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Nicht in dieser Nacht

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20.02.2002
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Nicht in dieser Nacht

Das Glas auf dem Tisch war leer. Ein letzter Rest roter Flüssigkeit zeigte, dass daraus getrunken wurde. Sie ging mit einem Zeigefinger über den Rand und kostete. Es war Rotwein.
Ihr Gesicht spiegelte sich im Fenster. Draußen war es noch dunkel. Sie hasste es, nachts das Licht anzuschalten. Man konnte nicht hinaus sehen. Nur das Spiegelbild des Raumes war zu sehen. Sie ging näher heran. Berührte das Fenster mit den Fingerspitzen. Hand auf Hand. Aber es war nur kaltes Glas. Schnell drehte sie sich herum. Sah sich die Küche genauer an. Sie erinnerte genau an den letzten Abend. Es begann jedes Mal so. Mit Rotwein und einem Essen. Sie konnte gut kochen.
Neben dem Herd lag noch eine Schachtel Zigaretten. In Gedanken nahm sie sich die letzte aus dem Päckchen. Streichhölzer. Keine Streichhölzer. Sie drehte den Gasherd auf und wartete. Der Geruch wurde stärker. So könnte es enden. Aber nicht heute. Nicht in dieser Nacht.
Vorsichtig entzündete sie die Flamme. Die Zigarette brannte im Hals. Sie schaute wieder in das Fenster. Sie sah schlecht aus. Es war nicht mehr viel zu machen.
Unruhig ging sie in der Küche auf und ab, dann zurück ins Schlafzimmer. Er war tatsächlich verschwunden. Wie so viele vor ihm. Nichts erinnerte mehr daran, dass er da gewesen war.
Erschöpft setzte sie sich auf die Bettkante. Sie wollte weinen, aber es ging nicht. Ihr war übel und sie zitterte.
Es war aussichtslos noch einen Mann zu finden, der bleiben würde. Es war ihr Schicksal. Einer nach dem anderen kam. Keiner blieb. Sie hätte keinen bleiben lassen. Wäre sie morgens neben einem aufgewacht, sie hätte ihn rausgeworfen. Diese Chance gaben ihr nur die wenigsten.
Ruhelos ging sie durch die Wohnung. In der Küche brannte noch immer Licht. Es war unerträglich. Sie hasste diese Wohnung. Sie musste wieder umziehen. Wieder flüchten. Vielleicht in eine andere Stadt. Schließlich wurde ihr schlecht und im Bad übergab sie sich. Der Spiegel, er musste weg. Vorhänge vor die Fenster. Kein Licht mehr.
Aus dem Badezimmerschrank holte sie eine kleine Packung Valium. Es waren die letzten. Sie brauchte einen neuen Arzt, eine neue Geschichte. Zwei jetzt, eine morgen früh. Oder alle drei auf einmal. Das würde nicht reichen.
Unzufrieden ging sie zurück ins Schlafzimmer, legte sich ins Bett. Mit einem Rest Wein schluckte sie ihre Tabletten und lies sich zurück fallen. Von draußen schien eine Laterne. Das Licht flackerte an ihrer Decke. Langsam wurde es wärmer. Sie wurde ruhiger. Endlich Stille.
So könnte es enden. Aber nicht heute. Nicht in dieser Nacht.

 
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Hallo Salinger!

Irgendwie sind mir die Beschreibungen in Deiner Geschichte zu wenig, um damit wirklich etwas anfangen zu können.
Wo Du etwa über die meist über Nacht verschwindenden Liebhaber schreibst, fehlt mir der Anhaltspunkt, warum die so handeln.
Es wird zwar offensichtlich für mich, daß die Protagonistin sich selbst nicht mag, also kein Selbstwertgefühl hat, aber es fehlt meiner Meinung nach etwas, das das Ganze fühlbar macht. Ich sehe zwar ihre Handlungen, aber erfahre nichts aus ihrer kranken Seele, warum, wieso, wer/was hat ihr etwas angetan, daß sie so wurde bzw. was sind jetzt ihre seelischen Schmerzen?

