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Serie Nippur-Nuzi: Italiener, Bankräuber und spontane Lochbildung

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24.09.2000
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Nippur-Nuzi: Italiener, Bankräuber und spontane Lochbildung

Zum zweiten Mal ermittelt Oberwachtmeister Karmen in Nippur-Nuzi. Diesmal hat er es mit dem Organisierten Verbrechen zu tun, das es auf die Nippur-Nuzier Zentralbank abgesehen hat. Gott... äh dem Bürgermeister sei Dank, erhält er diesmal Unterstützung eines neuen Mitgliedes der Nippur-Nuzier Wache, das besondere Qualitäten verbirgt. Ob es ihnen gelingt, den Bankraub zu verhindern?


Nippur-Nuzi: Italiener, Bankräuber und spontane Lochbildungen

Nippur-Nuzi wird wegen seiner geografischen Lage besonders von jenen Urlaubern geschätzt, die einfach nur einmal die frische Luft genießen wollen. Vom ganzen Land Akko Akkribes kommen die Menschen zu diesem Ort, um auf den breiten Gassen spazieren zu gehen, ihre Kutschen über das gut gebaute Pflaster rollen zu lassen und es sich in einem der zahlreichen Hotels so richtig gut gehen zu lassen. Doch nicht nur aus Akko Akkribes, auch aus anderen Ländern strömen die Touristen nur so nach Nippur-Nuzi. Oft sieht man Zwerge aus dem Land Miene im Paradies, dem schönsten Garten der Stadt, spazieren gehen; Elben und Trolle, die sich am See die Sonne auf die weiße und graubraune Haut scheinen lassen; Werwölfe, die so frohgemut wie zu Hause, hinter den Kutschen anderer nachlaufen. Nippur-Nuzi ist eben ein Schmelztiegel der verschiedenen Kulturen.
Doch wie in jeder Metropole gibt es auch Orte, die man lieber nicht sehen möchte. Da gibt es das Rotlichtviertel, wo sich selbst Zwerginnen für ein paar Taler die Bärte rasieren; das Verbrecherviertel, wo ein Vampir schneller einen Pfahl im Herzen hat, als er „Sarg“ sagen konnte; und das Finstere-Typen-Viertel, wo eben alle dunklen Gestalten den ganzen Tag genau das tun, was dunkle Gestalten eben so machen.

