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Neun Grad
Im dunklen Schweden blitzte der Himmel. Ayoka vermutete, dass das Gewitter von der Ostsee kam. Sie wanderte mit ihrem Blick weiter nach Osten. In Finnland dämmerte es, direkt in Flugrichtung ging die Sonne am russischen Horizont auf. Aus dieser Höhe konnte sie die Krümmung der Erde deutlich sehen. In der Ferne, an den Grenzen des Kontinents färbte sich das Land in kalten, weißen Farben. Über ihr tanzten leuchtende Polarlichter langsam zu ihrem Walzer.
»Sehr geehrte Fluggäste, wir erreichen in 5 Minuten Moskau. Bitte schnallen sie sich an. Wir gehen in den Landeanflug.«
Ayoka schaltete die Musik aus. Ein Steward lief den Gang herunter. »Wir treten gleich in die Atmosphäre ein! Bitte halten sie ihre Gurte stramm.«
Sie spürte die ersten Erschütterungen. Draußen nahm die Sichtweite in der dichter werdenden Luft deutlich ab, während sich Schwarz zu Blau verwandelte. Nach kurzer Zeit flog das Flugzeug durch eine Wolkenschicht, die sich wenig später auch schon wieder lichtete. Moskau, die größte Stadt Europas glitzerte spektakulär im Morgenrot. Die fernen Wolkenkratzer wirkten wie spitze Stacheln, die lange Schatten über die Metropole warfen.
Der Flughafen lag außerhalb Moskaus, daher flogen sie noch einige Minuten den Fluss entlang, bis sie den gigantischen Airport erreichten.
Der Check-Out verlief schnell, da es für Diplomatenflugzeuge einen eigenen Anleger gab. Russischen Regierungsbeamten holten Ayokas Delegation direkt von der Landebahn ab und brachten sie zur Magnetschwebebahn. In der Bahn suchte sie sich einen abgelegenen Platz. Sie brauchte ihre Ruhe, um alle Unterlagen noch einmal durchzugehen. Sie stand auf dem bisherigen Höhepunkt ihrer Karriere. Die Afrikanische Union entsendete sie als oberste Klimaexpertin auf die Konferenz.
Die Schwebebahn setzte sich in Bewegung, um Moskau zu verlassen. Ayoka kramte ihre Datenbrille heraus. Die Batterieleuchte blinkte, daher schloss sie die Brille mit dem zugehörige Kabel an ihr Smartphone an. Die Durchlässigkeit deaktivierte sich, die Gläser wurden Schwarz. Sie zog die Brille vor die Augen, startete das System und aktivierte die Nachrichtenapp.
Das CNN-Logo. Kriegsschiffe fuhren durch das Polarmeer. »Die chinesische Marine kontrolliert weiterhin die Nord-Ost-Passage durch das kanadische Seegebiet. Daher folgt nach heftigem internationalen Streit heute der Sondergipfel zur Schwefelkrise in Moskau.«
Die Bilder endeten. Der Moderator erschien mit ernstem Blick.
»Guten Tag. Es wäre wohl nicht übertrieben zu sagen, dass diese Woche Entscheidungen getroffen werden, die unsere alle Zukunft verändern! Wenn die Regierungen jetzt entschieden handeln, können sie das größte Problem des 21. Jahrhunderts lösen. Ansonsten stürzen wir den Planeten in die Apokalypse.«
Ayoka stöhnte. Wieso sind Medien so einseitig? Das musste sie sich nicht antun. Sie zog die Brille ab und schaute aus dem Fenster. Einzelne Ortschaften rauschten wie in freiem Fall an ihr vorbei. Sie dachte nach, der Moderator hatte Recht. Wir würden das Klima ins Chaos stürzen, aber nur dann, wenn die Kanadier weiterhin Schwefeldioxid in die Atmosphäre pumpen.
Ayoka konnte die letzten Tage nicht sehr gut schlafen. Sie holte ihre Bitpaper aus der Tasche und verstreute sie auf dem Tisch. Die Klimaberechnungen, die globalen Windströme, die ozeanischen Grunddaten.
Nach einiger Zeit des Lesens begann sie die Papiere vollzuzeichnen, wie sie es immer tat. Nicht mit Notizen, sondern mit Mustern und Kringelbildern. Das beruhigte sie. Tausende hatte sie schon gespeichert.
