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Nichts zu verlieren

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20.12.2002
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Nichts zu verlieren

Die Welt in der wir leben. Wo führt sie uns hin? Weiß man nicht. Oder vielleicht doch? Fragen, Spekulationen, Ansichten, Meinungen, Katastrophen. Wieso eigentlich?
Kann man eigentlich sagen, dass man lebt? Und wenn dann, wieso? Gott? Ich meine nicht. Aber das ist Ansichtssache. Am Ende spielt es auch keine Rolle, finde ich. Wenn es ihn wirklich gibt, dann wird er, ganz egal ich ob jemals in einer Kirche oder Moschee oder sonst wo war, auch meine Sünden entschuldigen. Soooooo ein schlechter mensch bin ich dann auch wieder nicht.
Wer führt das schönste Leben? Was ist ein schönes Leben? Ich würde ein schönes Leben so formulieren: Der Mensch, der am meisten Spaß, Liebe und Freude in seinem Leben empfunden hat. Dazu muss man nicht lange gelebt haben. Man muss nicht viel Geld gehabt haben. Es reicht eigentlich wenig.
Ich war vor ein paar Wochen mit Freunden segeln. Wir saßen alle zusammen mit Bier in unseren Händen und blickten auf das Meer. Im Hintergrund lief Bob Marley. Wir lachten, wir tanzten, wir tranken. Fast perfekt, sagte ich. Ja, fast, sagte ein Freund. Was fehlt, wollte ich wissen. Eine schöne Frau an meiner Seite, meinte er. Stimmt, sagte ich nur. Aber dann dachte ich darüber nach. Würde es wirklich besser sein wenn ich jetzt eine Frau hätte. Oder ist das hier vielleicht das schönste Gefühl. Hier zu sitzen und an die Frau zu denken, die man nicht hat, die man nicht kriegt, die es nicht gibt.
Wenn ich manchmal über mein Leben nachdenke, denke ich, dass sie an mir vorbeifliegt. Ich meine, so ein Leben ist begrenzt. Wenn man Glück hat darf man ein wenig länger leben, wenn nicht, dann ein bisschen kürzer. Die meisten Menschen vergessen dies. Sie glauben alles sei stabil. Sie glauben, dass sie noch zeit haben. Wozu, frage ich? Wozu habt ihr zeit, solltet ihr überhaupt noch welches haben? Damit ihr genau die gleiche Scheiße machen könnt wie bisher? Viele Menschen warten auf die Zukunft. Sie glauben sie wird ihnen was bringen. Dabei gibt es gar keine Zukunft. Hast du sie schon mal gesehen? Nein. Es gibt nur jetzt. Jetzt oder nie.
Schon zu oft habe ich in meinem Leben Angst gehabt. Angst, eine Frau anzusprechen. Angst, tanzen zu gehen. Angst, das zu sagen, was ich wirklich meine. Angst, mich zu blamieren. Angst, weil ich nicht weiß was die Anderen dazu sagen werden. Aber wieso eigentlich?
Manchmal muss man eben aufs Ganze gehen. Ich will aufs Ganze gehen. Ich will spüren dass ich lebe. Ich will wissen, dass ich alles gegeben habe. Das ist es. Alles geben. Erst dann ist man zufrieden. Wer Sportler ist, müsste das eigentlich wissen. Leider vergessen das aber viele. Wenn man vom Platz läuft und wirklich bis zum Schluss gefightet hat, dann ist man, ob Sieger oder Verlierer, irgendwo zufrieden innen drin. Wenn man bereit war, sein Leben für jeden Ball zu opfern. Ohne Angst. Ohne darüber nachzudenken. Wenn man sich den Ball in der neunzigsten Minute erkämpft und dann zum letzten Mal versucht aufs Tor zu zugehen. Alleine. So, dass jeder weiß, dass man dich erst mal stoppen muss. Dann lebt man. Ganz egal ob man es schafft oder nicht.
So will ich ab jetzt mein Leben immer leben. In allen Situationen. Nicht nur im Spiel. Ich will im Leben aufs Ganze gehen. Ich will alles geben.
Nie wieder werde ich eine Frau sehen und Angst haben sie anzusprechen. Nie wieder Angst haben meine Meinung zu äußern. Nie Wieder.
Ich habe nur einen Hauptschulabschluss. Ich arbeite am Fließband schon seit 15 Jahren in irgendeiner scheiß Fabrik. Ich schufte den ganzen Tag. Und wofür? Um mir Sachen zu kaufen, die ich nicht brauche, die ich nicht mag, die ich eigentlich gar nicht haben will. Highlight der Woche ist in die Disco zu gehen und mich mit ein paar Kumpels voll laufen zu lassen. Toll. Zur Zeit gehe ich nicht mehr mit. Sie glauben ich bin krank. Ich glaube sie sind es.
Gestern Nacht habe ich Draußen verbracht. Stundenlang habe ich die Sterne angeschaut. Mehr als der großer Wagen konnte ich nicht finden. Mehr ist, glaube ich, auch nicht drin.
Ich habe 5 Tausend Euro auf meinem Konto. Morgen werde ich zu meinem Boss gehen, ihn sagen, dass er mich am Arsch lecken kann und dass ich seine Frau gevögelt habe (stimmt wirklich). Dann werde ich alle meinen Freunden sagen, dass ich weggehe und nicht weiß wohin. Sie werden fragen wann ich wiederkomme. Ich weiß es nicht, werde ich sagen. Ich weiß es wirklich nicht. Ich werde mich wie ein Blatt vom Wind wehen lassen. Ich gehe irgendwo in den Süden. Nur das steht fest.
Ich habe einen riesen Campingrücksack zu Hause. Ich werde nur das mitnehmen, was rein passt. Einen Schlafsack nehme ich auch mit. Ich weiß mit 5000 Euro kommt man nicht arg weit, aber ich habe keine Angst mehr. Ich gehe jetzt aufs Ganze. Was habe ich schon zu verlieren? Nichts ist für die Ewigkeit.
Vielleicht glaubt ihr das ich verrückt bin. Vielleicht bin ich es auch. Aber, wie gesagt, ich glaube Ihr seid es.

