No Lovestory
SMILE
>Marian<
Es ist bereits spät am Nachmittag. Wir haben viel besprochen. Letzte Worte, ein noch einmal Aufgreifen der vergangenen Stunden. Wir sitzen uns gegenüber, face to face, die Beine beinahe aneinander geschmiegt, aber dennoch auf Abstand.
Ich sitze dicht neben Dir, spüre Deine Nähe, die Wärme Deines Körpers. Fühle mich angezogen von Dir, als wärest Du mein Magnet und ich ein hilfloser Span.
Mit aller Kraft stemme ich mich dagegen, will doch nicht zulassen, dass Du merkst, wie hilflos ich in meiner Haut bin. Ich sehe in Deine Augen, sehe das Glitzern darin, sehe die Funken, die von Dir zu mir sprühen. Kann sie nicht loslassen, Deine Augen, versuche, in Deine Seele zu sehen.
Ich weiß, dass auch Du auf mich reagierst, schon längst und das nicht nur seit heute. Auch, dass Du das Gefühl zu spielen genießt, welches mich zu beherrschen scheint. Nicht darüber nachdenken, wohin es uns treibt, wohin es uns führen mag, fort von hier, an einen anderen Ort.
Ich beuge mich vor, nur noch Zentimeter sind zwischen Dir und mir. Die Wärme Deiner Haut steigt auf, ich kann kleine Schweißtröpfchen auf Deiner Haut sehen. Mein Lächeln wird breiter, wird zum Grinsen, als ich sehe, wie Du um Deine Fassung ringst und mir weder entgegenkommst, noch vor mir zurückweichst.
Ein Spiel, ein Spiel.
Ich habe Mühe, Dir zu zuhören, muß mich stark konzentrieren, um dem Gespräch folgen zu können, während meine Gedanken ein Band zu Dir knüpfen und ich mir unweigerlich vorstelle, wie es sein könnte, Dich zu küssen.
Ich glaube, Dein Herz schlagen zu sehen, und Du schränkst Deine Beine. Willst Du damit etwas verbergen?
Wieder lächle ich Dich an. Komme noch ein Stück näher. Spiele, spiele. Meine Augen plinkern, ich senke sie, um Dich dann von unten erneut anzusehen. Dein Atem stockt. Wir überwinden eine weitere körperliche Barriere zwischen Dir und mir.
Die Zeit rückt vor, ich werde gleich gehen, will aber den Moment des Zaubers, das Prickeln nicht verlieren. Wie spät ist es?
Während meine Sehnsucht, meine Freude, meine Lust mich auf der Stelle halten, bringst Du mich zum lachen, ich lege meine Stirn auf Deinen Arm, berühre Dich. Du streichelst mein Haar, das in Wellen über Dich fällt und Dich meine Wärme spüren läßt.
Schnell nimmst Du Deine Hand zurück, als ob Du Dich verbrennen würdest und als ich aufsehe, sind wir uns noch ein Stückchen näher. Milimeter nur noch, die keiner von uns überschreitet, wo wir die Grenze bewahren. Es fällt nicht schwer, die Spannung zwischen uns zu halten. Der Blick genügt, den wir nicht abwenden können.
Dein Lächeln reicht bis in die Augenwinkel, mein Blick liegt auf Deinen Lippen, ich versuche, die meinen nicht zu lecken. Zu heftig die Geste, zu gefährlich. Dich jetzt küssen, jetzt!
Ich stehe auf. Muss gehen, will gehen. Würde Dir sonst ins Gesicht grinsen, weil es mir solchen Spaß macht. Verstecke meine leuchtenden Augen hinter der Sonnenbrille, packe meine Sachen vor den Bauch, bin mir jedoch unschlüssig, wie ich mich verabschieden soll.
Du stehst auch auf. Zwei Meter sind zwischen uns, fast ein Abgrund.
Dann Dein Lächeln, das aufblitzt.
Ich gehe auf Dich zu, komme Dir wieder ganz nah. Ich werde Dich jetzt küssen.
Nur auf die Wange.
Du zögerst, ich fühle, dass Du mich richtig küssen willst, mich halten, nicht fortlassen und mit einer raschen Kopfbewegung meinerseits berühren sich nur unsere Mundwinkel- dann trete ich zurück, rasch. Atme wieder.
Ein letzter Blick über den Rand der Sonnenbrille hinweg, grün zu braun, ich gehe.
„See you.“ Dear.
