzeugt, dass die Aussage: Nomen est Omen, für etliche Menschen zutrifft. Dafür gibt es einige Beispiele. Wenn ich so an meine Schulzeit zurückdenke, ja, dann ist schon was dran. Da gab es doch diesen Frank Lautschläger. Der machte seinem Namen wirklich alle Ehre. Er war laut, furchtbar laut. Man konnte ihn noch nicht sehen, aber man hörte ihn schon. Wenn er morgens in die Klasse kam, schmiss er als erstes seine Collegemappe krachend auf den Schreibtisch. Danach rumpelte er seinen Stuhl unter dem Tisch hervor, um sich dann laut seufzend und stöhnend draufzusetzen. Das traf allerdings nur auf den ersten Teil seines Namens zu. Der zweite Teil hatte es wirklich in sich. Er war ein Schläger, und zwar einer übelster Sorte. Im Laufe seiner Schulzeit hat er sich mit fast jedem aus der Klasse geprügelt. Den Mädchen zerrte er an den Haaren; oder er schubste sie durch die Gegend. Ich kann es bis heute nicht begreifen, warum er nicht der Schule verwiesen wurde, denn das hatte er mehr als hundert Mal verdient. Allerdings munkelte man , dass sein sehr reicher Vater viele Projekte der Schule mit reichlich Geld unterstützt habe. Na ja, vielleicht war ja was dran.
Oder die Susanne Weingarten. Zunächst einmal denkt man bei dem Wort Wein an das Getränk. Bei Susanne allerdings hatte es eine andere Bedeutung – nämlich weinen. Sie weinte wegen jeder Kleinigkeit. Hatte stets ein großes Taschentuch bei sich, damit sie sich die allzu leicht fließenden Tränen abtupfen konnte. Und wenn sie einmal die Frage eines Lehrers falsch oder gar nicht beantwortet hatte, brach sie in Tränen aus, und der Unterricht musste oftmals für fünf oder zehn Minuten unterbrochen werden, weil es einfach nicht möglich war, weiterzumachen, bis Susanne endlich mit ihrer Heulerei aufgehört hatte. So nannten wir sie – auch mit Hinblick auf den passenden Vornamen – stets die Heulsuse.
Es gibt allerdings auch Beispiele dafür, dass Menschen ihrem Namen so gar nicht gerecht werden. Dabei denke ich an Christoph Heldt. Er hatte ja nun einen heroischen Namen, wenn auch mit dt geschrieben. Bei seinem Namen stellt man sich natürlich vor, dass sein Träger es mit jeder Gefahr aufnimmt, seinen Mitmenschen auf heldenhafte Weise hilft und sie so vor Üblem bewahrt. Nicht so, dieser Christoph Heldt. Er war ein Feigling, ja er war ein Angsthase. Wenn es irgendwo brenzlig wurde, war er der Erste, der Fersengeld gab. Er versteckte sich hinter den Rücken seiner Klassenkameraden, duckte sich und atmete so lange kaum, bis die Luft wieder rein war.
Das waren einige meiner Mitschüler, an die ich mich immer wieder erinnere.
Nach dem Abitur, das ich übrigens summa cum laude hingelegt hatte, wollte ich auf keinen Fall studieren. Ich hätte noch nicht einmal gewusst – was. Also begann ich auf Drängen meiner Eltern eine Lehre zum Bankkaufmann. Das war der größte Fehler meines Lebens. Nicht nur, dass diese Banker sich für etwas Besseres hielten und ständig nur über Devisen, Portfolio, Aktien und Dax-Index sprachen, benahmen sie sich auch noch so, als sei das Wissen der ganzen Welt in ihren hohlen Köpfen untergebracht. Außerdem waren sie unglaublich borniert. Das war für mich unerträglich. Und dann auch noch diese Thelma Tuschler. Das war ein entsetzliches Frauenzimmer. Stets tuschelte und zischelte sie hinter vorgehaltener Hand mit irgendwelchen Arbeitskollegen. Kam man unerwartet hinzu, brach sie das Getuschel augenblicklich ab, so dass man stets das Gefühl hatte, Gegenstand ihrer Tuschelei zu sein. Aber das Allerschlimmste war der Dresscode. Wir Männer durften nur in dunkelfarbigen Anzügen, weißen Hemden und diskreten Krawatten am Arbeitsplatz erscheinen. Selbst, wenn es vierzig Grad im Schatten hatte.
