Neulich bei der Tupperparty
Fünfundzwanzig lange Jahre lebte ich im haushaltstechnischen Chaos. Fünfundzwanzig Jahre geprägt durch Billig-Plastik-Dosen im Fünferpack, durch verknüsselte Frischhaltefolie und ungeordnete Lebensmittel-Kartons im Küchenschrank - kurz gesagt: es war die Hölle.
Doch dann kam wie von Zauberhand gelenkt die Erlösung. Die Einladung zur ersten Tupper-Party. Unwissend wie ich damals war, erkannte ich mein Glück nicht sofort und sann bereits über eine passende Ausrede nach ('Ich würde ja ZU gerne kommen, aber leider leider plagt mich zur Zeit eine schreckliche Kunststoff-Allergie ...'). Glücklicherweise bescherte mir das Schicksal jedoch just in diesem Augenblick einen Anruf meiner Mutter.
(Mami) 'Hallo Lieblings-Tochter'
(Tochter) 'Mami, du glaubst es kaum, ich bin zu einer Tupper-Party eingeladen worden!'
(Mami) 'Ach, das ist ja praktisch, Kind, ich bräuchte dringend einen Ersatz-Deckel für diese runde, flache Tupper-Dose ... den letzten hat die Spülmaschine zu einem kleinen blauen Klumpen verwandelt. Und man bekommt die Tupper-Artikel im Handel leider nicht. Gell, Liebes, du tust deiner Mutter diesen Gefallen doch sicher?'
(Tochter) 'Äh ...'
(Mami) 'Ach, das ist aber nett von dir, ich bin dir sehr verbunden. Tschüss.'
Was ist schon eine fiktive Kunststoff-Allergie gegen die bedingungslose Liebe einer Mutter? Ich fügte mich also dem Schicksal und saß alsbald inmitten einer fröhlichen Runde gewiefter Hausfrauen, die freudig-erregt der Ankuft der Tupper-Tante entgegenfieberte. Mitten in der Überlegung, ob ich nicht einfach der Gastgeberin meine Deckel-Bestellung aufgeben und auf diesem Wege der Begegnung mit der Tupper-Tante entfliehen konnte, verkündete mir eben diese mit einem Strahlen in den Augen, dass sie sich ihr Gastgeschenk schon ausgesucht habe und froh sei, die dafür wohl notwendige Anzahl an Damen zusammengetrommelt zu haben.
Und da war sie auch schon. Die Tupper-Tante. Klein, mollig, aber mit dem energischsten Gesichtsausdruck der westlichen Hemisphäre. Nach einer überschwenglichen Begrüßung schweifte ihr Kenner-Blick durch die Runde und identifizierte mich sofort als Tupper-Unkundige. Beschämt senkte ich den Blick gen Boden in der Hoffnung, sie durch diese demütige Geste von mir abzulenken (jedes beliebige Raubtier hätte umgehend von mir abgelassen) - aber nein, die Tupper-Tante kannte kein Erbarmen.
Flugs wurde ich aufgefordert, vor der versammelten Meute einen Hefezopf zu backen. Heftige Panik ergriff mich, hatte ich doch niemals irgendetwas aus Hefe hergestellt. Genau dies hatte die Tupper-Tante jedoch einkalkuliert und versicherte mir mit sanfter Stimme, dass die Herstellung von Hefeteig mit der eigens dafür konstruierten Tupper-Dose ein Kinderspiel sei. Einfach die Zutaten in die geräumige Dose füllen, Deckel drauf und die Dose anschließend mit konstanter Geschwindigkeit drehen. Mitsamt der Hefeteig-Dose wurde ich sodann wieder auf meinen Platz gewiesen - ohne dabei die Dreh-Geschwindigkeit zu reduzieren, versteht sich.
