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17.10.2001
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“Was siehst Du hier?”
„Nichts.“
„Los, schau mal genauer hin.“
„Einen schwarzen Schmutzflecken, sonst nichts.“
„Theo... ich weiß, dass Du das besser kannst.“
„Das hier ist totaler Müll.“
„Woher weißt Du das, wenn Du’s noch nicht mal ausprobierst?“
„Hab ich doch! Ich sehe verdammt noch mal nur einen Schmutzflecken.“
„Theo, der Sinn dieser Übung ist...“
„...herauszufinden, was in meinem Kopf abläuft, indem man Bildassoziationen und so eine Scheiße macht. Mann, ich mache das jetzt jeden Tag, und Sie auch. Geht Ihnen das nicht auch auf die Nerven? Befriedigt Sie Ihr Job?“
„Hier geht es nicht um mich, sondern um Dich.“
„Wie oft habe ich das schon gehört?“
„Jetzt versuche es doch bitte noch einmal.“
„Viel zu oft, das wäre Ihre Antwort gewesen. Jeder Seelenklempner lässt den Spruch ab, ist so gut wie alles, was ich von Euch höre. ‚Versuch es doch noch einmal’, und für den Scheiß legt mein Alter 150 Eier pro Stunde auf den Tisch. Um zu hören, dass Sie mir helfen wollen, und nicht sich selbst. Verdammtes Scheißspiel. Aber ich spiele mit.“
“…bist Du fertig?”
„Eigentlich nicht.“
„Probier es noch einmal. Ich versuche nicht, Dir Geld für nichts abzunehmen.“
„A-HA! Das haben Sie gesagt!“
“Theo…”
“Okay, okay… Sie haben Recht. Sie haben wirklich recht. Tut mir leid, versuche nur, ich selbst zu sein.“
„Das ist sehr gut, Theo.“
„Auf was für Typen stehen Sie denn so?“
„Also noch mal, Theo...es geht hier nicht...“
„Vergessen Sie’s einfach, okay? Ich mache den verdammten Test ja schon. Jesus, wie oft habe ich diesen Scheiß jetzt schon von Euch Aasgeiern gehört...“
„Gut. Also, was siehst Du?“
„Einen schwarzen...“
„Theo...“
„Ja, ja... also, ich sehe... einen Körper.“
„Einen Körper?“
„Yeah, einen Körper.“
„Bist Du sicher?“
„Hey Mann, soll ich’s Ihnen vorspielen? Ich sehe einen gottverdammten...“
„Gut. Das ist gut, Theo. In Ordnung, was siehst Du auf diesem hier?“
„Einen Schmetterling. Ohne Flügel.“
“Einen Schmetterling?”
“Könnten Sie mal damit aufhören, jedes verdammte Wort von mir zu wiederholen?”
„Stimmt, tut mir leid. Ich muss eben sicherstellen, wie Deine genaue Antwort lautet.“
„Ich sehe also einen Schmetterling, okay? Das ist das lange Teil in der Mitte, sehen Sie’s? Mit den beiden Antennen am oberen Ende? Und den zwei Punkten? Könnten Teile der Flügel sein oder so, oder das Innere des Viehs zermatscht auf dem Bürgersteig. Und sehen Sie die beiden flügelartigen Teile daneben? Ich meine ja, die sehen eher wie Buckel aus, aber könnten auch als Flügel durchgehen. Was meinen Sie? Vielleicht wolltet sich ein kleines, armes, durchgedrehtes Kind einen Spaß machen und die Flügel von einem Lebewesen abreißen, das eh nur zwei Tage gelebt hätte. Warum auch nicht? Machen wir das Leben kürzer, indem wir jede noch so kleine... Bewegung... verleugnen und zerstören...“
„... und?“
“Was? Ach, nichts. Mir ist nur gerade was aufgefallen.”
„Möchtest Du mit mir darüber sprechen?“
„Nicht wirklich.“
„Und warum nicht?“
„Die Zeit ist um. Darum.“

[Beitrag editiert von: Rabenschwarz am 03.03.2002 um 15:28]

 

Bald... schreibe gerade meinen Dialog fertig.

Die Challenge-Sache gefällt mir immer besser...

 

Also, ich fand den Dialog sehr gut. Liest sich flüssig, ist gut nachzuvollziehen, man verwechselt die Personen nie, man kann sich die Beteiligten und die Situation auch gut vor dem inneren Auge vorstellen. Über eventuelle "Aussagen" oder Interpretationen müsste ich mir noch mal Gedanken machen... ;)

Auf jeden Fall fällt auch auf, dass Theo die Psychiaterin (ist doch weiblich, oder?) siezt, während die Psychiaterin Teho duzt. Heißt das, dass Theo ein Jugendlicher ist? Ich geh mal davon aus...

 

Bald... schreibe gerade meinen Dialog fertig.
Die Challenge-Sache gefällt mir immer besser...

