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Noch eine Hundegeschichte

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04.08.2002
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Noch eine Hundegeschichte

Durch markerschütterndes Gebell wird Petra je aus dem Schlaf gerissen. Verwirrt und benommen von ihrem Traum, in dem sie gerade dabei war, Geschirr auf den Boden zu schmettern, schreit sie in die Dunkelheit: „Ruhe!“ Anton ist nun ebenfalls wach, schnaubt: „Was ist los? Was ist denn jetzt los? Was hat der Hund?“

Der Hund. - Seit einer Woche zählen die beiden eine Hündin namens Susi zu ihrer neuen Wohnungsgenossin. Susi hatte es mittels ihrer aufgeweckten braunen Hundeaugen, ihres schwarzen strubbeligen Felles und ihrer uneingeschränkten Zutraulichkeit für Petra unmöglich gemacht, die Hündin im Tierheim ihrem Schicksal zu überlassen. Mit einem knallgelben Tennisball in der Schnauze stand sie hinter den Gitterstäben des Zwingers und wedelte gnadenlos lieb. Petra hatte keine Wahl. Sie fuhr los, besorgte ein grellgelbes Halsband, eine Leine in eben dieser Farbe, einen Fressnapf, ein Körbchen und ein Buch mit dem Titel „Mein Hund – Ein praktischer Ratgeber“. Nachdem sie die halbe Nacht die Kapital „Umgang, Erziehung“ und „Verstehe deinen Hund“ genau studiert und die restlichen Stunden bis zum Morgen damit zugebracht hatte, Anton von ihrer Entscheidung zu überzeugen, fuhr sie nach einer Tasse Kaffee ins Tierheim. Sie war ohnehin zu aufgeregt, um etwas zu essen. Dort angekommen, beantwortete sie ungeduldig die Fragen der Tierpflegerin nach ihrem Beruf, ihrer Wohnsituation, ja sogar nach ihrem Familienstand. Die resolut wirkende Dame füllte bedächtig das nicht enden wollende Formular aus - Rasse: Terriermischling, Alter: ca. ein Jahr, Herkunft: Findling, Impfungen: Tollwut - und überreichte ihr schließlich das Papier zur Unterschrift. Endlich durfte sie das aufgeweckte kleine Fellbündel in Empfang nehmen. Noch etwas ungeschickt legte sie ihr das Halsband an und brachte sie zu ihrem Auto. „Willkommen bei mir.“ Lächelnd startete sie den Wagen, während Susi nicht daran dachte, auf dem Rücksitz zu bleiben und auf den Vordersitz sprang und somit ihre Position im Auto nachhaltig klar stellte.

Petra versucht sich in der Finsternis zu orientieren und ihre Gedanken zu ordnen, während der Hund weiter bellt. „Ruhe!“ brüllt nun auch Anton. „Du musst nachschauen, was los ist. Was hat sie denn?“ probiert sie ihn zum Aufstehen zu bewegen. Demonstrativ kuschelt er sich – sozusagen als Teil seiner Antwort – in die Polster und zieht sich die Daunendecke bis unters Kinn, murmelt: „Du wolltest einen Hund, nicht ich. Außerdem habe ich heute das Häufchen unter dem Esstisch entsorgt.“ Er scheint in diesem verschlafenen Moment wenig Begeisterung für die neue Mitbewohnerin aufbringen zu können, während Petra aus seinem Verhalten ihre Schlüsse bezüglich seiner Vaterqualitäten zieht. „Sei still!“ sagt sie und ist sich selbst nicht sicher, ob sie ihn oder den Hund damit meint. Anton jedenfalls ist still, während Susi nicht daran denkt, ihre Schnauze zu halten. Unerbittlich dringt das Gebell und Geknurre an Petras Ohren. Sie weiß, wenn sie einen ernsthaften Konflikt mit der Nachbarschaft vermeiden will, muss sie sofort aufstehen und den Hund beruhigen. Grollend und ein bisschen fröstelnd bewegt sie sich aus dem Bett und tapst ins Wohnzimmer.

