Mitglied
- Beitritt
- 15.09.2003
- Beiträge
- 2
Neue Erfahrungen
Meine Füßen tragen mich wie betäubt durch die Nacht, überall wähne ich blitzende Klingen, jeder Strauch, jeder Baum wird Ziel meiner gehetzten Aufmerksamkeit. Ich breche in Tränen aus und ich betrachte meinen blutigen Arm während ich auf das Haus meiner Freundin zu stolper.
An dem winterlichen Abend war ich wie jeden Tag auf dem Weg zu meiner Partnerin gewesen, als ich aus dem Wald Hilferufe hörte. Einige Passanten bedachten die Rufe nur mit Bemerkungen wie: „Man sollte die Polizei rufen, dieser Lärm, um die Zeit....“ Nur eine etwas ältere Dame bat darum doch nach dem Rufenden zu sehen. So lief ich einen Augenblick später schon durch den dämmrigen Wald, Äste schlugen mir ins Gesicht, doch ich missachtete die kurzen, stechenden Schmerzen, denn die Hilferufe wurden greifbar. Als ich mir mich schon nahe des Ursprungs wähnte brachen die Schreie abrupt ab. Ich hörte nur mehr meinen eigenen keuchenden Atem, meine im Schnee knirschenden Schritte, während die letzten Sonnenstrahlen hinter den Bäumen versiegten und den Wald in tiefe Schatten warf. Ich hielt an, sah mich um, ständig das klopfen meines eigenen Herzes in den Ohren, meinen rasselnden Atem. Jedes knacken eines Zweiges bewog, dass ich zusammen zuckte, jedesmal wenn Schnee von einem Ast abrutschte und auf den Boden prallte. Ich drehte mich im Kreis, und ging dann langsam weiter in die Richtung, aus der ich zuletzt die Schreie gehört hatte. Nachdem ich kurze Zeit so geschlichen bin stieß ich auf andere Spuren. Mir gingen Szenen aus Filmen durch den Kopf, die ich gesehen hatte, und ich vermeinte immer lauter das Klopfen meines Herzes zu hören, meine Angst und Aufregung stieg.
Ich verfolgte die Spur, die vor einer dichten Gruppe von Bäumen endete. Vorsichtig bewegte ich mich am Rande der Baumgruppe, immer meinen Blick zwischen die Bäume gerichtet. Plötzlich ertönte hinter mir ein Knacken...
ich fuhr herum, glaubte schon ein Messer in meinem Rücken. Deutlich konnte ich mir den Stahl in meinem Fleisch spüren, das kalte Metall, jeder kennt das Gefühl, wenn man sich in den Finger schneidet, wenn man fühlt wie sich die Klinge immer weiter ins eigene Fleisch bohrt, je tiefer die Schneide geht, desto heftiger wird der Schmerz... wenn warmes, frisches Blut aus der Wunde zu fließen beginnt, sich über die Haut verteilt, und je nach Witterung schneller oder weniger schnell gerinnt.
All das ging mir in dem Moment durch den Kopf, da ich mich umdrehte. Mein Blick schweifte über das Unterholz, über die Bäume, auf der Suche nach der Ursache des Geräusches. Ich konnte nichts erkennen, wollte mich umdrehen, das spürte ich etwas kaltes an meinem Fußknöchel, ich fuhr herum, den Blick auf den Boden gesenkt, um den Grund der plötzlichen Kälte ausfindig machen zu können. Im Dämmerlicht konnte ich nur eine dürre, weiße doch blau geäderte Hand erkennen, die ihre Finger um meinen Fuß geschlossen hatte. Ich riß meinen Fuß los, taumelte ein paar Schritt zurück, immer noch entsetzt beobachtete ich die zuckende Hand. Jemand fasste mich an der Schulter...
Endlich sehe ich die Lichter, die im Zimmer meiner Freundin brennen, das Grauen des Abends sitzt mir im Nacken und ich beschleunige meine Schritte um mich endlich in die Arme meiner Lieben begeben zu können. Sie wird mich verstehen, ihr kann ich alles erzählen...
Wie durch Zufall glitt im selben Augenblick in dem ich herumfuhr mein Schlüsselbund in meine Hand, zwischen meinen Fingern glänzten die Zacken der Schlüssel wie Klingen und ich schlug blind zu. Sofort lockerte sich der Griff, doch ich hörte nicht auf, immer wieder schlug ich zu, wo auch immer traf, spürte ich wie das Eisen in einen Körper eindrang, mein Mund war zu einem langgezogenen Schrei geöffnet, ich konnte nicht aufhören, ich hörte und fühlte nichts mehr um mich, nur noch meine Faust, die zu einer Waffe geworden war, mit der ich auf einen Gegner einschlug, in ein verzerrtes, narbiges, faltiges Gesicht, mit vor Grauen geweiteten Augen. Ich konnte nicht aufhören zu schlagen, es war als wäre ich besessen von dem Drang diese Bluttat zu begehen. Meine zu Klauen gewordenen Hände bohrten sich in das Fleisch meines Opfers, ich konnte spüren wie sich meine Finger in das warme, weiche Fleisch bohrten. Ich schleuderte mein Gegenüber zu Boden, kniete mich daneben, ich biss die Kehle des Menschen auf und begann gierig sein warmes Blut zu trinken. Dann stand ich auf, ich erkannte die alte Frau, die helfen wollte, sie war mir offenbar gefolgt... Meine grausige Tat war mir gar nicht bewusst. Ich machte mich weiter auf den Weg zu meiner Freundin.
...Mir wird bewusst wie ich aussehen muss, das Gesicht, alles voll Blut. Ich knie nieder, beginne mein Gesicht mit dem kalten Schnee zu reinigen. Ich steh wieder auf, läute an der Tür des Hauses, meine Freundin öffnet mir, blickt mich an, beginnt zu lächeln, ich kann ihre Zähne sehn, die langen Eckzähne. Wir umarmen uns stumm, im Bewusstsein Ausgestoßene geworden zu sein....