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Nicht genug
Als ich sie zum ersten Mal sah, wusste ich bereits, dass ich mit ihr meinen Traum verwirklichen kann. Ich wollte ihr alles von mir sagen, alles von mir zeigen, meine komplette Seele offenbaren. Wie ein Engel, vom Himmel herabgestiegen um mich zu retten, saß sie nun vor mir, und verzauberte, mit ihrem schiefen Lächeln und den blaugrünen Augen, die an eine Lagune in der Südsee erinnerten, meine Gedanken. Hör nicht auf zu sprechen, rief ihr meine innere Stimme unaufhörlich zu, als ich, den Blick nicht von ihr wenden könnend, an meinem Kaffee nippte. Gedanklich kreiste ich bereits in der Zukunft, einer gemeinsamen Zukunft. Einer Familie, grenzenloser Harmonie, dem vollkommenen Glück, in dem unsere perfekten Körper, verschlungen und untrennbar, für immer aneinander und ineinander bebten. Niemals zuvor sah ich diese Zukunft so greifbar vor mir. Bei ihrem Anblick waren da plötzlich andere Gedanken, als nur die nächste Gelegenheit auf einen schnellen Fick. Du darfst es dieses Mal nicht versauen! Geh es langsam an, gib ihr Zeit sich in dich zu verlieben. Mit jedem Wort, das sie sprach, verlor ich mich tiefer in ihr, unfähig rational zu denken.
Sie studierte Journalistik und erzählte begeistert von ihrem Praktikum in der Redaktion eines lokalen unbedeutenden Blattes. Doch sie war mit dem Herzen dabei, als wäre sie die Redaktionsleiterin der Times. Fasziniert von ihrem Enthusiasmus, prägte ich mir jede Kontur ihres zarten wohlgeformten Gesichtes ein, und speicherte die Linien in meinen Erinnerungen. Ich wusste, dass sie jeden Moment aufbrechen musste.
Nachdem ich gezahlt hatte, legte sie ihre Hand auf meine, und fragte: „Sehen wir uns morgen?“
„Wie wäre es heute Abend?“, antwortete ich lächelnd.
„Ich hab noch etwas zu klären. Ich hab dir doch von ihm erzählt, und ich möchte klare Verhältnisse schaffen. Das bin ich ihm schuldig.“
Ich war mir nicht sicher, ob ich diese Ehrlichkeit gut finden sollte. Antwortete aber brav: „Tu was du tun musst. Dann halt morgen.“
Sie lächelte verschmitzt und drückte mir einen kurzen, aber intensiven, Kuss auf die Wange. Dabei flüsterte sie: „Mach dir keine Sorgen, meine Gedanken sind nur bei dir.“
Sie war bereits aus der Tür des Cafés hinaus. Ich sprang auf und lief ihr nach. Erwischte sie kurz vor der U-Bahn Station, berührte sie sanft an der Schulter, und stellte mich direkt vor sie. Endlose Sekunden schauten wir uns tief in die Augen, bevor unsere Lippen und Zungen, zum schönsten Tanz, den die Welt je gesehen hatte, ansetzten. Sie schmeckte wundervoll, süß, mit einer leichten Note von Kaffee. Nach gefühlten Minuten und einer prachtvollen Erektion in meiner Hose, löste sie ihre Lippen von den Meinen. Ich sah deutlich die Erregung in ihren Augen und ich setzte ein selbstzufriedenes Lächeln auf. Ich konnte einfach nicht anders, so glücklich und überwältigt war ich in diesem Moment.
„Du riechst wundervoll“, sagte sie und überlegte einen Moment. „Nach Cappuccino!“, fügte sie lächelnd hinzu.
Ich schaute noch lange, nachdem sie gegangen war, die Stufen zu U-Bahn Station hinab. Immer wieder streifte mich eine Schulter oder ein Arm von beschäftigten, zielstrebigen Menschen, die nichts anderes im Sinn zu haben schienen, als ihrem stupiden, farblosen, Leben hinterher zu hasten. Ich muss wie ein Verrückter auf sie gewirkt haben. Doch in meinen Gedanken waren sie die Irren, ohne einen Traum.
