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Neues Sternenbild am Himmel
... oder: wie man mit Erscheinungen umgeht
Als mich die überragende naturwissenschaftliche Entdeckung eines neuen Sternbildes, das der TIGERENTE, erreichte, die sogar noch mit einer exakten photographischen Aufnahme aufwarten konnte, kam eitel Freude in mir auf, und zu mitternächtlicher Geisterstunde war der Drang, dieses Wunder zu schauen, nicht mehr zu unterdrücken.
Ich fuhr mit dem Auto weit, ganz weit aus der hell erleuchteten Großstadt heraus, um mögliche Störeffekte aus meiner Himmelsbeobachtung auszuschließen. Mitten in einem tiefen Walde, durch den kaum die Strahlen des Mondes zu dringen vermochten, fand ich eine kleine Lichtung, wie sie besser für meine wissenschaftliche Zwecke nicht beschaffen hätte sein können. Des unbewaffneten Auges forschenden Blick auf das Himmelsgewölbe richtend, fand ich schließlich das schon unseren nordeuropäischen Urahnen bekannte Sternbild des Großen Bären.
Keine Tigerente!
Oh Absturz aus himmelhochjauchzender Entzückung, in die ich mich in meiner Vorfreude schon ekstatisch hineingesteigert hatte! Bleichen Gesichtes und wankenden Schrittes, des zauberhaft milden Silberscheines des guten alten Mondes nicht achtend, gelangte ich halb ohnmächtig zu meinem Auto und machte mich auf den Heimweg.
Nun, inzwischen habe ich dieses schwere Trauma verarbeitet, es bedurfte nur einer halben Flasche kubanischen Rums in jener schicksalsschweren Nacht und in den Folgetagen regelmäßigen Nachschubs in Form von Grog – und so erlangte ich wieder mein psychisches Gleichgewicht. Auch meine Leichenblässe verschwand aus dem Gesicht und wich einer freundlich-warmen, lebhaften Röte, durch welche sich ganz besonders die Augäpfel auszeichneten. Derart wieder aufgerichtet bin ich also vier Wochen später erneut zu der erwähnten Lichtung gefahren.
Nun passierte etwas Erstaunliches, denn ich sah zunächst das bekannte Sternbild des Großen Bären, doch dann, als der Mond ganz kräftig zu leuchten begann, fand eine Metamorphose statt: Allmählich erst, etwas verschwommen, traten schnatterhafte Züge hervor, ich konnte einen Schnabel erkennen, die Flügel und die typischen Entenbeine.
Dann plötzlich bewegten sich die Flügel, schlugen heftig nach den Mondstrahlen, dass die Funken nur so stoben und das ganze Firmament wie in Glut gehüllt schien. Und da war etwas auf der Ente, war es eine Stange? Ein Mast?
Ja, ja es war ein Mast mit einem kleinen Segel daran, oh nein!, das Segel war ein kleines Hemdchen, denn ich konnte sogleich auch seinen Besitzer erkennen, einen kleinen Nackedei mit dicken aufgeplusterten Wangen, der kräftig in das Segelhemdchen blies. Die Himmelsente bewegte sich zunächst tapsig wie ein Bär im Watschelgang, wurde schneller und glich nun schon eher einem Wagen, der auf den Polarstern zuraste.
War Zug in mein Auge gekommen? Waren es Tränen, weil ich so sehr lachen musste bei diesem Anblick? Bereits nach wenigen Augenblicken verschwamm alles, wurde undeutlich, zerfaserte, die Himmelsglut wich einer stummen schwarzen Kälte, nur vom Funkeln der Sternendiamanten unterbrochen ... und der kleine Häwelmann war weg und auch die Tigerente.
Ja, so war das. Jetzt ist dort wieder das altbekannte Sternbild des Großen Bären zu sehen, und die Strahlen des Mondes tauchen die Erde in ein mildes Licht statt Funken zu sprühen. Aber eines weiß ich: Ich habe es gesehen, ganz deutlich!