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Neues vom Kopfschmerzplaneten

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15.04.2002
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Neues vom Kopfschmerzplaneten

Warum ich Planetenentsorger geworden bin? Hey, das ist kein Job wie jeder andere! Ist 'ne ehrenvolle Aufgabe. Ehrenvoller jedenfalls als Bankberater oder Pornoproduzent, wenn man nach einer aktuellen Umfrage geht, die neulich in der Kolonie Blauweiß Neuniederbayern durchgeführt wurde.
Ich fläze mich im Sessel des Grünen Salons im Präsidentenpalast des Planeten Radium Pi. Die Hostess, deren Hautfarbe prima mit den grasfarbenen Tapeten harmoniert, hat gesagt, dass El Presidente mich in Kürze empfangen wird. Er habe bloß gerade fürchterliche Kopfschmerzen und seine Pillendose verlegt.
Radium Pi heißt im Volksmund Kopfschmerzplanet, weil dort ein transzendenter Nullenergie-Nebel fragmentierte Orgonstrahlung fokussiert. Und die verursacht bekanntlich fürchterliches Kopfweh.
Der Sessel ist großzügig gepolstert, ein laubgrünes Bio-Kissen massiert meinen Rücken. Warten ist langweilig, also spiele ich mit einer Ecke des elektronischen Formulars, auf dem El Presidente seine Biosignatur hinterlassen muss, um die Entsorgung seines Planeten zu quittieren.
Wo bleibt der Kerl bloß?
Die schiefe, nussbraune Palme in der Ecke fängt meinen Blick. Irgendwas hat sich da bewegt. Das Gewächs ist das einzige Objekt, das im Grünen Salon nicht grün ist. Die Pflanze windet sich, als würde ihr die Außenseiterrolle nicht behagen.
Ich knibble Schorf von meiner linken Ziernase und klebe ihn unter das Bio-Kissen. Im gleichen Moment knallt ein Dreigestirn durch die Pforte, als wäre ich Waffenhändler im Friedens-Schlussverkauf. Ich springe auf und erwidere den zackigen Gruß von El Presidente, der beidseitig von uniformierten Lobbyisten flankiert wird.
Auf der linken Seite, identifiziert durch ein Namenshologramm über dem Quarzhut: Kulf Arrm Slonkit, Obskuritätsberater und Fraktalschamane fünfunddreißigster Stufe, gewandet in schraffiertes Segeltuch, das keine Körperrundung verbirgt. Und davon haben Klastiker wie Slonkit viele.
Auf der rechten Seite, im Maßanzug vierzehnter Stufe: Dr. Dr. Reinholdian Plusmann, laut Hologramm Sprecher des Interessenverbandes Hyperhumanistischer Pharmakonzerne, und ein waschechter Mensch, komplett mit Krawatte und Designerbrille.
El Presidente ist ein kleinwüchsiger Wrokone und überragt seine Begleiter nur um die protokollarisch erforderlichen anderthalb Zentiklafter. Seine Augen sind gerötet, auf den Wangen klebt ein zeremonielles Barttoupet vor lauter Schweiß nicht mehr richtig fest.
„Zigarre?“, kratzt El Presidentes Stimme. „Beste Ware, frisch importiert. Aus China, glaube ich.“
Ich erhebe mich und bemühe mich um eine souveräne Körperhaltung. „Danke, Herr Präsident, aber ich bin im Dienst.“
„Bleiben mehr für mich. Was führt Sie zu uns?“
Der Obskuritätsberater winselt und schaut betreten drein. „Orgonischer Schluckauf“, entschuldigt er sich.
Ich halte El Presidente das Formular hin. „Herr Präsident, ich komme vom Galaktischen Entsorgungsunternehmen. Wenn Sie bitte hier quittieren würden.“
„Gerne“, grinst der Präsident und zeigt braune Zähne. „Um was geht’s? Sie wollen doch kein Geld, oder?“ Seine beiden Berater kichern pflichtschuldig.
Es hätte mich ehrlich gesagt erstaunt, wenn der Präsident sich die Mühe gemacht hätte, das Formular zu lesen. Also erkläre ich es ihm, mit aller Geduld, die ich beim Schuleschwänzen gelernt habe: „Das galaktische Fengshui-Amt hat festgestellt, dass Ihr Planet entfernt werden muss, um den Fluss degenerierter Orgonstrahlung zu unterbinden, der das galaktische Wirtschaftssystem ab der siebzehnten Nachkommastelle bei der Zinseszinsberechnung stört.“
„Tatsächlich?“ El Presidente zieht die Brauen hoch, die ebenso wie der Bart angeklebt sind. „Davon wusste ich gar nichts!“
Der Mann im Maßanzug stößt dem Präsidenten den Ellenbogen in die Seite. „Sie haben kein Guthaben und kriegen demzufolge überhaupt keine Zinsen.“
„Hoho“, donnert das präsidiale Lachen, „das ist wahr. Aber im Ernst, muss man bei sowas denn gleich...“ Er gestikuliert mit seinen Schaufelarmen. „...ich meine, muss man deshalb gleich... eine gute Zigarre ablehnen?“
„Hühü“, kichert Dr. Dr. Plusmann. „Köstlich, ist er nicht köstlich? Deshalb haben wir ihn gewählt! Soviel Kopfschmerzen sind ohne Humor ja nicht zu ertragen!“