Langsam aber innerlich beschwingt machte ich mich auf den Weg zu meiner Wohnung. Dabei dachte ich an den anderen Typen. Sie hatte mir von ihm erzählt. Eine lockere Beziehung, nannte sie es. Er hatte ihr in einer schwierigen Phase geholfen und sie aufgefangen. Seit dieser Zeit waren sie Freunde und nach kurzer Zeit mehr als das. Freunde mit besonderen Vorzügen! Sie liebte ihn nicht, hatte sie gesagt. Es war rein freundschaftlich, hatte sie gesagt. Verdammt, wie ich diesen Typen jetzt schon hasste. Würde sie ihm, um den Abschied leichter zu machen, noch einmal, ihre vermutlich wunderschönen Lippen anbieten? Bei dem Gedanken wurde mir Übel. Ich konnte nichts machen, als ihr zu vertrauen. Ha, einer Frau vertrauen, die ich kaum kannte. Das ist bisher noch nie gut ausgegangen.
Meine Wohnung, in einem sanierungsbedürftigen Altbau, am Rande einer der billigen Wohngegenden, war klein und ziemlich heruntergekommen. Die Wände waren schief und feucht. Die Böden abgewetzt und aus dem Heizkörper tropfte in regelmäßigen Abständen das Wasser in eine Schale. Das Schlimmste aber waren die dünnen Wände. Jeden Morgen konnte ich das Gebrüll der Familie nebenan, welche sich ritualisiert am Frühstückstisch alle Nettigkeiten der Welt zu sagen hatte, hören. Ich war ihnen bisher glücklicherweise nur ein paarmal im Treppenhaus begegnet. Doch, ohne sie je gesehen haben zu müssen, wusste ich um ihre geistige und soziale Inkompetenz. Sie lebten genau den Albtraum von Leben, der sich gegensätzlich zu meinen Idealen abspielte. Jeden Tag versuchten sie, sich nicht gegenseitig umzubringen. Dabei zeigten sie offen ihren Hass, aufeinander und das beschissene Leben, am unteren Rand der Gesellschaft, welches sie verbittert, ob der Unfähigkeit es zu ändern, hinnahmen. Ich hasste es, wenn die Kinder weinend, um Aufmerksamkeit bettelnd, von ihnen angebrüllt und wahrscheinlich auch geschlagen wurden. Ich konnte diese Vorstellung nicht ertragen und hörte meist weg. Machte die Musik lauter und versteckte mich hinter meinen dünnen Wänden der Unwissenheit. In meiner Welt gab es dieses Leid nicht. In meiner Welt sah ich ein glückliches, sich über alle Maßen liebendes, Paar, welches ihren zwei Kindern einen Ort der Harmonie und Glückseligkeit bietet. Fern von Verbitterung oder Enttäuschung. Eine Welt, in der alles möglich ist. In der die kühnsten Träume wahr werden. In der du alles sein kannst. Eine scheiß idealistische Weltanschauung, fern der Realität. Doch es war mein Traum vom Leben. Mit nicht weniger als dem würde ich mich je zufriedengeben. Mein Traum vom Glück. Und nun konnte ich diesen, so real wie nie zuvor, sehen. Ich sah mich und ich sah sie, Julia. Ich hatte keine Ahnung, ob sie diesen Weg mit mir gehen wollte, doch ich war mir sicher, dass sie die bisher gesichtslose Frau, an meiner Seite, in diesem Traum war.
Ich lag gedankenversunken auf meinem Bett, als mein Telefon piepte, um mich an einen Termin zu erinnert. Verdammt, das Konzert! Ich hatte es völlig aus meiner Erinnerung verdrängt. Dabei hatte ich mich seit Monaten auf diesen Tag gefreut. So stark beeinflusste Julia, seit Tagen, mein Leben. Alles wurde, neben ihr, unwichtig. Ich ging heute Abend auf ein Konzert der „Ärzte“, der wohl besten Band der Welt. Anne hatte mir die Karte schon vor vier Monaten zu meinem Geburtstag geschenkt. Ich war überrascht, da wir nun schon seit über einem Jahr kein Paar mehr waren, über dieses Geschenk. Sie war meine erste große Liebe. Immer wieder waren wir zusammen, getrennt und wieder zusammen, über viele Jahre. Es war eine Berg-und-Tal-Fahrt der Gefühle, welche uns zu dem Punkt brachte, freundschaftlich einen Schlussstrich zu ziehen. Seit Wochen hatten wir uns nicht mehr gesehen und ausgerechnet heute musste dieses Konzert sein. Ich hatte noch zwei Stunden, bis ich sie abholen würde, um gemeinsam, mit meinen Gedanken nur bei Julia, auf ein verschissenes Konzert zu gehen.