Plötzlich hörte sie eine Männerstimme hinter sich.
»Sajnálom...« Ihr Translator reagierte schnell: »Ach Entschuldigung, könnte ich zwei abhaben?« Die Stimme in ihrem linken Ohrhörer überlagerte sich mit der Originalstimme im Hintergrund.
Ayoka löschte schnell die Kritzeleien und reichte dem Ungaren zwei Bitpaper. Sie hatte genug davon.
Nach einiger Zeit wurde der Maglev langsamer. Sie kramte hastig ihre Sachen zusammen und lief mit den Armen voller Unterlagen aus dem Abteil. Sie unterschätzte immer, wie schnell sie dabei sein musste. Draußen war es wärmer als sie dachte. Russland war auch nichtmehr, was es mal war.
Ein Tag später. Ayoka konnte die vergangene Nacht wieder kaum schlafen. Die meisten Politiker kamen erst diesen Morgen. Nachmittags sollte die dritte Expertenrunde stattfinden.
Ayoka saß mit ihrem amerikanischen Freund Leroy im Bus. Er hatte einige Teilnehmer am vorigen Abend eingeladen, an einer morgendlichen Bustour teilzunehmen. Sie wollten sich die Mammuts angucken, die in den Reservaten lebten. Ayoka nahm das gerne an. Sie brauchte etwas Zerstreuung vor ihrer große Rede am Abend.
Leroy zappelte die ganze Zeit herum. Sie konnte ihm das nicht böse nehmen, er war sein halbes Leben an den Rollstuhl gefesselt. Mit seiner Genesung wurde er hibbelig wie kein anderer. Der dünne Mann in engen Shirts trieb seitdem viel Sport, lief Marathons, dicke Adern lagen auf seinen Armen.
»Leroy, besteht eine Chance, deinen Präsidenten zu überzeugen?«, fragte Ayoka.
»Nein. Das wird dir nicht gelingen,« schüttelte er den Kopf. »Lass uns darüber jetzt nicht diskutieren.«
»Russland und China lassen euch sowieso keine freie Hand!«, antwortete sie selbstsicher.
»China ist nur gegen einen Alleingang. Koordinieren wir das über den Sicherheitsrat, sind die bestimmt dabei! Und sei dir bei den Russen mal nicht so sicher.«
Ayoka lachte spöttisch. »Die sind der größte Gewinner der globalen Erwärmung! Schau doch nach draußen! Weizenfelder so weit das Auge reicht. Wenn die dem Geo-Engineering zustimmen, opfern die ihre Zukunft.«
»Russland liegt das Weltklima auch am Herzen!«
Ungläubig schaute sie ihn an. »Meinst du das ernst? Hier geht es doch nicht um Wohltätigkeit! Das ist ein reines Herrschaftsinstrument! Wenn die Eliten die Temperaturen bestimmen, ist das unser Untergang. Wir sollten das Klima wieder der Natur überlassen.«
»Ayoka, wir haben doch nicht unendlich Zeit! Letztes Jahr sind alleine in Indien 30 Millionen Menschen verhungert! Wie sollen wir die Welthungerkrise denn stoppen, ohne den Monsun wiederherzustellen? Emissionshandel dauert viel zu lange!«
»Tut mir Leid Logan, nicht persönlich nehmen, aber hätten die USA ihre Entwicklungshilfe nicht gestrichen, wären nie so viele gestorben.«
Leroy seufzte. »Du weißt, dass der Präsident kein Budget mehr hat! Die Foundations sind jetzt dafür zuständig. Ich halte die Protektorats-Lösung auch für die Bessere!«
»Klar, seine Sklaven lässt man ja nicht verhungern.« Seid ihrer Jugend, im Sudan, hasste Ayoka die Chinesen. Die Militärs gingen hart gegen ihre Familie vor, damit ihr Vater sein Land verkaufte. Mit Beginn der Welthungerkrise machten sie den Sudan dann zu einem Protektorat - nur ein anderer Begriff für Kolonie.
Leroy wollte nicht weiter in die Wunde stechen. Sie schwiegen eine ganze Zeit.