Spiel nicht rum, schreib endlich Dein Buch fertig!!! :mad:

 

Yo. Dialog gefällt mir sehr gut. Wenn Theo ein Jugendlicher ist, wird er aber wahrscheinlich nicht selber für die Psychoanalytikerin bezahlen, oder?
Ach ja, und den Titel würde ich ändern. Jetzt wo hier ein Haufen Dialoge stehen braucht man ja kein Beispiel mehr.

 

Danke für's Lesen und Kommentieren.

Ich hatte den Dialog eigentlich nur ganz fix geschrieben, um ein Beispiel zu geben (und damit schon mal was dastand, hatte ja keine Ahnung, dass so viele Beiträge kommen würden :) ), aber jetzt werd ich doch mal ein bisschen ernsthafter dran arbeiten. Scheinen soweit nur Kleinigkeiten zu sein...

- Der Psychologe ist ein Mann; dafür gibt es im Text den Hinweis

Hey Mann, soll ich's Ihnen vorspielen?
Frage...reicht das aus?

- Theo ist ein quasi-Jugendlicher, so um die 18...l3en's Kommentar, dass er die Sitzungen dann wohl nicht selber bezahlt, ist sinnvoll, werde ich jetzt mal editieren.

Grüße,
San

[Beitrag editiert von: Rabenschwarz am 03.03.2002 um 15:19]

 

Jo, für mich hat das auch nicht ausgereicht, um das Geschlecht des Psychiaters zu erkennen. Aber ist es überhaupt wichtig?

 

Hi!
ich kann auch nicht sagen, ob der Psychater / Psychologe .. männlich / weiblich ist ... aber ein Psychologe sollte ja eigentlich selbst rausbleiben. Also .. trotzdem denke ich, für mich wirkt es wie eine Frau. egal.

mir gefällt der sympathisch - psychotische Theo.

Würde übrigens nicht sicher sagen, daß Theo jugendlich ist... manche Therapie-Konzepte scheinen darauf zu beruhen, daß der Patient / Klient gedutzt wird... ( Frage von unausgewogenem Machtverhältnis )

wenn es Dir darauf ankommt, müßtest Du noch einen Hinweis einbauen, denke ich.
Allerdings ist es für mich gar nicht so entscheidend.

L.G.
Arc

 

muß noch schnell was loswerden:
Der Titel könnte mehr Spannung reinbringen, finde ich. "Noch 3 Minuten" .. da weis man ja schon, daß irgednwann die Geschichte an der Time-line endet... dann läuft die Uhr ab. Ich fände es besser, einen "spannenderen" Titel zu wählen...
etwa "Was Theo zu sagen hat" oder "Klecksdialog" oder "Was Theo sagt, und wann er schweigt"
"Reden ist Silber, Schweigen ist Gold"...

so in der Art vielleicht ..

l.G.
Arc

 

So, ich hab da jetzt mal drüber nachgedacht und bin zu dem Ergebnis gekommen, an den angesprochenen Punkten nichts zu ändern.

- Das der Psychologe schwul ist, ist für die Aussage des Textes nicht besonders wichtig; wäre der Text Teil einer größeren Geschichte, wäre dies an anderer Stelle ersichtlich;

- Allerdings ist es wichtig, Theo als Jugendlichen zu sehen, was, wie ich meine, im Text auch ersichtlich ist, und das nicht nur durch das Duzen; Theo hat (noch) den Mut, seinen Psychologen ein bisschen zu verarschen, ein Erwachsender hätte diesen vielleicht eher nicht mehr

- Am Titel gibt's nicht zu rütteln; klar gibt es unzählig viele passende Möglichkeiten, der von mir gewählte Titel ist eine davon, zumal der Aufbau von Spannung nicht Teil der Textintention ist

Nochmals Danke für das Interesse.
San

[Beitrag editiert von: Rabenschwarz am 04.03.2002 um 17:25]

 

Hallo San,

ich habe diesen Dialog gerne gelesen! Es war immer klar, wer mit wem spricht und mir ist es gleichgültig, ob der Psychologe ein Mann oder eine Frau ist. Daran habe ich erst den einen oder anderen Gedanken verschwendet, nachdem ich die Kritiken gelesen hatte.
Mir hat gefallen, wie der Jugendliche den Psychologen verarscht, und zwar auf intelligente Art und Weise. Als Theo am Schluß sagt: "Die Zeit ist um. Darum." , da mußte ich lachen. Ich fand das Ganze ausgesprochen unterhaltsam und witzig.

Barbara

 

Danke fürs Lesen und Kommentieren, Barbara!

Hatte gar nicht gesehen, dass hier noch jemand was geschrieben hat, bin nur zufällig mal meine
Texte hier durchgegangen, um zu gucken, was noch so Brauchbares dabei ist. Hat mich auf jeden Fall gefreut :)

 

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