Punkt neunzehn Uhr klingelte ich an Annes Tür. Sie wohnte in einem schicken Ein-Raum-Apartment in der City. Sie war bereits beruflich erfolgreich. Auch wenn sie nur einen öden Verwaltungsjob hatte, beneidete ich sie, um ihr gutes und regelmäßiges Einkommen. Sie öffnete von oben die Haustür und ich betrat das Treppenhaus. Wobei diese Beschreibung der riesigen Eingangshalle nicht gerecht wurde. Von ihr führten drei Treppenaufgänge und zwei Fahrstühle nach oben. Ich entschied mich für die Treppe.
Ihre Wohnungstür im dritten Stock war leicht geöffnet und ich klopfte an, bevor ich eintrat. Sie kam, mit einem überschwänglichen Lächeln auf mich zu gestürmt, und umarmte mich herzlich. Ich konnte nicht umhin, als ihre begeisterte Begrüßung, zu erwidern. Es fühlte sich gut und vertraut an. Wenn sie ihre Hüfte ein Stückchen näher an mich gepresst hätte, wäre ihr mein pralles Rohr aufgefallen. Reis dich zusammen, sagte ich zu mir.
„Schön dich zu sehen“, flüsterte sie mir ins Ohr. „Ich freue mich schon seit Wochen auf heute Abend.“
„Ich mich auch“, log ich.
Ich konnte ihr ja schlecht sagen, dass ich es vergessen hatte. Ihre gute Laune und die innige Begrüßung verwunderten mich etwas. Wir waren gute Freunde, ja, aber nach unserer Trennung haben wir bewusst die körperliche Distanz gesucht, um nicht wieder in unserer Endlosschleife zu landen. Zu unserer letzten Begegnung, vor drei Monaten, hatte sie mir von ihrem neuen Freund erzählt. Wie erklärt man seiner Ex, ohne dabei wie ein missgünstiges Arschloch zu klingen, dass eine Beziehung zu einem verheirateten, viel älteren, Mann, mit zwei Kindern, keine Zukunft hat? Sie wollte das damals nicht hören. Meinte, ich gönne ihr das neue Glück nicht. Mag sein, dass ich ihr das nicht gönnte, doch selbst ein emotionaler Tiefflieger hätte dieses Klischee von einer Affäre erkannt, bei der am Ende, immer die Geliebte verliert. Mein Gefühl sagte mir in diesem Augenblick, dass der alte Sack nicht mehr aktuell war.
„Komm rein, bin gleich so weit“, sagte sie, und verschwand, so schnell wie sie aufgetaucht war, wieder im Badezimmer.
„Magst du was trinken? Bediene dich einfach“, rief sie noch.
Ich ging in die Küche und schaute mich um. Ich erwartete nicht viel mehr als ein stilles Wasser. Sie hatte selten mehr als das im Haus. Dennoch öffnete ich aus Reflex den Kühlschrank, um nach einem kühlen Bier zu sehen. Tatsächlich standen darin sechs kleine, gekühlte, Flaschen meines Lieblingsbieres. Obwohl dies sehr ungewöhnlich für sie war, machte ich mir keine weiteren Gedanken darüber, und griff zu. Schließlich war morgen bereits ihr Geburtstag und sie erwartete vielleicht Gäste. Im Wohnzimmer setzte ich mich auf die Schlafcouch, um geduldig auf ihre Rückkehr zu warten.
„Hast du etwas gefunden? Im Kühlschrank ist auch Bier“, hörte ich es aus dem Bad.
„Ja, alles gut. Ich habe …“, versuchte ich zu antworten.