 
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Also... Ich gehe jetzt. Wünsch mir Glück! Schade halt, dass ich hier nicht mehr mitschreiben kann, wenn ich weg bin. Obwohl... bestimmt werde ich auf ein paar Internet-cafes stoßen.
JuJu

 

Hmm, mit der Lebenseinstellung, die hier zum Ausdruck gebracht wird, kann man durchaus sympathisieren. Aber, ob du mir jetzt glaubst oder nicht: Dieser Text hier ist eher konventionell. Und ich habe fast den Verdacht, genau das sollte er grade nicht sein. Versteh mich nicht falsch: Ich glaube, es ist extrem wichtig, dass man sich solche Gedanken macht. Es mag sogar notwendig sein, sie niederzuschreiben. Aber damit das hier als Text auch für mich als Leser was hergibt, müsstest du schon eine interessantere Form finden. Momentan sehe ich hier nur einen ziemlich spannungsfreien inneren Monolog voller Allgemeinplätze. Vielleicht in eine Geschichte verpacken? Die Lebenseinstellung nicht einfach beschreiben, sondern durch konkrete Handlungen deutlich werden lassen? Nur so'n Vorschlag.

fg
Nurso.

PS: Ich finde es ja auch langweilig, dass in Geschichten meistens nur Proletarier ihrer Aussteigerphantasien ausleben dürfen, aber ich verstehe trotzdem nicht ganz, wieso bei einem bürgerlicheren Aussteiger der Antimaterialsmus besser rausscheinen würden. Weil, der hat wenigstens was, worauf er dann großmütig verzichten kann, oder wie?

 
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Hi,
sehr gute überarbeitete Geschichte JuJu! Besonders gut hat mir deine Beschreibung des Neuanfangs gefallen, wie die Hauptfigur geht und seine Freunde zurücklässt. Du solltest noch einige kleine sprachliche Schnitzer verbessern wie z.B. ,,Sie´´ als Anrede groß... . Wenn das geschehen ist die Geschichte perfekt.

Gruß
Maddog

 

@ tagträumer: Ich muss sagen es stimmt schon was du da sagst. Warum müsste der Mann eigentlich am Fließband arbeiten? Im Grunde ändert es nichts an die Geschichte, aber man bekommt den Eindruck ihm geht es deshalb so, weil er am Fließband arbeitet. Dabei können es Menschen, die auch in angeseheneren Berufen tätig sindm, genauso gehen. vielleicht ändere ich es noch. Danke!

 

Maddog sagte:
Hi,
sehr gute überarbeitete Geschichte JuJu! Besonders gut hat mir deine Beschreibung des Neuanfangs gefallen, wie die Hauptfigur geht und seine Freunde zurücklässt. Du solltest noch einige kleine sprachliche Schnitzer verbessern wie z.B. ,,Sie´´ als Anrede groß... . Wenn das Geschehen ist die Geschichte perfekt.