KISS
>Marian<
Es ist heiß, die Sonne brennt unbarmherzig auf die Erde nieder, obwohl die Farben des Himmels schon die eines Gewitters haben. Dunkle Wolken bauen sich auf, lassen die Luft in einer Art und Weise schwingen, die mich unruhig macht, nervös.
Noch ist der Wind sanft, der die Blätter über uns bewegt, ein spielendes Bild aus Licht und Schatten.
Er liegt neben mir auf dem Rücken, die langen Beine weit von sich gestreckt, mit geschlossen Augen. Wir berühren uns nicht, obwohl ich die Wärme seiner Hand neben der meinen spüre. Ich müsste nur den einen Finger bewegen, um ihn zu erreichen. Und ich überlege wirklich, ob ich es tun soll.
Es würde aber etwas in Gang setzen, von dem ich nicht weiß, ob es klug wäre, es zu beginnen. Doch dann ist er derjenige, der anfängt, der seinen kleinen Finger sacht über den meinen legt, sich leicht darin verhakt.
Wir reden nicht, liegen nur da, schauen nach oben, der warme Wind streicht über uns, ich versuche zu begreifen, was da geschieht, wie es sich anfühlt, ihn neben mir zu wissen, zu spüren, dass da auf einmal mehr ist, wie ein bloßes sich kennen, sich vage mögen.
Ich schiebe langsam meine Hand unter seine, möchte mehr von ihm spüren, mehr von ihm wissen. Versuche, das Gefühl, das die Berührung in mir auslöst, zu verstehen, zu benennen, zu ergründen, und kann es doch nicht.
Ich bin unruhig, weiß immer noch nicht, wie ich mich verhalten soll, bin hin - und hergerissen, von der Spannung, einen Mann neben mir zu haben, der mich interessiert, auf den ich körperlich reagiere und dem Wunsch, davon zu laufen, keine Verantwortung zu übernehmen, mich allem zu entziehen.
„Lass es einfach geschehen.“
Seine Stimme ist leise, zärtlich und ich könnte es sowieso nicht, das Weglaufen, weil meine Knie viel zu weich sind, um aufzustehen.
„Manche Dinge kann man nicht erklären. Eine Erklärung zerstört den Zauber.“
Ich weiß, er hat recht, aber macht er es sich damit nicht zu einfach? Ich kneife meine Augen zusammen, hole tief Luft und denke mir, was solls, ich lebe heute.
Und ich bin heiß auf ihn.
Der Gedanke läßt mich grinsen, ich drehe meine Hand unter der seinen um, damit unsere Handflächen aufeinander liegen. Er spreizt die Finger, die meinen gleiten dazwischen und wir fassen uns eng, fast zu eng, für diese Hitze des Sommers.
Ich atme langsam, atme die Wärme der Umgebung, atme das Sonnenlicht in meinen Bauch. Fühle es groß und heiß in mir. Er beugt den Ellenbogen, führt meine Hand an seine Lippen, küsst die Fingerspitzen. Sanft, zärtlich, so, dass mir eine Gänsehaut den Rücken hochjagt. Gerade kann ich noch ein leises Stöhnen unterdrücken, dann läßt er unsere Hände wieder auf das trockene Gras unter uns sinken. Ich fühle seinen Handrücken an meinem Bein, spüre den rauen Stoff seiner Hose an meiner Hand. Vorsichtig streichelt er mich mit dem Daumen, läßt mich seine fast unerträgliche Zärtlichkeit erahnen. Und wieder bekomme ich eine Gänsehaut, die diesesmal weit über meinen Bauch reicht, mir die kleinen Härchen auf den Armen aufrichtet.
Ich hebe unsere verschränkten Hände, lege sie mir auf den Hüftknochen, dann ein Stück höher auf die Taille, dort, wo der Saum meines Shirts hochgerutscht ist, und ich seine Hand auf meiner Haut spüren kann. Erst hält er still, dann dreht er unsere Hände leicht hin und her, sein Handrücken streichelt meine Seite.
„Dein Bauch fühlt sich gut an.“
Fast beiläufig klingt seine Stimme und im ersten Moment denke ich, wie gut er sich im Griff hat, bis ich aus den Augenwinkeln das Lächeln in seinem Gesicht sehe. Wie er dann unsicher die Beine an den Knöcheln überkreuzt. Mir einen Blick zuwirft.
