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Neulich auf der Parkbank
Neulich auf der Parkbank (neue Version)
Neulich auf der Parkbank
In einer kleinen Stadt irgendwo auf diesem Planeten liegt ein kleiner Park. Mitten in diesem Park steht eine Parkbank, welche regelmässig von einem Rentner namens Heinz, in Ermangelung sinnvollerer Tätigkeiten, aufgesucht wird.
Eigentlich wollte besagter Rentner seinen Ruhestand dazu nutzen, seiner Frau im Haus ein wenig unter die Arme zu greifen. Viel Erfolg hatte er dabei jedoch nicht, denn auch wenn er sich noch so viel Mühe gab, eine grosse Hilfe war das nicht. Und ausserdem kitzelte es.
Trotzdem versuchte er, mit seinem jugendlich frischen Frührentner-Elan den gesamten Haushalt zu reorganisieren. Anfangs liess sie ihn auch gewähren, was sich aber sehr schnell als fataler Fehler entpuppte, denn er hatte von der Führung eines Haushaltes etwa soviel Ahnung wie ein Pinguin vom Nasenbohren.
Nicht, dass seine Frau etwas dagegen gehabt hätte, dass die Butter morgens immer so schön streichfähig war, aber irgendwie hatte sie doch ein ungutes Gefühl dabei. Als sich die Butter aber eines Morgens selbstständig in Richtung Brot bewegte, fragte die gute Frau sich dann doch, ob das mit dem Strom sparen nicht doch ein wenig zu weit ging. Als Heinz aber auch noch damit anfing, den Backofen zum rösten von Erdnüssen zu missbrauchen, wurde es ihr zu bunt. Jahrelange Erfahrung in Sachen Erziehungsarbeit – ihre Tochter ist mittlerweile fünfundzwanzig Jahre alt und hat sich gerade mit einem netten Krankenpfleger verlobt – halfen ihr, auch mit diesem Problem fertig zu werden. Nebst einigen erzieherischen Massnahmen, kein Nachtisch, Fernsehverbot und so weiter, stellte sie für ihn einen Wochenplan zusammen.
Immer am Montagnachmittag musste er mit zum Einkaufen, am Dienstagnachmittag war Gartenarbeit angesagt und am Mittwochnachmittag organisierte sie eine für ihn Skatrunde mit anderen Frührentnern, die ihren Frauen zuhause zur Last fielen. Donnerstags und Freitags allerdings durfte der Rentner, unter der strengen Aufsicht seiner Gemahlin natürlich, am Morgen ein paar einfache Haushaltaufgaben erledigen. Den Küchenboden schruppte er am liebsten.
„Die restliche Zeit“, sagte sie ihm, „kannst du ja im Park die Enten füttern. Ein wenig frische Luft wird dir gut tun!“
So sass er also, von Montag bis Mittwoch jeweils am Morgen und von Donnerstag bis Freitag immer nachmittags auf seiner Parkbank und beglückte seine Mitmenschen von Zeit zu Zeit mit freundlichen Zurufen.
„Geh mir aus der Sicht, du Rotznase! Du siehst doch, dass ich hier die Enten zu füttern habe!“
oder „He! Fräulein! Wie laufen SIE denn rum? Sie sehen ja aus wie die aus dem Pornofilm, den ich ge...hä? Was? Also das ist doch...was heisst denn hier „alter Lustmolch“, auch noch frech werden, was?“
Zugegeben, so alt war Heinz nun wirklich nicht. Auch war er im Grunde ein ganz lieber Kerl. Er hätte keiner Fliege etwas zu Leide tun können. Genauer gesagt ekelte er sich vor Fliegen und wollte nichts mit ihnen zu tun haben. Im ganzen Haus hingen deswegen unzählige Fliegenfallen.
Eines Tages aber, als er wieder in vollem Pflichtbewusstsein die Enten fütterte, hörte er seltsame Geräusche. Irgendwie kamen ihm diese seltsam bekannt vor, es schien aber schon Jahrzehnte her zu sein, seit er so was zum letzten Mal gehört hatte.
Schnell waren die hungrigen Enten vergessen. Es ging hier scheinbar etwas vor sich, was nicht in einen Stadtpark gehörte.
Er schaute in die Richtung, aus der die Geräusche kamen und entdeckte, dass sich hinter dem Schilf etwas bewegte. Er setzte sich auf die Rückenlehne, in der Hoffnung, etwas mehr erkennen zu können. Leider sah er aber aus dieser Position lediglich zwei Köpfe und ab und zu konnte er eine Schulter erkennen. Vom sicheren Glauben beflügelt, hier etwas ganz Widerwärtiges entdeckt zu haben, stieg er auf die Rückenlehne und hielt sich an einem Ast eines Baumes fest. Zu dumm, dass er gerade heute sein Fernglas zu Hause liegengelassen hatte!
Was unser Rentner aber sah, liess seinen Unterkiefer mit voller Wucht der Schwerkraft folgen. Er hätte sich nie träumen lassen, dass sich in seinem Park solch anstössige Szenarien abspielten. Die waren ja fast nackt! Er wollte, ja er musste etwas dagegen unternehmen.
Weil Heinz aber grundsätzlich nie etwas Unüberlegtes tat, wartete er noch eine Weile. Man weiss ja nie, was da noch kommen kann und schliesslich wollte er ja hinterher eine vollständige Aussage machen können.
Als er dann nach einer Weile – er hatte nun wirklich genug gesehen – den Entschluss gefasst hatte zu handeln, passierte es. Beim Versuch, eine lästige Fliegen loszuwerden, die ihm plötzlich um die Nase schwirrte, verlor er das Gleichgewicht und stürzte zu Boden.
Als er wieder zu sich kam, lag er in einem blütenweiss bezogenen Spitalbett, sein gebrochenes Bein war hoch gelagert und es quälte ihn die bittere Gewissheit, dass sich nun niemand mehr um Sitte und Ordnung im Park kümmerte.
Und als ob ihm nicht schon genug Ungerechtigkeit widerfahren wäre, kommt da noch dieser arrogante, nichtsnutzige junge Schnösel von einem Pfleger daher und sagt:
„Na, Heinz, was war es denn diesmal? Wieder mal den jungen Vögelchen beim spielen zugeschaut? Oder waren es am Ende noch kleine, junge Häschen? – Aber mal ganz unter uns: Hat es sich diesmal wenigstens gelohnt?“
Heinz, der sich nur schwer unter Kontrolle halten konnte, wäre diesem Wichtigtuer am liebsten an die Gurgel gegangen. Stattdessen erwiderte er:
„Hör bloss auf und komm mir bloss nicht zu frech, ja? Sonnst kannst du dir meine Tochter aus dem Kopf schlagen! Zudem hast du ja keine Ahnung, was in unserem Park für Gesindel herumlungert!“
Zur selben Zeit klopfte es an der Tür und eine Krankenschwester streckte den Kopf ins Zimmer:
„Tschuldigung, da draussen ist ein junger Mann mit seiner Freundin. Die beiden sagen, sie hätten heute Morgen im Park den Notarzt gerufen. Dürfen sie hereinkommen?“
Und noch bevor Heinz auch nur den Mund öffnen konnte, platzte der Pfleger dazwischen:
„Aber selbstverständlich!“
Und zu Heinz gewandt meinte er:
„Siehst Du! Es gibt auch noch anständige Leute. Es kommt einfach ein wenig auf den Blickwinkel an, nicht wahr?“