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Neununddreißig Fünf

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01.12.2009
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Neununddreißig Fünf

Es dauert lange, bis sie nicht mehr friert. Dampf steht in der Luft. Sie schließt die Augen. Herrlich, wie das heiße Wasser auf ihre verspannten Schultern prasselt und den kalten Schweiß der Grippe abwäscht. Ihre Knie sind immer noch wacklig und schwindlig ist ihr auch, aber sie will wenigstens für ein paar Stunden aufstehen.

Es gefällt ihr, die Seife zwischen in den Händen zu drehen, bis der Schaum dick und sahnig wird. Der Duft von Eisenkraut bleibt zurück, als sie ihn aus dem Gesicht spült. Sie öffnet die Augen, weil es kühler wird. Die Badezimmertür steht offen. Er ist zu früh daheim, vielleicht, weil er sich wegen der Öffnungszeiten der Apotheke beeilen musste. Er trägt noch Schuhe und Anzug. „Hallo“, sagt er mit langem „llo“, was aus seinem Mund albern klingt. Er mustert sie mit höflicher Bewunderung, stellt die Apothekentüte auf den Waschtisch ab. „Geht’s dir besser?“

Seine Hand lockert die Krawatte, als sie bejaht. Statt zu gehen, angelt er mit dem Fuß nach dem niedrigen Hocker, setzt sich darauf, stützt die Unterarme auf die Oberschenkel und sieht durch die Glasscheibe zu ihr auf.

Es ist eigentümlich: Sie benutzt den alten Holzschemel, wenn sie sich die Zehennägel lackiert. Und die Kinder haben darauf gesessen, vor zwanzig Jahren, eingewickelt in hellgelbes Frottee, mit Wassertropfen in den Wimpern und rosigen Wangen. Sie ist sich sicher, dass er den Hocker noch nie benutzt hat. Es ist fast, als stände sie in einem fremden Badezimmer unter der Dusche.

„Willst du dir denn keinen Kaffee machen?“
Er schüttelt den Kopf. „Jetzt nicht.“
Seine Stimme klingt fremd durch das Rauschen des Wassers. Alles ist ein bisschen unwirklich. Der Mann mit dem dunklen Anzug und den polierten Schuhen, sein an den Schläfen zurückweichender Haaransatz, der ungenierte Blick und die Art, wie er die Oberlippe zwischen die Zähne saugt und wieder freigibt, unwillkürlich einen herausfordernden Kussmund formend. Sie fühlt sich betrunken, ein bisschen verlegen und angenehm schwindlig.

Sie schließt die Augen wieder und spürt das sanfte Kitzeln der schmalen Ströme, in denen das Wasser seinen Weg nach unten nimmt. Auch das ist unwirklich – als ob ihre Haut durch das Fieber empfindlicher ist. Empfänglicher. Sie spürt, dass sich ihre Brustspitzen verhärten. Sie hebt den Arm, tastet nach dem Duschkopf und nimmt ihn aus der Halterung.

Platzregen wechselt zu Sprühregen. Sie fühlt nur noch ihre erregte, fiebrige Mitte und die Schulterblätter, mit denen sie an den harten Kacheln lehnt. Es ist ein wunderbarer Zustand, fast körperlos, und sie versucht, diese Schwebe zu halten. Als sie den pulsierenden Strahl zwischen ihre Schenkel richtet, stöhnt sie auch für den Mann, der ihr dabei zusieht. Sie ist fast soweit, spürt es schon kommen, als die Glastür knarrt und sie gegen die Wand gedrückt wird. Der Stoff der Sakkoärmel kratzt unter ihren Achseln und die Zunge, die sich fordernd in ihren Mund drängt, nimmt ihr den Atem. Gleichzeitig pulst sie der unermüdliche Wasserstrahl zum Höhepunkt. Das gibt’s nicht, denkt sie, während die erste Welle sie erfasst: Der Kerl hat nicht mal die Schuhe ausgezogen.

 

Hallo Annelie!

Bei 39,5 geht gar nix mehr, denk ich mal. ;) Aber gut, das ist ja nur der Titel.

Du schreibst angenehm, fehlerfrei, aber es ist halt nur ein kurzer, schnell verschlungener Bissen, eine Sexszene ohne Tiefe und ohne "dunklere" Stellen, Widerstände oder Schwierigkeiten. Gut geeignet für die Erotikseite in einer Frauenzeitschrift, denk ich mal.

