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noch 10 Minuten...
Völlig durchnässt stehe ich unter der eher undichten Markise eines kleinen Ladens. Mist, warum muss es ausgerechnet heute regnen? Dann, wenn ich meinen Vorstellungstermin habe und mich extra schick gemacht habe. Klar das es dann aus Kübeln regnet und mein für diese Jahreszeit viel zu dünnes hellbeiges Kostüm durchweicht. Warum habe ich auch keinen Regenschirm, frage ich mich, als ich von einer Markise zur anderen sprinte. Ich hatte mal so einen Regenschirm, so einen Sparkassenwerbeschirm, den man den kleinen Kindern am Weltspartag in die Hand drückt, wenn die schön hässlichen pinkenen Plüschtiere ausgegangen sind. Aber der ist mir kaputt gegangen, was ich nie schlimm fand. Bis jetzt. Ein Blick auf die hypermoderne Uhr mit Temperatur- und Datumsanzeige genügt, um mich völlig zum verzweifeln zu bringen. Noch 10 min. dann habe ich den Termin. Noch 10 min.! Das schaffe ich nie, schießt es mir durch den Kopf. Völlig gehetzt renne ich zur S-Bahn.Mist, eine einfache Fahrt, so teuer? und dann habe ich auch noch kein Kleingeld bei mir, und die paar Cents, die ich in meiner völlig unmodernen Handtsche finde, kullern zu Boden. Na schön, ich werde jetzt aber nicht auf Knien durch das Abteil robben und mein kleingeld einsammeln. Eine ältere Dame hilft mir endlich schmunzelnd aus meiner peinlichen Lage und bezaht mir die Fahrt. Der Fahrer nimmt kopfschüttelnd das Geld und ich setze mich möglichst unauffällig und nicht ohne mich vorher bei meiner Retterin bedankt zu haben, auf einen Platz. Noch 4min. Das schaffe ich nicht, ich weiß es, das schaffe ich nicht. Und schon beim Vorstellungstermin zu spät, das macht keinen guten Eindruck.
Der Regen tropft mein Gesicht hinunter, in dem sich meine typischen roten Streßflecken gebildet haben. Ziemlich nervös gehe ich durch die große Drehtür des riesigen Gebäudes.
10minuten zu spät.
An der Rezeption schaue ich in ein gleichgültiges Gesicht mit falschem Lächeln. Mein Herz rutscht mir noch weiter runter. Hektisch erkläre ich der rotbekrallten, blondierten Dame das ich für ein Vorstellungsgespräch da bin. Sie nickt nur und zeigt auf einen der gläsernen Fahrstühle.<6.Etage, 3. Tür links.> Ich steige in den Fahrstuhl und er fährt nach oben. Ich klammere mich fest, Fahrstühle waren noch nie meine Stärke, aber wenn ich die Treppe laufe, bin ich noch später dran. 6.Etage, 3.Tür links. Ich klopfe, keiner macht auf. Ich klopfe nocheinmal, wieder nichts. Langsam öffne ich die Türe und spähe hinein. Niemand da. Ich gehe hinein und setze mich auf einen der ledernen Seßel. Es ist ein großer Raum, hell, im Zimmer steht eine einsame Pflanze.Es riecht nach Zigaretten, auf dem riesigen Schreibtisch steht ein übervoller Aschenbecher, Zigaretten Marke "ich-hab-viel-Geld" liegen daneben. Ein Blick auf meine Uhr: 15min. nach Vereinbarung. Meine Innenhandflächen werden feucht, nervös streiche ich durch meine nassen Haare. Meine Locken, extra für den Termin gemacht, hängen lasch und strähnig hinunter. Na toll, denke ich, all meine Bemühungen, möglichst adrett für diesen Termin auszusehen, im Eimer. Wahrscheinlich ist er was Essen gegangen, weil ich nicht gekommen bin. In dem Moment öffnet sich die Türe und Herr Bergmann kommt herein. Fluchend stellt er seinen Regenschirm ab, dann bemerkt er mich. Er ist vom Regen durchnässt und das Wasser tropft ihm von den Haaren. Sofort entschuldigt er sich für die Verspätung, es tue ihm furchtbar Leid das ich habe warten müssen, aber sein Auto sei kaputt gegangen und er musste mit der Bahn fahren,aber vielleicht wisse ich ja wie das ist mit der Bahn, und diesem Wetter....