Was ist neu

Nimm mich mit

Mitglied
Beitritt
24.02.2002
Beiträge
2

Nimm mich mit

Andrea´s Blick traf ein vor ihr liegendes Blatt Papier. Sie hatte es schon eine ganze Weile im Auge gehabt. Zögernd griff sie danach. Ihre Augen schweiften über die Zeilen, bis zu einer fettgedruckten, extra hervorgehobenen Stelle.
Dort standen sie also, die drei Buchstaben, die den Tod brachten:

H I V - positiv


Auch knapp vier Jahre nach Erhalt dieses Schreibens war sie noch fassungslos. Wie viel Zeit wohl noch bleibt, dachte sie.
Behäbig legte sie den Brief wieder auf die Ablage ihres Spiegels. Er wirkte riesig, im Gegensatz zur Person die vor ihm saß. Sie kämmte noch einmal ihr schulterlanges, schwarzes Haar. Es leuchtete glänzend im hellen Schein ihrer Stehlampe, die sie zur Einweihung ihrer Zweizimmerwohnung von ihrem damaligen Freund geschenkt bekommen hatte. Mittlerweile war sie solo. Er war adelig, sagte sie immer. Ein echter Auf und Davon. Lange hatte sie aufgehört ihm nachzuweinen. Männer sind es nicht wert, sagte sie immer.

Sie zog ihre Augenbrauen mit einem schwarzen Kajaalstift nach, legte einen schönen Lidschatten auf, tuschte ihre Wimpern und formte zum Schluss einen Schmollmund, um sich einen dezenten Lippenstift aufzutragen. Fertig, dachte sie und betrachtete sich zufrieden im Spiegel.
Sie sah schön aus. Ihr schwarzes hautenges Kleid würde die Männer verrückt machen, war
sie sich sicher. Schließlich hatte sie sich auch alle Mühe gegeben ihrem üppigen Busen genügend Freiraum zu verschaffen.
Das tief ausgeschnittene Dekolleté war ein Gedicht, fand sie, als sie sich zur Seite drehte und sich in ihrem Schlafzimmerspiegel von oben bis unten begutachtete.
Wie jedes Wochenende machte sich die Neunzehnjährige auf den Weg in ihre Stammdiskothek „Prater“.

Es war gegen 23.00 Uhr als sie der Taxifahrer direkt vor dem Eingang ihres Clubs absetzte.
Andrea begrüßte den Türsteher mit zwei Küsschen auf die Wange. Eins links, eins rechts.
Sie kannten sich gut, schließlich hatte er sie schon als 15-jährige hineingelassen. Dies wiederum hat sie ihm vor Kurzem mit der Hingabe ihres ganzen Körpers gedankt. Er hatte schon darauf spekuliert, als sie noch Teenager war. Jetzt endlich hatte sich seine Großzügigkeit ausgezahlt.

Sie begrüßte auch das übrige Stammpersonal und nickte freundlich, wenn ihr ein vertrautes Gesicht entgegenkam, das sie anlächelte. „Ihr“ Barhocker war frei, wie für sie reserviert. Die kleine, zierliche Person bestellte sich einen Caipirinha und wartete auf die Dinge die da kamen.
Langsam füllte sich der Laden. Der DJ legte ordentliche Platten auf und Andrea, angetörnt von inzwischen zwei weiteren Drinks, begab sich auf die Tanzfläche und bewegte sich rhythmisch zur R ´n B Musik. Das war ihre Welt. Sie war eine gute Tänzerin. Die roten, grünen und blauen Lichter ließen sich auf ihren Körper nieder und es sah fast so aus, als würde sie mit ihnen tanzen.
Tatsächlich tanzte sie aber viel lieber mit ihrer besten, nein, mit ihrer einzigen Freundin Verena. Doch das war vorbei. Daran dachte sie jetzt nicht. Sie war vom Alkohol aufgekratzt und sie war gut drauf.

