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Neue Freunde
Neue Freunde
Lustlos schaukelte Glöckchen, die kleine Waldelfe, auf einem Grashalm und spielte gedankenverloren mit einer hellblonden Haarsträhne. Ihren gelben Glockenblumenhut hatte sie achtlos ins Gras geworfen. Sie langweilte sich heute einfach schrecklich. Nicht einmal der herrliche Sonnenschein und das Zwitschern der Vögel konnten sie aufheitern. Sie hatte sich eigentlich mit ihrer besten Freundin Bernstein zum Spielen verabredet, doch diese war, wie so oft in der letzten Zeit, einfach nicht gekommen.
Schwer seufzend stand Glöckchen auf und wollte sich gerade auf den Weg zurück ins Dorf machen, als sie ein helles Lachen hörte.
„Das war doch Bernstein!“, dachte sie verwundert und ging neugierig dem Geräusch nach. Es kam vom Bach, der sich leise plätschernd durch den Wald schlängelte.
Hinter einen Stein versteckt, spähte Glöckchen zum Wasser. Was sie dort erblickte, ließ sie fürchterlich wütend werden. Ihr Gesicht wurde hochrot und sie schnappte nach Luft. Bernstein und Leos, der Elfenjunge, spielten lachend fangen. Bernsteins Wangen waren, vor Freude, gerötet und ihr kastanienfarbendes Haar wehte lustig im Wind. Auch Leos Gesicht war verschwitzt. Sein grüner Hut lag unbeachtet im Gras und sein Elfenmesser lag wenige Meter daneben.
„Das ist doch nicht zu fassen! Mich versetzt sie eiskalt, um dann mit diesem Kerl alleine zu spielen!“ Empört stampfte sie mit dem Fuß auf, noch nie hatte sie so ein komisches Gefühl gehabt. Es tat ihr weh, Bernstein so fröhlich mit einem anderen Elfenkind spielen zu sehen, noch dazu mit Leos, der sie immer wieder ärgerte. „Bernstein ist doch nur meine Freundin!“, dachte Glöckchen trotzig und trat wütend hinter dem Stein hervor.
Bernstein und der Elfenjunge Leos blickten erstaunt auf, als sie Glöckchen bemerkten. „Hallo Glöckchen spiel mit uns", doch Glöckchen ließ ihre Freundin nicht aussprechen. „Wir waren doch verabredet, mit ihm spiel ich nicht. Immer ärgert er mich“, rief sie enttäuscht, drehte sich um und lief weinend fort. Sie fühlte sich verletzt, verraten und einsam. Vor Tränen blind lief sie immer weiter in den Wald hinein.
Bernstein und Leos konnten nur noch sprachlos ihrer Freundin hinterher schauen.
„Du hättest die Verabredung mit ihr einhalten sollen, das war ziemlich gemein von dir! Wir sollten sie suchen, und uns bei ihr entschuldigen. Schließlich ist sie deine Freundin und ich mag sie auch, auch wenn ich sie öfter ärgere!“
Bernstein nickte zustimmend. „Es tut mir auch schrecklich leid, sie muss jetzt denken, dass ich sie nicht mehr mag.“
Entschlossen Glöckchen zu suchen, erhoben sich die Beiden in die Luft und flogen Hand in Hand durch den Wald. Doch so sehr sie auch riefen, Glöckchen antwortete nicht und sie war auch nirgendwo zu entdecken.
Es wurde schon dämmrig, als sie erschöpft auf einer Sonnenblume landeten, die im Vorgarten eines kleinen Häuschens, am Waldrand stand. Noch nie hatten sich die Elfen so weit in die Nähe der Menschen gewagt, doch um Glöckchen zu finden, nahmen sie diese Gefahr in Kauf.
Im Garten stand ein weiß gedeckter Tisch und im Schatten lag ein schlafender Hund, sonst war nichts zu sehen.
„Wo kann sie nur sein? Wir haben schon überall gesucht. Noch weiter wird sie nicht gegangen sein, oder? Das ist doch viel zu gefährlich!“ Bernstein standen die Tränen schon in den Augen. Sie befürchtete, dass ihre Freundin etwas zugestoßen sein könnte, außerdem vermisste sie ihre Freundin schrecklich.
