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Neun Kreise - Zombieapokalypse NOW
Zombieapokalypse NOW
Meine in frisch gepresster Hirnmasse und blutigem Organmatsch getränkten Klamotten kleben an meinem verschwitzten, muskulösen Körper. Es ist Sonntag. Meine Augen verengen sich zu zwei Schlitzen, während sich mein Gesicht dem Sonnenuntergang zuwendet. Die Schatten unzähliger Untoter kommen in der Ferne langsam auf mich zu. Das solche Kacke immer am Wochenende passieren muss. Da war sie nun. Die Zombieapokalypse. Mein Tag war gelaufen.
Dreizehn Stunden zuvor. Ich wache mit mächtiger Fahne und massivem Schädel in meiner Badewanne auf. Der Plan hieß: Betrinken, in die Wanne steigen, Pulsadern aufschneiden. Check, check, eingeschlafen. Bekackt. Ich schleppe meinen, leider noch immer intakten Körper Richtung Kaffeemaschine, als mein Blick aus dem Fenster Richtung Straße fällt. Blut, Schüsse, schreiende Menschen, Hubschrauber. Und... Untote. Bekackt.
Zum Glück bin ich darauf vorbereitet. Ich greife mir meine abgesägte Schrotflinte und ziehe mir eine Jeans und ein Unterhemd über. Letzteres reiße ich schon mal ein. Nur Anfänger überlassen den Zombies die Details ihres Outfits. Der Plan steht schon seit langem. Ich muss mir eine Harley, einen Verbündeten mit Katana-Skills und einen Schwarzen besorgen und dann geht es auf nach Kalifornien.
Kurz durchatmen. Eigenen Puls fühlen. Ausspeien (die Wohnung werde ich nie wieder betreten und doch ärgert mich jetzt der Rotzfleck auf dem wirklich hübschen Teppich). Ich schmeiße mich gegen meine Wohnungstür. Sie bewegt sich kein Stück, dafür tut jetzt mein Arm weh. Ich schließe meine Wohnungstür auf, öffne sie einen Spalt breit und trete noch mal heftig gegen, damit sie auffliegt. Keine Zombies im Hausflur. Die Begegnung mit dem Bösen lässt noch auf sich warten.
Der strenge Geruch von Verwesung, von verfaultem, madenzersetzten Fleisch, schlägt mir aus Richtung der Wohnung meiner direkten Nachbarn entgegen. Die sind also noch da...
Drei Stunden später.
Ungefähr zwei Duzend Stinker sind bereits an den Geschossen meines Wolfstöters verendet. Die wenigen noch Hirn besitzenden Gestalten, die mir auf meinem Weg begegneten, waren geraden im Inbegriff, zerfleischt zu werden. Ich brauche Partner mit Eingeweiden, da bin ich etwas wählerisch. Plötzlich ein Schuss, ich kann den Luftstrom der an meinem Ohr vorbei fliegenden Kugel förmlich spüren. Ich fluche (vor dem Hintergrund der Apokalypse möglichst vulgär, ein einfaches “Scheiße” kommt mir nicht länger angemessen vor) und schaue in die Richtung, aus der ich den den Anschlag vermute. Eine junge, gut gebaute Frau mit tiefem Ausschnitt, einem karibischen Teint, einer .44 Magnum und einem riesigen Schwert auf dem Rücken blickt mir hinter einer brennenden Mülltonne entgegen. Endlich, ein vollständig erhaltender Mensch.
Ich: “Scheiße, Mann, du hättest mich fast gekillt!”
Sie: “Sorry Mann, dachte, du wärst ein verfickter Beißer.”
Ich: “Sehe ich aus wie ein ‘verfickter Beißer’? Lass mal ‘ne Harley suchen und dann auf ins bekackte Kalifornien!”
Sie: “Okay.”
Meine Begleiterin trägt ein enges, schweißnasses, weißes T-Shirt, dass ihre prallen Rundungen gut betont und ihren flachen Bauch durch einige (sicher selbst zugefügte) Risse ansehnlich preisgibt. Wenn wir unsere knackigen Hintern vor den wandelnden Leichen gerettet haben, müssen wir damit beginnen, diesen Planeten neu zu bevölkern. Ich kann es kaum erwarten.
Weitere zwei Stunden später
Wir treffen auf einen überaus gut bewaffneten weiteren Überlebenden. Auf seinem haarlosen Kopf prangt ein riesiges Hakenkreuztattoo. Er faselt irgendetwas von einer “Niggagrippe” und starrt dann dümmlich auf die Brüste meiner Begleiterin. Während ich noch überlege, ob wir in unserem neuen Gesellschaftssystem auch extreme politische Richtungen als Ausdruck postapokalyptischer Freiheit integrieren sollten hat diese schon seinen Schädel gespaltet. Erscheint mir im Nachhinein eine gute Idee gewesen zu sein. Noch immer keine Harley gefunden.
Eine Stunden später
Unsere Gruppe ist angewachsen. Nun werden wir von einem Physikstudenten, einem arbeitslosen Autoverkäufer und einem Zeugen Jehovas begleitet. Keiner von ihnen ist schwarz. Keine Ahnung, wie wir das hier überleben sollen…
11:54 pm
Zumindest steht das auf meiner Digitaluhr, sicher schon drei oder vier Stunden lang, seit dem ich sie samt meines Armes aus dem zermanschten Restkörper einer fetten, mutierten Chuba-the-Hut-nesken Faulfleischbestie gezogen habe. Meine Hand fühlt sich noch immer ganz glitschig an. Die Monsterdinger gehen schneller kaputt als man glaubt, der Dreck, den sie beim zerquetschen hinterlassen, spricht aber eindeutig gegen den Nahkampf. Außerdem haben sie Mundgeruch. Ich habe keine Lust mehr. Den Autoverkäufer hat es bereits erwischt und sollte ich noch einmal über die Sünden der Menschheit aufgeklärt werden, denen wir dieses Chaos zu verdanken haben, werde ich uns persönlich eines weiteren Gruppenmitgliedes entledigen.
11:54 pm
Wir befreien den Arm unseres Leuchtturmverkäufers aus dem Kiefer einer, offensichtlich eher abgeneigten potentiellen Abonnentin. Seine klaffende Wunde lässt die Knochen seines rechten Handgelenks deutlich hervortreten. “Mit einer Bluttransfusion können wir dich vielleicht noch vor der Verwandlung retten!” scherze ich. Er sieht mich verwirrt an. “Du hast kurz drüber nachgedacht! Das wird man dir sicherlich gleich vorwerfen!”. Er kann nicht drüber lachen. Die Umstände haben mich zum Wichser mutieren lassen. Ich mag mich für einen Moment selbst nicht. Dann beende ich seine Angst vor dem Untotsein.
11:54 pm
Sonnenuntergang. Ich bin wieder allein, niemand ist mehr übrig. Ich kann das Blut meiner einstigen Mitstreiter riechen, seinen Geschmack erahnen. Ich bin voll davon. Keiner von uns wird die Sonne wieder aufgehen sehen. Es gibt keinen Ausweg mehr, die letzte Flucht hat den Prozess meines Ablebens nur unnötig verlängert. Sie kommen von allen Seiten. Es ist die Hölle. Ein letzter Blick auf meine Digitaluhr. 11:54 pm, die Minute meines Todes. Wie konnte es nur dazu kommen? Meine Uhr. Blut. Meine Hände. Meine Wunden. Ich fange an zu verstehen. Einmal zu sterben wäre nicht Strafe genug. Das hier ist die Hölle. Und es fängt alles erst an.