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Seniors
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26.10.2001
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Nun bin ich also hier.
Mein Herz rast, ich atme nocheinmal tief ein, bevor ich den Mut habe und die Klinke herunterdrücke.
Natürlich bin ich zu spät.
Ich bin immer zu spät.
Egal. Ich fühle mich sicherer so.
Als ich die Türe öffne, höre ich gerade das Gerumpel zurückgeschobener Stühle.

Alle sehen mich an.

Ich lasse meine schwarz gefärbten Haare nach vorne fallen, murmle eine Entschuldigung und folge dem Finger, welcher mir nach erfolgter Vorstellung als“der Neue aus Berlin“mit kurzer, bestimmter Geste einen Platz anweist.

Ich vibriere innerlich.
Werde ich es diesmal schaffen?
Verjage ich mich wieder selbst? Werde ich wieder verjagt, weil meine Andersartigkeit Ängste auslöst, weil mich keiner je begreifen, oder wirklich verstehen wird?
Welch Version erzähle ich diesmal?
Ich muß vorsichtig sein.
Alles was ich von mir gebe muß absolut Wasserdicht sein.
Ich muß mir selbst noch glauben können, dann ist alles ok.
Wen könnte ich wohl an mich heranlassen wollen, wer wäre es wert?
Wie kann ich mich absichern vor Verletzung und verlassenwerden, wenn nicht durch Lügen?
Dann werden nur meine Lügen verlassen, meine Maske beschädigt, nicht ich.

Meinen Kern sieht niemand, weil ich es nicht will.
Ich weiß, dass ich mich mit dem letzten Satz gerade wieder selbst belogen habe.
Natürlich will ich gefunden, erkannt, ernst genommen, gehalten, gefordert, geliebt werden.

Alles dreht sich.
Über dem leisen Getuschel zu mir hinfliegende Blicke streifen mich wie Sandkörner im Wind auf meiner Haut.
Ich wage es, erste Blicke zu erwidern.
Fragend, freundlich, abschätzend...Ich bin mir der Wirkung meines Lächelns und meiner Augen bewusst.

Der Raum ist schön. Licht, in einem klaren Blauton gehalten, hoch, weiße Dachbalken, hier möchte man seinen Geist fliegen lassen und ihm mit stiller Bewunderung nachsinnen, während er sich einer Lerche gleich, jubilierend in das lichte Blau emporschwingt.
Schön wäre er, dieser Raum, wenn er sich nicht in einer Schule befände.

Ich wünsche mir, endlich einmal anzukommen, bleiben dürfen, nicht mehr fliehen müssen, nicht mehr rastlos zu suchen....
Vielleicht sollte ich aufhören jemand anderes sein zu wollen...das wäre..... das ist meine Chance.

Wer wird mich begleiten, mich leiten wenn ich fehlgehe, wem werde ich mein Vertrauen schenken, wer schenkt mir seines, seine Zeit, seine Freundschaft, wer kann mich schützen, vor mir, vor der Welt ?

Nein, ich weiß noch nichts von alldem, was da demnächst auf mich zukommen wird.

Ich weiß noch nichts von der Wut die mich überfallen wird, wenn er mich vor allen anderen anbrüllt.Ich weiß noch nichts von der Axt in meinen Händen die sich
hebt und senkt, mir das Herz bersten will vor Wut, während mir das Blut durch die Ohren tobt, so dass ich kaum seine Entschuldigung vernehme.
Blind schlage ich auf den am Boden liegenden Baumstamm ein.
Verdammtes Praktikum.
Für was muß ich lernen wie man Bäume fällt?
Den hier bekomme ich klein.
Ich bekomme alles klein, bis auf meinen Stolz.

Der meint es doch nicht etwa ernst mit seiner Entschuldigung?
Ok, ich nehme sie wiederstrebend an.
Junge, Du weißt nicht, auf welchem Prüfstand Du dich nach dieser Entschuldigung befindest.
Ist mir scheißegal, ob Du mein Vater sein könntest.
Das macht es eh nur schwerer für uns beide.
Väter haben bei mir einen schweren Stand, aber das findest Du noch früh genug heraus.
Ich werde Dich testen, was Du so drauf hast..dann mal sehen.

Jetzt bin ich schon zwei Tage wieder zuhause.
Ich halte das dicke Buch über den Bau einer Kathedrale in meinen Händen, und frage mich, ob er es wohl wert ist, von mir als Freund anerkannt zu werden.Ob ich mich seiner Freundschaft wert erweise, ihn nicht aus Stolz verletze, ihn verjage wie schon so viele zuvor ??
Ich hoffe, es wird nicht so sein.
Ich werde versuchen, endlich alles anders,besser zu machen.
Ich glaube nicht mehr daran, noch viele Chancen zu bekommen.

Er aber hat mich erkannt, meine Verteidigung zerlöchert, ohne Kampf...ich fühle mich nicht mal bedroht von ihm..

Ich bin neu...nur hier in dieser Stadt?
Kann ich mich neu erschaffen?
Die Stimme in meinem Inneren sagt:....ja...

Ich bin neu...
Ich bin.
Ich.

17.05.02 AP

[ 19.05.2002, 18:09: Beitrag editiert von: Lord Arion ]

 

Hi Lord Arion,

habe gerade deine geschichte gelesen. ich fand sie richtig gut, sowie du die gefuehle und die denkweisse des protagonisten beschrieben hast. diese angst vor begegnung und vor dem sich zeigen wollen ist es was dieser arroganz und diesm "sind es die anderen wert.." zugrunde liegt. er treibt alle weg und will doch nichts mehr als sie an sich heranlassen zu koennen. klasse, schreib mehr in dieser richtung.