Nach fünf Stücken R´n´B & Soul entschied der „Meister der Platten“, wie er sich selbst gerne nannte, das es Zeit für einen Tempowechsel währe. Er brabbelte irgend etwas unverständliches – aber bestimmt mega cooles – in sein Mikrophon und ehe sich Andrea versah, hämmerten auch schon die Bässe aus den Türmen der Anlage. Die Menge fing an zu johlen. Nur sie und ein paar andere verließen genervt die Tanzfläche. Hat er sich wieder toll ausgedacht, grummelte sie vor sich hin. Kaum angekommen an ihrem Platz zog sie am Strohhalm ihres Getränkes, als sie bemerkte, dass ein junger Mann sie ansah und ihr zulächelte. Zuerst tat sie kühl, nach erneuter Kontaktaufnahme ihrerseits, lächelte auch sie. Der wirklich gutaussehende Mann ergriff darauf hin die Initiative und ging zu ihr an den Tresen. „Hallo, du würdest mich wohl gerne kennenlernen, oder?“, sagte er selbstbewusst. „Eingebildet bist du gar nicht, oder?“, erwiderte sie schroff. „Entschuldige, aber bei so schönen Frauen wie dir, verhalte ich mich immer etwas ungeschickt!“ Gerade als sie sagen wollte, dass sie ihn für einen Kotzbrocken hielt, streckte er ihr die Hand entgegen: „ Ich bin Vidrin.“ Reflexartig hielt auch sie ihm die Hand hin und ehe sie das eben gedachte auch sagen wollte, viel ihr ein: Vidrin? - Dich habe ich gesucht! Statt dessen sagte sie also: „ Hallo, ich bin Andrea.“ Sofort, als hätte jemand einen Knopf bei ihr gedrückt, fiel sie in eine Rolle. In eine schauspielerische Leistung, die sie in den vergangenen Wochen schon einige male vollbracht hatte. Sie warf ihm einen solch verlegenden, unschuldigen Blick durch ihre getuschten Wimpern zu, dass selbst dieser, Selbstüberzeugteste Mann von allen, einen kleinen Stich in sein sündiges Herz bekam. Vielleicht war es aber auch die schon leicht wachsende Beule in seiner Hose die ihm schmerzen bereitete.

Das ist also Vidrin, dachte sie, als auch sie bemerkte, dass Punkt eins ihrer ausgeklügelten Strategie bereits Erfolg hatte. Unauffällig, wie auch nur Frauen es können, betrachtete sie ihn genauer, während sie weiter belanglose Floskeln austauschten.
Er war etwas größer als sie, was bei einer Größe von 1,65 m nicht besonders schwer war, hatte pechschwarze Haare, an die ihre bei weitem nicht ranreichten. Dunkelbraune Augen, eine relativ große Nase, ein markantes Kinn und alles in allen einen sehr maskulinen Kopf. Auch der Rest war scheinbar, trotz der minderen Größe für einen Mann, akzeptabel. Unter dem dunkelgrauen Synthetikhemd zeichnete sich ein muskulöser Körper ab. Die Schwarzen Schuhe passten zu seiner gesamten Gestalt.

Er war trotzdem ganz und gar nicht ihr Typ. Ihr Ex war das genaue Gegenteil gewesen. Groß und blond.
Auch mit der (nicht vorhandenen) Intelligenz konnte er es nicht mit ihm aufnehmen. Was wiederum ihren ersten Eindruck bestätigte. Mich wundert, dass er aufrecht gehen kann, kam es in ihr hoch. Noch mehr so geistige Sprüche und ich schaffe es nicht. Aber das ist die Gelegenheit. Wenn es bei ihm nicht klappt, dann weiß ich auch nicht mehr. Er war im Club noch bekannter als sie. Seine Mädchengeschichten waren legendär. Er schaffte es doch immer wieder neue Mädels abzuschleppen, mit denen er sich dann aus dem Staub machte. Die Toilettenfrauen hatten sich mittlerweile – trotz anfänglichen „Diskrepanzen“- an das Szenario gewöhnt. (Dafür war er ja auch ein sehr guter Trinkgeldgeber.)