»Mammuts!«, rief aufgeregt einer der Mitfahrer. Alle Passagiere drängelten sich auf die linke Busseite, dort in der Ferne, am Hang, grasten die zotteligen Rüsseltiere. Ayoka war erstaunt, sie sahen ganz anders aus als Elefanten, Ihre Köpfe unterschieden sich deutlich. Doch Der Bus fuhr an den Mammuts vorbei. »Halten wir gar nicht an?«, fragte ein Passagier nach vorne. Keine Antwort. Nach einigen Minuten spürte Ayoka, das etwas nicht stimmte, Leroy verhielt sich merkwürdig ruhig.
»Keine Sorge«, sagte er mit schuldigem Blick.
»Was hat das zu bedeuten?«
Sie fuhren über eine Hügelkuppe in ein bewaldetes Tal. Ayoka sah in der Ferne große Forst-Luftschiffe in niedriger Höhe über dem Waldgebiet schweben, die mit einer Seilwinde Bäume aus dem Wald pflückten. Beim Hochziehen befreiten automatische Sägeblätter die Stämme von ihrem Astwerk. Sobald ein Luftschiff genug gesammelt hatte, schwebte es mit seiner Beute unter dem Bauch davon.
Nachdem sie eine lange Zeit fuhren, erreichten sie einen Militärstützpunkt. Die Wachen winkten den Bus durch den Checkpoint. Im Fahrzeug herrschte eine angespannte Stimmung. Sie näherten sich einem Landsitz, um den bewaffnete Männer patrouillierten. Drei Russen eskortierten sie in das Gebäude.
Das Anwesen war mit noblen Möbeln und einem teuren, grünen Teppich eingerichtet. Klassische Gemälde schmückten die vertäfelten Wände. In der Mittel lag ein großer, warmer Raum, in dem sich bereits ein paar Menschen befanden.
Schlagartig verstummte die Gruppe. Ayoka traute ihren Augen nicht. Am Kamin unterhielt sich der amerikanische Präsident Ben Barclay mit seinem russischen Kollegen Adam Masolv. Als die meisten sich gesetzt hatten, ergriff der Russe das Wort.
»Meine Damen und Herren, Sie alle sind hier, weil meine und Bens Mitarbeiter sie für vertrauenswürdig halten.«
der hagere US-Präsident nickte ernst.
»Sie erfahren heute Staatsgeheimnisse. Durch ihre Anwesenheit stimmen sie zu, diese zu bewahren. Alternativ können sie nun den Raum verlassen.«
Maslov stand auf und schaute in die Menge. Ein Flüstern ging um. Nach mehr als einer Minute stoischen Wartens, setzte er sich wieder, winkte einen Mitarbeiter herbei und übergab ihm das Wort.
»Ja Hallo«, begrüßte der salopp die Gäste. »Unter Ihren Stühlen finden sie ein Dossier...«
Ayoka öffnete den Ordner und sah ein Bitpaper mit der russischen Karte.
»Seit dem letzten Hochsommer passiert etwas, das allen Prognosen widerspricht.« Auf Ayokas Karte blinkte ein riesiges Gebiet auf. Sie konnte nicht glauben, was sie sah.
»Der sibirische Permaboden taut auf.« Ein Raunen ging durch die Menge. »Wir können uns das auch nicht erklären.« Er holte Luft. »Es ist viel schlimmer als wir dachten. Gigantische Mengen CO2 steigen aus dem Boden auf.«
Ayoka war entsetzt, laut ihren Berechnungen bestand die Gefahr dazu erst in Jahrzehnten. Das ging viel zu schnell!
Der russische Präsident stand auf. »Ich muss Ihnen mitteilen, dass die globalen Temperaturen daher bis Ende des Jahrhunderts um neun Grad Celsius steigen!«
Die Anwesenden riefen fassungslos durcheinander. Ayoka schwindelte es. Das veränderte alles! Ihre Sitznachbarn redeten vom Hitzetod der Erde.
»Ruhe!«, brüllte Maslov. Er guckte seinen US-Kollegen an, Barclay nickte, die Gäste horchten. Der Amerikaner sah aus, als habe er sein Leben lang in einem Steinbruch gearbeitet. Sein mageres Gesicht und der graue Vollbart ließen ihn viel älter aussehen er war. Dazu trug er eine altmodische Brille - in Wahrheit sicherlich eine moderne Datenbrille. Er räusperte sich.