Doch sie rief schon wieder: „Habe ich extra für dich besorgt.“
„Danke, du bist ein Schatz“, erwiderte ich in alter Gewohnheit, und dachte dabei sofort schuldbewusst an Julia.
Es war ungewohnt für mich, in einer Wohnung so laut zu reden, da bei mir sicher schon Chantal und Justin von nebenan, so nannte ich die beiden «liebevoll», ohne wirklich zu wissen wie sie hießen, lautstark gekontert hätten.
Sie kam aus dem Bad und sah umwerfend aus. Anne war schlank, groß mit langen glatten dunkeln Haaren. Sie hatte die Figur einer Athletin und ihre süßen, apfelgroßen, straffen Brüste und der knackige, durchtrainierte Hintern weckten in mir die typischen männlichen Triebe. Ihr hautenges schwarzes Top und die skinny Röhrenjeans betonten zusätzlich ihre Reize. Aufreizend lächelnd stand sie vor mir, und wartete auf eine Reaktion. An jedem anderen Tag wäre ich, unfähig mich zu wehren, in ihrem Körper versunken. Doch heute war es anders. Mein Schwanz war bereits hellwach und wie eine Raubkatze zum Sprung bereit. Es fehlte nicht viel und er hätte die Kontrolle übernommen. Doch mein Kopf dachte erstaunlicherweise nur an eines, Julia.
„Heiß!“, brachte ich nach einem kurzen Moment hervor. „Wenn ich dich nicht schon einmal nackt gesehen hätte, würde ich dir jetzt die Kleider vom Leib reißen.“
Was zu Teufel redete ich da? Schalte den Autopiloten aus, ermahnte ich mich!
„Schade, dass du mich schon mal nackt gesehen hast“, erwiderte sie herausfordernd und kam auf mich zu.
Ich nahm einen großen Schluck aus der Flasche und leerte sie damit vollends aus.
„Kann es losgehen?“, fragte ich schnell im Aufstehen.
Sie hatte sich blitzschnell neben mich gesetzt und zog mich wieder zurück auf die Couch. Sie nahm meine Hand, sagte: „Ich habe dich vermisst. Nachträglichen happy Birthday.“
Dabei drückte sie mir einen Kuss auf die Lippen.
Ich war so überrascht, dass ich den Kuss automatisch erwiderte. Es fühlte sich vertraut und gut an. Doch in meinen Gedanken trat Julia wieder auf die Bildfläche, sodass ich den Kuss vorzeitig beendete. Sie schaute mich freudig aber auch etwas verwundert an.
„Wie geht es deinem Freund?“, zerstörte ich schlagartig den Moment.
Sie zog ihre Hand zurück.
„Ach, der Arsch. Als ich mehr wollte, war er der Meinung, dass er seine Frau noch liebt und es noch einmal mit ihr versuchen will. Dieser scheiß Feigling.“
Das Obligatorische, ich hab‘s dir ja gesagt, verkniff ich mir in diesem Moment und nahm sie in den Arm.
„Tut mir echt leid. Vergiss den Wichser.“
„Ich dachte wirklich, dass er mich liebt“, gab sie zu.
Durch mein T-Shirt spürte ich eine feuchte Träne auf meiner Schulter. Es ging ihr doch näher, als ich erwartet hatte. Sie war ein intelligentes Mädchen und hätte wissen müssen worauf sie sich einließ. Doch scheinbar vernebelt die Liebe unseren Verstand so sehr, dass Intelligenz da auch nichts entgegensetzen kann.
„Er hatte dich eh nicht verdient“, tröstete ich.
Sie klebte jetzt fest an mir, keine Anzeichen machend, mich loszulassen. Sie begann meinen Hals zu küssen und arbeitete sich dabei langsam nach oben zu meinem Mund. Wieder küssten wir uns innig und mein Admiral blies bereits zum Angriff. Julia, hallte es durch meinen bereits blutleeren Schädel. Ich löste mich von ihr und drängte zum Aufbruch. Sie nahm es diesmal anstandslos hin und wir machten uns Fuß auf, zur Festwiese.
