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New Frontier

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03.03.2003
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Ich lebe. In meinen vier Wänden bin ich hier. Draußen ist das, was dort immer tobt. Gewissermaßen die Schlacht um alles, worum die da so kämpfen. Mir kommt das meistens sehr irrational vor.

Ich mag Milchschaum mit Schokosträußeln auf meinem Kaffee. Eine sehr, sehr gute Freundin hat mir einen kleinen silbernen Milchaufschäumer für zu Hause geschenkt. Also bleibe ich wo ich bin.
Was zu essen bekomme ich vom Plusmarkt gegenüber. Wenn ich schon mal dort bin kaufe ich gleich viel ein. Das reicht dann für zwei, drei Tage, je nachdem ob ich frische Milch trinken möchte.
Meine Waschmaschine macht mich unabhängig, sie ist meine Freundin und der Trockner ein Freund. – mit meinem Telefon bin ich sogar so gut wie leiert. Außerdem bin ich auf du und du mit dem Computer. Im Internet treffe ich Gleichgesinnte oder auch Leute mit denen ich nahezu gar nichts gemein habe. Sexybiene69 hat mir gemailt: Sie möchte gern nach Tahiti. Ich fragte gleich: Warum?

Meine Mutter macht sich manchmal Sorgen. Wir telefonieren oft. Sie fragt mich: „Wie geht es Dir?“ Ich sage: „Blendend, Mama!“ Sie fragt:“ Wann kommst Du mal wieder vorbei?“ Ich sage: „Das weiß ich noch nicht. Im Moment habe ich ziemlich viel zu tun.“ Sie fragt:“ Was denn?“ Ich sage: „Mich mit mir beschäftigen.“ Und meine es so.

Mutter hat immer ein bisschen Angst wenn ich so rede. Sie versteht wenig davon, sich mit „sich selbst zu beschäftigen.“ Man kann wohl sagen, dass sie eher praktisch und „nach vorne“ veranlagt ist. Sie glaubt „sich mit sich selbst zu beschäftigen“ ist eine Art Problem oder zumindest hätte ich ein Problem, was ich ihr nur nicht sagen möchte. Problem, Problem! – Selbstverständlich gehören Probleme angegangen und gelöst, ganz besonders wenn ihr Kind eines hat. Vielleicht ist das so eine Muttersache. Zu ihrem Bedauern ist mein „Problem“ (trotz wahrscheinlich intensiver Bemühungen ihrerseits) auch nicht durch das „Erwachsen werden“ sozusagen herausgewachsen. Sie sollte das mal klar sehen: Es ist wie es ist!
Obwohl ich sie ja auch ein bisschen verstehen kann. Schließlich erzählen sich Mütter immer diese Schauergeschichten. Ich meine zum Beispiel, wenn mal wieder ein 18jähriger sein Auto, sich und die Gefühle seiner Eltern und sonstigen Hinterbliebenen gegen einen Baum gefahren hat. Trotzdem!

Gestern fand ich, daß ich ruhig mal wieder was unternehmen könnte. Ich wollte mich mal wieder auf einer Party sehen lassen. Also habe ich meine Haare gekämmt und mit meiner Freundin der Waschmaschine geredet, ob sie mir ein paar frische Klamotten geben könne. Hat sie gemacht. Schade, dass es keine Bügelmaschine gibt, denn Hemden stehen mir eigentlich ganz gut. Nach längerem hin und her blieb´s doch beim schwarzes T-Shirt.

Es war schon ziemlich spät, um zur Party zu kommen und dann habe ich zu allem Überfluß meinen Fahrradschlüssel nicht gleich gefunden. So oft brauche ich mein Rad halt nicht. Ein Haus verliert aber natürlich auch wieder nichts. Er war einfach irgendwann auf den Boden gefallen.

Mit meinen Klamotten, meinen Haaren und auf dem Fahrrad kam ich gutgelaunt auf der Party an. Es war nett. Die Veranstalter hatten die ganze Wohnung mit Sofa´s, Matratzen und Kissen ausgelegt, so dass sich niemand über mangelnde Gemütlichkeit oder so beklagen hätte können. Außerdem hatten eine ganze Menge Gäste das Motto der Party ernst genommen. Ich war auf einer Lavalampen-Party. Das bedeutete, jeder der eine Lavalampe hat, sollte sie mitbringen. Insgesamt waren 19 Stück auf der Party . Nur meine blieb daheim. Doch die vielen Lampen sahen schon gemütlich aus. Überhaupt habe ich mich wohl gefühlt. Dabei sagte ich zum Beispiel:“ Schön Dich mal wieder zu sehen.“ Oder „Wie weit bist Du mit Deinem Diplom?“. Ich hörte wie es gut voran geht. Was manche so schaffen – Respekt! Später waren einige betrunken. Mixgetränke schmecken gut. Bier finde ich genauso gut. Sekt nur manchmal. Von Wein und Schnapps lasse ich meistens die Finger.

