Noel
Ein eisiger Schneesturm tobte auf der abgelegenen Straße. Trevor verfluchte sein Auto, als der Motor anfing zu stottern. Es war kurz vor Weihnachten und er wollte einfach nur seine Familie besuchen. Stattdessen verreckte ihm der Wagen hier in der Einöde. Doch er hatte noch einen kleinen Hoffnungsschimmer. Vor ein paar Minuten hatte er Lampen gesehen, die zu einer Einfahrt gehören mussten. Also stapfte er dick eingepackt zurück und hoffte, dass jemand zu Hause war, auch wenn er nicht wusste, wie man sich hier im Niemandsland niederlassen konnte.
Jemand schien ihm wohlgesinnt zu sein, denn die Tür öffnete sich nach wenigen Augenblicken. „Guten Abend.“ „Guten Abend. Entschuldigen Sie, wenn ich Sie störe, aber könnte ich eventuell ihr Telefon benutzen? Mein Wagen ist liegen geblieben und mein Handy hat bei dem Sturm keinen Empfang.“ „Ja, natürlich. Kommen Sie rein.“ Erst als er die schwere Kapuze abnahm, bemerkte er wie groß das Haus und wie schön seine Gastgeberin war. Verlegen lächelte er sie an. „Entschuldigen Sie noch mal, dass ich Sie so spät am Abend störe.“ „Ach was, kommen Sie, wärmen Sie sich erstmal auf, dann können Sie telefonieren. Ich bin übrigens Noel.“ „Wie passend, Sie scheinen wirklich mein Weihnachtsengel zu sein.“ „Sie sprechen Französisch?“ „Ich studiere es. Ich werde Lehrer.“ „Ein guter, aber auch ein schwieriger Beruf, oder nicht … wie war noch gleich Ihr Name?“ „Oh, mh, ich heiße Trevor.“ „Nett, Sie kennenzulernen. Kommen Sie mit.“ Noel ging ihm voran in ein einladendes Wohnzimmer mit einem warmen Feuer im Kamin. Sie ging zu einem Barfach und hielt eine Flasche Cognac hoch. „Möchten Sie einen Schluck?“ „Vielleicht einen kleinen, dann wird mir hoffentlich etwas wärmer.“ Sie machte zwei Gläser fertig und stieß mit ihrem Gast an.
Er sollte noch ein wenig das Leben genießen, dann würde es umso schmerzhafter, wenn er begreifen würde, dass er es bald nicht mehr hatte.
Noel verführte ihn nach allen Regeln der Kunst. Es war leicht, er war ein Mann. Sie konnte kaum in Worte fassen, wie sehr sie Männer verabscheute. Sie hatten sie vergewaltigt, ihr alle Illusionen geraubt. Und dabei waren sie so schwach gewesen; sie mussten zu fünft sein, um eine Fünfzehnjährige zu schänden. Ihre Familie hatte sie danach verstoßen, da sie nicht mehr rein war. Das lag schon fast zweihundert Jahre zurück. Sie war in dem Winter damals gestorben, aber ihre hasserfüllte Seele hatte nie Ruhe finden können. Jetzt übte sie Rache.
Er lag unter ihr und atmete aufgeregt. Niemals hätte er damit gerechnet, im Bett dieser faszinierenden Frau zu landen. Noel lächelte ihn an. Sie liebte es, wenn sie unter ihr zitterten, dabei hatte sie noch gar nicht angefangen. Sein Herz pochte in seiner Brust, sie konnte es deutlich hören. Ihr Verlangen, ihn zu töten, ließ sie selbst erzittern.
Ihre Hand wanderte über seinen Körper und sie stieß sie ohne Vorwarnung in seinen Brustkorb. Die Knochen brachen und Splitter gruben sich in seine Lunge. Gleich würde er Blut spucken, aber sie genoss es schon, wie es warm um ihre Hand floss. Seine Schreie hörte sie nicht. Die Gier war viel zu groß. Sie konnte sein Herz spüren, noch schlug es viel zu schnell, aber ihre Hand legte sich langsam darum, bildete eine Faust, die sich ganz langsam immer enger schloss. Es war berauschend zu spüren, wie der Muskel gegen den Druck anzukämpfen versuchte. Panisch zappelte er unter ihr, aber ihre zweite Hand hielt ihn eisern nach unten gedrückt. Sie massierte sein Herz für einen Moment, dann pumpte es noch einmal genug Blut ins Gehirn, damit er den nächsten Anblick noch wahrnahm. Sie riss heftig an dem Organ und hielt es ihm dicht vor die Augen. „Ihr habt nichts anderes verdient.“ Dicht über ihn gebeugt verschmierte sie ihren ganzen Körper mit seinem Blut, liefen ihr die tief rote Flüssigkeit über das Gesicht, als sie in das Herz biss und einen Teil verschluckte. Langsam wurden seine Augen glasig, gleich bekäme er gar nichts mehr mit, aber das hier, das hatte er noch erlebt. Die Genugtuung über dieses Wissen ließ sie überlegen lächeln.
Sie war mächtiger als dieses ganze Geschlecht zusammen.