Nie mehr so wie früher
Nie mehr so wie früher!
Wie blau ihre Augen doch waren. Das fiel ihm jetzt zum ersten Mal auf. Warum hatte er vorher nie darauf geachtet? Sanft und doch fest drückte er sie an sich. Es gefiel ihm ihre weichen Brüste zu spüren, ihren Duft nach einer frischen Sommerbriese in der Nase zu haben und sie einfach in den Armen zu halten. Leicht löste er die Umklammerung, um ihr wieder ins Gesicht schauen zu können. Sie lächelte traurig und seine Augen füllten sich mit Tränen. >>Bitte fang jetzt nicht an zu weinen! <<, bat sie. >>Aber ich kann nicht anders<<, erwiderte er. Sie sah schuldbewusst auf ihre Füße. >> Mach es doch nicht schlimmer, als es bereit ist! Bitte weine nicht. Tu`s für mich.>> Mit dem Ärmel wischte er sich die Tränen aus den Augen. Es war so schrecklich. Und nun durfte er noch niemals weinen, obwohl er ihre Bitte verstand. Wenn sie ihn jetzt weinen sah, würde sie vielleicht an ihren Entschluss zweifeln und nicht fahren wollen. Aber warum sie überhaupt weg wollte, verstand er nicht. Er hatte noch genau ihre Worte im Kopf, mit denen sie ihm von ihrem Entschluss mitgeteilt hatte. >> Martin, du musst es verstehen. Es ist eine einmalige Chance für mich. Dort kann ich meine Karriere ausbauen, was Besonderes werden, wie ich es schon immer wollte. Und es ist ja auch nicht für immer<<, hatte sie gesagt. Ja, es war nicht für immer, jedoch schon für eine Ewigkeit. Er wusste nicht, wie er drei lange Jahre anders benennen konnte. Auch verstand er nicht, warum sie weggehen wollte, um etwas Besonderes zu werden. Für ihn war sie besonders. Mehr als alle anderen auf der Welt. Ihr hellbraunes Haar wurde ihr ins Gesicht geweht, als ihm erneut die Tränen in die Augen steigen wollten. Glücklicherweise konnte er sich beherrschen. Auch wenn er es nicht einsehen wollte, warum sie überhaupt wegfahren musste, wollte er sie glücklich machen. Schließlich war sie das Wichtigste in seinem Leben. >> Du kannst mich ja mal besuchen kommen! <<, sagte sie, >> wir werden uns ganz sicher nicht aus den Augen verlieren.>> Wenn er ihr doch nur glauben konnte. >> Ja, aber ich kann nur sehr selten kommen. Du weißt, ich habe nicht so viel Geld.<< Er drückte sie fest an sich. Wie schön es wär, wenn er sie nie wieder loslassen könnte. >>Ja, ich weiß<<, sagte sie leise, <<aber ich kann auch nicht kommen. Das erlaubt mein Beruf nicht, aber ich schreib dir jeden Tag.<< Er schluckte, um den großen Kloß, der sich in seinem Hals gebildet hatte, verschwinden zu lassen und drückte sie noch fester an sich. Nach einiger Zeit löste sie sich aus seiner Umklammerung. >>Es wird Zeit!<< Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und drückte ihre Lippen auf seine. Kurz spielte ihre Zunge mit seiner Zungenspitze, dann schritt sie aufs Auto zu. Besorgt sah sie ihn an und fragte: >>Du willst wirklich nicht mit zum Flughafen kommen? << Er schüttelte den Kopf. Dort könnte er den Abschied noch weniger ertragen. >>Ich meld mich dann, wenn ich da bin<<, waren die letzten Worte, die sie sprach, bevor sie ins Auto stieg und losfuhr. Nur ein einziges Mal winkte sie kurz. Lange sah er ihr noch nach, sogar so lange, bis das Auto schon längst nicht mehr zu sehn war. Ein vertrauter salziger Geschmack auf seinen Lippen ließ ihn hochschrecken. Er weinte. Warum weinte er? Es war doch kein Abschied für immer. Er würde sie wieder sehn. Er drehte sich um und ging aufs Haus zu. Kurz bevor er die Klinge drückte, roch er an seiner Hand. Sie roch nach ihr. Nun konnte er seinen Tränenfluss gar nicht mehr aufhalten, denn er wusste, es war doch ein Abschied für immer. Es würde nie wieder so sein wie vorher.