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Nicht hier. Nicht jetzt.
Nicht hier. Nicht jetzt.
Tristan war am Boden zerstört. Ja, sein Zustand kam einem Schiff gleich, das in größter Seenot unterzugehen drohte. Irgendwas zerfetzte ihn innerlich, stach in sein Herz und stieß gegen seine Rippen. So schön er auch war, der eine Moment... Der eine Moment, der sein Leben verändert hatte... So hart war nun dieser hier. Er fühlte sich, als wäre er unsanft von der Wolke gestürzt, auf der er sich nun seit einigen Monaten befunden hatte. Da lag er nun am Boden, der gestürzte Engel. Tränenüberströmtes Gesicht, zitternde Lippen, so krümmte er sich auf dem kalten, dunklen Boden.
Zunächst driftete er total ab, wollte weg von dem Stress der letzten Tage. Seine Phantasie brachte ihn vor ihr Haus. Es war dunkel, das Haus lag seelenruhig da, im Schein der Straßenlaterne. Er konnte sie sehen, sie war plötzlich so nah. Sie lag auf ihrem Bett, Tristans Blicke galten für einen kurzen Augenblick nur noch ihrem blondem Haar, ihren tiefblauen Augen und ihrer kleinen Nase. Ihm wurde schnell klar, dass dieses Mädchen, das er dort vor sich hatte, mehr war, als seine große Liebe. Sie ist in den letzten Monaten zu seinem Leben geworden, voll und ganz hat er sich für sie aufgeopfert, immer alles für sie getan, alles was in seiner Macht stand. Doch nun war es anders. Sie entfernte sich von ihm, ohne dass er wusste warum. Sie blieb stumm, wie ein Stein, blieb ihm jegliche Antwort schuldig. Doch, sie schien glücklich zu sein, glücklich ohne ihn.
Diese Erkenntnis schlug wie ein Blitz in seine Seele ein und holte ihn auf unsanfte Weise aus seiner Gedankenwelt zurück. Ihm war klar, dass nun alles kaputt war. Sein Leben hatte nun seinen Sinn verloren. Nein, alles, einfach alles hatte seinen Sinn verloren. Warum sollte er sich für irgendetwas bemühen, ohne sich daran erfreuen zu können? So hatte er sich das Leben ganz und garnicht vorgestellt, im Gegenteil. Der wunderschöne Spaziergang wurde zu einem Marsch bei Sturm und Regen. Er war auf dem Weg nach oben gewesen, doch fiel jetz urplötzlich hinab. Ganz nach unten.
Tristan hatte ihr damals ewige Treue versprochen. Sie ihm natürlich auch, alles schien perfekt. Manchmal hatte er sich sogar schon dabei erwischt, wie er über eine gemeinsame Wohnung, an die Hochzeit oder an Kinder gedacht hatte. Alles überstürzt, wie hatte er nur so naiv sein können? Das war sie nun, die große Liebe. Die eine. Die Frau, der er sein Herz geschenkt hatte. Das war für ihn der Beweis, dass es sie einfach nicht gibt, die perfekte Frau, die zu ihm passt. Nirgends. Niemals. Nicht hier. Nich jetzt. Er sah es glasklar vor sich, seine Bestimmung war es, allein zu sein. Für immer.
So ging er in sich selbst auf die Suche nach Fehlern. Er blickte auf die Beziehung zurück, er sah sich alles nochmal an, ganz in Ruhe, ganz genau. Er überlegte lange hin und her. Doch er konnte nichts finden. In seinen Augen hatte er sich vorbildlich verhalten. Immer war er für sie da gewese. Niemals hatte er andere Frauen im Blickfeld. All sein Handeln und Tun hat nur ihr gegolten. Nein, er hatte keinen Fehler begangen, er nicht! Das Leben schien ihn zu hassen. Das war die Erklärung. Das musste die Erklärung sein. Er fing an, sich in diese Theorie zu verrennen. Alles schien ihm unfair, alles auf der Welt. Kein Licht befand sich mehr am Horizont. Die Sterne schienen nicht.
Tristan stand auf und versuchte sich ein Weg durch die endlose Finsternis zu bahnen. Er stieß sich bald seine Füße an, bald sein Kopf, bald sein Herz. Er irrte lange in der Dunkelheit umher. Er war auf der Suche nach Licht. Die Stunden vergingen. Es blieb dunkel. Er hatte das Licht nicht finden können. Nicht hier. Nicht jetzt. Entkräftet sank er zu Boden. Tränen bedeckten sein Gesicht und tropften hinunter. Weinend fing er an zu schreien. Es war ein lautes, ein verzweifeltes Schreien. Ein Schrei voller Schmerz und Trauer. Er schrie nach ihr, schrie nach Gott, schrie nach Licht. Nichts geschah. Niemand hatte es gehört. Keiner konnte ihn hören.