Sei´s drum, dachte sie. Ein letztes Mal, dann muss es reichen.
„Hast du einen festen Freund?“ fragte er endlich. Ja, und der ist nicht so eine aufgeplusterter, widerlich schleimiger, abgefuckter kleiner Wichser wie du, wollte sie am liebsten sagen. Statt dessen: „ Nein und du... eine Freundin?“, schlürfte sie bewusst sinnlich an ihrem mittlerweile 4. Drink. „Hier und da“, lachte er blöde. Sie tat so als gefiele ihr die Antwort und machte weiterhin auf billiges Mädchen. Sie tauschten weitere „Nettigkeiten“ aus und seine Beule in der Hose nahm nun auch für Leute mit ungeschultem Auge sichtlich an Größe zu. Er hatte es offenbar diesmal besonders eilig, denn als nächstes kam nichts stumpfsinniges aus ihm raus wie; willst du tanzen, oder; noch einen Drink, statt dessen: “ Hör mal, wir zwei verstehen uns doch ziemlich gut, oder? Sollen wir unsere Beziehung nicht etwas... vertiefen?“
Andrea war durchaus überrascht. Nicht aufgrund des Angebotes, sondern obgleich der Schnelligkeit, mit der er es vorbrachte. Der muss es wirklich nötig haben, aber soll mir recht sein, um so schneller hab ich es hinter mir, dachte sie. Entgegen seinen Gewohnheiten nahm sie ihn beherzt an die Hand und verschwand mit ihm auf die Damentoilette. Die Putzfrauen waren gerade nicht anwesend. Die Gelegenheit war also günstig für das Alibipärchen. Er machte die Tür der engen Kabine hinter sich zu und schloss ab. Sie klappte den Toilettendeckel herunter. Nun standen sie sich gegenüber. Es schien, als wüsste er nicht was zu tun war. Doch dann ergriff er die Initiative. Gierig fing er an sie zu mit seiner Zunge zu küssen. Alles fordernd, fasste er ihr an den Busen. Er drängte sie zurück, so dass sie beinahe über die Toilette stolperte. Er machte den Gürtel seiner Hose auf und ließ sie auf die Erde fallen. In Boxershorts bekleidet stand er vor ihr. „Blas mir einen“, befahl er. „Oh nein, das hältst du nicht aus“, sagte sie. „Lass uns gleich zur Sache
kommen!“ Sie streifte ihr schwarzes Kleid hoch, bis ihr weißer Slip zu sehen war. Mein Ausgehslip, sagte sie immer. Er hatte nichts dagegen zur Sache zu kommen. Im Gegenteil. Er zog seine Shorts aus und sein mächtiges Glied kam zum Vorschein. Ein Glied, ganz im Gegenteil zu seiner Körpergröße. Dann zog er ihr den Slip herunter und die gestutzten Schamhaare ließen einiges erahnen. Er drang ohne umschweife in sie ein. Rhythmisch bis hektische Bewegungen folgten. Andrea ließ alles über sich ergehen. Er stöhnte bei jedem Stoß. Sie nicht. Sie hatte nicht vor, so zu tun als ob, es ihr Spaß machen würde. Sie musste ihm nicht gefallen. Sie war keine Hure. Seine Gedanken waren sowieso bei sich selbst. Andrea´s Gedanken hingegen kreisten in diesen Minuten um Verena. Bald bin ich bei dir, dachte sie. Das Stöhnen hörte plötzlich auf. Er war fertig.

Ein zutiefst entspannter Gesichtsausdruck war ihm anzusehen. Grinsend zog er sich die Unterhose hoch und verpackte sein bestes Stück wieder. Auch sie zog ihren Slip hoch und ihr Kleid wieder herunter. Gerade, als er so etwas wie; Na, hab ich es dir anständig besorgt, sagen konnte, gab sie ihm mit beiden Beinen, einem Maulesel gleich, einen Tritt gegen seine Oberschenkel und er fiel die bereits wieder geöffnete Tür hinaus. Genug ist genug, stellte sie fest. Er hat was er wollte und ich habe was ich wollte. Wenigstens haben es wir auch ohne Gummi gemacht, dachte sie.
„Du dumme Schlampe“, schrie er, während er sich im hinausgehen den Gürtel zuschnallte. Die Toilettenfrauen waren heute gnädig und erschienen nicht. Nur ein paar Mädchen, die sich das Schauspiel antaten, schauten pikiert. Aber das war ihr egal. Sie zeigte den „Tussies“ ihren Mittelfinger und verließ ebenfalls die Toilette. Die Clubkarte bezahlte sie und holte ihre Jacke ab. Die Taxen standen parat. Es war ja noch relativ früh.

Die Wochen verstrichen, aber ausgegangen war sie seitdem nicht mehr. Sie konnte nicht mehr.
Eines frühen morgens klingelte das Telefon. Es muss gegen 5.00 Uhr gewesen sein, als sie schlaftrunken, im halbdunkeln das Telefon neben ihrem Bett ergriff. Verenas Mutter war dran. Sofort stieg in ihr eine gewaltige Angst hoch. Sie wusste, was jetzt passieren würde! „Es ist soweit, Verena möchte dich noch mal sehen“, sagte die Mutter. Gefasst und geschockt zugleich sagte sie: “Ich komme sofort rüber.“ Klick. Der Hörer am anderen Ende war aufgelegt worden. Auch sie legte den Hörer auf die Gabel und zog sich wie in Trance ihre Klamotten an.