Und irgendwo in dieser Gegend saß an jenem Tag Tasso Tassini in der hintersten Ecke eines Wirtshauses und sprach hektisch zu seinen Partnern.
„He! Ihr dürft nur den Bullen nichts sagen, dann ist alles todsicher. Habt ihr das kapiert?“ Tassini war Italiener. Italiener sind Menschen sehr ähnlich, nur haben sie dunklere Haut und sind etwas kleiner gewachsen. Darum saß Tassini auch auf einem hohen Polster, damit er mit den drei Orks etwa in gleicher Augenhöhe war. Seine Beine baumelten nervös in der Luft.
„Aber wenn es so einfach ist, warum machst du es dann nicht selbst?“, fragte einer der Orks und die anderen unterstützten seine berechtigte Frage mit lautem Trommeln auf dem Tisch.
„Aber Klink, ich hab's euch allen doch schon erklärt, was ist los?“ Tassini strich mit dem rechten Handrücken wild über seine Bartstoppeln. „Du musst dir unsere Beziehung, wie den Körper eines Orks vorstellen. Ohne was kann ein Ork unmöglich leben?“
Die drei Orks sahen sich fragend an. Dann sagte der mutigste: „Ohne Tabak, oder?“ Die anderen bejahten nickend die gute Idee ihres Freundes.
„Ohne Kopf, ihr Söhne einer Elbin! Ohne Kopf kann ein Ork nicht überleben. Oder habt ihr schon einmal einen Ork ohne Kopf gesehen? Ich jedenfalls nicht!“ Die Orks stimmten Tassini zaghaft zu und der Italiener erkannte, dass der Kopf eines Orks wohl nicht das beste Beispiel war.
„Ich habe aber noch nie einen Ork mit vier Köpfen gesehen“, bemerkte einer gewieft.
„Wir sind auch nicht alle Köpfe von einem Ork, du Hinterteil eines andalusischen Zombies. Ich bin der Kopf, ich. Tasso Tassini. Und ihr seid die Arme und Beine. Ich denke und ihr macht die Arbeit. Alles klar jetzt?“
Auf diese schlagende Argumentation wussten die Orks nicht, was sie antworten sollten. Endlich, nach eineinhalb Stunden Diskussion war es endlich an der Zeit, die drei Gestalten in seine Pläne einzuweihen.
„Also, alles dreht sich um die Nippur-Nuzier Zentralbank...“
Da kam ein mürrisch aussehender Zwerg auf die Gesellschaft zu. „Tasso, die Bullen kommen!“
„Die Bullen?“ Der Italiener war überrascht. Wie hatte denn die Stadtwache von ihrem Treffen erfahren. Sicher war das nur Zufall. „Diese verdammte Bullen! Schnell, tut so, als wüsstet ihr von nichts.“
„Was sollen wir nicht wissen?“, fragte noch einer der Orks, als die Tür aufging und die Organisiertes Verbrechen Spezialeinheit der Nippur-Nuzier Stadtwache das Gasthaus betrat. Es wurde ganz still. Drei ausgewachsene Büffel in Polizeiuniform konnten ganz schön viel Respekt einflößen.
„Guten Tag, Herr Wirt“, sagte der Kommandeur Leutnant Flade. „Nippur-Nuzi Spezialkommando. Wir möchten uns gern ein wenig umsehen.“
Der Zwerg war so beeindruckt, dass er noch ganze fünf Zentimeter schrumpfte.
Langsam schlenderten die Büffel durch das Gasthaus, schnüffelten an einigen Tischen und blickten in jedes Gesicht.
„Wen haben wir denn da?“, fragte Flade, als seine Gruppe bei dem Tisch von Tasso Tassini ankam. Die zwei anderen Büffel bäumten sich hinter ihrem Kommandeur auf. „Was planst du denn diesmal, Tasso?“
„Was sollte ich denn planen?“ Der Italiener setzte seine unschuldigste Mine auf, was sein Gesicht in etwa viertausend Falten legte. „Ich plane höchstens meinen Freunden meine Briefmarkensammlung zu zeigen, sonst nichts!“
„Ist das wahr, Ork?“
„Äh... ich weiß nichts von einer Briefmarkensammlung“, sagte ein Ork.
„Ja, wir wissen gar nix“, sagte ein Zweiter.
„Außerdem dürfen wir Bullen nichts sagen, nicht wahr Tasso?“, sagte der Dritte.
Leutnant Flade schnaubte wütend durch seinen Nasenring. „Ihr nennt uns also Bullen?“
„Nein, nicht immer!“, sagte der zweite Ork schnell. „Manchmal sagen wir auch Ar...“
„Wie auch immer“, unterbrach Tassini die Einleitung des jüngsten Gerichts. „Wir haben nichts getan und werden auch nichts tun.“ Die Orks nickten zustimmend. Zumindest verstanden sie Fußtritte.
Flade schnaubte noch einmal. „Und was dürft ihr uns „Bullen“ nicht sagen?“
„Was wir euch zu Weihnachten schenken“, sagte Tassini schnell. „Sonst wär´s ja keine Überraschung.“
Doch Flade ließ nicht locker. Er blickte Tassini mit seinen Büffelaugen tief ins Gesicht. Er war schon zu lange bei der Stadtwache, um den Hauch eines Verbrechens nicht schon kilometerweit gegen den Wind zu verkennen. In-die-Augen-des-anderen-Starren war eine von Flades Lieblingsverhörstaktiken. Dabei musste er sich nicht anstrengen, einfach weiter geradeaus in die Augen seines Gegenübers blicken. Irgendwann brach jeder unter dem Büffelblick zusammen.
Und wirklich wahr. Tassini schwitzte immer mehr. Er hatte das Gefühl, jeden Moment die Nippur-Nuzier Stadtwache in seine Pläne einweihen zu müssen. Es schien ihm, als bestünde ganz Akko Akkribes nur aus einem einzigen Büffelauge, das über ihm wachte und dem er alles erzählen könnte. Selbst die Geschichte, als ihm seine Schwester als Kind sein Olivenölfläschchen weggenommen hatte. Ui, das war gemein gewesen...
Das brachte Tassini wieder in die Realität zurück. Er ergriff die Flasche Olivenöl, die auf dem Tisch stand und schleuderte sie dem Büffel entgegen. Er traf direkt das Auge und die schwarze Flüssigkeit spritzte herum und bedeckte die Szenerie.
Flade schrie, als das Zeug in seinen Augen zu brennen begann und sich nicht mehr wegwischen ließ. Die Welt verschwand und als er wieder sehen konnte, war Tassini verschwunden.