Aus den Augenwinkeln heraus, sah sie, wie sich auf dem Tisch etwas bewegte. Abrupt sprang sie auf und stieß dem Elfenjungen aufgeregt in die Seite. „Sieh doch, Leos, da bewegt sich etwas auf dem Tisch!“, rief sie. Doch Leos gähnte nur müde, streckte sich kurz und war dann eingeschlafen.
„Jungs!“, murmelte Bernstein böse.„Ich bin sicher, dass da etwas war.“
Von Neugier und Sorge um ihre Freundin getrieben, flog sie vorsichtig näher an den Tisch heran.
Dort entdeckte sie etwas, was sie vor Sorge blass werden ließ. Auf dem Tisch stand ein Glas mit Marmelade, in dem Glöckchen verzweifelt strampelte.
„Glöckchen!“, rief Bernstein aufgebracht. „Ich helfe dir, warte!“
Dankbar lächelnd sah Glöckchen auf, doch sie war schon zu
erschöpft, um zu antworten.
„Halt dich an meinen Händen fest! Ich werde dich herausziehen.“ Doch so sehr Bernstein sich auch anstrengte, Glöckchen war einfach zu schwer für sie.
„Halte noch einen Moment durch, ich hole Hilfe!“, sagte Bernstein.
„Nein, flieg weg, bring dich in Sicherheit! Die Menschen werden sicher gleich wieder kommen. Es ist hier zu gefährlich für dich.“ Flüsterte Glöckchen matt.
„Ich lass dich nicht hier allein!“, schrie sie, jetzt in Panik. „Ich komme gleich wieder!“
Eilig flog sie zu der Sonnenblume zurück, auf der Leos friedlich schlief. Unsanft rüttelte sie ihn wach, schier endlose Sekunden verstrichen, bis er sich endlich aufsetzte und verschlafen seine Augen rieb.
„Schnell, wir müssen Glöckchen retten, sie ist dort auf dem Tisch, in einem Glas mit Marmelade. Alleine bekomme ich sie nicht heraus. Du musst mir helfen! Wenn wir nicht schnell machen, kommen die Menschen, oder noch schlimmer, sie wird ertrinken!“ Rief sie panisch.
Mit einem Schlag war auch Leos hellwach, und sprang auf die Beine. Schnellstmöglich flogen sie wieder zu dem Tisch. Die Menschen waren noch nicht aufgetaucht, und der Hund schlief auch noch immer. Glöckchen sah matt auf, als sie die Beiden hörte. Sie war nun schon bis zum Hals, in der klebrigen Masse versunken.
Bernstein und Leos packten Glöckchens einzige noch herausschauende Hand, und zerrten mit vereinten Kräften daran. Erst bewegte sich gar nichts, doch nach und nach zogen sie ihre Freundin aus ihrer Falle. Noch ein letzter Ruck und sie war endlich befreit. Schlapp hing Glöckchen zwischen den Beiden, nicht fähig auch nur einen Meter zu fliegen. Die Marmelade klebte ihr am ganzen Körper
„Schnell, wir müssen hier weg!“ Aus den Augenwinkeln heraus sah sie, wie sich ein Junge dem Tisch näherte. Im letzten Moment schafften sie es, mit Glöckchen zwischen ihren Händen, außer Reichweite des Kindes zu fliegen. Doch sie waren am Ende ihrer
Kräfte, und schon am Waldrand ließen sie sich erschöpft auf einem alten Baumstumpf nieder.
„Danke, es tut mir leid, dass ich euch so in Gefahr gebracht habe!“, murmelte Glöckchen entschuldigend.
„Ich muss mich auch bei dir entschuldigen, ohne mich wäre es nie soweit gekommen. Du bist doch meine beste Freundin. Kannst du mir verzeihen?“
„Natürlich! Wie wäre es, wenn wir drei Freunde werden würden?“, schlug Glöckchen vor.
„Das wäre schön“, stimmte Leos zu. „Aber nicht jeden Tag so viele Abenteuer, das ist einfach nichts für mich, soviel Aufregung schlägt mir auf den Magen.“
Lachend nahmen sich die Drei bei den Händen, und schauten sich zufrieden den Sonnenuntergang an.
Von diesem Tag an, erlebten Glöckchen, Bernstein und Leos noch viele, wenn auch nicht immer so gefährliche, Abenteuer miteinander.