Gruß
Maddog

@Maddog: Danke dür den Lob. Das macht mut weiter zu schreiben. Danke!

@Nurso: Danke für den Vorschlag.Natürlich kann man aus dem Text mehr machen. Bei Kurzgeschichten geht das immer. Es wäre sicherlich cool gewesen wenn man den inneren Monolog in eine Geschichte verpackt mit konkreten Handlungen usw... Dann wäre es aber keinen inneren Monolog mehr gewesen sondern eine story mit mindestens 20 Seiten. Das alles aber nur nebenbei gesagt. Danke für die Kritik. Danke! Gruß JuJu

 

Salut,
obwohl die Gedanken recht banal gehalten sind, oder vielleicht auch gerade deswegen, ist es eine wunderschöne, tiefe Geschichte!
Hat mir gut gefallen!
Gruß,
Anna

 
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@anna: danke fur das Lob!

 

Hey, was meint ihr? Soll ich das noch ändern mit dem Fließband arbeiter. Soll er bei Daimler schaffen oder so?
JuJu

 
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Hi.
:waaas:
Also, entweder hast du dich gespalten, oder du schreibst wirklich besser, als du in den anderen Geschichten (zumindest im Bereich "Alltag") gezeigt hast. Du strafst mich Lügen :fluch: - aber ich gebs zu.
Vielleicht solltest du nur noch in der Ich-Form schreiben? Weiß nicht. Kürzere Sätze aber wirken bei dir Wunder.
Auf jeden Fall siehst du mich jetzt, nach "400 Metter zwischen Leben und Tod", völlig baff.
Diese Geschichte hier ist dir echt gelungen! :thumbsup:

 

Hallo Julu,

Also vorab muss ich Folgendes sagen: Ich las den Text und dachte, das ist authentisch; was der da schreibt, das meint der auch so bis hin zu dem Techtelmechtel mit der Frau des Chefs. Ich habe es wirlich geglaubt, auch dass du abhauen wolltest und sah erst durch deine weiteren Beiräge, dass es fiktiv ist.

Ein größeres Lob kann man einem Text nicht aussprechen.

Der Inhalt dann, nun ja wie von jemandem, der gerade beginnt Hesse zu lesen. Jeder kennt es, jeder hat Ähnliches mal gedacht. Und niemand kam jemals weiter an dieser Stelle als du. Mehr gibt es nicht zu sagen. Das was mich an solchen Texten interessiert ist, wie man Worte fassen muss, damit sie ihre Wirkung nicht verlieren, damit sie am nächsten Tag immer noch Kraft haben. Man schafft es am ehesten, wenn man die Umstände festhält, die einen Gedanken bedingen. Das ist dir gelungen.

Ich jedenfalls nahm dir alles ab und nicht nur, weil es unter "Philosophie" steht.

 

@ Anja M: Freut mich, dass dieser Text dir besser gefallen hat. Ich fange immer spontan an zu schreiben und manchmal gelingt mir etwas und manchmal eben weniger. Manchmal sieht man halt auch mehr als sonst, dass ich mich erst 6 jahre mit der deutschen Sprache beschäftige. Vielen Dank für deine Kritik!
Gruß, JuJu

@Vielen Dank! Du sagtest meine Geschichte komme die authentisch vor. In vielen Hinsichten ist sie das auch. Sie ist schon fiktiv, aber meine Gefühle erkennt man im Text wieder. Sie ist auf jeden Fall am authentischten von den Texten, die ich bisher verfasst habe.
Komisch, dass du sagtest, dass der inhalt an jemandem erinnert der gerade beginnt Hesse zu lesen. Kurz nachdem ich diese Geschichte geschrieben hatte, empfahl mir jemand das Buch Steppenwolf. Ich bin gerade mittendrin und kann das Buch kaum aus den Händen legen.
Nochmals vielen Dank! Das macht Mut, weiterzuschreiben.

Gruß, JuJu

 

Hallo Juju !
Diese Geschichte hat mich im tiefst inneren berührt ! Sie ist die beste Philosophische geschichte die ich je hier gelesen habe ! Weil sie mir aus dem Herzen spricht ! Ich kenne genau das was du geschrieben hast ! Die Ähnlichkeit ist so nahe nur das ich kein Fließbandarbeiter bin sondern Schüler und grad mal 3000 € aufm KOnto habe !Du solltest aber noch einige kleine sprachliche Fehler verbessern wie z.B. Sie als Anrede groß ! Wenn das geschehen ist die Geschichte perfekt!
Mfg
deine anderen Geschichten gefallen mir auch
Tosh !

 

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