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Neue Zutaten

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15.01.2010
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Neue Zutaten

An diesem Abend würde es mit dem Trinkgeld schwierig werden.
„Es tut mir aufrichtig Leid, mein Herr“, sagte Viktor, „ich werde selbstverständlich dem Koch Bescheid geben ...“
„Ein unglaublicher Laden ist das hier“, schimpfte sein Gegenüber, „ich meine, lässt der Kerl das Essen absichtlich verbrennen?“
Natürlich Dickerchen, dachte Viktor, das ist sein Hobby.
„Mein Herr“, sagte er, „Sie bekommen selbstverständlich eine neues Steak. Ich werde gleich in die Küche ...“
„Das will ich auch hoffen“, unterbrach ihn der Gast.
Er verschränkte die Arme vor der Brust und starrte auf seinen Teller. Einige der anderen Gäste blickten zu ihnen hinüber. Viktor räusperte sich.
„Mein Herr, darf ich mir erlauben, Ihnen etwas ganz Besonderes anzubieten. Eine Spezialität des Hauses, als Entschädigung, sozusagen“.
Der Gast blickte ihn an.
„Eine Spezialität?“
„Einen Wein. Ein ganz besonderer Tropfen“.
„So so. Und was ist daran so besonderes?“
Viktor lächelte.
„Das, mein Herr, werden Sie Erkennen, wenn Sie ihn kosten.“
„Na, dann tischen sie mal auf.“
„Sehr wohl, mein Herr.“
Viktor nahm den Teller mit dem verbrannten Steak an sich.
Diese Sorte Gast kannte er nur zu gut. Leicht erregbar, aber ebenso leicht zu besänftigen, solange man nur irgendetwas Exklusives versprach. Bei solchen Typen hatten die Eltern wohl früher Liebe mit Geschenken verwechselt.
Und ein Geschenk würde dieser Typ bekommen, oh ja.

Viktor stiess die Tür zur Küche auf.
„Deine Steaks sind verbrannt!“, rief er.
Karl, der Koch, blickte nur kurz auf.
„Mann, das kann ja mal passieren!“
„Und ich darf jetzt wieder den Diplomaten raushängen lassen!"
Viktor wischte sich den Schweiss von der Stirn. Unglaublich, diese Hitze. Der Herdplatten glühten wie Vulkane.
„Sei doch froh. Haste mal einen Grund mehr, mich zu besuchen“, sagte Karl, „gehste jetzt wieder in den Keller? Den guten Tropfen holen?“
„Was glaubst Du?“
Viktor öffnete einen Küchenschrank. Er kramte ein Karaffe und einen Metallhaken heraus.
„Ich brauche ein neues Steak. Und diesmal bitte nicht verbrannt.“
Anstatt zu antworten, starrte Karl auf den Haken.
„Für was schleppste denn das Ding mit?“, fragte er.
„Muss den Reifegrad kontrollieren“, meinte Viktor, als er die Tür zum Keller öffnete, „und denk daran, dass Steak diesmal richtig blutig!“

Er stieg die Treppe in den Keller hinunter. Die Geräusche und die Hitze der Küche rissen schlagartig ab, als die Tür sich hinter ihm schloss.

Viktor war gerne im Keller. Hier musste er keine Höflichkeit heucheln, keine Hitze aushalten. Hier unten gab es nur Stille, Kühle – und das Fass. Es stand an der hinteren Wand, zwischen einem Regal und einem Stapel Kisten.
Viktor nahm den Deckel herunter. Mit dem Haken stocherte er im Wein herum bis er auf Widerstand stieß, dann zog er ihn mit einem Ruck heraus. Ein Fleischklumpen hing daran.
„Sehr schön“, murmelte Viktor.
Das Bein, das er vor ein paar Monaten zusammen mit Karl in dem Wein eingelegt hatte, musste mittlerweile völlig vom Wein durchtränkt sein. Gut für's Aroma.
Viktor liess den Klumpen zurück in das Fass plumpsen. Dann schöpfte er mit der Karaffe etwas Wein aus dem Fass und schwenkte sie unter seiner Nase. Es roch nach Alkohol, mit einem Hauch von Käse.
„Perfekt“, dachte er.
Sorgfältig verschloss er das Fass. Dann nahm er Haken und Karaffe und machte sich auf den Rückweg. All zulange sollte man seine Gäste nicht warten lassen.