„Ja?“ Was anderes kann ich nicht sagen, versuche, die Schmetterlinge in meinem Bauch zur Vernunft zu rufen.
„Ja. Sehr.“
Wir beginnen ein harmloses Gespräch, um unsere Verlegenheit zu überwinden. Man sollte nicht glauben, dass wir erwachsene Menschen sind, die normalerweise mit beiden Beinen im Leben stehen. Wir reden über den wirklich wunderbaren Sommer, über vergangene Leben, über das, was wir uns wünschen, was wir schon immer mal tun wollten. Bis er sich plötzlich halb aufrichtet und mich überrascht, indem er mich küsst, einmal, zweimal. Sich wieder zurücklegt.
„Das wollte ich schon lange tun.“
„Ach.“ Ich bin viel zu sehr aus der Bahn geworfen von seiner Reaktion, als dass ich schlauer hätte antworten können. Spüre noch den Druck seiner Lippen auf meiner Haut, das Prickeln, das sie in mir verursacht haben. Weiß nicht, ob ich es wiederholen möchte oder ob ich den Kuß gerade noch als Ausrutscher hinnehmen kann.
Ein ausrutschen wo hinein? Ich weiß es nicht, schaffe es aber auch nicht, ihm meine Hand zu entziehen.
Nicht soviel nachdenken, es einfach passieren lassen – ach, wenn das so einfach wäre...
>André<
Wow, was für ein Gefühl!
Sie scheint verwirrt zu sein. Ich bin es auch. Sehr. Sie hat wohl nicht damit gerechnet, dass ich es tatsächlich wage, sie zu küssen. Ihr Gesichtsausdruck bei dem "Ach", eine Mischung aus Sehnsucht und Verwirrtheit ... wie ihre Augen funkelten ...
Sie riecht herrlich, welches Parfum das wohl ist? Auf jeden Fall eines, das ihr Charisma und ihre Schönheit noch verstärkt. Ihre Haut, sie ist so unglaublich weich, fühlte sich so gut an.
Was hat diese Frau bloß mit mir gemacht? Ich möchte einfach nur unter diesem Baum mit ihr liegen, sie berühren, ihren Körper erkunden und kennen lernen, wissen, wie sie schmeckt. Ich möchte ewig ihren Atem hören und auf mir spüren. Ihr in die wundervollen, leuchtenden Augen sehen. Mit ihr zusammen sein ...
Ich werde aus meinen Träumen gerissen, sie steht vor mir. Was? Zum Bahnhof gehen?
Ach stimmt ja, der Zug fährt bald.
Dieser Park ist wunderbar, ihn werde ich auch nie vergessen. Fühle mich wie ein Teenager, habe Schmetterlinge im Bauch, würde gerne ihre Hand halten ...
Träume ich? Plötzlich spüre ich ihre kleine, weiche Hand in meiner. Ich will weitergehen, Hand in Hand mit ihr, auf immer durch die Sonne gehen, aber sie hält mich zurück, bleibt stehen, unvermittelt.
Ich drehe mich zu ihr um. Sie steht wenige Zentimeter hinter mir, hält meine Hand und lächelt mich zauberhaft an. Ihr Blick hat etwas von einer Frau, die weiß was sie will, gleichzeitig sieht sie jedoch aus, wie ein kleines, schüchternes Mädchen.
Ich hole tief Luft, lächle sie an. Mein Blick ist fragend ... Sie erhöht den leichten Druck auf meine Hand, zieht mich näher zu sich. Ich folge ihm, stehe ihr nun gegenüber. Was will sie von mir?
Ihr Blick ist zärtlich und leidenschaftlich zugleich, mich durchfährt ein Schauer ... Uns trennen jetzt nur noch wenige Zentimeter, sie streckt sich mir entgegen, stellt sich auf die Zehenspitzen. Ihre Lippen berühren sanft die meinen ...
Ganz zärtlich küsse ich sie ... da sind sie wieder ... die Schmetterlinge, die ich schon vorhin im Park gespürt habe, aber jetzt noch viel stärker, intensiver. Meine Gedanken verschwimmen, ich kann nichts mehr denken, fühle einfach nur noch ...
Wow, ich schwebe in den siebten Himmel!
Was ich empfinde, spielt sich, zu meiner Verlegenheit, nicht nur in meinem Kopf ab. Sie spürt genau, was ich fühle. Sie presst sich noch enger an mich, umfasst mich, ich merke, dass ihr das nicht reicht, was zwischen uns ist. Wie sie mehr von mir verlangt.