„Susi! Was soll das?“ Sie bekommt ein hohes geradezu empörtes Wuff zur Antwort. Schlaftrunken sucht sie nach dem Schalter und knipst die Stehlampe an. Zunächst erblickt sie den nassen Fleck auf dem Teppich und fragt sich, ob die Autoren des Buchs tatsächlich glauben, dass Hunde auf die von ihnen beschriebene Weise zur Stubenreinheit erzogen werden können. Sie beschließt, Ratschläge von den anderen Hundebesitzern einzuholen, die sie regelmäßig beim Spazieren trifft, und deren Interesse sich ohnehin ausschließlich auf das Thema Hund zu beschränken scheint. In kleinen Grüppchen erzählen sie sich gegenseitig die neuesten Erlebnisse mit ihren Vierbeinern, während diese auf der Wiese ihren Instinkten folgen, miteinander spielen oder konzentriert den Boden beschnuppern. Auch eine Möglichkeit, die Welt in Ordnung sein zu lassen, denkt Petra, während sie ihren Blick auf das aufgeregt trippelnde, knurrende, bellende Lebewesen in ihrem Wohnzimmer richtet. Susi starrt in Richtung des Vorhanges. –

Für einen kurzen Moment muss Petra sich an der Stehlampe festhalten. Der bodenlange dunkelblaue Samtvorhang wölbt sich nach außen. Das ist nicht wahr, so etwas gibt es nicht in der Realität. Und wenn es so etwas gibt, dann darf das doch nicht ihr passieren. Vielleicht schläft sie ja noch. Ein neuerliches Bellen belehrt sie eines Besseren. Was soll sie jetzt machen? Warum wölbt sich der Vorhang nach außen? Sie ist viel zu verwirrt und erstaunt, als dass sie wirklich Angst empfindet. „Ich habe ja meinen Hund bei mir.“, denkt sie. „Mein Hund?“ Sie sieht sich um. Susi steht nun zwei Schritte hinter ihr. Demonstrativ geht Petra zurück, Susi ebenso. So hat sich Petra das nicht vorgestellt. Die Hundeaugen machen deutlich, dass das Tier gar nicht daran denkt, voran zu gehen, in Richtung der Gefahrenquelle. Petra wird klar, wie die Beste die Sache sieht. Im Fall des Falles – nämlich jetzt – erwartet sie, von ihrem Frauchen beschützt zu werden, nicht umgekehrt. Diese nonverbale Kommunikation unterstreicht das Tier mit einem „Wuff“, was so viel bedeutet wie: „Na geh schon. Schau nach.“

Petra steht da und ist für die Ewigkeit von Sekunden hin und her gerissen. Sie weiß nicht, was sie machen soll. Soll sie zurück ins Schlafzimmer, um Anton zu holen? Oder soll sie einfach den Vorhang zurückziehen? Und wenn jemand dahinter steht? Es ist doch unmöglich, dass jemand durch die abgesperrte Türe unbemerkt in die Wohnung spaziert und sich hinter dem Vorhang versteckt. Unbemerkt? Abgesperrt?

Sie nimmt den Briefbeschwerer vom Schreibtisch. Susi knurrt leise, aber eindringlich den Vorhang an. Natürlich bleibt sie dabei hinter ihr. Du doofes Tier, glaubst du, es reicht, dass du mich nur auf etwas aufmerksam machst, damit ich die Angelegenheit dann für dich regle? Sie geht auf den Vorhang zu, ihre Finger krampfen sich um den Briefbeschwerer aus massiven, schweren Metall. Sie fühlt sich wie in einer dieser Filmszenen, in denen die Kamera auf den Boden schwenkt und dort zum Schrecken des Kinobesuchers Schuhspitzen hinter einem Vorhang herausschauen. Schuhspitzen sieht sie keine, das beruhigt sie etwas. Nur noch einen Meter. Susi ist dicht bei ihr, zwar hinter ihrem Rücken, aber immerhin ist sie da. Petra stockt der Atem. Jetzt oder nie. Jetzt. Ruckartig zieht sie den schweren Vorhangstoff zur Seite. --

Sie lacht laut auf. Auf dem Fußboden liegt ein zerbrochener Blumentopf, inmitten von verstreuter Erde und Grünzeugs. „Susi. Es war nur der Blumentopf. Der hat einfach Übergewicht bekommen.“ Die Entspannung seines Frauchens scheinen sich auf das Tier zu übertragen. Es antwortet mit einem sanften Wedeln. Petra läßt sich auf den Fußboden gleiten und lehnt sich gegen den Heizkörper und atmet tief durch. Die Wärme in ihrem Rücken und die Wärme des Hundes, der das Kraulen hinter seinen Hängeohren nun besonders genießt, schenken ihr einen jener stillen, kleinen Momente, in denen wir ganz sanft das Glück im tiefsten Inneren verspüren. „Die nächsten zehn, fünfzehn Jahre werden wir aller Voraussicht nach miteinander verbringen. Ist das nicht wundervoll?“ Susi antwortet mit einem unverhohlenen, wohligen Grunzlaut.