„Er ist viel zu klein für einen Menschen“, sagte Stabswachtmeister Meier von der Stadtwache Nippur-Nuzi.
„Aber er ist zu groß für einen Zwerg“, sagte sein Kollege Korporal Kleinlich.
„Er ist zu gebeugt für einen Elben“, sagte eine weitere Stimme.
„Und er zu viel hässlich für einen Troll ist.“
Die Stadtwache hatte seit diesem Morgen ein weiteres Mitglied, das in der Stadt Recht und Ordnung verbreiten sollte. Doch noch immer schien es unklar, woher der Neue, Obergefreiter Argora, eigentlich stammte. Normalerweise stellte ein Frischling (so wurden die Neuen meistens von den Zwergen genannt) seinen Schreibtisch zu seinen Speziesgenossen, auch wenn das von Oberwachtmeister Karmen und dem Institut für Fremdliche Wesen nicht gerne gesehen wurde.
„Seht mal, seine Schuhe sind doch viel zu groß für seine Verhältnisse“, bemerkte Korporal Margula, die sich zu der Gruppe der Lästerer gesellte. Die anderen nickten, während Obergefreiter Argora angestrengt vertieft seine Unterlagen bearbeitete. Seine Ohren liefen angesichts der Aufmerksamkeit die er erregte, rot an.

„Er hat mit einem Schlag die ganze Spezialeinheit für Organisiertes Verbrechen lahm gelegt“, sagte Gott, als er Oberwachtmeister Karmen und Wachtmeister Klu in seinem Büro gegenüber saß.
„Wie hat er das gemacht?“ wollte Klu wissen.
„Er hat sie mit Olivenöl bespritzt, so dass sie fast gänzlich schwarz wurden. Und ihr wisst ja, wie schwer Olivenöl aus Leder wieder herausgeht.“
Wachtmeister Klu machte ein sehr besorgtes Gesicht, als wäre die Welt auf die Bullen hereingebrochen und hätte alle Kühe lila gefärbt.
„Na und?!“, sagte Karmen verständnislos.
„Weißt du Karmen“, sagte der Bürgermeister geduldig, „bei Kühen verhält es sich so ähnlich wie bei Schafen.“
„Niemand möchte die Schwarze Kuh der Stadt sein“, vollendete Klu, worauf er sich zur Belohnung eine Oblate aus dem goldenen Kelch nehmen durfte.
„Sie sind nun zwei Wochen stationär in der Putzerei aufgenommen“, sagte Gott und lenkte nun zu seinem eigentlichen Anliegen: „Darum müsst ihr euch um Tasso Tassini kümmern.“
„Wir zwei?“, schoss Karmen hervor. Mit dem Organisierten Verbrechen war nämlich gar nicht zu spaßen und da brauchte es mehr als zwei Leute, um einen solchen Fall zu bearbeiten.
„Nein, nein, doch nicht nur ihr zwei!“, sagte Gott und lächelte. „Ihr müsst natürlich Obergefreiten Argora mitnehmen, damit er von den besten lernen kann. Und jetzt: Los! Los!“
Die Hand Gottes schob die Wachen zu der Plattform zurück, die Klu und Karmen wieder hinunterbeförderte.
„Na das kann ja lustig werden“, sagte Karmen mürrisch.