Am Schluß entdecke ich einen Hauch Selbsterhaltungstrieb, aber als Thema kann ich das auch nicht wirklich erkennen.

Ich schätze es sehr, daß Du Dich mit solchen Themen befaßt, aber hier fehlt meiner Ansicht nach wirklich etwas. Wüßte ich, wohin Du mit Deiner Aussage wolltest, könnte ich Dir vermutlich konkreter helfen... ;)

Daß sie Valium vom Arzt verschrieben bekommt, ist übrigens ziemlich unrealistisch, wenn es keine Geschichte sein soll, die vor 30 oder 40 Jahren spielt (in den Sechzigern war das mal modern bei frustrierten Hausfrauen).
Eventuell könnte sie sich die Valium aber illegal besorgen.

Zwei kleine Anmerkungen hab ich noch:

"Sie erinnerte genau an den letzten Abend."
- erinnerte sich genau, müßte es eigentlich heißen

"und lies sich zurück fallen."
- ließ

Liebe Grüße,
Susi :)

 

Vielleicht geht sie ja von Arzt zu Arzt und sagt, es wäre jemand gestorben und sie bräuchte etwas zu Beruhigung, am besten Valium. Keine Ahnung ob das geht. Habs noch nicht ausprobiert ;)

Was du ein anderes Mittel kennst, kann ich das gerne ersetzen.

Die Geschichte ist eine Momentaufnahme. Ich denke nicht, dass ich da erklären muss, woher die Depressionen der Protagonistin kommen, oder wieso die Männern wieder gehen.
Zum Teil kann man es sich denken, zum Teil bleibt es eben offen.

Aber danke für deine Kritik. Die Geschichte ist ja auch wirklich kurz. Klar, dass da viele Fragen offen bleiben.

Und was heißt hier du schätzt, dass ich mich mit dem Thema beschäftige. Trauste mir das eigentlich nicht zu ;)

 

Hallo Salinger,

die Eintönigkeit, Trostlosigkeit und Einsamkeit der Protagonistin hast du für meine Begriffe gut eingefangen. Irgendwie würde man sich gar nicht wundern, wenn sie sich umbringen würde.
Ein bisschen teile ich Häferls Kritik, denn mir ist nicht ganz klar, wieso keiner der Männer bleibt bzw. wieso sie sich eigentlich einen für immer wünscht, aber alle am nächsten Morgen rauswerfen würde.

Ich finde, da ist ein Widerspruch enthalten. Es wäre schlichter , wenn sie sich wünscht, es bliebe mal einer, aber letztendlich gehen sie alle, spätestens am Morgen danach sozusagen. Das fänd ich glatter.

Dann ist mir noch ein Satz aufgefallen, der mich höchst irritiert hat und der vermutlich einen Tippfehler enthält:

"Sie ging mit seinem Zeigefinger über den Rand und kostete." Mit "seinem" da dachte ich eine kleine Weile, dass das noch ein Mann bei ihr ist.

Also als Momentaufnahme durchaus gelungen. Für eine gute Geschichte müßte noch mehr Handlung sein, finde ich.

Lieben Gruß
lakita

 

Eine Momentaufnahme ist also keine Geschichte?

Also das ist tatsächlich ein Tippfehler. Ich ändere das.

Ich kenne ein paar Frauen, bei denen das so ist, wie ich es beschreibe.
Ich möchte nicht erklären, wieso keiner bleibt und wieso sie jeden rausschmeissen würde.

Sie hatte halt in ihrem Leben so viele Männer und ist (eben auch aufgrund ihrer psychischen Krankheit) nicht mehr dazu in der Lage zu lieben. Obwohl sie sich im Prinzip danach sehnt. Aber im Grunde ist sie zu sehr mit sich selbst beschägtigt, dass sie keinen neben sich ertragen kann für länger.
Und die Männer mit denen sie schläft sind eben alles Wichser ;)

Aber danke für Deine Hinweise lakita.