 

Servus Klara!

Du hast einen sehr angenehmen Erzählton. Hab mir schon manchmal beim Lesen von deinen Geschichten gedacht: Klaras klare Worte ;)

Es ist vieles in dieser Geschichte drin. Der veränderte Alltag durch einen Neuankömmling, die Vorwürfe von einem der ungerne für etwas verantwortlich ist, die entstehende Spannung, sowie die Auflösung in Harmlosigkeit.

Vor allem aber blitzen dann Momente voll Witz und auch stille Momente auf, in denen sie sich spürt. Die beiden gefielen mir besonders gut. Ebenso der Satz: willkommen bei mir. Nicht in deinem neuen Zuhause, oder in der Freiheit - sondern schon mitten drin in einer neuen Tier-Mensch-Beziehung.

Hat mir gut gefallen!

Einen lieben Gruß an dich - Eva

 

Hallo Klara!

Ein dummer Hund :)
Nee, Spaß. Eine nette Geschichte über Susi, es werden sich wohl noch manche Missverständnisse ergeben.
Mir hats gut gefallen, locker und mit einem Augenzwinkern erzählt, kurzzeitig auch ganz spannend, einfach unterhaltsam für Zwischendurch.
Auch mir hat die flüssige Art gut gefallen.

schöne Grüße, Anne

 

Hallo!

Danke für euer Kommentar! Es freut mich, dass euch die Geschichte gefallen hat. :)

Ja, es geht um die Mensch-Tier Beziehung, um das gegenseite Kennenlernen. Ich wollte einmal eine leichte, heitere Geschichte schreiben, ohne große Dramen. Gut, wenn sich das auch in der Sprache widerspiegelt.
Naja, und ein bisschen Autobiographisches ist auch darin verpackt ...

lg an euch
klara

 

@ Klara

Eine liebe Geschichte! Tja wie die Zeit vergeht, gell? Jetzt seit ihr zwei schon seit Jahren zusammen und gebt ein tolles Mensch-Hund-Gespann ab. Da fällt mir ein, ich könnte eine Geschichte drüber schreiben, wie Susi mich im Garten von Geri so gefoppt hat. Die Kleine hat es faustdick hinter ihren süßen Hängeohren, so schaut`s aus! Und genau aus diesem Grund ist sie auch mein absoluter Lieblingshund ...

lg
liz

 

Hallo Liz!

Sie ist dein Lieblingshund? Find ich super!
Ich bin gespannt auf deine Susigeschichte. :)

klara

 

Hi Klara,
dein Titel wird deiner Geschichte nun wirklich nicht gerecht. Er hat so was lästig klingendes an sich, dass man kaum auf den Link klicken mag.

Dann allerdings liest es sich sehr schön - für einen Hundeliebhaber zumindest (der ich bin, neben Katze). Jeder wird gern an die nervigen und die rührenden Szenen erinnert, assoziiert man sie doch gleich mit den eigenen. Genau, wie du es sagst: leicht und heiter, so liest sie sich.

Wegen des Titels werden sich, glaube ich, nur Mitglieder der Zielgruppe Hunde(Tier)besitzer hier einfinden. Mir hat sie gefallen.

Gruß vom querkopp

 

Hallo querkopp!

Ja, auch ich bin unzufrieden mit dem Titel und du bestätigst mich darin. Er ist intuitiv entstanden, weil ich vorher eine komplett andere Hundegeschichte geschrieben habe und ich diese sozusagen als Gegenpol dazu setzen wollte. Das war nicht sehr durchdacht und hat den bisherigen Beiträgen nach auch nicht funktioniert.
Den Titel im nachhinein zu ändern ist nicht üblich, denk ich. Hmm ..

Naja, wenn die Geschichte dann doch wer aufmacht kommt sie scheinbar ganz gut an. Es freut mich sehr, dass sie dir gefällt. :)

lg
klara

 

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