In der Wache wurden inzwischen die drei Orks abgeführt, die Stunden zuvor am Tisch von Tasso Tassini gesessen waren. Dieser Vorgang war nicht unbedingt dem Gesetz entsprechend, schließlich durften in der freien Welt Akko Akkribes keine Personen einfach nur auf Verdachtsvermutung festgehalten werden. Allerdings waren die Orks auch nicht unbedingt gebildet in Gesetzesdingen (ehrlich gesagt, hielten sie Juristen für Drachen, die in der Urzeit auf der Welt lebten, aber schon lange ausgestorben waren) und aufgrund so vieler „nicht unbedingt“ wurden sie in das Verhörszimmer geführt, ohne, dass sie irgendwelche Widersprüche von sich gaben... von den Üblichen Einwänden einmal abgesehen.
„Lasst uns sofort los!“, brüllte ein Ork.
„Wir haben nicht getan!“, sagte ein weiterer.
„Wir kennen nicht einmal Tassinis Nachnamen!“
„Gut das reicht!“, sagte Korporal Kleinlich, der trotz des Größenunterschieds ziemlich gut in der Handhabung von gefangenen Orks war. „Seid lieber leise, bevor ihr euch noch tiefer in den Schlamassel redet!“
Derweil waren Karmen und Klu in der Wache eingetroffen.
„Also, ich kann mir nicht vorstellen, dass Argora der Sohn eines Trolls und einer Zwiebelhändlerin ist“, sagte Wachtmeister Klu zu seinen Kollegen, die noch immer rund um den Neuen versammelt waren.
„Wieso kannst du dir das nicht vorstellen, Klu?“, fragte ein Zwerg und machte eine Miene, die darauf hindeutete, dass er Schlaumeier hasste. Überhaupt fanden viele, dass Klus Vorfahren einfach das „gscheißer“ aus ihrem Namen haben löschen lassen.
„Weil es schon seit über fünfhundert Jahren keine Zwiebelhändlerinnen mehr gibt. Nicht einmal in der Eiermark, der Hochburg der Zwiebel.“
Die anderen stöhnten angesichts der Fantasielosigkeit ihres Kollegen, über die sich auch Oberwachtmeister Karmen oftmals ärgerte.
„Kark, ich brauche jetzt deine Unterstützung beim Verhör“, sagte der Oberwachtmeister beim Vorbeigehen und ein Troll löste sich aus der Menge und folgte seinem Vorgesetzten.
„Guter Wachmann böser Wachmann?“, fragte Wachtmeister Kark.
„So ist es.“
„Diesmal darf ich sein der gute Wachmann?“, fragte der Troll.
Oberwachtmeister Karmen blieb stehen und sah seinen Kollegen an: Die dunkelbraune Haut, den großen Kopf, der sich in etwa zweieinhalb Meter Höhe befand und den großen Mund, der zwar nicht spitze, aber ungeheuer viele Zähne beinhaltete. Nur seine Augen blickten ihn gutmütig an.
„Ich glaube es ist besser, wenn wir diesmal alles beim alten lassen.“
Kark nickte.
Als sie in das Verhörszimmer eintraten, waren die Orks still und starrten demonstrativ geradeaus.
„Also, Jungs, wenn ihr mir sagt, was Tassini vorhat, könnt ihr sofort wieder losgehen und euch schöneren Dingen widmen.“
Die Orks blieben stumm und versuchten, weiterhin auf einen Punkt in der Ferne zu blicken.
Karmen seufzte gespielt und sagte: „Darf ich euch meinen Kollegen vorstellen: Wachtmeister Kark. Eigentlich war er Chef der Wache, doch er wurde degradiert.“
„Was war denn geschehen?“, fragte einer der Orks, ertappte sich dabei, vom ausgemachten Plan abzuweichen und verzog das Gesicht.
„Naja“, sagte Karmen und seufzte wieder, „eigentlich darf ich’s euch ja nicht sagen, aber er hat drei Vampire gefressen, die hier im Verhörzimmer nicht aussagen wollten.“
Kark verzog innerlich das Gesicht. Er hasste Gewalt und mochte es gar nicht, wenn sein Chef so sprach. Aber es erzielte seine Wirkung.
Die Orks taten sich nun sichtlich schwer, den Punkt in der Ferne anzuvisieren und nicht auf Kark zu blicken. Der Troll konnte, wenn er wollte, ein ziemlich fieses Gesicht machen.
Die Orks nahmen sich fest vor standhaft zu bleiben und nichts zu sagen. Kark öffnete langsam den Mund und als er seine Zähne enthüllte, fiel die Nippur-Nuzier Zentralbank, drei Raubüberfälle wurden gestanden und dreizehn weitere Verbrechen aufgedeckt.