Der Gast schnupperte an dem Wein.
„Riecht ... eigenartig. Aber immerhin hat Ihr Koch das Steak diesmal nicht verbrennen lassen.“
Er nippte an dem Wein.
Er sog Luft hindurch.
Er schluckte.
„Das ist ja ... faszinierend“, sagte er, „dieses Aroma im Abgang. Ganz einzigartig.“
Seine Schweinsäuglein glänzten.
„Nein wirklich. Wo haben Sie den her?“
Viktor lächelte.
„Der ist von ... einem Freund. Ein kleines Weingut. Nicht sehr bekannt“, sagt er.
Der Gast nahm noch einen Schluck.
„Donnerwetter, ist der gut. Sagen Sie mal ... wäre es möglich, dass ich mal privat ... also, eine private Weinprobe dort bekommen könnte?“
Viktor lächelte noch mehr. Er dachte an das Fass und den Haken und das Bein. Warum eigentlich immer ein Bein? Warum nicht mal eine Hand probieren? Oder eine Bauchdecke?
„Natürlich, mein Herr“, sagte er, „ich werde es in die Wege leiten ...“

 

Hallo,

das ist das beste Debüt seit langem hier in der Horror-Rubrik. Do simple things well sozusagen. Plastisch und konkret geschrieben, lebendige Dialoge, ein schönes Setting. Das passt alles.
Kritikpunkt lägen dann in der Art der Geschichte, es ist eine Pointengeschichte; die haben naturgemäß, auch wenn sie sehr gut gemacht sind, nur eine kurze Nachhallzeit.

Gruß
Quinn

 
Zuletzt bearbeitet:

Moikka Pharmakon,

herzlich willkommen bei KG.de, und viel Spaß hier beim Schreiben, Lesen und Kommentieren. :)
Das erste Posting bleibt der Geschichte vorbehalten, bitte Anmerkungen immer extra posten
(> antworten).

Liebe Grüße,
Katla

Pharmakon schrieb unter seine Geschichte:

Hallo KG-Gemeinde,
die ist die erste Geschichte, die ich überhaupt veröffentliche. Spart nicht mit Kritik! Ich will ja schliesslich etwas lernen.
Gruß, Pharmakon

 

@Katla:
Sorry, ich werde es mir merken. :)

@Quinn:
Vielen Dank. Donnerwetter, "bestes Debüt seit langem". :shy:
Ich freue mich, wenn es dir gefallen hat.
Aber was ist eine "Pointengeschichte"?

 
Zuletzt bearbeitet:

Es roch nach Alkohol, mit einem Hauch von Käse.
:lol:
Das ist ja der Hammer. Köstlich ...

Hi Pharmakon.

Doch, insgesamt ganz nett. Vor allem der Schluss ist genial.
Was mir ein wenig aufstieß war der fehlende Grund, warum er das Bein herausholte.
So wie du es jetzt geschrieben hast, wirkt es so, als täte er das lediglich des Effektes willen. Also: Warum holt er dieses Bein hervor? Da würde ich mir irgendwas einfallen lassen.
Zum Beispiel könnte der Haken vorab schon mal unten neben dem Fass liegen (so brauchst du dir nichts einfallen zu lassen, warum er das Ding überhaupt mit runter nimmt). Dann könnte ihn beim Öffnen des Fasses etwas "Seltsames" am Buket auffallen, und deshalb nimmt er den Haken ... usw.
Verstehst du? Deine Personen dürfen nix ohne Grund machen, weil das auch dem Leser auffällt.

Hat aber Spaß gemacht.

Gruß! Salem

 

So wie du es jetzt geschrieben hast, wirkt es so, als täte er das lediglich des Effektes willen. Also: Warum holt er dieses Bein hervor? Da würde ich mir irgendwas einfallen lassen.
Zum Beispiel könnte der Haken vorab schon mal unten neben dem Fass liegen (so brauchst du dir nichts einfallen zu lassen, warum er das Ding überhaupt mit runter nimmt). Dann könnte ihn beim Öffnen des Fasses etwas "Seltsames" am Buket auffallen, und deshalb nimmt er den Haken ... usw.
Verstehst du? Deine Personen dürfen nix ohne Grund machen, weil das auch dem Leser auffällt.

Stimmt, es ist hauptsächlich wegen des Effekts geschrieben. ;)
Er holt das Bein hervor, um den "Reifeprozess" zu kontrollieren. Ich dachte eigentlich, daß geht aus dem Text hervor:

Ein Fleischklumpen hing daran.
„Sehr schön“, murmelte Viktor.
Das Bein, dass er vor ein paar Monaten zusammen mit Karl in dem Wein eingelegt hatte, musste mittlerweile völlig vom Wein durchtränkt sein.