Das Wort "fokussieren" passt nicht in den Kontext.

Gruß
Andrea

 

Hallo Annelie

Dieser Fieberschub war mir angenehm zu lesen, mit einer Leichtigkeit erzählt und, wie mir scheint, mit real auftretenden Gefühlen einer reifen Frau, die dies nicht unbedingt erwartete.

Die Kürze fand ich hier nicht störend, auch weiterführende oder vertiefende Gedanken fehlten mir nicht, da es mir so wie ein kleines impressionistisches Gemälde spiegelte.

Ein kleiner Störenfried ist das fokussieren schon, da sich dieser Moment sicherlich besser einfangen lässt.

Sehr gern gelesen, als kleinen Leckerbissen.

Schöne Grüsse

Anakreon

 

Hallo Annelie!

Gefällt mir gut. Kurz und knackig, schön geschrieben.

Ein Beispiel:

Sie ist fast soweit, spürt es schon kommen, als die Glastür knarrt und sie gegen die Wand gedrückt wird. Der Stoff der Sakkoärmel kratzt unter ihren Achseln und die Zunge, die sich fordernd in ihren Mund drängt, nimmt ihr den Atem.

Und vor allem, ich kann mir als Leser meine eigenen Vorstellungen ausmalen, wie es da zwischen den beiden weitergeht.

Auch für mich passt das fokussieren nicht in deine Geschichte. Ich finde sogar, dass du diesen Satz

Die Augen geschlossen lassen, jetzt nur nichts fokussieren!

streichen kannst. Ohne ihn macht es der Handlung auch keinen Abbruch.

Hmmmm... und der Titel... den find ich, weiß nicht, wie ich es sagen soll, unpassend wäre wohl der falsche Ausdruck.
Aber ich persönlich würde einen anderen Titel für solch eine Geschichte wählen. Was hältst du von Fieberfantasien? :D

LG, Elfa

 

Vielen Dank für Eure Kommentare und die konstruktive Kritik. Ich hab den größten Stein des Anstoßes gelöscht - jetzt wird nicht mehr fokussiert! Obwohl (oder gerade weil) ich den Text etwa 2000 Mal gelesen und überarbeitet habe, bin ich da nie hängengeblieben, aber nachdem Ihr mich drauf aufmerksam gemacht habt, finde ich, dass Ihr absolut recht habt.

Den Titel habe ich gewählt, weil er ein bisschen erklärt, aber nicht alles offenbart. "Fieberfantasien" klingt ein bisschen nach Hausfrauanporno, finde ich. Aber vielleicht ist's ja auch einer - das mit der Frauenzeitschrift hat jedenfalls gesessen - autsch! :-)

Viele Grüße

Anne

 

Sehr schön flüssig geschrieben, finde ich. Die Gefühle der Protagonistin lassen sich gut nachvollziehen. Eine schöne kleine Geschichte.

 

gefällt mir sehr
wie du in der Kürze das Wichtigste erfasst und die kleinen Details, wie den Schemel und seine Blicke beschreibst. Gar nicht Brigitte-mäßig. aber Erotik mit Humor zu verbinden gefällt mir am besten - das ist eins der schwierigsten Themen mit einem Augenzwinkern gebracht.
Ach ja - und das 39,5 lässt an Philippe Dijan denken, oder? obwohl da die Außentemperatur gemeint ist..
Danke! Gruß
Dea

 

Hat mir auch gefallen:-). Klar, die Geschichte steht in R&E, aber dass aus der Szene mit der grippekranken Frau, der der Mann die Medikamente mitbringt, eine Sexszene wird - das hat als Pointe gewirkt bei mir. Nix Großes - also weder quantitativ noch qualitativ;-) -, aber eine hübsche Anekdote für zwischendurch.

 
Zuletzt bearbeitet:

Nix Großes - also weder quantitativ noch qualitativ;-) -, aber eine hübsche Anekdote für zwischendurch.

Manchmal ist eine wahrscheinlich eher gut gemeinte Kritik ein herablassendes Schulterklopfen und sagt mehr über die Kritikerin als über die Autorin.
Finde ich.
Falls dieser Text ein Etikett braucht: Erotische Miniatur wäre mein Vorschlag.
Sehr gelungen! Sprache, die erzählt und sich nicht in dem Versuch verliert, alltägliche Verrichtungen zu Besonderheiten hochzuformulieren. Das Besondere ist das, was passiert.
Sehr gern und mit Gewinn gelesen, danke!
TheDo

 

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