Als ich es ein Jahr in dieser unglückseligen Ausbildung ausgehalten hatte, fasste ich einen Entschluss und beendete diese Situation ad hoc.
Meine Eltern waren an diesem tollen Sommertag auf einer Gartenparty bei meiner Tante und meinem Onkel. Die Gelegenheit war günstig. Ich nahm meine drei dunkelfarbigen Anzüge, meine sechs weißen Hemden und meine sechs diskreten Krawatten. All dieses Gelumpe schmiss ich im Garten auf einen Haufen und zündete diesen an. Das war mein Freudenfeuer. Als meine Eltern nach Hause kamen und sahen, was ich angerichtet hatte, stellten sie mich zur Rede. Als ich ihnen dann auch noch kundtat, dass ich meine Lehre beendet hatte, warfen sie mich raus.
Da befand ich mich in einer Situation, die mich völlig überforderte. Jammern half nicht. Ich musste zusehen, wie ich mich über Wasser hielt. Nun ja, ich schlief mal hier und mal dort, hielt mich mit gelegentlichen Nebenjobs am Leben und wusste nicht so recht, wo das noch hinführen sollte. Allerdings machte ich mir darüber keine großen Gedanken.
Als ich eines morgens, nach einer fürchterlich verbrachten Nacht, steifgliedrig auf einer Parkbank aufwachteund mich streckte, kam ein Mann auf mich zu. Er setzte sich neben mich auf die Bank und betrachtete mich von der Seite. Ich fand das bescheuert und hoffte, dass er bald abziehen würde. Aber dem war nicht so. Dieser Mann betrachtete mich weiterhin schweigend. Gut, wenn er nicht gehen wollte, dann würde ich das eben tun. Doch er hielt mich, als ich aufstehen wollte, sanft zurück und stellte sich vor: „Ich heiße Daniel Leitmeyer und spüre, dass du nicht weißt, was du mit deinem Leben anfangen sollst. Das ist nicht gut, glaub mir. Allerdings kann ich dich auf einen Weg leiten, den du gehen kannst.“ Da war es wieder: Nomen est Omen. „Glaub mir, das ist ein guter Weg.“ Zunächst hielt ich ihn für bekloppt, aber meine Neugier war geweckt. Außerdem konnte es ja auch nicht schlimmer werden. Also blieb ich sitzen und hörte ihm zu. Er sprach von einer weltweit agierenden Organisation, der er seit langer Zeit angehöre und die ihn nie im Stich gelassen habe. Als er mit seinen Ausführungen fertig war und ich mich bereit erklärt hatte, dieser Organisation angehören zu wollen, geleitete er mich zu einer Niederlassung derselben.
Was soll ich da noch groß sagen. Für diese Organisation bin ich seit über zwanzig Jahren tätig und ich habe es noch nicht einen Tag bereut. Im Rahmen meiner Tätigkeit bin ich in der ganzen Welt herumgekommen und dabei reich geworden. Meine Arbeit lässt mir viel Zeit, da ich nur hin und wieder zum Einsatz komme. Allerdings muss ich meine Aufgaben gewissenhaft und präzise erledigen. Meine Tätigkeit lässt mirkeinen Raum für Beziehungen. Verschwiegenheit ist oberstes Gebot. Ich habe weder Kind noch Kegel. Sicherlich gibt es hin und wieder Frauen in meinem Leben – allerdings ganz unverbindlich und nichts von Dauer. Manchmal fühle ich mich doch sehr einsam. Dann kommt mir der Gedanke, in zehn Jahren meinen Dienst zu quittieren und ein anderes Leben zu führen – so wie jeder andere auch. Geld genug habe ich ja. Vielleicht bleibt mir dann noch genügend Zeit, auch einmal das Glück inniger Zweisamkeit zu erfahren. Das ist aber noch lange hin. Ich warte erst einmal ab.
Ach ja, übrigens, ich habe mich Ihnen ja noch gar nicht vorgestellt. Mein Name ist Totschläger, Hannibal Totschläger. Und nun liegt es an Ihnen, mein geneigter Leser, zu entscheiden, ob Sie glauben wollen, dass auch ich meinem Namen alle Ehre mache.