Aber gut, vielleicht ist das wirklich nicht deutlich genug.
Ich überlege gerade, ob ich das über einen Dialog in der Küche klären soll, so nach dem Motto:
Karl "Für was schleppst Du den Haken mit?"
Viktor "Ich muss unsere [blablabla] näher ansehen. Habe ich letztes Mal vergessen"
(oder so ähnlich)
Den Haken würde ich nämlich wirklich gerne in der Küche lassen.
Mir gefällt halt die Vorstellung, daß die Jungs ihre Schlachterutensilien in der Küche aufbewahren und nicht im Keller verstecken. ;)

 

Mir gefällt halt die Vorstellung, daß die Jungs ihre Schlachterutensilien in der Küche aufbewahren und nicht im Keller verstecken
Stimmt.

Den Dialog find ich auch gut, aber lass Viktor nicht zu viel erklären:
Karl "Für was schleppst Du den Haken mit?"
Viktor "Muss den Reifegrad kontrollieren." Zwinkert

 

Stimmt.

Den Dialog find ich auch gut, aber lass Viktor nicht zu viel erklären:
Karl "Für was schleppst Du den Haken mit?"
Viktor "Muss den Reifegrad kontrollieren." Zwinkert


So in etwa. ;)
Hab es gerade geändert.

 

Eine böse Pointe, gefällt mir gut^^. Kritikmäßig is ja schon alles gesagt. Nichts zu beanstanden.

mfg Leos

 

Hallo,
war ne coole Story, schnell und flüssig zu lesen.

Einziger Wehrmutstropfen ist der Titel: Leider weiss man als erfahrener Horror-Leser sofort, dass wenn Essen, Fleisch oder Zutaten im Titel vorkommen, es sich um eine irgendeine Art von Kannibalismus handelt.
Andererseits: Mir gefällt Kannibalismus und sonst hätt ich´s vielleicht nicht gelesen :)

Danke,
LG
Max

 

Hallo!

Tja, schnell, simpel und gut! So einfach kann es manchmal sein:)!

Gruß,
Satyricon

 

Also, erstmal vielen Dank für die vielen positiven Rückmeldungen. :)

Zum Titel:
Ja, "Neue Zutaten" ist relativ eindeutig.
Aber so stark, wie die Geschichte auf dieses Thema eingedampft ist, ist mir nichts unverfänglicheres eingefallen. ;)

 

Hallo, Pharmakon!

Die Geschichte hat mir sehr gut gefallen, hab sogar paar Mal gegrinst! Besonders zum Ende hin, als der reiche Gast den Wein bekommt.
Und als er wissen will, ob er eine private Weinprobe bekommen könnte, antwortet Viktor - Zitat:

„Natürlich, mein Herr“, sagte er, „ich werde es in die Wege leiten...“

Meine Lieblingsstelle - Zitat:

Er dachte an das Fass und den Haken und das Bein. Warum eigentlich immer ein Bein? Warum nicht mal eine Hand probieren? Oder eine Bauchdecke?

Da habe ich auch gedacht, ja wieso eigentlich nicht! :)

mfg
Geert

 

Hallo pharmakon,

so verschieden sind Geschmäcker.

Ich fand die Geschichte ganz nett aber doch stark vorhersehbar. Gruselfaktor sind in Wein schwimmende Körperteile, Opfer ist der dekadente Dicke, das hat bei mir nicht so gezogen. Ich habe mich ein wenig an "Eat the rich" erinnert gefühlt.

Dazu habe ich noch einige Kommafehler und Unsicherheiten bei der Groß-und Kleinschreibung ausmachen können.

Die Schreibe mag ich gern!

Lieber Gruß,

Vincent

 

Hallo pharmakon,

in Begeisterungstaumel breche ich jetzt nicht aus, denn tatsächlich ist die Geschichte doch sehr vorhersehbar. Für mich besticht sie also nicht durch Innovation, aber dafür durch ihren wirklich guten, flotten Erzählton. Der sitzt und macht auch aus dem Schon-Dagewesenem einen Leseschmaus :D
Den Lesegenuss könntest du jedoch noch steigern, wenn du die entsprechenden Anredepronomen groß schreibst. ;)


Viktor, „Ich
entweder Punkt, oder eben bei eingeschobnen Begleitsatz dann die WR klein weiter

hier“, schimpfte sein Gegenüber, „ich
hier hast du es doch richtig gemacht ;)

geben...“
Leerzeichen zwischen Wort und ...
ist mehrmals falsch - geh noch mal drüber

sie bekommen
groß

ihnen etwas ganz besonderes
beides groß

erkennen,

sie mal auf.

irgendetwas exklusives
groß

Bei solchen Typen hatten die Eltern wohl früher Liebe mit Geschenken verwechselt.
Und ein Geschenk würde dieser Typ bekommen, oh ja.
hehe, das ist gut!