El Presidente wendet sich an seinen Obskuritätsberater, weil er nicht kapiert, von welchem Humor der Mensch redet. „Ihre Ansicht, Schamane Slonkit?“
Der Klastiker nickt. Seine vibrierenden Rundungen schmatzen traurig. „Ich kann das nachvollziehen. Unser Planet ist ein Orgondiskriminator erster Ordnung. Es wird die beste Lösung sein, ihn zu entfernen.“
El Presidente klatscht in zwei Hände, während er mit einer weiteren das Formular festhält. „Dann ist ja alles klar.“
„Einen Moment“, hebt Dr. Dr. Plusmann den Zeigefinger. „Ich muss protestieren.“ Er räuspert sich, bis er sicher ist, dass ihm alle Aufmerksamkeit gehört. „Der Planet kann nicht einfach gesprengt werden. Die Pharmaindustrie braucht ihn für ihre Experimente mit neuen Medikamenten.“
„Ach wirklich?“, fragt El Presidente. „Ich dachte, die werden an Freiwilligen getestet, nicht am Planeten.“
„Völlig richtig“, bestätigt Plusmann betont gelassen, „allerdings wohnen diese Freiwilligen nun einmal auf diesem Kopfschmerzplaneten.“ Er zeigt mit dem Finger auf den Fußboden. „Kein Planet, keine Experimente.“
„Kann man die nicht woanders durchführen?“, versuche ich zu helfen.
„Herr*… egal“, sagt Plusmann, „Sie müssen verstehen, dass Sie davon nichts verstehen. Sie mögen ein hervorragender Planetenentsorger sein – da bin ich sogar ganz sicher – aber den Pharmalobbyismus überlassen Sie bitte den Leuten, die sich damit auskennen.“ Er wendet sein Hau-rein-Grinsen dem Präsidenten zu. „Die besonders exponierte Lage des Planeten verursacht bekanntlich chronische Kopfschmerzen bei den Bewohnern, so dass es ein ideales Testpublikum darstellt. Nirgendwo sonst findet man derart erstklassige... Freiwillige.“
Der Obskuritätsberater wimmert leise.
Einmal in Fahrt, fährt der Pharmasprecher seine härteste Waffe auf: „Ferner darf ich erinnern, Herr Präsident, dass Gelder aus unserem Interessenverband unter anderem Ihre Zigarre finanzieren.“
Nachdenklich pflückt El Presidente die Tabakrolle aus seinem Saugnippel und betrachtet sie. „Das ist ja ein Dilemma“, spricht er und massiert sich mit einer freien Handschaufel die Stirn. „Was machen wir denn jetzt bloß?“
Eine der falschen Augenbrauen verliert den Halt und fällt zu Boden. Sofort krabbelt eine Assistenzspinne aus dem Topf der braunen Pflanze und schnappt sich die herrenlose Braue.
„Herr Präsident“, erkläre ich geduldig, „ich weise ungern darauf hin, dass im Fall einer Nichtunterzeichnung Ihrerseits erhebliche – und wenn ich sage erhebliche, meine ich dramatische – bürokratische Umstände auf Sie zu kommen.“ Ich zähle auf: „Papierkrieg, Formulare, Anhörungen, Vorladungen, und all das mehrfach und in nicht immer nachvollziehbarer Reihenfolge.“
El Presidente fällt die Zigarre runter. „Wie schrecklich!“ Die Spinne lässt von der Braue ab und stürzt sich auf das neue Ziel.
„Aber was ist mit den Bewohnern?“, fragt Dr. Dr. Plusmann. „Am Ende des Tages müssen die die Zeche zahlen, wenn ihnen der Planet unter dem Hintern weggebombt wird.“
Auf diesen Hinweis habe ich mich besonders gefreut. Ich bemühe mich um ein professionelles Lächeln, das ich vermutlich im gleichen Suggestionsfernkurs gelernt habe wie mein Gegenüber. „Ich habe hier eine beglaubigte Bescheinigung“, sage ich und zeige ein weiteres elektronisches Formular vor, „laut der es auf Radium Pi überhaupt keine Bewohner gibt.“
„Erstaunlich“, setzt Plusmann an, aber im gleichen Moment wird ihm klar, dass er gegen die Genialität der Galaktischen Fengshui-Behörde nicht die Spur einer Chance hat.
„Wenn das da steht“, sagt El Presidente, „wird es wohl stimmen.“
„Aber“, stemmt sich Plusmann verzweifelt gegen die drohende Niederlage, „wer hat Sie dann gewählt, Herr Präsident?“
Der zuckt die vorderen Schultern, und dann auch noch die hinteren. „Wahlmanipulation? Sowas kommt vor, habe ich gehört.“
Der Lobbyist nickt nachdenklich, während er dabei zusieht, wie der Fraktalschamane die Spinne streichelt, die nicht so recht zu wissen scheint wie ihr geschieht und nach wie vor die Zigarre umklammert.
„Dann machen wir es so“, sagt El Presidente glücklich über die getroffene Entscheidung und küsst das Formular.
„Sehen Sie“, lächle ich Plusmann zu, „war doch ganz einfach. Sie machen Ihren Job und ich meinen. Meiner ist nun einmal, Planeten zu entsorgen. Irgendjemand muss es ja machen, oder?“