Meine Küsse werden intensiver, fordernder, ich fühle, wie sich ihre Lippen öffnen, weich, so süß, ihre Zunge an meiner. Wie sie mit mir spielt. Ich nehme ihre Herausforderung an, spiele mit. Unsere Leidenschaft wird ungezügelter, meine Erregung steigt ins scheinbar Unermessliche. Ihre Hände wandern unter mein Jackett, ich zucke kurz zusammen bei der Berührung. Wie vom Blitz getroffen, schalten sich sämtliche Bedenken und Gedanken ab, ich bin hier, bin eins mit meiner Traumfrau.
Ich streichle zärtlich über ihren Rücken, nur mit den Fingerspitzen. Sie windet sich unter meinen Berührungen, während wir in diesem Kuss verschmelzen. Ich habe das Gefühl, gerade der Unendlichkeit zu begegnen, denn dieser Moment sollte niemals zu Ende sein, ewig andauern ...
Da löst sie sich von mir ... grinst mich an ... hinterhältiges Biest, das sie sein kann ...
"Was du kannst, kann ich schon lange."
Und geht weiter, vor sich hin grinsend, in Richtung Bahnhof. Ich starre ihr ungläubig hinterher, beeile mich dann aber lieber, sie einzuholen. Was passiert hier eigentlich???
>Marian<
Mein Herz schlägt wie wild, klopft, hüpft, tanzt. Mein Atem jagt, als wäre ich eine lange Strecke gerannt. Bin ich ja irgendwie auch.
Ich lächle, grinse, lache, möchte die Arme ausbreiten, die Welt umfassen, mich ins Gras werfen, ihn neben mir haben.
Wieder bleibe ich stehen, warte auf ihn, der immer noch hinter mir geht, mit großen Schritten, in Gedanken versunken. Er strahlt mich an, als hätte ich ihm ein Geschenk gemacht. Verträumt gleitet sein Blick über mein Gesicht. Bleibt an meinen Lippen hängen. Er lächelt, sieht mir wieder in die Augen, kommt mir ganz nah, beugt sich zu mir. Küsst mich zärtlich. Vorsichtig. Sanft. Liebevoll.
Ich halte nur still, genieße seine Nähe, lasse mich in unseren Kuss fallen, verliere mich darin. Schließlich muß ich meine Arme um seinen Nacken schlingen, weil meine Knie wieder so weich werden.
„Willst Du den Zug verpassen?“ Ein Hauch von Vernunft streift mich.
„Mit Dir bleibe ich überall...“ Die ihn schon verlassen zu haben scheint.
„Gleich wird es zu regnen anfangen.“ Um ehrlich zu sein, hat es das schon.
„Mir egal.“ Seine Zähne knabbern an meiner Lippe.
„Mir auch.“ Meine Zunge sucht die seine.
Seine Tasche fällt ins mittlerweile nasse Gras, die Regentropfen finden ihren Weg durch meine Haare und rinnen gleich Tränen über mein Gesicht.
Ich schließe die Augen, während er versucht, den Regen weg zu küssen. Was ihm natürlich nicht gelingt, ihm aber die Chance bietet, mich endlich so oft zu küssen, wie er es sich vielleicht erträumt hat. Der Regen tropft mir am Hals entlang, sucht sich seinen Weg in meine Bluse, die schon längst an mir klebt. Seine Lippen folgen seinem Weg, küssen mich zärtlich, willkommen und geliebt, immer tiefer in meinen Ausschnitt. Unter seinen Küssen ziehen sich meine Brüste zusammen, verhärten sich und ich lege meinen Kopf in den Nacken, lasse mein Gesicht von den warmen Tropfen umschmeicheln. Spüre nur noch seine Berührungen auf mir, kann nicht mehr sagen, wie mein Name ist, will es auch gar nicht. Will nur, dass dieser Moment nicht endet. Niemals endet.
Auf ewig hier mit ihm stehen. Mit ihm sein.
TEARS
>Marian<
Ich bin unruhig, finde nicht mehr richtig zu mir, verliere mich in Gedanken an Dich, an mich, an uns, an das Verquere unserer Situation.
Ich weiß nicht, was ich tun soll, bin nicht bereit, etwas aufzugeben, nicht bereit, etwas zu ändern, will Euch beide haben, Dich, André, mein Lieber, und meinen Freund, der schon so lange mein Leben teilt, von dem ich dachte, er wäre der Mann meines Lebens. Der er eigentlich immer noch ist.