Du denn?
das jibts nich

dass er vor ein paar Monate
ein s zu viel

hat ihr Koch

Wo haben sie den her?

Sagen sie mal

Ein nachgeschobenes Willkommen auf kg.de :)
grüßlichst
weltenläufer

 

@weltenläufer
Danke für die Hinweise.
Ich hab's gerade überarbeitet, hoffentlich habe ich alles erwischt.
Freut mich, wenn Du es als "Leseschmaus" gesehen hast. ;)

@vincentvoss
Ich hab mir gerade den Wikipedia-Artikel zu "Eat the rich" durchgelesen.
Du hast recht, da gibt es gewisse Parallelen. Aber ich schwöre, ich hab den Film noch nie gesehen. :lol:
Diese Konstellation aus "dekadenter, nerviger Gast" und "frustrierter Kellner" hat halt ein super Konfliktpotential, ist also für das Vorantreiben der Geschichte und der Dialoge gut geeignet, auch wenn es natürlich reichlich klischeehaft ist. ;)

 

Ups, jetzt bin ich aber ein wenig überrascht.

Ich möchte die Frage beantworten, inwieweit es sich hier um eine Horrorgeschichte handelt.

Bekommt der Leser Angst vor irgentwas? Eher nicht, da die Geschichte durchschaubar ist.

Der Leser empfindet vielleicht eine Form von Ekel,
weil man ja insgesamt nicht weiss, was man so vorgesetzt bekommt. Der Leser muss also die Situation auf sein eigenes Leben übertragen.

Insgesamt doch mehr Anektote als Horrorkurzgeschichte - oder?

Gruss Hanqw

 

Hallo Hanqw,

Bekommt der Leser Angst vor irgentwas? Eher nicht, da die Geschichte durchschaubar ist.

Du hast recht, es ist kein klassischer Monsterhorror.
Angst kann der Leser nicht bekommen, weil es keine Bedrohungssituation gibt.
Gut, für den Dicken wird es gegen Ende bedrohlich, aber der ist ja nicht der Sympathieträger.

Der Leser empfindet vielleicht eine Form von Ekel,
weil man ja insgesamt nicht weiss, was man so vorgesetzt bekommt. Der Leser muss also die Situation auf sein eigenes Leben übertragen.

Richtig. Ekel ist auch eine Variante von Horror.
Es ist sozusagen eine neue Sichtweise auch die Gammelfleischskandale. ;)

Insgesamt doch mehr Anektote als Horrorkurzgeschichte - oder?

Wo ist da der Unterschied?
Laut Wikipedia ist eine Anekdote

eine literarische Gattung, die eine bemerkenswerte oder charakteristische Begebenheit, meist im Leben einer Person, zur Grundlage hat.

Sowas schliesst Horror nicht aus.

Gruß,
Pharmakon

 

Salve Pharmakon;

da hier schon alles zum Thema Kritik gesagt wurde, einfach nur mal meine Meinung:

Mir hat's gefallen (jep, so simpel kann das sein). Kurz und fein, eklig wie es sich gehört in dieser Rubrik und für mich persönlich keine unnötigen Passagen, die diese Geschichte nur in die Länge ziehen würden, sondern schnelle und klare Dialoge und Reaktionen.
Daher freue ich mich schon darauf mehr von dir zu lesen, denn da kommen doch hoffentlich noch ein paar solcher Schönheiten?

Grüße,

Medi

 

Hallo

Hab mir deine Geschichte eben erst zu Gemüte geführt. Ich finde sie toll. Klar, die Einwände, dass die Idee nichts Neues ist, mögen schon berechtigt sein. Aber meiner Meinung muss man nicht krampfhaft versuchen, etwas nie Dagewesenes zu erschaffen- Oft ist es schon genug, etwas Altbekanntes in einer Form zu präsentieren, die den Leser fesselt- und das ist dir meiner Meinung nach sehr gut gelungen. Klassischer Stoff, schön erzählt- runde Sache!

 

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