„Grüß den Bürgermeister und herzlich Willkommen bei der Nippur-Nuzier Zentralbank! Was kann ich für Sie tun?“
Der Schalterbeamte war neu und irgendwie war Herr Berck nicht darauf eingestellt. Wie die meisten Trolle mochte er Veränderungen ganz und gar nicht.
„Was kann ich für Sie tun?“, fragte der Schalterbeamte geduldig.
„Ich brauchen Geld“, sagte der Troll.
„Da sind Sie ja hier genau richtig!“
„Ja, Frau mir schon sagte, öffentliche Toiletten nicht der richtige Ort dafür!“
Ein Hauch an Verwirrung huschte über das Gesicht des Schalterbeamten. Dann fragte er: „Wie viel brauchen Sie denn?“
„987.351“
Wieder Verwirrung. Der Hauch wurde zu kräftigerem Pusten.
„Das seien Kontonummer. Du immer brauchen zuerst Kontonummer. Dann fragen Geld.“
„Ach, ja, richtig.“ Der neue Schalterbeamte war selbst in den Augen eines Trolls ziemlich schlecht für diesen Job geeignet. Es schien sogar so, als hätte er bis heute etwas anderes getan und auf unerklärliche Weise den Beruf gewechselt. Das dachte der Troll, nur ohne konjugierte Verben, die es auf Trollisch sowieso nicht gab.
Umständlich schrieb der Schalterbeamte Zahlen und Worte auf ein Blatt Papier, öffnete eine Lade und suchte dann darin. Er zog eine Registerkarte heraus und blickte den großen, schon etwas ungeduldig wirkenden Troll an.
„Sie sind nicht zufällig Frau Kleinkram, oder?“ Der Bankangestellte kniff die Augen zusammen und massierte sich das Kinn.
Der Troll wollte gerade entgegnen, dass es eine Unverschämtheit sei, ihn mit einem Zwerg zu verwechseln, als plötzlich jemand schrie. Berck drehte sich langsam um und erblickte einen ziemlich großen, bartlosen Zwerg mit glänzenden, schwarzen Haar. Er hielt eine gespannte Armbrust in der Hand.
„Hey! Ihr seid alle ganz ruhig, verstanden?“, brüllte der Bankräuber und zielte mit seiner Waffe auf den Troll, der im Moment der einzige Kunde der Nippur-Nuzier Zentralbank war. Außer ihm waren noch drei Schalterangestellte zugegen. Alles schwache Menschen.
„Das hier ist ein Überfall, kapiert?“ Tasso Tassini näherte sich dem Troll und hielt ihm die Armbrust an den Bauch. Eigentlich hatte der Italiener vorgehabt, die Armbrust an die Schläfe zu halten, aber er bewegte sich auf der falschen Seite eines Größenvorteils.
„Du mir nicht weh tun!“, sagte der Troll etwas eingeschüchtert.
„Wenn ich das Geld bekomme, dann passiert niemanden etwas!“
Herr Berck sah zu dem Schalterbeamten und dachte, dass es irgendein vertrolltes Pech sein musste, gerade bei einem Banküberfall Kunde eines unerfahrenen Kassiers zu sein.
Aber der Troll täuschte sich. Blitzschnell sprang der Bankangestellte über die Theke und schleuderte den Räuber von seiner Geisel weg. Tassini schliff etwa zwanzig Zentimeter über den Boden, bevor er an einer Wand abprallend zum Stillstand kam.
„Das Spiel ist aus, Tassini!“
„Nippur-Nuzier Wache, du bist verhaftet!“ Die drei Männer, die sich neben dem Troll in der Bank befanden, rissen sich ihre falschen Bärte, Brillen und Perücken vom Leib und gingen auf den Italiener zu.
„Verdammtes Pech!“, dachte dieser. „Diese blöden Orks mussten gestanden haben! Molto Stupido!“
Tassini hatte aber irgendwie Glück in diesem Unglück (was sich später allerdings wieder als Unglück herausstellte). Der kleinste der drei Wachleute, der mit den viel zu großen Schuhen, rutschte plötzlich aus. Tassinis Haare hatten einen unsichtbaren Ölfilm am Fußboden der Bank hinterlassen. Der Wachmann jaulte vor Überraschung auf und Tassini stürzte sich auf ihn, bevor die anderen noch wussten, was geschah. Er Hob seine fallen gelassene Armbrust auf und richtete sie auf den Wachmann. Diesmal wirklich an die Schläfe. Von einem Moment auf den anderen war die Situation wieder ausgeglichen, man mochte fast sagen, auf Tassinis Seite.
„Na, was sagt ihr jetzt, blöde Wachmänner?“
„Ich bin Oberwachtmeister Fred Karmen“, sagte Fred offiziell. „Lassen Sie die Geisel sofort frei, dann passiert Ihnen nichts!“ Die beiden Wachmänner hatten mittlerweile ihre Armbrüste gezückt und auf Tassini gerichtet. Doch sie konnten sie nicht benutzen ohne der Gefahr zu unterlaufen, ihren Kollegen zu treffen und das wusste der Italiener. Nun würde er entkommen, ein Pferd besteigen und über alle Berge sein, bevor die Wachleute ihn verfolgen konnten. Er hatte zwar keine Beute gemacht, aber sein Ruf würde nach einem solchen Auftritt zumindest in den Bereich Tagedieb aufsteigen, was ihm vielleicht sogar Aufträge von der Diebesgilde bringen würde. Und wenn er seine Geisel erschoss? Kaltblütig, mitten am Tag auf offener Straße? Dann wäre er vielleicht sogar ein Kleinkrimineller.
„Ich habe nicht vor, der Geisel etwas zu tun“, log er und näherte sich dem Ausgang. „Ich will nur auf die Straße, dann lass ich sie frei.“
In die Ohren des Wachmanns, der anscheinend neu bei der Wache war, flüsterte er: „Das stimmt nicht. Wenn wir draußen sind, dann werde ich dich erschießen, wie eine räudige Katze!“
Der gefangene Wachmann jaulte auf. Tassini hörte es irgendwo knacken, so als ob ein Kind einen Stock brach, den es im Wald gefunden hatte. Er dachte weiter Richtung Karrieresprung. Vielleicht bekäme er dann sogar ein paar Söldner als kleine Armee. Dann würde er keine Orks mehr benötigen.
Wieder ein Knacken.
Nie wieder Orks, die an all dem Schuld waren.
Schon war aus dem Kind, das einen Stock bricht, ein paar Kinder geworden, die einen Baum folterten und schließlich eine Schar Schüler, die vorhatten, aus einem ganzen Wald Kleinholz zu machen. Tassini blieb stehen und merkte, dass er die Armbrust nicht mehr an eine Schläfe sondern an einen Nacken (eine breiten, haarigen Nacken richtete) hielt. Der gefangene Wachmann jaulte wieder auf.
Fast unmenschlich, dachte Tassini, beinahe wie ein...
„Beim Olivenhain meines Vaters...“, murmelte der Italiener als er sich plötzlich Angesicht zu Angesicht mit einem zähnefletschende Wolf sah.
Warum ich?, fragte er sich und ließ die Armbrust fallen.
Der Werwolf stürzte sich auf ihn.

