Neither Man nor Beast
Neither Man Nor Beast
Die Sonne schien warm vom Himmel herunter. Keine Wolke trübte den Sonntagnachmittag. Die Luft war erfüllt von Lachen und leiser Streichmusik. Am heutigen Tage war der Berliner Zoo besonders gut besucht.
"Wer bin ich? Was bin ich? Warum wurde ich erwählt?"
Die Musik nahm etwas an Lautstärke zu, ohne dabei die Zoobesucher zu belästigen. Ein verliebtes Pärchen bahnte sich Hand in Hand ihren Weg durch den Zoo.
"DU BIST MEIN WERKZEUG! ICH HABE DICH ALS MEINEN BOTEN ERWÄHLT. DU BIST MEIN BLUTIGER ENGEL DER VERGELTUNG!"
Seltsamerweise zog es nicht all zu viele Menschen in den zooeigenen Biergarten. Bis auf ganz wenige Ausnahmen waren die Bänke leer. Scheinbar hielten sich die meisten bei dem Pfingstkonzert auf, das ebenfalls im Zoo stattfand.
"Aber warum ich? Warum nicht einer Deiner Gläubigen Diener? Die Volkswaisen sprechen doch von der Armee des Lichts!"
Eine einzelne Frau saß abseits auf einer Bank im Biergarten, ihr Gesicht auf beide Hände gestützt; mit kaltem Blick musterte sie ihre Umgebung. Vor ihr auf dem Tisch ruhte eine Handtasche.
"Ich ertrage es nicht all das Böse in der Welt zu sehen! All die von Bosheit und Gier zerfressenen Körper. Nicht einer von ihnen ist rein."
Der Blick der Frau fiel auf das Pärchen, das gerade auf den Biergarten zuging. Einige Momente blieb ihr Blick auf ihnen haften, dann wandte sie sich ab.
"Selbst dieses Paar trägt schon den schwarzen Samen der Bosheit in sich. Es ist hoffnungslos! Was soll ich nur tun?"
Eine junge Mutter betrat mit ihrem kleinen Sohn den Biergarten. Lachend löste er sich aus der Hand seiner Mutter und lief laut quietschend durch die Bankreihen. Kopfschüttelnd und lächelnd nahm seine Mutter Platz.
"Das Böse lauert wie eine Krankheit unter uns. Es greift um sich. Jemand muss ihm Einhalt gebieten!"
Die alleinsitzende Frau betrachtete die junge Mutter eingehend. Auf einmal schob sich der kleine Junge in ihr Sichtfeld. Seine Augen leuchteten vor Freude. Laut kichernd streckte er ihr seine kleinen Patschhändchen entgegen.
"Auch dieses Kind ist nicht frei von Schuld. Ein schwarzer Schatten liegt bereits auf seiner Seele. Und erst diese Hexe, in Gestalt seiner Mutter. Die Welt ist verloren!!!"
Langsam griff die Frau nach ihrer Tasche.
VERZWEIFLE NICHT MEIN KIND! ES IST AN DIR DIE WELT ZU RETTEN! DU BIST MEIN WERKZEUG! BRINGE MEIN GLEIßENDES SCHWERT DER GERECHTIGKEIT UNTER DIE SÜNDER! FOLGE DEM HERRN!
Unsagbar langsam öffnete die Frau ihre Tasche. Sie spürte den vertrauten Stahl ihrer Waffe in ihrer Hand.
DIE STUNDE DES JÜNGSTEN GERICHTS IST NAH!
Ohne mit der Wimper zu zucken zog die nun traurig aussehende Frau den Abzug ihrer Waffe mehrmals durch. Blutüberströmt sanken die getroffenen Menschen zu Boden. Der kleine Junge schrie gequält auf; Blut rann aus seinem Mund und vermischte sich mit dem salzigen Naß seiner Tränen. Sein Körper wurde wie eine Marionette geschüttelt. Seine Mutter musste nicht so leiden. Eine Kugel hatte ihr Herz getroffen. Auch das Pärchen quälte sich nicht lange, der kleine Junge jedoch verbrachte die letzten 15 Minuten seines Lebens schreiend.
DU HAST GUT DARAN GETAN MIR ZU FOLGEN! DAS HIMMELREICH IST DIR SICHER!
Von schweren Heulkrämpfen geschüttelt verließ die Frau wieder einmal ungehindert ein von ihr verursachtes Blutbad. Vor ihr lag noch ein langerKampf.