Gruss phil

 

Ich fand die Geschichte ebenfalls toll. Obwohl es in der Story kaum Handlung gibt, wird einem beim Lesen nicht langweilig, da du es verstanden hast die Gefühle vom Protagonisten so zu beschreiben, das sie den Leser ansprechen, aber nicht überfordern. Schön fand ich auch wie es dir gelungen ist den inneren Zwiespalt des Potagonisten herauszustellen.
Das was ich jedoch besser machen würde ist der Gebrauch von Absätzen, wenn ich eine Geschichte dieser Art schreibe, dann mache ich nach fast jedem Satz einen Absatz, da ich finde das das nicht nur ansprechender ist sondern auf den Leser mehr Direktheit ausstrahlt. Ein riesiger Textblock spricht meist nicht so an, als wenn man einen Satz vor Augen hat, bei dem es fast so scheint als ob der Protagonist einen selbst anspricht.
Wenn es dir gelingt das noch in deine Geschichte mit einzubauen, macht es auf den Leser einen noch tieferen Eindruck.
Aber trotzdem ist das alles in allem ein sehr gelungenes Werk.
:prost: :)

 

Hi Phil, hi Autor...
Is editiert..ich denke, jetzt ist es besser lesbar.
Danke einstweilen fürs Lesen..

Lord ;)

 

Hallo Lord Arion!

So richtig super wie meine Vorgänger fand ich die Story jetzt gar nicht, aber sie ist auch nicht schlecht.

Von Selbstzweifel und Arroganz hin- und hergerissen versucht der Protagonist, sein andersartiges Leben zu verbessern und ist der Meinung, dass er es schaffen kann.

Keine schlechte Idee.

Werde ich wieder verjagt, weil meine Andersartigkeit Ängste auslöst, weil mich keiner je begreifen, oder wirklich verstehen wird?
Was ich aber nicht richtig nachvollziehen kann, ist, warum der Protagonist andersartig ist und die anderen ihn nicht verstehen können.

Kann ich mich neu erschaffen?
Die Stimme in meinem Inneren sagt:....ja...
Ich denke mal, dass die Geschichte sagen möchte (was vor allem durch obigen Satz besonders hervorgeht), dass man sich jederzeit ändern und versuchen kann, Fehler in seinem Leben zu bereinigen, oder?

Was mir gut gefallen hat, ist das Ende, dieses "Ich bin. Ich." Es verleitet zum Nachdenken.

"Erwiedern" schreibt sich in der Mitte übrigens ohne "e".

Insgesamt eine durchschnittliche Geschichte, wie ich finde.

Viele Grüße, Michael

 

@Michael danke, ist verbessert...danke für die Kritik..du hast es ganz gut verstanden..Der Protagonist ist 15, kommt aus einer Großstadt in eine Kleinstadt, und ist entgegen der anderen Jungs sehr ruhig,hält nichts von Gockelstolzritualen und steht außerdem auf Gothic...alles klar ??

Lord ;)

[ 19.05.2002, 18:14: Beitrag editiert von: Lord Arion ]

 

Zitat:
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Original erstellt von Lord Arion:
@Michael danke, ist verbessert...danke für die Kritik..du hast es ganz gut verstanden..Der Protagonist ist 15, kommt aus einer Großstadt in eine Kleinstadt, und ist entgegen der anderen Jungs sehr ruhig,hält nichts von Gockelstolzritualen und steht außerdem auf Gothic...alles klar ??

Lord
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Gut aufgepasst, Lord...
Ich finde die Story einfach genial geschrieben... Ohne dabei gewesen zu sein hast du doch sehr gut nachvollziehen können, wie ich mich fühlte und was mir so durch den Kopf ging...
Nicht schlecht... nicht schlecht... ;)

Cell

[ 30.05.2002, 21:50: Beitrag editiert von: Cell ]

 

--->
Achja... ich bin inzwischen 16... nicht 15....

Cell

[ 30.05.2002, 21:52: Beitrag editiert von: Cell ]

 

ja - ja, lord, das ist wieder eine geschichte von dir, die uns kritker anlockt :D
der protagonist scheint schon eine menge erfahrung gesammelt zu haben. er macht sich viele gedanken. er lebt in seiner lügenwelt, weil er glaubt, dass es wichtiger ist, etwas zu sagen, wobei er die reaktionen seines umfeldes besser abschätzen kann, als sich "unkontrolliert" in die wahrheit zu verlieren.
faszinierenderweise sind wir alle so! wir überlegen uns IN DER REGEL, was wir unserem gegenüber mit welchen worten sagen. nicht selten bedienen wir uns einer lüge. was uns aber von dem protagonisten unterscheidet, ist die tiefe, die er benutzt! er lebt verschiede rollen, er probiert sie aus! er verändert seine darstellung und versucht sich entsprechend anzupassen.
na ja, du merkst schon - ich bin wieder in meinem element. das ist ein klares zeichen für die qualität deines werkes :-) als ich das las, konnte ich den protagonisten richtig fühlen!
am ende verlor sich das ganze etwas ins chaos. das war sicherlich beabsichtigt.
also lord - prima geschrieben :)
barde

 

@ barde
Danke für Deine aufmerksamen Worte, denn das sagt mir, dass ich mit dem, was ich rüberbringen wollte nicht die falschen Worte gefunden habe.

@cell

Ich bin sehr erleichtert, dass Du das, was, und wie ich es geschrieben habe sowohl verstehst, als auch nicht als Angriff auf Dich verstehen kannst.Es war tatsächlich kein Angriff, sondern eine Näherung..

danke, bis denn..
Arvid ;)

 

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