»Wir haben zu lange den Klimawandel ignoriert! Jeder von uns! Nun gehen wir deshalb drauf!«, sagte Barclay ungewohnt emotional. »Wir haben nurnoch eine Chance! Natürlich ist die mit Risiken verbunden, aber wir haben mittlerweile keine Wahl mehr.«
Maslov fiel ihm ins Wort. »Ich bitten Sie, sich in der Expertenrunde für das Geo-Engineering auszusprechen! Wir müssen die Welt, besonders Russland, sehr schnell abkühlen! Schwefeldioxid hat genau die gegenteilige Wirkung von CO² und Methan«
Hände schossen in die Höhe, Leute riefen herein.
»Sie können ihre Fragen stellen, einer nach dem anderen.«
Ayoka sprang auf. »Herr Präsident, warum veröffentlichen Sie diese Daten nicht? Dann kriegen sie sofort alle an einen Tisch.«
Maslov schüttelte heftig den Kopf. »Stellen sie sich den Börsenkollaps vor! Das würde zu einer globalen Wirtschaftskrise führen, die alles nur noch verschlimmert. Russland würde durch diese Hiobs-Botschaft im Chaos versinken!«
Barclay intervenierte. »Aber um es noch einmal klarzustellen: Wir werden trotzdem entschieden handeln! Das steht gar nicht zu Debatte. Wir senken durch Geo-Engineering die Temperaturen in den nächsten Jahren auf vorindustrielles Niveau.
Nach einer halben Stunde verließen die Staatschefs das Anwesen. Viele Fragen waren noch offen, und die meisten Experten fühlten sich außer Stande, so schnell ihre Meinung zu ändern. Sie verteilten sich zur Beratung auf die vielen Räume im Gebäude. Ayoka zerrte Leroy in ein Gästezimmer im Obergeschoss.
»Leroy, ich kann dem nicht zustimmen!«, knallte sie aufgewühlt die Tür zu.
»Angenommen das endet nicht im absoluten Chaos, sondern funktioniert, dann gäbe es doch keinen Grund mehr CO² und Methan zu sparen! Dann wird einfach eine gleiche Menge Schwefeldioxid in die Luft gepumpt und für die Politiker ist alles gut.«
»Nein natürlich ist dann nicht alles gut«, seufzte Leroy.
»Aber das interessiert die Wirtschaft doch nicht! Sobald wir damit anfangen an der Welttemperatur herum zu pfuschen, gibt es kein zurück mehr!«. Sie fuchtelte energisch mit den Armen.
»Eigentlich pfuschen wir schon seit Jahrzehnten ...«
»Ich sag dir wie das Laufe wird: Die pumpen ihr Schwefeldioxid in den Russischen Himmel, die Kanadier machen zusammen mit der USA weiter, die Chinesen fange an. Wenn dann vielleicht noch Zeit bleibt, kümmert man sich darum den indischen Monsun zu stabilisieren. Soll ja auch eine Machtdemonstration werden! Aber Afrika wird man einfach links liegen lassen.«
Leroy beunruhigte ihre aufgeregte Art. »Das breitet sich doch gleichmäßig in der ganzen Atmosphäre aus!«
Ayoka lachte hysterisch. »Erzähl mir nichts! Ich bin hier die Klimaexpertin. Das dauert eine Dekade, bis sich das Schwefeldioxid verteilt hat.«
»Wir Sorgen dafür, dass Afrika vorher Hilfe bekommt!«
»Und die Ozeane, weißt du auch, was mit denen passiert? Die müssen dann noch mehr CO² ertragen!« Traurig guckt sie ihn an. »Das Meer wird immer sauerer, das hält das Ökosystem nicht aus. Fast alle Korallenriffe sind schon ausgestorben!«
»Darüber wollte ich mit dir reden.« Leroy schüttelte niedergeschlagen den Kopf. »Wir müssen die Ozeane aufgeben!« Er hielt kurz inne. Es viel ihm sichtbar schwer das zu sagen. »Aber wir können viele Spezies vor dem Aussterben bewahren, indem wir ihr Genom retten. Russland gibt für sowas schon heute gigantische Summen aus. Sie wollen auf der Konferenz eine internationale Agentur für Genkonservierung vorschlagen. Also falls dir die Afrikanische Union kündigt ...«
»Was soll ich da? Ich bin doch keine Genetikerin!«
»Du bist aber eine gute Rednerin und ein engagierter Mensch! Der US-Präsident würde sich für dich als Generalsekretärin einsetzen! Du bekommst ein Jahresbudget von zig Millionen eCoins. Damit könntest du viel mehr bewirken.«
Am nächsten Morgen versammelten sich zahlreiche Presseteams vor dem Tagungsgebäude. Kameradrohnen flogen vorsichtig durch die Luft, um nicht miteinander zu kollidieren. Die Staatschefs hatten sich soeben geeinigt. Viele Teilnehmer verließen nun die Konferenz.