Die anwesenden Beamten der Nippur-Nuzier Wache waren sehr betroffen, als Oberwachtmeister Karmen und Wachtmeister Klu Tassini in die Zelle steckten. Wo war Korporal Argora? Ist der Neue etwa gleich beim ersten Einsatz ums Leben kommen? Ach du meine Güte, welch Unglück!
Stabswachtmeister Meier deutete mit den Augen auf Tassinis nackte Füße und gab Korporal Kleinlich zu verstehen, dass alles auf einen Kampf hindeutete und,... oje, welch Unglück! Man kann das gar nicht oft genug sagen.
Karmen bemerkte die Blicke seiner Kollegen und schmunzelte. Wenn die wüssten...
Er pfiff mit Zeigefinger und Daumen und ein Wolf stürmte wild hechelnd bei der Tür herein. Kleinlich und Meier waren entsetzt. Tiere und Dämonen waren auf der Wache streng verboten! Der Wolf kaute genüsslich auf einen Schuh, der genau zu Tassinis kleinen Füßen passte. Als der Wolf die Blicke der Wachleute erkannte knurrte er tief und herzhaft. Langsam ging das Knurren in ein Kichern und schließlich in ein Lachen über und aus dem wilden Wolf wurde Obergefreite Argora.
„Sie leben ja, Herr Obergefreiter!“, rief Stabswachtmeister Meier überrascht hervor. „Und kein Wolf wird mich zerfleischen, denn der sind ja Sie!“ Er machte eine kurze Pause und runzelte die Stirn. „Nicht wahr? Sie werden mich nicht fressen!“
„Nein, nein!“, antwortete Argora schüchtern.
„Gut so, Obergefreiter“, Meier mimte wieder den Stabswachtmeister. „Das macht man mit seinen Vorgesetzten nämlich nicht!“
„Ich weiß“, antwortete der Werwolf gehorsam und setzte sich an seinen Schreibtisch, um den notwendigen Papierkram zu erledigen.

Tasso Tassini wurde ins Himmlische Staatsgefängnis überführt, wo er für sieben Jahre und zwölf Monate Arbeiten am Steinbruch verrichten sollte. Es dauerte keine zwei Wochen, da lernte Tassini drei Orks kennen, die sich entfernt an Tasso Tassini erinnern konnten, aber im Moment gar nicht wussten, wer oder was das sein soll.
Zwei Tage nach dieser Bekanntschaft verunglückten drei Orks beim Steinesammeln tödlich.
„Ja, ja, es war furchtbar“, berichtete einer der Wärter gegenüber der Himmlischen Tageszeitung. „Steinschläge kommen in letzter Zeit öfter vor. Unser Steinbeißer, der die losen Steine normalerweise vom Gipfel frist, ist leider krank – das Gulasch in der Kantine war zu schwer für ihn und hat sich auf seinen Magen geschlagen. Jedenfalls gab es einen Steinschlag, doch anstatt wegzurennen, liefen die Orks unter die Steine und wenn sie mich fragen, sah es so aus, als ob sie sie auffangen wollten. Ich weiß nicht, wie sie auf eine so blöd Idee kommen konnten.“
Drei Tage nach dem Interview fand man in der Zelle Tassinis ein Loch im Boden. Von dem Gefangenen fehlte jede Spur.
„Auch das ist komisch“, berichtete der Wächter. „Aber wenn Sie mich fragen, gibt es für diesen Vorfall nur eine Erklärung: Spontane Lochbildung. Der arme Tassini war zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort und, bumbs!, er ist ins Loch gefallen. Natürlich haben wir es sofort zugebuddelt damit so etwas nicht wieder passiert.“
Was der Wärter nicht wusste, war, dass hundert Meter neben der Gefängnismauer noch eine spontane Lochbildung passierte und Tassini wieder ausspuckte.


