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Nichts als Zufall
„Eigentlich wollte ich doch nur in dem kleinen italienischen Café wie jeden Morgen meinen Platz ganz im Eck einnehmen, ein Croissant essen und dazu die Zeitung lesen.“, sagte ich zu dem jungen Studenten, der mich unter der Woche oft besuchen kam, um mit mir zu frühstücken.
„Erstens tust du das gerade du zweitens ist das ein total klischeehafter Anfang für deine Geschichte!“, kam er mir mit seiner ruhigen und irgendwie immer sarkastisch klingenden Stimme entgegen.
„Aber meine Geschichte beginnt doch gar nicht mit dem Café, sondern damit, dass ich mein Haus verlasse. Ich bin einen anderen Weg als sonst gegangen, weil ich noch ein paar Socken kaufen musste. Am Ende der Hubbingerstraße ist doch eine Zweigung, bei der beide Straßenabschnitte keine vier Meter breit sind. Naja, und gedankenverloren bin ich eben links gegangen als plötzlich von der rechten Straße ein Auto hinter mir vorüberschnellte und gegen die Hauswand gegenüber vom Gemüseladen krachte.“
„Und, ist dem Fahrer was passiert?“
„Nein, aber aus dem Gespräch mit einem Polizisten, der den Lärm gehört und herbeigeeilt war, konnte ich vernehmen, dass die Bremsleitungen des Autos nicht richtig funktioniert haben.“
„Das klingt ja ganz interessant, aber warum wirkst du deswegen so aufgebracht, wenn doch ohnehin nichts passiert ist?“, fragte der Student mit hochgezogenen Augenbrauen und fragendem Blick.
„Weil etwas passieren hätte können. Wenn ich nun rechts gegangen wäre, dann säße ich jetzt vermutlich nicht hier. Irgendwie hing doch mein ganzes Leben von dieser einen Entscheidung ab, links zu gehen, und ich hab sie ganz beiläufig und ohne viel nachzudenken getroffen.“
Mein Nachbar schaute mich nachdenklich an.
Nach längerer Pause sagte ich: „Ist doch eigentlich seltsam, wie man im Leben manchmal alles und gleichzeitig nichts in der Hand hat.“
Mein Gegenüber überlegte kurz, ließ die Augenbrauen sinken, nahm einen Schluck Kaffee und sagte: „Ich glaube nicht, dass es gesund ist, sich über solche Dinge allzu viele Gedanken zu machen.“
Dem erwiderte ich nur mit einem abgerungenem Lächeln, nahm noch einen Schluck Kaffee und fing an, in meiner Zeitung zu lesen.