 

Hallo Salinger,

meiner Meinung nach hast Du die trostlose Stimmung Deiner Protagonistin gut eingefangen. Auch, dass ich ihren Namen nicht erfahren, passt dazu. Ich muss auch nicht wissen, warum und wieso es kein Mann bei dieser Frau aushält - es ist einfach so.
Allerdings liegt nicht immer in der Kürze die Würze. Ein paar Zeichen mehr, etwas weniger Behauptungen und statt dessen etwas mehr "Zeigen" hätten der Geschichte gut getan. Meiner Meinung nach.
Hier noch einige Detailanmerkungen:

Das Glas auf dem Tisch war leer. Ein letzter Rest roter Flüssigkeit zeigte, dass daraus getrunken wurde.
Ein letzter Rest roter Flüssigkeit zeigte, dass daraus getrunken worden war.

Sie ging mit einem Zeigefinger über den Rand und kostete. Es war Rotwein.
Sie fuhr mit einem Zeigefinger...

Ihr Gesicht spiegelte sich im Fenster. Draußen war es noch dunkel. Sie hasste es, nachts das Licht anzuschalten.
Ich würde "nachts" streichen, denn sonst legst Du die Betonung zu sehr auf dieses Wort. Ich z.B. habe mich spontan gefragt, ob sie tagsüber das Licht anmacht ;)
Hand auf Hand. Aber es war nur kaltes Glas.
Stark!

Schnell drehte sie sich herum. Sah sich die Küche genauer an. Sie erinnerte genau an den letzten Abend.
Hier würde ich versuchen, die Wiederholung von "genau" zu vermeiden. Und: Sie erinnerte sich...
Streichhölzer. Keine Streichhölzer. Sie drehte den Gasherd auf und wartete. Der Geruch wurde stärker. So könnte es enden. Aber nicht heute. Nicht in dieser Nacht.Vorsichtig entzündete sie die Flamme.
Hier stehe ich auf dem Schlauch. Wahrscheinlich, weil ich keinen Gasofen habe, aber wie entzündet man den Gasofen, wenn man keine Streichhölzer hat? :confused:
Die Zigarette brannte im Hals. Sie schaute wieder in das Fenster.
Klar, mit dem "Sie im zweiten Satz meinst Du Deine Protagonistin, aber grammatikalisch bezieht es sich auf die Zigarette. Und: sie schaute in das Fenster? Hier bin ich mir nicht sicher, wie es korrekt heißen müsste. Auf das Fenster?
Unruhig ging sie in der Küche auf und ab, dann zurück ins Schlafzimmer. Er war tatsächlich verschwunden. Wie so viele vor ihm. Nichts erinnerte mehr daran, dass er da gewesen war.
In dieser kurzen Einstellung gefällt mir der lakonische Stil am besten. Jedes Wort mehr wäre hier zuviel gewesen.
Es war aussichtslos noch einen Mann zu finden, der bleiben würde. Es war ihr Schicksal. Einer nach dem anderen kam. Keiner blieb. Sie hätte keinen bleiben lassen. Wäre sie morgens neben einem aufgewacht, sie hätte ihn rausgeworfen. Diese Chance gaben ihr nur die wenigsten.
Und hier fehlen mir doch einige Erklärungen. Wieso ist es aussichtslos für sie, einen Mann zu finden. Sie hatte doch einen gefunden. Der zwar wieder gegangen ist, aber gefunden hatte sie ihn doch. Und wieso fühlt sie sich so elend, wenn die Kerle frühzeitig wieder gehen? Wenn sie sie doch sowieso rausschmeißen würde? Hier stimmt meiner Meinung etwas nicht.
Sie brauchte einen neuen Arzt, eine neue Geschichte. Zwei jetzt, eine morgen früh.
Auch hier: falscher Bezug. Grammatikalisch bezieht sich das "Zwei jetzt,..." auf die Geschichte. Du meintest aber sicherlich zwei Valium. ;)
So könnte es enden. Aber nicht heute. Nicht in dieser Nacht
Stark, diese Wiederholung. Man weiß, die Frau wird sich irgendwann selbst umbringen, aber nicht heute, nicht in dieser Nacht.