Wir tanzten uns in einen Rausch. Für einen Augenblick vergaß ich Julia, meinen Traum, und genoss die unbeschwerte Party des Konzerts. Es war wie früher, zu unseren besten Zeiten, in denen ich Anne wirklich liebte, und dachte den Rest meines Lebens mit ihr zu verbringen. Es war sogar besser. Wir waren heute kein Paar und zwischen uns standen keine Probleme, die ihre Schatten auf unsere Zweisamkeit warfen. Hatten wir zu früh das Handtuch geworfen? Hatte ich aufgegeben, bevor ich erkennen konnte, dass sie die Richtige war? Im Taumel des Alkohols und Schweißes war ich versucht, diese Entscheidung in Frage zu stellen.
Auf dem Rückweg zu ihrer Wohnung lachten, tanzten und küssten wir weiter. Keiner von uns war Herr seiner Sinne, unfähig das Geschehen objektiv einzuordnen. Jedes Wort der Analyse hätte den Moment zerstört und uns in der Realität ankommen lassen.
„Kommst du noch mit rauf?“, fragte sie vor ihrem Haus mit herausfordernden Augen.
Auf diese unausweichliche Frage hatte ich gewartet. Dennoch wusste ich nicht genau, was ich sagen sollte. Ein immer größerer Teil von mir wollte mit ihr nach oben gehen. Die leiser werdende Stimme rief immer wieder, Julia.
„Was ist? Ich dachte, du willst es auch?“, fragte sie verwundert nach, als ich nicht gleich antwortete.
„Anne, der Abend war toll. Du bist toll. Und unter normalen Umständen wärst du jetzt schon nackt.“
„Aber“, fiel sie ein.
„Ich habe eine Frau kennengelernt. Wir kennen uns kaum, aber ich glaube, dass sie die Richtige sein könnte“, brachte ich hervor. Jetzt war es raus. Der Stimmungskiller. Mein Schwanz sank fassungslos und verständnislos in sich zusammen.
„Aber du bist dir nicht sicher?“, erwiderte Anne zu meiner Überraschung.
Ich hatte damit gerechnet, dass sie sich enttäuscht davonmachen würde. Doch jetzt stand sie, herausfordernd und aufreizender denn je, vor mir. War ich mir sicher? Verdammt, ich musste unweigerlich an Julias lockere Beziehung denken, die sie heute beenden wollte. Was wenn sie ihn ein letztes Mal fickt? Zum Abschied. Stand mir dieses Recht nicht auch zu?
„Ja“, sagte ich.
„Wie jetzt, du bist dir sicher oder du bist dir nicht sicher?“
„Ja, ich bin mir nicht sicher“, erwiderte ich zögerlich.
Lächelnd nahm sie meine Hand und zog mich mit sich. Ich wehrte mich nicht. Konnte mich nicht wehren. Und dachte wieder an Julia.
Als sie kam, zuckte ihr Körper rhythmisch und ihre Vagina pulsierte um meinen Schwanz. Sie liebte es, von hinten befriedigt zu werden, und ich kam kurz nach ihr, mit einem Paukenschlag. Erschöpft brachen wir zusammen und ich blieb, über ihr liegend, mit meinem immer noch steifen und pochenden Glied, in ihr. Es fühlte sich alles so vertraut und gut an. Zumal die Qualität unseres Geschlechtsaktes noch einmal deutlich zugenommen hatte. Doch wie sollte diese Geschichte, die bereits zu Ende erzählt war, nun weiter gehen? Mein Kopf hatte an diesem Abend den Kampf verloren, wieder einmal.
Obwohl ich mich vor niemanden rechtfertigen müsste, hatte ich das Gefühl, Julia betrogen zu haben. Wir waren doch noch nicht einmal richtig zusammen, redete ich mir ein. Warum dachte ich dann unentwegt an sie, und hatte ein schlechtes Gewissen? Ich wusste noch nicht einmal, ob wir uns morgen wirklich wieder sehen. Vielleicht erkannte sie auch, dass ihr bevorzugter Freund doch mehr war, als sie zugeben wollte. Beim Gedanken daran, dass dieses Ekel meine Julia gerade entweihte, wurde mir übel. Ich sprang geistesgegenwärtig von Annes Rücken und rannte ins Bad, um mich zu übergeben. Keinen Moment zu früh. Ich holte alles aus mir raus, was nicht fest verwachsen war. Doch das flaue Gefühl, in meinem Magen, verschwand nicht.