Ach! Ich werfe den Stift in meiner Hand auf den Tisch und lehne mich resigniert zurück. Seit wir von dem Auftrag neulich zurück sind, bin ich völlig durch den Wind. Denke dauernd an Dich. Weiß, dass ich das besser nicht täte. Dass ich Dich vergessen sollte, zumindest meine Gefühle für Dich.
Rein vernunftmäßig tu ich das ja auch. Dennoch halte ich mich ständig zurück, zu Dir zu fahren. Ich suche mir tausend Gründe, weswegen ich es könnte. Offizielle natürlich. Es soll nicht so aussehen, als wollte ich Dich nur sehen. Dich berühren. Dich küssen. Oder Dich gar in mein Bett locken. Wozu ich größte Lust hätte, wie ich mir eingestehen muss.
Verflixt. Ich stehe auf, laufe hektisch ein paar Schritte hin und her.
Dann zerraufe ich meine Haare. Wie ein Teenager. Zu blöd. Ich nehme die Schlüssel meines Autos, schreibe eine Notiz an meine Mitarbeiterin, die nachher ins Büro kommen wollte und fahre endlich hin zu Dir.
Im Auto habe ich die Musik viel zu laut und mein Herz schlägt wie verrückt.
Dich wieder zu sehen ... Dein Lächeln ... Deine Stimme ... Ich schließe kurz die Augen, atme tief ein, oh Mist, die vor mir bremsen! Ich bin froh, als ich meinen Silbernen endlich heil bei Dir auf dem Parkplatz abstellen kann.
Ich sehe Dich im ersten Stock hinter der Scheibe stehen. Betrachte Dich, bin aufgeregt, glücklich. Meine Augen glitzern, wie ich beim letzten Blick in den Rückspiegel feststelle. Seh ich gut aus? Werde ich Dir gefallen? Wirst Du Dich freuen?
Atmen, atmen, dann der Schritt aus dem Auto. Aufrecht, gelassen. Cool sein, Mädel!
Du öffnest mir die Tür. Siehst mich, lächelst mich an.
„Endlich!“
Du ziehst mich in den Flur, nimmst mich in die Arme, als wolltest Du mich nie wieder loslassen. Sofort sind alle Gefühle wieder da, machen mir schwindelig, lassen mich alle Sorgen vergessen. Herr im Himmel, habe ich mich wirklich verliebt?
Ich schmiege mich an Dich, lasse meine Hände über Deinen Rücken gleiten, immer noch unbekannt und doch schon vertraut. Meine Hände erforschen Dich, mein Mund möchte Dich nur küssen. Du nimmst mich an der Hand, führst mich hinter Dir her in Dein Büro, kannst den Blick nicht von mir wenden.
„Ich konnte nicht anders, musste Dich sehen.“ Ich lächle, schmiege meine Hand in Deine. „Musste Dich spüren.“
Dein Blick versinkt in meinem. Du bist mir so nah. Wo warst Du nur die ganze Zeit?
Es klingelt an der Türe und hektisch fahren wir auseinander. Hat uns jemand gesehen?
Schuldbewusst streiche ich mir meine Haare aus den Augen. Was tu' ich hier eigentlich? Habe ich vor, ein Verhältnis mit Dir anzufangen? Oder meinen Freund zu verlassen? Ich lehne mich mit dem Rücken gegen die kalte Wand, während Du Dich mit dem Paketdienst abmühst. Die Kühle bringt mich wieder zur Vernunft, hoffe ich zumindest. Ich weiß, er ist verheiratet. Ich weiß wenig über seine Ehe, wir haben eigentlich nie darüber geredet. Auf seinem Schreibtisch steht ein Bild von ihr.
Wie wäre es für mich, wenn ich seine Frau wäre? Oder wenn mein Freund in seiner Situation wäre und ich es heraus bekäme? Ich wäre stinksauer. Traurig, zutiefst verletzt. Schon bei dem Gedanken treten mir Tränen in die Augen, was also mach ich hier?
Ich schließe die Augen, beiße mir auf die Lippen. Was ein Chaos. Plötzlich ist da Deine Hand an meinem Gesicht. Unendlich zärtlich streichelst Du mich. Eine Träne gleitet mir aus dem Auge, kullert die Wange entlang, ich kneife die Augen zusammen, will nicht vor Dir weinen, Dir meine Unsicherheit zeigen, mein Gefühlsdurcheinander. Wäre ich nur nicht hergekommen.
