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Nichts als Zufall

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18.10.2014
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Nichts als Zufall

„Eigentlich wollte ich doch nur in dem kleinen italienischen Café wie jeden Morgen meinen Platz ganz im Eck einnehmen, ein Croissant essen und dazu die Zeitung lesen.“, sagte ich zu dem jungen Studenten, der mich unter der Woche oft besuchen kam, um mit mir zu frühstücken.
„Erstens tust du das gerade du zweitens ist das ein total klischeehafter Anfang für deine Geschichte!“, kam er mir mit seiner ruhigen und irgendwie immer sarkastisch klingenden Stimme entgegen.
„Aber meine Geschichte beginnt doch gar nicht mit dem Café, sondern damit, dass ich mein Haus verlasse. Ich bin einen anderen Weg als sonst gegangen, weil ich noch ein paar Socken kaufen musste. Am Ende der Hubbingerstraße ist doch eine Zweigung, bei der beide Straßenabschnitte keine vier Meter breit sind. Naja, und gedankenverloren bin ich eben links gegangen als plötzlich von der rechten Straße ein Auto hinter mir vorüberschnellte und gegen die Hauswand gegenüber vom Gemüseladen krachte.“
„Und, ist dem Fahrer was passiert?“
„Nein, aber aus dem Gespräch mit einem Polizisten, der den Lärm gehört und herbeigeeilt war, konnte ich vernehmen, dass die Bremsleitungen des Autos nicht richtig funktioniert haben.“
„Das klingt ja ganz interessant, aber warum wirkst du deswegen so aufgebracht, wenn doch ohnehin nichts passiert ist?“, fragte der Student mit hochgezogenen Augenbrauen und fragendem Blick.
„Weil etwas passieren hätte können. Wenn ich nun rechts gegangen wäre, dann säße ich jetzt vermutlich nicht hier. Irgendwie hing doch mein ganzes Leben von dieser einen Entscheidung ab, links zu gehen, und ich hab sie ganz beiläufig und ohne viel nachzudenken getroffen.“
Mein Nachbar schaute mich nachdenklich an.
Nach längerer Pause sagte ich: „Ist doch eigentlich seltsam, wie man im Leben manchmal alles und gleichzeitig nichts in der Hand hat.“
Mein Gegenüber überlegte kurz, ließ die Augenbrauen sinken, nahm einen Schluck Kaffee und sagte: „Ich glaube nicht, dass es gesund ist, sich über solche Dinge allzu viele Gedanken zu machen.“
Dem erwiderte ich nur mit einem abgerungenem Lächeln, nahm noch einen Schluck Kaffee und fing an, in meiner Zeitung zu lesen.

 

Hallo Linus Pauling, und herzlich Willkommen hier.

Eine kurze Anekdote über Zufall, Schicksal und Fügungen. Wahrscheinlich hat jeder schon solche Situationen erlebt, die einen darüber nachdenken lassen, welche schicksalhafte Wendungen das Leben durch (scheinbar?) zufällig getroffene Entscheidungen nehmen kann. Oder könnte. Oder nimmt. Auf jeden Fall Stoff zum Grübeln.

Kommen wir nun zur Umsetzung. Woran dein Text etwas krankt, ist die Verwendung umständlicher Schachtelsätze und unrealistischer gesprochener Rede. Mein Rat wäre, dir das Ganze einmal auszudrucken und es dir selbst laut vorzulesen. Der Dialog besteht zum Großteil aus Sätzen, die so nie jemand sagen würde, so redet einfach keiner.
Teilweise hast du auch merkwürdige Formulierungen drin.

Der Ablauf der Geschehnisse ist mir stellenweise etwas unklar.

dazu die Zeitung lesen.“, sagte ich
Der Punkt fällt weg.
Schon diesen ersten Satz finde ich viel zu lang, ich würde ihn auf zwei verteilen.

„Erstens tust du das gerade du zweitens ist das ein total klischeehafter Anfang für deine Geschichte!“, kam er mir mit seiner ruhigen und irgendwie immer sarkastisch klingenden Stimme entgegen.
Da ist irgendwas durcheinandergeraten. Statt des zweiten „du“ ein Komma?
„Entgegenkommen“ passt hier nicht, man kommt einem nicht mit der Stimme entgegen. Wie wäre es mit: „entgegnete er“?
„Irgendwie“ ist ein Füllwort, dass du hier streichen kannst.
Was ich nicht verstehe: Was tut er gerade? Irgendwie haut das nicht hin.
Weiter: Geschichte? Ich bin zunächst davon ausgegangen, dass der Protagonist an einer Geschichte schreibt und nun den ersten Satz vorgelesen hat. Ansonsten verstehe ich den Einwand des Studenten nicht. Welche Rolle spielt es, ob etwas klischeehaft ist, wenn man ein persönliches Erlebnis erzählt? Wenn jemand erzählt: „Stell dir vor, was mir gerade passiert ist! Ich geh da so ...“ Dann meckert man doch nicht daran herum, womit er beginnt zu erzählen, oder dass das klischeehaft sei, verstehst du, was ich meine? Das würde man doch anders kommentieren, oder?

„Aber meine Geschichte beginnt doch gar nicht mit dem Café, sondern damit, dass ich mein Haus verlasse.
Auch das klingt so nach einer fiktiven Geschichte, vor allem wegen des Präsens. Beide müssen doch wissen, womit er seine Schilderung begonnen hat.

Am Ende der Hubbingerstraße ist doch eine Zweigung, bei der beide Straßenabschnitte keine vier Meter breit sind.
Den Ausdruck „Zweigung“ kenne ich nicht. Abzweigung? Gabelung? Ich würde das anders ausdrücken. Beide kennen die Stelle, zudem redet so keiner, deshalb ist der zweite Teil überflüssig, auch für das Verständnis der Geschichte. Ich würde das insgesamt umformulieren.

gedankenverloren bin ich eben links gegangen [Komma] als plötzlich von der rechten Straße ein Auto hinter mir vorüberschnellte und gegen die Hauswand gegenüber vom Gemüseladen krachte.“

„Nein, aber aus dem Gespräch mit einem Polizisten, der den Lärm gehört und herbeigeeilt war, konnte ich vernehmen, dass die Bremsleitungen des Autos nicht richtig funktioniert haben.“
Nach „gehört“ fehlt hatte bzw. hat, die Zeit stimmt hier auch nicht.
Ich würde den ganzen Abschnitt wirklich unformulieren, so redet kein Mensch.

mit hochgezogenen Augenbrauen und fragendem Blick.
Ich würde mich hier zwischen hochgezogenen Augenbrauen und fragendem Blick entscheiden.

Dem erwiderte ich nur mit einem abgerungenem Lächeln
Das klingt sehr holprig. Man ringt sich ein Lächeln ab, aber „abgerungenes Lächeln“ geht meinem Sprachgefühl nach nicht. Man erwidert ohne dem.

Bis auf die etwas umständliche Ausdrucksweise gefällt mir die Geschichte gut, auch die Kürze finde ich unproblematisch. Wenn du den Dialog realistischer gestaltest und dich knapper und präziser ausdrückst, könntest du sie noch wesentlich verbessern.

Liebe Grüße
raven

 

Hallo raven

Vielen Dank für deine ausführliche Antwort, ich werde bei Gelegenheit die ganze Geschichte noch mal überarbeiten und vieles deinen Tipps entsprechend umschreiben.

Liebe Grüße,
Linus

 

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