»Frau Bantu! Eine Frage! Wieso der Meinungswechsel?...«. Die Reporter scharten sich um die schweigende Ayoka, die gerade aus dem Gebäude kam. Leroy und sein Wachpersonal brachten sie in einen Wagen der amerikanischen Botschaft, der schnell davonfuhr.
Eine deutsche ZDF-Korrespondentin wendete sich wieder der Fernsehkamera zu. »Ayoka Bantu, die Klimaexpertin der Afrikanischen Union, hat sich gestern Abend unerwartet in der Expertenrunde für das Geo-Engineering ausgesprochen. In ihrer dramatischen Rede forderte sie, das Weltklima mit Schwefeldioxid abzukühlen und dabei besonders in Afrika und anderen tropischen Gebieten zu beginnen. Bisher konnten wir sie zu keiner Stellungnahme gewinnen. Auch weitere Experten haben überraschend ihre Meinung gewechselt. Dafür erhielten sie von unabhängigen Klimaforschern und Meeresbiologen heftige Kritik. Diese fürchten, dass die Politik ihre Bemühungen in der CO²- und Methan-Reduktion nun langfristig aufgibt. Andere warnen, dass Schwefeldioxid die Ozonschicht gefährden.«
Ein paar Schritte weiter begann ein junger BBC-Reporter seine Ansprache. »Heute haben die acht Länder des UNO-Sicherheitsrates gegen starken Widerstand dem Geo-Engineering zugestimmt, und damit vorläufig die Schwefelkrise beendet. In den nächsten Jahren werden zwei Millionen Tonnen Schwefeldioxid in die Atmosphäre befördert, um das Klima zu stabilisieren.«
Plötzlich öffneten sich die Türen. Der US-Präsident trat mit vielen Sicherheitsleuten an die Presse. In tosendem Blitzlichtgewitter lächelte und winkte er in die Kameras. Die Nachrichtensender bombardierten ihn mit Fragen, doch Barclay wollte zunächst einmal den Moment genießen. Totgesagte leben länger. Das amerikanische Jahrhundert war noch nicht vorbei.
Irgendwo in den hinteren Reihen versuchte ein schwerfälliger Reporter von einem mexikanischen Internetsender nach vorne zu kommen. Er trug nur Handkamera., denn Überflugrechte für eine Kameradrohne bekamen nur die großen Sender. Es war für ihn trotzdem wichtig, dass der Präsident auf dem Bild zu sehen war. Doch es half nichts, er kam nicht durch, daher begann er seine Ansprache mitten in der Menge.
»Durchbruch. Präsident Ben Barclay gelang es, die Chinesen vom Geo-Engineering zu überzeugen. Die Volksrepublik kündigte an die Blockade der Nord-West-Passage zu beenden. Sensationell ist aber vor allem die Tatsache, dass Barclay in harten Verhandlungen auch Präsident Maslov ins Boot holte. Mit einer Zustimmung des ‚Klimagewinners‘ hatte hier niemand gerechnet. Die Moskauer Börse reagierte turbulent. Nach einem heftigen Kurssturz haben sich die Werte nun jedoch wieder stabilisiert, denn Russland soll zum Ausgleich jährlich Verschmutzungsrechte für zwei Millionen Tonnen CO² erhalten. Das Land könnte damit in den kommenden Jahren zum größten Exporteur von CO²-Zertifikaten aufsteigen und dadurch Milliarden einnehmen. Diese Aufweichung des globalen Emissionshandels ist für die EU ein harter Schlag, trotzdem hat der Staatenbund dem heutigen Abkommen zugestimmt.«
Der Reporter hob feierlich die Stimme. »Ben Barclay ist der Mann der Stunde! Durch seinen unfassbaren diplomatischen Erfolg hat er sich mit höchster Wahrscheinlichkeit seine Wiederwahl gesichert.«