Sie wollte gerade aus dem Zimmer gehen, da fiel ihr Blick auf den Brief, der sich noch auf der Ablage befand. Sie ging hin, nahm ihn auf und las ihn noch mal flüchtig:

Test: Verena Kamper. HIV - positiv.

Eine Träne lief ihr über die Wangen.
„Nimm mich mit, mein Schatz“,schluchzte sie „Nimm mich mit.“

 

Hi!
Deine Geschichte ist wirklich gut geschrieben, auch wenn ich sie persoenlich nicht in die Kategorie "Spannung" gestellt haette. ehrlichgesagt hatte ich keine erotikszene (zumindest nicht dieser art) erwartet. Ich wuerde die geschichte eher in "Romantik/Erotik" stellen.
Ausserdem hab' ich den Zusammenhang nicht ganz verstanden - Was haben Verena und Andrea miteinanderzu tun? Vielleicht bin ich nur zu doof und blicks nicht, falls ja, bitte verzeih mir :)
achja mir ist noch was aufgefallen:
-------------------
Das ist also Vidrin, dachte sie, als auch sie bemerkte, dass Punkt eins ihrer ausgeklügelten Strategie bereits Erfolg hatte.
-------------------------
wer hat es noch bemerkt?-) :D

so long,
kmayse

 

hi, zurück!

Schön das dir meine Geschichte gefallen hat!

Ehrlich gesagt wußte ich nicht so genau in welche Kategorie ich meine Geschichte stecken sollte. Eine wirklich geeignete Kat. gibt es meiner Meinung nach bei KG nicht.
Die Geschichte sollte daher unter Spannung laufen, weil man bis zum Schluß nicht weiß was noch passiert und warum.
Die Kategorie Erotik/Romantik paßte meiner Meinung nach nicht, da die geschilderte Szene wenig mit wirklicher Erotik und schon gar nicht mit Romantik zu tun hat.

Der Eigendliche Sinn der Geschichte besteht darin, dass Andrea einfach alles tut um ihre "heimliche" Liebe Verena "entgegenzukommen". Sie will ihr bis in den Tod folgen. Sogar auf die gleiche Weise wie sie will sie sterben...

Der Eigendliche Gag sollte sein, das man zuerst denkt, Andrea selbst hätte HIV, wobei sich am Schluß rausstellt, das es der Brief von Verena ist, den sie sich immer wieder durchliest.
Ich hoffe, es ist einigermaßen rübergekommen.

Vielen Dank nochmal für deine Antwort

PS: Du mußt bei deinem bemängelten Satz nur das "Auch" weglassen! War ein Fehler von mir!:D

 

Hi kmayse,

wirklich spannend zu lesen. Hast mich gut unterhalten.
Ich hatte auch zunächst geglaubt, was ist das für eine Verantwortungslos-Bösartige, die alle möglichen Kerle aus Rache anstecken möchte, da war das Ende auf seine Art wirklich unerwartet und gab der Geschichte eine Tiefe, die sie vorher nicht hatte. Gut gemacht.

Andrea´s Blick
> Andreas Blick

Vidrin
> in seiner Doppeldeutigkeit gut gewählter Name, tolles Wortspiel

auch der "Ausgehslip" ist eine originelle Wortsschöpfung. Auch "Alibipärchen."

Ein paar Kommas kannst du noch einbauen, sind auch noch einige Rechtschreibfehler drin.

Manches finde ich noch etwas klischeehaft ausgedrückt (z.B. der Satz, dass die Schuhe zu seiner Gestalt passen), aber im Großen Ganzen gefällt mir deine Schreibe recht gut.

Besonders gelungen fand ich diese Textstelle:

Sie tauschten weitere „Nettigkeiten“ aus und seine Beule in der Hose nahm nun auch für Leute mit ungeschultem Auge sichtlich an Größe zu. Er hatte es offenbar diesmal besonders eilig, denn als nächstes kam nichts stumpfsinniges aus ihm raus wie; willst du tanzen, oder; noch einen Drink, statt dessen: “ Hör mal, wir zwei verstehen uns doch ziemlich gut, oder? Sollen wir unsere Beziehung nicht etwas... vertiefen?

Bin gespannt auf deinen nächsten Beitrag.
Gern gelesen.

Pe

 

Moin Kodiak :)

Bei den ersten Sätzen dachte ich noch: Och nee noch so ne Aids piens Story, aber dein flüssiger Stil hat mich dann doch weiterlesen lassen und das Ende kommt wirklich überraschend :) Prima gelungen :)

*wink*

jaddi

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom