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Niemand

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23.10.2013
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Niemand

In der Fußgängerzone bleibt sie stehen. Die Menschenmenge strömt an ihr vorbei. So viele Gesichter. Braune Augen. Blau-graue. Gutmütige. Verschlagene. Die Menschen bekommen einen sanften Gesichtsausdruck, wenn sie ihr ins Gesicht sehen. Sie lächeln. Neigen den Kopf wie zum Gruß. Die Menschen mögen sie. Die meisten zumindest. Es gibt auch welche, die sie gar nicht leiden können. Warum, weiß niemand. Sie verschenkt Wärme. Manche Menschen vergessen ihre Sorgen für eine Weile, wenn sie um sie herum ist. Niemand weiß von dem Schmerz, der an ihr zerrt. Niemand weiß von den Tränen, die ihr über die Wange laufen. Sie hat Freunde. Aber sie erzählt ihnen nichts von ihrem Schmerz. „Walzer für Niemand“ (1). Ganz laut. Sie tanzt Walzer für alle. Aber niemand für sie. Sie findet das Leben schön, weil Frieden in ihr ist. Den Frieden hat die Psychiaterin in ihre Seele gezaubert. Es gibt noch jemanden, der das könnte. Er tut es aber nicht. Er hat Angst. Wie kann man nur Angst vor der Liebe haben? Sie hat Vertrauen in ihn. Vertrauen ins Leben. Vertrauen darauf, dass alles gut wird. Wann wird alles gut?
Im Winter machen die Leute andere Gesichter als im Sommer. Und wenn es stürmt andere als bei einer leichten Brise. Sie riechen auch anders. Sie mochte den Geruch ihrer letzten Verabredung nicht. Es war ein Versuch, ihn zu vergessen. Seinen Geruch mag sie. Immer. Er kennt die Melodie ihres Herzens. Er glaubt, dass er ersetzbar sei. Er glaubt, dass er ihr niemals genügen könne. Sie ist dem Blut der Sterne gefolgt. Ihm gefolgt. Aber wenn man in einer Sternblumennacht in den Feenwald geht, dann kehrt man voller Schmerz zurück. Bleibt für immer allein. - Nenia C'alladhan weiß das, und sie auch. Er ist aus Stein. Er redet nicht mehr mit ihr. Er schweigt. Ihr sei kein Vorwurf zu machen. Er sei es nicht wert. Und alles in ihr schreit: Ich will mehr. Ich will nicht mehr. Nicht mehr ohne ihn.
Viele Paare laufen durch die Fußgängerzone. So viele Menschen. Und keiner dabei, den sie haben wollen würde. Roman Koidl schreibt „Next, please“. Aber so einfach ist das nicht. Next, please. Abgeschoben. Weggeworfen. Vergessen. Next, please. Sie läuft durch die Menge. Gegen den Strom und mit dem Strom. Es wird dunkel. Die Straßen werden einsamer. Die Häuser sind voller Licht. Sie würde gern mit ihm das Licht teilen. Aber er hat es ausgeknipst, bevor sie es gemeinsam anschalten konnten. Er braucht wohl ein anderes Licht. Er ist zu alt für ein neues Licht. Glaubt er.
Es wird kalt. Es ist kalt. Die Welt ist voller Wärme und trotzdem so kalt. Sie sieht ihn, aber sie spricht ihn nicht an. Sie ist voller Wärme für ihn und friert. Sie gehen aneinander vorbei wie Fremde. Niemand würde vermuten, dass sie gern in seinen Küssen versinken würde. Niemand. „Walzer für Niemand“.


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1: Walzer für Niemand, CD und Lied von Sophie Hunger

 

Hallo Orchideenfee (was für ein schöner Name),

willkommen auf Kurzgeschichten.de!

Dein Text, denn Geschichte mag ich dazu nicht sagen, lässt mich ratlos bleiben.
Da steht eine Frau in der Fußgängerzone und lässt ihre Gedanken fließen.
Sie scheint eine Trennung zu verarbeiten.

Was ich nicht begreife, ist jedoch, was du mir mit deinem Text mitteilen wolltest. Das liegt daran, dass du es nicht schaffst, mich in die vermutete Trauer der Protagonistin mitzunehmen. Ich empfinde leider keine Sympathie für sie, weil ich sie nicht richtig kennenlernen durfte und fühle mich ein wenig wie ein Besucher der Fußgängerzone, der ungefragt mit Worten gefüllt werden soll von einer Person, die da grade steht.

Das alles, was du geschrieben hast, wirkt wie ein Tagebucheintrag. Deswegen, weil ich nicht erfahre, was das für Menschen sind, um die es geht. Ich erfahre nur, dass es einer Frau schlecht geht, weil sie verlassen wurde und dass es offensichtlich aus der Sicht des Verlassenden Gründe dafür gibt, die sie nicht akzeptieren kann, aber das alles kann mich nicht fesseln.
Die dazwischengesetzten Zitate erreichen mich ebenfalls nicht. Sie wirken wie Splitter, die du vermutlich in der Intention, dem Text mehr Intensität zu geben, dazwischen gegeben hast.

Aber wenn man in einer Sternblumennacht in den Feenwald geht, dann kehrt man voller Schmerz zurück. Bleibt für immer allein. - Nenia C'alladhan weiß das, und sie auch
Passt das wirklich hier hinein?
Sie steht in der Fußgängerzone. Ausserdem sprichst du im ersten Drittel deines Textes von Frieden, den sie gefunden hat. Was soll das für ein Frieden sein, wenn es jetzt nur noch Schmerz ist? Ich würde keinen Frieden in so einem Falle empfinden. Insoweit wirkt das unausgegoren jetzt von einem Feenwald und Schmerz zu schreiben.

Wenn man einen Walzer tanzt, geht das nur, wenn eine gewisse Portion Harmonie existiert. Deine Protagonistin wirkt auf mich aber gar nicht harmonisch.

Ich vermute, der Text ist eigentlich für eine ganz bestimmte Person gedacht und die wird ihn auch gut verstehen können. Und ich vermute, du hast dich in diesen Songtitel:"Walzer für Niemand" verguckt und versucht, daraus eine Geschichte zu formen.
Ein Titel als Ausgangspunkt für eine Geschichte finde ich gar nicht mal schlecht. Aber so kurz eine Kurzgeschichte auch sein darf, es rächt sich in jedem Falle, wenn man sich als Autor keine umfassenden Gedanken über den Charakter der Figuren gemacht hat, die die Handlung tragen sollen.

Lieben Gruß

lakita

 

Hallo lakita,

vielen Dank für dein ausführliches Feedback!

Vielleicht ein paar Worte dazu:
Der Songtext war nicht der Ausgangspunkt der Kurzgeschichte. Sie wurde auch nicht für einen bestimmten Menschen geschrieben.

Ich finde, das Besondere an Kurzgeschichten ist eben genau das, was du kritisierst. Kurzgeschichten stellen Menschen, Typen, Charaktere nicht ausführlich vor. Der Leser erfährt kaum Hintergründe. Er muss zwangsläufig zwischen den Zeilen lesen. Manchmal gelingt ihm dies, manchmal nicht.

Wir sind täglich von Menschen umgeben, die im Beruf und zusammen mit Freunden ein ganz anderes Gesicht haben als in der Liebe, in ihrem innersten Empfinden. Es gibt Menschen, die eine unglaubliche Wärme ausstrahlen, für andere da sind und ihnen viel geben, aber selber mit ihren Sorgen alleine sind, die unter Menschen eine echte Fröhlichkeit ausstrahlen, weil sie die Menschen lieben, weil sie ihnen gerne Freude schenken, die aber alleine weinen und einsam sind. Das ist kein Widerspruch. Lernt man sie näher kennen und befragt sie nach ihrem wahren Empfinden, was Einfühlungsvermögen erfordert, denn sonst würden sie sich nicht öffnen, so erfährt man Erstaunliches. Ein Mensch kann trotz Abschiedsschmerz Frieden in sich tragen. Er kann Frieden empfinden, weil er akzeptiert, dass er sich verabschieden muss, auch wenn ihm dieser Prozess Schmerzen bereitet.

Der Reiz einer Kurzgeschichte liegt meiner Ansicht nach in ihrer starken Reduktion und sie hat nicht den Anspruch jeden zu erreichen.

Viele Grüße
Orchideenfee

 

Hej Orchideenfee,

(hab meinen Kommentar größtenteils gestern, also unabhängig von lakita, geschrieben)
auf mich wirkt Dein Text wie einen Innenschau. Wie etwas, was noch nicht fertig gefühlt und gedacht ist.

Was interessant sein könnte (Was macht sie, sagen wir mal, sympathisch? Was bedeutet das: "Wärme verschenken?" Wie kommt es zu dem Frieden in ihr? Warum klingt alles folgende nicht friedlich? usw), bleibt bloße Behauptung, das Dazwischen wirkt ziemlich allgemein:

So viele Gesichter. Braune Augen. Blau-graue. Gutmütige. Verschlagene.
Es gibt auch welche, die sie gar nicht leiden können. Warum, weiß niemand.
Sie findet das Leben schön, weil Frieden in ihr ist.
Wann wird alles gut?
Im Winter machen die Leute andere Gesichter als im Sommer.

Ich empfinde die Erzählstimme kaum als fließend, (die nach meinem Empfinden fehlenden) Absätze würden Gedankensprünge immerhin deutlich machen, aber anscheinend ist es Dir darum auch nicht gegangen.

Tja, ich bin ein wenig ratlos, was den Text betrifft ...

Was mir sonst aufgefallen ist:

Niemand weiß von den Tränen, die ihr über die Wange laufen.
Niemand sieht sie?

Aber sie erzählt ihnen nichts von ihrem Schmerz. „Walzer für Niemand“ (1). Ganz laut.
Aber wenn jemand (wie ich) dieses Lied gar nicht kennt, ist die Stimmung, die Du damit vllt heraufbeschwören wolltest futsch.

Es gibt noch jemanden, der das könnte. Er tut es aber nicht.
Warum anmerken, dass er etwas NICHT tut, was unnötig ist?

Sie hat Vertrauen in ihn. Vertrauen ins Leben. Vertrauen darauf, dass alles gut wird. Wann wird alles gut?
Die Frage klingt wenig vertrauensvoll.

Er kennt die Melodie ihres Herzens. Er glaubt, dass er ersetzbar sei.
Gibt es da einen Zusammenhang?

Sie ist dem Blut der Sterne gefolgt.
Das ist mir zu ... also in einem ansonsten sehr gut geschriebenen Fantasy-Roman, wo das nicht nur so zusammenhangslos steht, sondern wirklich einen deutlichen Bezug zur Handlung hat (was ich mir auf die Schnelle auch nicht vorstellen kann), würd ich das u.U. okay finden.

Nenia C'alladhan weiß das, und sie auch.
Roman Koidl schreibt „Next, please“.
Wie schwere Steine, die Löcher in Deinen Text reißen.
So wirken diese Namen auf mich.

Die Welt ist voller Wärme und trotzdem so kalt.
Hiermit wird für mich besonders deutlich, woran Deinen Geschichte krankt:
Das ist nichts, was Du irgendwie gezeigt hast. Wo ist der Kontext? Für mich als Leser bleibt das uninteressant.
"Die Welt ist voll mit Gutem und trotzdem so schlecht."
Diese These ist nicht einmal geeignet, um ihr zuzustimmen oder sie abzulehnen. Was soll das aussagen?

Dazu kommt, dass die Geschichte so gut wie keine Handlung hat. Jemand der in einer Fußgängerzone hin und her läuft, hebt sich erstmal nicht sehr von dem Rest der Menschen darin ab. Auch nicht dadurch, dass er/sie Liebeskummer o.ä. hat.

Ich wünsche Dir noch viel Spaß hier,

LG
Ane

 

Hallo Orchideenfee,

Vielleicht ein paar Worte dazu:
Der Songtext war nicht der Ausgangspunkt der Kurzgeschichte. Sie wurde auch nicht für einen bestimmten Menschen geschrieben.
Ok, danke für die Info.


Ich finde, das Besondere an Kurzgeschichten ist eben genau das, was du kritisierst. Kurzgeschichten stellen Menschen, Typen, Charaktere nicht ausführlich vor. Der Leser erfährt kaum Hintergründe. Er muss zwangsläufig zwischen den Zeilen lesen.

Richtig. Ich habe bloß den Eindruck, dass du meinst, dein Text habe in dieser Hinsicht keine Mängel. Eine gute Kurzgeschichte besteht darin, dass sie es schafft, in wenigen Zeilen alles Wichtige zu zeigen, um das sog. Zwischen-den-Zeilen-Lesen für den Leser zum Erlebnis zu machen.
In deiner Geschichte, das möchte ich wiederholen, finde ich eine für mich unreife, mit sich selbst nicht im Reinen stehende Protagonistin vor, die mir keine Gefühle abverlangt und die mir auch nichts mitzuteilen hat. Das Erzeugen von Gefühlen ist aber genau die Aufgabe, die ein Autor hat. Ohne Gefühlerzeugung sind wir im Sachtextbereich. Und mit Gefühlen meine ich die ganze Palette von Sympathie, Antipathie, Hass, Wut, Liebe, Zuneigung, Freude, Trauer, Ekel und so weiter.

Er muss zwangsläufig zwischen den Zeilen lesen. Manchmal gelingt ihm dies, manchmal nicht.
Watscht du da grad zurück? Meine Kritik verfolgte nicht in der Absicht, dich anzugreifen, sondern sollte dir Hilfe sein.


Wir sind täglich von Menschen umgeben, die im Beruf und zusammen mit Freunden ein ganz anderes Gesicht haben als in der Liebe, in ihrem innersten Empfinden. Es gibt Menschen, die eine unglaubliche Wärme ausstrahlen, für andere da sind und ihnen viel geben, aber selber mit ihren Sorgen alleine sind, die unter Menschen eine echte Fröhlichkeit ausstrahlen, weil sie die Menschen lieben, weil sie ihnen gerne Freude schenken, die aber alleine weinen und einsam sind. Das ist kein Widerspruch. Lernt man sie näher kennen und befragt sie nach ihrem wahren Empfinden, was Einfühlungsvermögen erfordert, denn sonst würden sie sich nicht öffnen, so erfährt man Erstaunliches. Ein Mensch kann trotz Abschiedsschmerz Frieden in sich tragen. Er kann Frieden empfinden, weil er akzeptiert, dass er sich verabschieden muss, auch wenn ihm dieser Prozess Schmerzen bereitet.
Ein Mensch kann trotz Abschiedsschmerz Frieden in sich tragen.
Ja, kann er.
Aber jetzt kannst du wunderbar erkennen, wie viele Worte du benötigst, um mir diesen Zustand zu erläutern, bevor ich dir zustimmen kann. Warum? Weil es die Ausnahme ist, dass jemand trotz Abschiedsschmerz Frieden in sich trägt. Weicht etwas von der Normalität, vom Üblichen ab, ist man leider immer gezwungen, den Leser mitzunehmen in diese andere Gefühlswelt. Und das geschieht nicht, indem man das einfach behauptet und erwartet, dass einem der Leser glaubt, sondern, indem man genau das tut, was du mir erklärender Weise geschrieben hast.

Der Reiz einer Kurzgeschichte liegt meiner Ansicht nach in ihrer starken Reduktion und sie hat nicht den Anspruch jeden zu erreichen.
Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.
Der Reiz einer Kurzgeschichte liegt darin, dass man es schafft, eine Welt für den Leser zu erschaffen, in die er schlüpfen mag, ohne dass man dafür die Länge eines Romans benötigt. Das geht einher mit starker Reduktion. Gar keine Frage. Das Weglassen der richtigen Worte, das ist die Kunst.

Kein Text dieser Welt wird immer allen Menschen gefallen. Egal wie gut oder wie mäßig der Text ist. Wenn du aber jetzt schon anfängst, Rechtfertigungen dieser Art als Geschütz gegen Kritik an deinen Geschichten anzuführen, frage ich mich, was da noch kommen soll.

Lieben Gruß
lakita

 

Hallo lakita,

schade, dass du meine Antwort als Angriff verstanden hast. Ich habe mich lediglich auf eine Diskussion zu dieser Thematik eingelassen. Du sparst ja auch nicht mit klaren Worten, was ich gut finde, aber dann muss es doch umgekehrt auch möglich sein, eine Meinung zu vertreten, was dann noch lange nichts mit Rechtfertigung zu tun hat und auch nicht bedeutet, dass ich deine Kritik nicht sehr ernst nehme und mir keine Gedanken mache, was zu ändern wäre, damit der Text überhaupt ankommt.

Viele Grüße
Orchideenfee

 

Hallo Alex,

herzlichen Dank für dein ausgesprochen konstruktives Feedback!
Es hilft mir sehr, die Schwachstellen des Textes klar zu erkennen.

Viele liebe Grüße
Orchideenfee - mit viel e :)

 

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