„Alles in Ordnung?“, fragte Anne durch die Tür. „Also, dass es so schlimm für dich war, konnte ich nicht ahnen“, fügte sie enttäuscht hinzu.
Wie sollte ich ihr das erklären? Wie kommt man aus so einer Nummer glaubwürdig wieder raus?
„Geht schon wieder“, antwortete ich schnell.
Anschließend spülte ich meinen Mund gründlich mit Zahnpaste und Wasser, um den Geschmack von Erbrochenem, zu beseitigen. Ich verließ wortlos das Bad und bediente mich am reichlich vorhandenen, stillen, Wasser in der Küche.
„Tut mir leid“, sagte ich aufrichtig. „Ich glaube, das letzte Bier war schlecht“, versuchte ich, witzig zu sein.
„Das ich zum Kotzen bin, war mir bisher nicht bewusst“, erwiderte sie.
An ihren zuckenden Mundwinkeln erkannte ich, dass sie es locker nahm. Dennoch hatte ich das Gefühl mich entschuldigen zu müssen.
„Es tut mir wirklich leid. Das hat nichts mit dir zu tun. Der Sex war absolut geil und du bist wunderschön.“
Beim Blick auf die Uhr fiel mir meine Rettung, zur Ablenkung, ein.
„Happy Birthday, Süße“, hauchte ich ihr ins Ohr, und drückte ihr einen Kuss auf die Wange.
Nach meiner Brecheinlage war ich mir nicht sicher, ob sie einen Kuss auf den Mund nicht zu eklig fand. Sie erwiderte nichts, zog mich nur an sich und küsste mich leidenschaftlich. Ich ließ es zu, da ich das Gefühl hatte, etwas wieder gut machen zu müssen.
Mit jeder Minute bei ihr, wurde ich schwächer. Ich musste hier weg, so schnell ich konnte. Ich wusste, dass ich, je länger ich bei ihr blieb, immer weniger Kraft haben würde, zu gehen. Sie hatte immer noch diese Macht über mich, die mich glauben ließ, wir könnten für immer glücklich sein. Das hatte ich versucht, lange Zeit, und ohne Erfolg. Doch wenn ich jetzt blieb, dann für immer.
Wir würden Kinder machen und sesshaft werden. Unsere Zukunft verplanen und wahrscheinlich für immer zusammenbleiben. Eines Tages würden wir uns ansehen und ich würde sie dafür hassen, meine Chance mit Julia, verspielt zu haben. Deshalb musste ich jetzt gehen. Und komischerweise spürte sie es. Sie kannte mich gut genug, um zu wissen, dass meine Ideale im Stande waren, alle Wirklichkeit zu zerstören. Dass, auf meiner Suche nach der vollkommenen Liebe, Gut nicht gut genug war. Das diese Suche einst unser Untergang werden wird. Wir versanken für einen letzten Moment in unseren Gedanken und die Leidenschaft übermannte uns. Sie zog mich auf sich, küsste mich so sanft und leidenschaftlich das ich hart wurde, und widerstandslos in sie eindrang. Das war kein Fick, keine schnelle Nummer. Wir liebten uns, wahrscheinlich wie wir uns noch nie in unserer Vergangenheit geliebt hatten.
Ich erwachte im Morgengrauen und war überrascht immer noch neben Anne im Bett zu liegen. Der Abend, das Konzert, der Alkohol und der Sex hatten uns geschafft. Leise stand ich auf und versuchte, im Halbdunkel des anbrechenden Tages, meine Sachen zu finden. Ich würde nicht einfach wortlos verschwinden. Eine Zeit lang stand ich nur da und beobachtete meine schlafende, erste große Liebe. Auch wenn es sich in diesem Moment falsch anfühlte, wusste ich, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Ich kniete mich vor ihr Bett, küsste sie ein letztes Mal auf die Wange, und sagte: „Ich liebe dich.“ Das tat ich wirklich.
Eine Träne kullerte ihr über, die gerade geküsste, Wange. Im Gehen hörte ich sie flüstern: „Ich liebe dich auch.“
Manchmal ist das eben nicht genug.