„Was ist los?“ Du flüsterst, spürst meine Angst, meine Unruhe, willst mir helfen.
„André, ich kann nicht.“
„Ist was ... passiert?“ Passiert? Oh, Du meinst meinen Freund.
„Nein.“ Nein, vielleicht ahnt der was, aber ich meinte nur die Verwirrtheit in mir.
„Was kannst Du nicht?“ Deine Nähe macht mich ganz sprachlos.
„Das hier.“ Ich öffne die Augen, seh in die Deinen. Tief, ich kann mich in Deinen Pupillen spiegeln sehen. Will Dich doch nur berühren. Bei Dir sein. Ich muss es Dir aber jetzt sagen, meine ganz genau zu wissen, was richtig ist. Was richtig sein soll. Werde jetzt eine Entscheidung treffen. Bin mir schon wieder nicht sicher, aber ich halte dieses Hin- und Her in mir nicht mehr aus.
„André, das muss aufhören. Wir müssen damit aufhören.“
Du lässt mich los, gehst zwei Schritte zurück. Dein Gesicht ist schlagartig traurig, ich sehe, wie Du um Atem ringst. Beide schlucken wir trocken. Müssen den Abstand, der plötzlich da ist, erst mal verkraften.
„Du meinst, ich darf Dich nicht mehr berühren?“ Dein Schmerz in der Stimme trifft mich mitten ins Herz.
„Zumindest nicht mehr so.“
„Dich nicht mehr küssen?“ Ich schüttle den Kopf. In mir schreit es, doch , doch, ich will Dich küssen. Jetzt, immer wieder!
Du gehst noch einen Schritt zurück. Die Entfernung zwischen uns wird immer größer.
„Okay.“ Du holst tief Atem. „Wenn Du das so willst.“
Ich will, ich will nicht, ich weiß nicht, was ich will.
Es ist Zeit zu gehen, eher zu fliehen. Ich muß an Dir vorbei, kann nicht, bleibe stehen, fasse Dein Gesicht mit beiden Händen, küsse Dich auf den Mund. Du reagierst nicht. Deine Lippen sind kalt wie Eis. Ich schmiege meine Wange an die Deine.
„Nicht, tu das nicht. Bitte.“ Wieder ist Deine Stimme nur ein Flüstern. Ich kann nicht, kann nicht gehen. Was hab ich da nur wieder gemacht.
„Kennst Du das spanische Sprichwort: Bietest Du einem Liebenden die Freundschaft an, dann ist es, als ob Du einem Verdurstenden ein duftendes Stück Brot anbietest.“
Du schiebst mich fort von Dir. Lächelst traurig. „Duftendes Brot ist auch in Ordnung.“ Ist es nicht. Aber es muss reichen. Ich weiß es.
Ich gehe, schnell, renne fast, weiß nicht einmal mehr, wie ich zu meinem Auto gekommen bin. Ich werfe mich auf dem sonnenwarmen Sitz, will nur weg hier, gleichzeitig zieht mich mein Herz zu Dir zurück. Was soll ich nur tun?
Ich lehne mich zurück. Zwinge mich, tief durchzuatmen. Mein Blick fällt in den Spiegel, ich sehe meine weit aufgerissenen Augen. Doch, ich hab es richtig gemacht. Ich bin mir sicher, bin mir sicher, dass ich meinen Freund liebe und die Zuneigung zu Dir mich einfach überrumpelt hat. Jederzeit kann das passieren, das weiß ich jetzt. Ihm, meinem Partner, meiner Liebe, wie auch mir. Solange ich weiß, wo ich eigentlich hingehöre, habe ich meinen Platz im Leben.
Ich starte den Silbernen. Langsam rollt mein Wagen vom Parkplatz. Im Rückspiegel sehe ich Dein Büro kleiner werden, verschwinden. Ich weiß, Du wirst immer in meinem Herzen sein. Bei mir. Aber nicht der Mann sein, der sein Leben mit mir teilen wird.
Eine letzte Träne rinnt mir aus den Augen. Kurz denke ich daran, ob ich vielleicht rechtzeitig die Bremse hätte ziehen können, ziehen sollen. Aber das ist längst verschüttete Milch. In Gedanken werfe ich Dir noch einen Kuss zu und gebe Gas.