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Lese auch:
Nippur-Nuzi: Bonabas, Masken und das Rouge et Noir

Zum Begleitthread der Serie

 

Zum allgemeinen Verständnis: Diese Geschichte war einstmals als Knüttelstadt und Tasso Tassinis Bankraub bekannt. Aber wie vor allem Fantasy Freunde wissen, die Welt ist im Wandel und manche Titel verlassen die Erde, um sich auf der anderen Seite des Sees niederzulassen... :D

Wie auch immer: Der neue Titel gefällt mir besser und ist das Ergebnis einer Diskussion im Autoren Thread. Da sich außer der Überschrift und lokaler Bezeichnungen nichts geändert hat, brauchen jene, die die Geschichte unter dem alten Titel kannten, nicht noch einmal lesen... Außer sie wollen den wunderbaren und -samen Klang der neuen Bezeichnungen miterleben.

Viel Spaß!

:)

 

Hallo Peter Hrubi!

Erstmal allgemein zum Text:


das Finstere-Typen-Viertel, wo eben alle dunklen Gestalten den ganzen Tag das tun, was dunkle Gestalten eben so machen.

einmal eben würde ich weg nehmen.

Tassini war Italiener. Italiener sind Menschen sehr ähnlich, nur haben sie dunklere Haut und sind etwas kleiner gewachsen.

Aha …

ich hab´s euch allen doch schon erklärt,

ich hab’s

der Italiener erkannte, das der Kopf eines Orks wohl nicht das beste Beispiel war.

dass

du Hinterteil eines andalusischen Zombies.

:rotfl: Mein neues Lieblingsschimpfwort! Erinnert mich nur an „Ein andalusischer Hund“ …

„Was sollte ich den planen?“

denn

nicht war

nicht wahr

In die Augen des anderen Starren war eine von Flades Lieblingsverhörstaktiken.

Ich fände besser: in die Augen des anderen zu starren war …

… dem er alles erzählen könnte. Selbst die Geschichte, als ihm seine Schwester als Kind sein Olivenölfläschchen weggenommen hatte. Ui, das war gemein gewesen...

:rotfl:

„Wir kennen nicht einmal Tassinis Nachnamen!“

:D

Klu´s Vorfahren

Klus Vorfahren

Nicht einmal in der Eiermark

Die heilige Eiermark? ;-)

Der Hauch wurde zu kräftigeren Pusten.

kräftigerem

Multo Stupido!“

Io credo che deve essere “molto”, ma non parlo italiano …

Tassini hatte allerdings doch irgendwie Glück in diesem Unglück (was sich später, angesichts der Kratz- und Bisswunden, wiederum als Unglück herausstellte).

den Satz finde ich irgendwie verwirrend

eine Schar Schüler, die vor hatten, aus einem ganzen Wald Kleinholz zu machen.

vorhatten

Zwei Tage nach dieser Bekanntschaft verunglückten drei Orks beim Steinesammeln tödlich.

:eek1:

„Ja, ja, es war furchtbar“, berichtete einer der Wärter gegenüber der Himmlischen Tageszeitung. „Steinschläge kommen in letzter Zeit öfter vor. Unser Steinbeißer, der die losen Steine normalerweise vom Gipfel frist, ist leider krank – das Gulasch in der Kantine war zu schwer für ihn und hat sich auf seinen Magen geschlagen. Jedenfalls gab es einen Steinschlag, doch anstatt wegzurennen, liefen die Orks unter die Steine und wenn sie mich fragen, sah es so aus, als ob sie sie auffangen wollten. Ich weiß nicht, wie sie auf eine so blöde Idee kommen konnten.“

Ich persönlich fände den Effekt eigentlich größer, wenn der Unfall der Orks unkommentiert bleibt, aber das ist nur so ein Gefühl.