So gegen halb vier drängte es mich zurück nach Hause. Zum Abschied: „Auf Wiedersehen.“
Und ich schwang mich auf mein Rad. Betrunken lässt sich wunderbar bergab fahren. Fast hätte ich meine Beine weit von mir gestreckt. Mir war sogar nach wildem, lautem Schreien zu Mute.
Jedenfalls habe ich mein Rad an den Fahrradständer vor meinem Haus geschlossen.
“ Was für ein netter Abend. Schade, daß ich kein Mädchen mitgenommen habe.“

Der Schlüssel ins Türschloß. Die Tür ins Schloß. Ich fand, ich könnte jetzt ruhig ins Bett. Wozu ausziehen? Das ist mein Reich mit meinen Regeln. Schön hier. Nur die Schuhe und die Jacke in die Ecke. Noch ein bisschen Musik von einer unbekannten Band namens: Lerchenstraße.
Werde ich morgen Kopfschmerzen haben? Ich schlief ein.

Und heute morgen hatte ich Kopfschmerzen. Es war gar nicht schön. Man kann es sich vorstellen. Wer kennt das Gefühl nach einer durchzechten Nacht nicht? Natürlich hatte und habe ich kein Asperin im Haus. Doch Glück im Unglück: ich schlief noch mal schön ein. Als ich das nächste Mal aufwachte, war schon wieder alles gut.

Ein Hungergefühl grummelt im Bauch. Dagegen gibt´s Pizza. Ich freue mich über diesen Herd, der mir so viel Pizzen machen wird, wie ich nur will. Manche mögen Pizza mit Bier, ich mit Kaffee. Und da ich diesen tollen Milchaufschäumer besitze, wird es ein Fest. Das Telefon klingelt. Was wer will? Wer will was? Will wer was? Mir egal! Ich lasse es läuten. Tue so, als wäre ich nicht da. Ein schmunzeln zieht sich über meine Züge, denn ich bin zugegebenermaßen fast immer hier.

Zurück zum Kaffe. Ein bestimmt sehr netter Mann hat mir gesagt: „Kaffee ist ein Nervengift. Zuviel ist sehr ungesund.“ So, so a-ha. Ach, man kann ja nicht nur vernünftig sein.

Bei der erst zweiten Tasse ist die Pizza fertig. Die olle Fernsehkiste lasse ich in der Ecke stehen. Stattdessen setze ich mich an meinen Lieblingsplatz in der Wohnung. Ich habe so ein kleines Sofa. Meine Oma hat es mir geschenkt. Es ist alt. Ich würde sagen bequem. Man kann wie in Moos darin versinken. Besonders dicke Leute werden gern verschluckt. Wenn man die Tiefe der Polster falsch einschätzt, gerät man beim Hinsetzen schnell ins schwimmen. Dadurch hat das Sofa über die Jahre Flecken und Krümel wie ein Magnet angezogen. Nur gut, daß es einen dunkelroten Bezug hat. Ich würde sagen, meine Kaffeefleckchen werden ganz gut kaschiert. Obwohl sie mich gar nicht stören würden. Vielleicht kommt heute noch ein Fleck dazu, denn meine Kaffeetasse lehnt an der Lehne. Man müsste vorsichtig sein, hätte man Furcht vor Flecken. Wie gesagt, nicht ich.
Ach ist das schön hier: Pizza, Kaffee, alles an meinem Lieblingsplatz in meiner Lieblingswohnung.

Manchmal betrügt man sich selbst und denkt, man könne alles sehen und alles verstehen. Es sind die Zeiten für große Grundsatzentscheidungen im Leben. Die Fakten sind plötzlich deutlich wie Zahlen für einen Beamten ( mein Opa würde zu Beamter: Komißkopp sagen.). Wenn ich diese Momente der Klarheit habe, dann oft auf meinem roten Sofa. Ich bin richtig gut im Grundsatzentscheidungen treffen. Eine meiner Stärken. Ich glaube, ich habe noch keine einzige falsche Grundsatzentscheidung getroffen. Das, wo ich schon 23 Jahre auf der Welt bin und daher mindestens seit 10 Jahren Grundsatzüberlegungen anstelle. Ich habe bisher noch keinen besseren Ort dafür, als mein Sofa gefunden. Es ist quasi ein Tempel, um das richtige zu sehen. Fehlt Weihrauch, habe nur Kaffeeduft. Immerhin.