Während ich also so da saß und mir einen Wolf drehte, wurden wir aufgeklärt, worin eigentlich der entscheidende Unterschied zwischen Tupper-Dosen und handelsüblichen Dosen begründet liegt. Nicht nur, dass Tupper-Dosen quasi unkaputtbar sind, wie uns versichert wurde (den kurzen Gedanken, ob ich an dieser Stelle wohl den zerklumpten Dosendeckel meiner Mutter erwähnen sollte, verwarf ich sofort, da der Hefeteig meiner volle Aufmerksamkeit bedurfte und mich das Gefühl beschlich, die Tupper-Tante wäre wahrlich not amused über meinen Einwurf), nein, der wirkliche Unterschied liege im Deckel, wurde unsere Tupper-Tante nicht müde zu erklären. Während handelsübliche Dosen einfach so verschlossen werden, hat eine Tupper-Dose den Vakuum-'PFFFFF'. Will sagen: man verschließe die Dose, ziehe anschließend kurz an der Deckel-Lasche, drücke dabei auf die am Deckel markierte Stelle und schon hört man laut und deutlich das 'PFFFFF'. Erstaunlicherweise wandelt sich dieses 'PFFFFF' beim Öffnen der Dose in ein klares und kurzes 'PLÖPP'. Kommt kein 'PLÖPP', weiß die Hausfrau, dass die Dose nicht fachkundig verschlossen war. Sowas nenne ich doch wirksame Qualitätskontrolle im Haushalt.
Leider war es mir selbst verwehrt, diesen 'PFFFFF-PLÖPP'-Effekt selbst zu testen, denn - der aufmerksame Leser wird es bereits ahnen - ich saß ja (seit inzwischen 15 Minuten) immer noch mit meiner Hefeteig-Dose auf dem Stuhl und spürte schon leichte Ermüdungserscheinungen in den Armen.
Nachdem alle anwesenden Damen die Deckel-Technik erlernt hatten, fühlte ich mich der Erlösung vom Hefeteig schon nahe, doch ich unterlag einem fatalen Irrtum. Mit ungeminderter Begeisterung berichtete uns die Tupper-Tante, dass sich die Dosen - sollten sie denn doch mal den Weg allen Abfalls gehen - ganz und gar umweltfreundlich verhalten, da sie ja schließlich aus einem reinen Naturprodukt - Rohöl nämlich - hergestellt seien. Sofort wollte ich einschreiten und anmerken, dass zur Umwandlung von Plastik in Rohöl ein immenser Druck vonnöten ist, der selbst in Labors nur unter Einsatz schwerer Maschinerie - nienicht aber auf einer herkömmlichen Müllkippe erzeugt werden kann - da verkrampfte sich mein rechter Arm. Völlig abgelenkt vom aufkeimenden Schmerz, konzentrierte ich mich also wieder auf meine Hefeteig-Dose und probierte leichte Varianten in der Drehbewegung, um die Schmerzen abzumildern.
Es folgte eine Lektion in Sachen optimaler Kühlschrankausnutzung. Während die unkundige Karriere-Frau ihre Lebensmittel einfach wahllos in den Kühlschrank schmeißt, stapelt die wissende Hausfrau - dank Tupper - unglaubliche Mengen an Wurst, Käse, Butter und Essensresten vom letzten Sonntagsmahl in selbigen. Dass mein Kühlschrank für meine Bedürfnisse eh viel zu groß ist, konnte ich nicht einwenden, da just in diesem Augenblick auch mein linker Arm den Geist aufgab.
Kurz bevor ich die Dose aus den Händen zu verlieren drohte, sprang die Tupper-Tante elegant auf mich zu und erlöste mich aus meinem Schicksal. Sie lüpfte den Deckel und heraus kam in der Tat ein fertiger Hefeteig. 'Na, das war doch kinderleicht, gell?' rief sie freudig - ich war jedoch zu erschöpft, um ihr zu versichern, dass der Hefeteig mit einem preiswerten Rührgerät unter Vermeidung körperlicher Auswirkungen mit Sicherheit ebenso gut gelungen wäre.
Einziger Trost angesichts meines heftigen Muskelkaters war der dankbare Blick meiner Mutter, als ich ihr mit letzter Kraft meiner geplagten Arme den Tupper-Dosen-Deckel überreichte.
In diesem Sinne - frohes Tuppern.