„Aber wenn Sie mich fragen, gibt es für diesen Vorfall nur eine Erklärung: Spontane Lochbildung. Der arme Tassini war zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort und, bumbs!, er ist ins Loch gefallen. Natürlich haben wir es sofort zugebuddelt, damit so etwas nicht wieder passiert.“

:rotfl:

Was der Wärter nicht wusste, war, dass hundert Meter neben der Gefängnismauer noch eine spontane Lochbildung passierte und Tassini wieder ausspuckte.

:lol:

So! Das wäre erst mal das, was mir so beim Lesen auffällt.
Insgesamt fand ich deine Geschichte nett, gut zum Lesen zwischendurch – aber erst mal nicht mehr. Was mich ein bisschen stört, ist, dass die Anlehnung an Terry Pratchett schon sehr deutlich zutage tritt. Versteh mich nicht falsch: Ich liebe Pratchetts Bücher und finde seinen Stil genial. Aber aus diesem Grund lese ich dann auch Pratchett, wenn ich mehr von diesem Stil haben will. Viele der Stellen, über die ich in deiner Geschichte schmunzeln oder richtig lachen musste, könnten eben ganz genauso in einem Scheibenweltroman stehen. Die Stadtwache ist, abgesehen von den Büffeln, gegenüber Pratchetts Stadtwache noch zu wenig profiliert. Genauso wie Nippur-Nuzi sich mE noch zu wenig von Ankh-Morpork abhebt. Dabei finde ich z.B. die Grundidee, dass Gott Bürgermeister ist, richtig klasse. Nur ist sie für meinen Geschmack nicht stark genug umgesetzt. Wenn man die Szene in Gottes Büro liest, kommt überhaupt nicht zum Tragen, dass es sich bei dem Bürgermeister um Gott handelt – es könnte genauso gut ein ganz normaler Bürgermeister sein. Der Hinweis mit der goldenen Oblate reicht mir da nicht. Ich bin überzeugt, dass du aus der Idee noch eine Menge machen kannst. Wenn Gott Bürgermeister ist, muss das doch noch irgendwelche besonderen Auswirkungen haben.
Also, insgesamt: Es liest sich gut, stellenweise sehr gut (spontane Lochbildung!), aber ich würde mir wünschen, noch mehr Sachen zu finden, denen man auch wirklich anmerkt, dass sie von dir sind.
Liebe Grüße
Ciao
Malinche

 

Ui,danke für deine ausführliche und konstruktive Kritik. Leider liegt es an der Zeit (Weihnachten) in der der Stress (Weihnachtsstress) ziemlich groß ist (tannenbaummäßig). Darum bleibt mir wenig Zeit, sie ausführlich zu beantworten (Hole es sicher nach, Weihnachtsehrenwort).

Nur soviel: Die Gott Sache habe ich in der ersten Nippur Nuzi Geschichte verstärkt eingebaut und mir schien es seltsam, Gott immer hervorzuheben. Vielleicht in der nächsten Geschichte wieder (kommt ganz sicher eine!).

Von Pratchett hab ich erst "Der 5. Elefant" gelesen und das Buch gefiel mir total. Dass du Pratchett liest wenn du Lust auf ihn hast kann ich verstehen. Ich möchte nicht (und würde mich nie anmaßen, es zu können) wie er schreiben. Nur wie bei jeder Serie (vor allem jene, die aus Kurzgeschichten besteht) müssen sich die Charaktere erst herausbilden.

Darum bin ich auch fleißig daran, neue Folgen zu schreiben und hoffe, sie werden einmal mehr, als nur "für zwischendurch".

Frohe Weihnachten und nochmals danke für das Kritisieren einer Geschichte, die mir sehr am Herzen liegt.

Peter

 

Liebe Malinche,

Ich habe nun alle Fehlerteufelchen zum Teufel geschickt und finde, dass sich der Text dank deiner Hilfe nun viel besser liest. Danke dafür.

Ich hab mir auch deinen Rat mit der "anderen" Richtung und der besseren Herausarbeitung der Gottgeschichte zu Herzen genommen und arbeite im Moment an einer etwas anderen Weihnachtsgeschichte.

Liebe Grüße, Peter

 

Hallo Peter!
Dann bin ich schon ehrlich gespannt auf deine Weihnachtsgeschichte!!!
Und sobald sich mein (Post-)Weihnachtsstress verzogen hat, muss ich auch unbedingt deine andere Nippur-Nuzi-Geschichte lesen. :) ... Weihnachtsehrenwort!
Liebe Grüße,
ciao
Malinche

 

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