Was ich mit der ganzen Weißheit mache? Ich stapel sie in meinem Kopf. Lange vor Staub vergessene Reihen voller guter Entscheidungen. Nicht ganz endlose Reihen, aber doch einige gute Entscheidungen. Dort sind sie, warten, denn im Umsetzen bin ich nicht ganz so gut wie im Entscheiden. Es hapert sowohl am konsequenten Willen als auch am schlagenden Durchsetzungsvermögen. Vielleicht auch an der Energie. Aber sicher nicht am Weitblick! Naja- man kann wohl sagen: Nicht so viel umzusetzen ist auch eine Form der Entscheidung. Egal. Gedacht ist gedacht. Bestimmt werde ich eines Tages alles aus den Regalreihen in die Welt bringen. Wann? Man wird es sehen. Ihr werdet´s erleben! Bis dahin baue ich noch weiter an meiner Welt. Im Grunde ist es bei mir, wie bei jedem anderen. Man kann nie alles haben (nur wollen), hat immer eine begrenzte Zone um sich rum. Ist´s nicht so? Mehr oder weniger klein. Das kommt auf den Maßstab an. Meine Welt mag klein sein, doch habe ich sie mir selbst gewählt und zusammen gebaut. Das kann nicht jeder behaupten. Und doch stelle ich mir gern vor, wie ich nicht der einzige, der ich bin, bin. Als ginge es mir wie vielen. Ich, als exemplarisches Musterbeispiel für andere. Wir. Auch als Teil von euch. Uns. Vielleicht sogar einen Platz ganz vorne im Zeitgeist, am Puls, der Schaum auf der sich überschlagenden Welle. Meine liebe, kleine Welt, groß in der neuen Zeit. Etwas besonders, ein Vorreiter für die neue Welt. Alte Welt. Neue Weltzeit.

Meine Pizza ist im Bauch. Jetzt räume ich ausnahmsweise mal die Wohnung auf. Wenn ich abwasche und Musik höre kann ich fast so gut nachdenken wie auf meinem roten Sofa. Mir fallen bestimmt noch viele Sachen ein, die ich (noch) keinem erzählen werde.

 

Hi peter600900

Ich weiß jetzt natürlich nicht, in wie weit das Fiktion bzw. Tagebuch ist aber ich denke das spielt hier auch keine große Rolle. Wenn ich den Text mit einem Wort beschreiben müsste, würde ich „erfrischend“ nehmen. Das, was ihn von diesen vielen vor Selbstmitleid triefenden Tagebuchtexten unterscheidet ist ganz einfach, dass alles ehrlich und locker rüberkommt. Das vermisse ich hier manchmal etwas. Der Prot „betrügt sich nicht selbst“, wie es die anderen absichtlicher- oder unabsichtlicherweise tun, sondern er steht zu seinen Entscheidungen, weshalb er auch keine Fehler in seinem Leben sieht.

Die Sprache ist dir auch gut gelungen, liest sich alles flüssig und ungezwungen.
Mir als Satz-Fetischist gefallen natürlich einige Abschnitte besonders J:

Meine Waschmaschine macht mich unabhängig,

Ich würde sagen bequem. Man kann wie in Moos darin versinken. Besonders dicke Leute werden gern verschluckt. Wenn man die Tiefe der Polster falsch einschätzt, gerät man beim Hinsetzen schnell ins schwimmen.

Ich bin richtig gut im Grundsatzentscheidungen treffen. Eine meiner Stärken.

Was ich mit der ganzen Weißheit mache? Ich stapel sie in meinem Kopf

Den Teil mit der Mutter finde als einziges etwas klischeehaft und vorhersehbar.

Naja, liebe Grüße
wolkenkind

 

Hallo peter

mit hat Deine Geschichte gut gefallen, besonders ab dem Sofa. Der Anfang ist etwas gewöhnunsbedürftig, doch es lohnt sich bis zumEnde zu lesen.

Übriegens schließe ich mich bei der Mutter meiner wolkenkind an.

Trotzdem weiter so

roy

 

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