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Neues Leben
Du stehst allein zwischen den Regalen, einen Moment nur unbeobachtet von den harschen Blicken, deiner Erzeugerin. Deine Gedanken rasen, noch bist du unschlüssig, doch ist die Idee nicht genial?
Sie ist nicht hier, noch nicht, für einen Moment verschwunden, nicht fähig deinen Plan zu erkennen und alles zu ruinieren. Nur die vielen Augen der Puppen in den Regalen beobachten dich, starren dich an und sind Zeuge deines Vorhabens. Eine von ihnen wird heute dieses Geschäft verlassen. Sie ist für das verhasste Objekt bestimmt, um welches so viele deiner Mordfantasien kreisen, sich verselbstständigen und immer bizarrere Formen annehmen, wenn du einen Moment nicht acht gibst, danach um so schockierter, deiner eigenen Gedanken bewusst. Oh ja, es sollte nur bekommen was sein feistes Herz verlangte. Diesmal würde es nicht triumphieren. DiesmalDiesma DienstagDi nicht!
Die Schritte deiner Erzeugerin lassen dich aufschrecken. Sie sind ganz in der Nähe. Ohne noch länger zu zögern, setzt du dich in Bewegung. Jetzt oder nie! Das Tor zu einem neuen und besseren Leben steht weit offen, es streckt dir seine Arme entgegen und ist gewillt, dich endlich in sich aufzunehmen. Du kriechst in eines der unteren Regale, zwischen zwei der kalten Porzellanleiber. Du bist nur ein paar Zentimeter größer, kaum zu unterscheiden und ihren toten, ausdruckslosen Blick hast du lange geübt, ihre Haltung kannst du perfekt. Starr vor Angst und Anspannung sitzt du nun im Regal und harrst der Dinge.
Sie wird dich nicht finden. Sie wird mit einer neuen der ungezählten porzelaneren Monster das Geschäft verlassen und dich hier vergessen, nur Augen für das verhasste, fette Objekt, welches greinend zuhause auf eine weitere Puppe wartet, niemals zufrieden, niemals gestopft oder seiner Wünsche überdrüssig. Doch du wirst frei sein! Und voller Vorfreude wirst du auf eine neue warten, die dich hinfort nimmt, in die bessere Welt. Hinaus aus der alten, in die dich deine herzlose Erzeugerin, schmerzerfüllt und ohne das du jemals gefragt wurdest, hineingepresst hat, ja ohne das sie, oder du es wollten.
Sie hat dich das immer spüren lassen. Ihren Hass auf das biologische Schicksal, das weiblichen besamten Kreaturen auferlegt ist, hat sie immer an dir ausgelassen, doch nicht so an der fetten Kreatur, die nach dir aus ihrem Wanst gekrochen kam. Diesem Wesen wurde eine Liebe zuteil, die Sie dir niemals schenkte und die deiner niemals würdig war.
Doch schon bald wird alles anders werden. Bald wird alles besser werden. Bald wirst du frei sein.
Wie ein einziger tödlicher Schlag, der jeglichen Laut aus deiner Kehle ersticken lässt, zerschlägt sie deinen Plan in tausend Scherben, als sie dich wütend und tadelnd aus dem Regal zerrt und hinfort schleift, hinaus auf die Straße und zurück in die Hölle, während die Tore des neuen Lebens langsam und unvermeidlich zuklappen. Noch kannst du sie sehen, doch schon bald sind sie unter einem Schleier aus Tränen verschwunden und du hörst nur noch, wie sie sich krachend und unerreichbar in weiter Ferne schließen.