So, das waren meine unmaßgeblichen Anmerkungen. Ich hoffe, Du kannst etwas damit anfangen.

Viele Grüße
George

 

Lieber Salinger!

Vielleicht geht sie ja von Arzt zu Arzt und sagt, es wäre jemand gestorben und sie bräuchte etwas zu Beruhigung, am besten Valium. Keine Ahnung ob das geht. Habs noch nicht ausprobiert ;)
Wohl nur bei sehr naiven Ärzten, meine ich, da das alte und bekannte (= ausgediente) Methoden von Tablettensüchtigen sind.
Mein Tip wäre, die Valium in nicht näher bezeichnete "Beruhigungspillen" oder "Schlaftabletten" umzuwandeln, da wohl mit dem Namen irgendeines anderen Medikamentes am Ende niemand etwas anfangen kann, da doch keines eine derartige Bekanntheit hat wie Valium.
Ansonsten kannst Du Dich hier über das Thema informieren. ;)

Die Geschichte ist eine Momentaufnahme. Ich denke nicht, dass ich da erklären muss, woher die Depressionen der Protagonistin kommen, oder wieso die Männern wieder gehen.
Es ging mir mehr darum, daß Du ein bisschen mehr charakterisierst. In Deinem Antwortposting an Lakita schreibst Du:
nicht mehr dazu in der Lage zu lieben. Obwohl sie sich im Prinzip danach sehnt. Aber im Grunde ist sie zu sehr mit sich selbst beschägtigt, dass sie keinen neben sich ertragen kann für länger.
Das könntest Du zum Beispiel mehr darstellen, das würde die Geschichte meiner Meinung wesentlich klarer machen.
Und vielleicht würdest Du es damit auch schaffen, den Widerspruch, den Lakita genannt hat, bei dem ich ihr aber zustimmen muß, wegzuschreiben. :)

Und was heißt hier du schätzt, dass ich mich mit dem Thema beschäftige. Trauste mir das eigentlich nicht zu ;)
Doch, natürlich. :)
Ich wollte damit nur sagen, daß ich es schön finde, wenn sich junge Autoren wie Du mit so ernsten Themen befassen (da es ja auch genug sinnleere Geschichten gibt). ;)

Liebe Grüße,
Susi :)

 

Hallo Susie und George,

danke für Eure Anmerkungen und George besonders für das Sezieren der Geschichte. Das hilft mir wirklich weiter. Ich werde einige Deiner Anmerkungen aufgreifen und die Geschichte nochmal überarbeiten.

Grüße,

Thomas

 

Hallo Salinger,

mir fehlen keine Hintergrundinformationen, eher ein stärkerer Zwiespalt der Frau zwischen `aufgeben´ und ´weitermachen´, sich eine neue „Geschichte suchen“, um die Mittel zum überleben zu bekommen. Was die alte Geschichte auch gewesen sein mag, vielleicht gibt es eine Reflexionsmöglichkeit, welche `neuen Geschichten´ wirklich hilfreich sein könnten.

Tschüß... Woltochinon

 

Servus Salinger!

Mir gefällt deine Geschichte sehr gut. Erinnert mich an die noir-filme der 40er und frühen 50er-Jahre. Für mich ist es eine Szenerie in Schwarz-weiß-grau, und verlangt meines Erachtens nicht mehr Konkretes, sondern sogar weniger. Dass sie Männer, die nicht gehen rauswirft, ist fast zu konsequent auf etwas bezogen und nicht nötig.

Wunderbar das Bild der Hände auf der Glasscheibe und auch das beschriebene Aufgebenwollen - aber eben nicht heute.

Lieben Gruß an dich - schnee.eule

 

Hey danke schnee.eule. Endlich jemand der mich versteht :D

Die meisten finden bisher, dass es nicht nötig ist, zu sagen, dass sie die männer, die bleiben rauswirft. einige verstehen es nicht. ich finde es konsequent und wichtig gerade dieses gegensatz aufzuzeigen. die frau ist halt völlig kaputt. sehnt sich auf der einen seite nach liebe und partnerschaft, kann es auf der anderen seite aber nicht ertragen.

 

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