 

Hey, das ist ziemlich unterhaltsam! Okay, nicht alle Wortspiele zünden wirklich, aber das Ekel-Duell Pharma-Lobbyist gegen Eso-Bürokrat ist es allemal wert.

With Regards,
Naut

Kleinigkeiten:

Entsorgungsunternehmen. Wenn Sie bitte hier
gleich*...“ Er gestikuliert mit seinen Schaufelarmen. „...*ich meine, muss man deshalb gleich*
Was sollen die Sternchen?
an Freiwilligen getestet, nicht am Planeten
Müsste das nicht "an Planeten" heißen?

 

Hi Uwe,

dein neuestes Werk wollte ich mir auch mal wieder zu Gemüte führen. Aber ich fürchte, eine wirklich konstruktive Kritik bekomme ich nicht hin. Der entziehst du dich ja auch gekonnt durch die Konstruktion einer Fantasywelt, die in sich nicht angreifbar ist. Gut geschrieben ist die Geschichte allemal, keine Frage. Sie trifft nur nicht meinen Geschmack. Ist einfach nicht meine Art von Humor, vielleicht liegt mir aber auch SF-Fantasy nicht, wobei das hier mehr Fantasy als SF ist.

Über die Sternchen (tauchen irgendwie immer in Verbindung mit den drei Pünktchen auf) habe ich mich auch gewundert.

Und noch eine Winzigkeit:

Nachdenklich pflückt El Presidente die Tabakrolle aus seinem Saugnippel und betrachtet sie nachdenklich.

Sorry, viele Grüße
Kerstin

 

Hi U!

Tja - das Teil wirst du mir wohl wieder vorlesen müssen, dass ich es witzig finde ... So ist das für mich eher ein halbwegs geglückter Adams mit etwas Symbiose. Nicht mein Fall, weißte ja. :)

Greetz!

d.

@Katzano: Zwei Doofe, zwei gleichzeitige Posts! :D

 

Hi,

die Sternchen habe ich auch nicht kapiert. Ansonsten finde cih die Geschichte unterhaltsamer als manch anderes - humoristische SciFi ist ja wohl nocht so häufig. Aber die Geschichte trifft meine Wellenlänge .

Gruß

Jo

 

Hi!

Also mir ist vor den ganzen Wortschöpfungen und Neubegriffen wummrig vor Augen geworden. Und angesichts der mageren Handlung hab ich irgendwie den Verdacht, dass die den Witz ausgleichen sollten, wo's an ihm mangelt. Hie und da hats funktioniert, aber leider nur punktuell, als Ganzes empfand ich den Text als anstrengend und wusst nicht so recht, was ich am Ende mitnehmen soll.


Gruß
Kasimir

 

Ja, die Story wirkt sicher vorgelesen am besten. Aber auch wenn es eher wie eine Warmhalteübung vor dem nächsten Roman wirkt: Ich musste ein paar Aggressionen loswerden, und wie geht das besser, als über Esoteriker, Bürokraten und Lobbyisten herzuziehen?

Die Sternchen habe ich entfernt. Der Copy+Paste-Vorgang aus OpenOffice hat aus festen Leerzeichen die Sternchen gemacht. Öfter mal was neues ;)

Danke für eure Kommentare!

 

Hallo Douglas, äh Uwe,

hätte ich fast geschrieben, wenn es Andere vor mir nicht schon getan hätten. :)

Also:

Hallo Uwe,

als Fingerübung sehr gut, als Geschichte ziemlich adamesk. Das klingt nach Retourkutsche, ist aber so nicht gemeint. Grundsätzlich gefällt sie mir und hat mich mehrfach zum Grinsen gebracht. Danke dafür.

lg
Dave

 

Ja, die Story wirkt sicher vorgelesen am besten. Aber auch wenn es eher wie eine Warmhalteübung vor dem nächsten Roman wirkt: Ich musste ein paar Aggressionen loswerden, und wie geht das besser, als über Esoteriker, Bürokraten und Lobbyisten herzuziehen?

Dein Kommentar bezüglich überschüssiger Aggressionen lässt darauf schließen, dass Dr. Dr. Reinholdian Plusmann sich auf eine gewisse Person mit ähnlichem Namen bezieht, die ebenfalls immer den Spruch "am Ende des Tages ..." benutzt.

Oder ist alles nur Zufall? ;-)


mgd

 

"Plusmann" ist doch ein toller Name für jemanden, der auf höhere Umsätze wert legt, oder?

Wie immer sind Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen reiner Zufall... :)

 

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