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Nehmt euch ein Beispiel...

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06.02.2002
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Nehmt euch ein Beispiel...

„Nehmt euch ein Beispiel an diesem Mann“, riefen die Funktionäre.

„Was machst du da?“ fragte ihn das Volk auf der Straße.
Flammen zeichneten diabolische Fratzen auf sein Gesicht, doch er wirkte friedlich und zufrieden. „Ich verbrenne dieses Haus“, antwortete er ihnen stolz.

„Wir haben es befohlen, weil es das Beste für euch ist,“ riefen die Funktionäre dem Volk zu, und es blieb auf der Straße stehen und betrachtete mit offenen Mündern das Feuer. Nicht wenige Bürger klopften dem Mann anerkennend auf die Schulter und sagten:
„Durch deinen heldenhaften Einsatz bist ein leuchtendes Beispiel für uns alle!“
Der Mann nickte verlegen, aber mit geschwollener Brust; er lächelte, während er zusah, wie die Flammen sich durch das Gebäude fraßen.

Niemand musste fragen, warum er das Haus entzündet hatte, denn die Funktionäre riefen abermals: „Wir haben es befohlen, weil es das Beste für euch ist.“
Und nicht Wenige fühlten tatsächlich in diesem Moment Wärme und Geborgenheit und waren ihnen dankbar.

Niemand fragte, wem dieses Haus eigentlich gehört habe. Und so war der Mann nicht gezwungen, gegen den Lärm der Funktionäre anzusprechen und mit einem Lächeln zu erklären: „Es ist mein Eigenes.“

Immer mehr Menschen versammelten sich und beglückwünschten ihn, dass er sich so heldenhaft für ihr Bestes einsetze.

„Nehmt euch ein Beispiel an diesem Mann,“ riefen die Funktionäre.

 

Hey Steffen,

erinnert mich ein bisschen an Frederiks 'Bildnismaler'...im Prinzip enthält der Text eine klare Aussage... Oben wird angeordnet, unten ausgeführt...ob es Sinn macht oder nicht, ist nicht wichtig, nach dem Sinn wird nicht gefragt.

Allerdings... not enough meat on the bone, hat 'ne Lehrerin von mir immer gesagt...zu viele Fragen drängen sich auf...keiner der Beteiligten erhält in deinem Text eine individuelle Charakterisation, es gibt keinerlei Anspielungen auf ein Wo, Wann und Warum, keinerlei Gefühlsregung... selbst der Erzähler bleibt neutral, obwohl er auf mich wirkt, als wisse er selber nicht wirklich, worum es hier eigentlich geht... warum gibt es in Deinem Text kein wirkliches allwissendes Element?

Eine weitere Frage, die offenbleibt... nicht wenige, so schreibst du, stehen hinter denen, die anordnen, und dem, der ausführt... aber nicht alle... was ist mit dem Rest, egal wie klein dieser ist?

Sorry, aber auf mich wirkt der Text soweit noch wie eine Rohfassung. Vielleicht steht der Hauptgedanke, vielleicht steht er sogar ziemlich fest... aber das subtile Drumherum fehlt, dass, was beispielsweise mE eine KG von einer Parabel unterscheidet.

Was meinste?

Grüße,
San

 

Hi San,
schön, von dir zu hören. Danke für deine Kritik!

erinnert mich ein bisschen an Frederiks 'Bildnismaler'...im Prinzip enthält der Text eine klare Aussage... Oben wird angeordnet, unten ausgeführt...
:D Richtig... nur ob es "Sinn macht oder nicht", war mir schon wichtig. Dazu gleich...
not enough meat on the bone, hat 'ne Lehrerin von mir immer gesagt...zu viele Fragen drängen sich auf...keiner der Beteiligten erhält in deinem Text eine individuelle Charakterisation, es gibt keinerlei Anspielungen auf ein Wo, Wann und Warum, keinerlei Gefühlsregung...
Im Gegensatz zu Frederiks "Bildnismaler" ( die Parallele war mir gar nicht aufgefallen ) ist mein Ding extrem verdichtet, und die Figuren zu charakterisieren ist eigentlich überflüssig. "Keinerlei Gefühlsregung" ist aber auch nicht ganz richtig, finde ich.
Du kriegst die Antworten nicht geliefert, musst sie selber finden... schlimm?
aber das subtile Drumherum fehlt, dass, was beispielsweise mE eine KG von einer Parabel unterscheidet.
Jetzt hast du mich! Natürlich, ich hätte das "subtile Drumherum" liefern können, aber das Ding ist ´ne Parabel, deshalb ist sie so verdichtet, deshalb ist alles etwas universal gehalten. Ich war nur der Ansicht, dass Parabeln zur Kurzprosa gehören, und hab sie deshalb reingesetzt. Halte sie nämlich unter diesem Aspekt für gelungen. Außerdem gibt es eine recht schöne Wendung, finde ich, als auch eine Pointe, wie bei einer KG. Und hier kann ich mir ja sicher sein, dass es sachverständige Leute lesen... verzeiht mir, geehrte Mods.
... nicht wenige, so schreibst du, stehen hinter denen, die anordnen, und dem, der ausführt... aber nicht alle... was ist mit dem Rest, egal wie klein dieser ist?
Er steht mit ihnen auf der Straße ( da= das Volk ), meinetwegen auch "mit offenen Mündern", aber er verhält sich passiv, schweigt, gafft, traut sich nicht, heißt es nur insgeheim gut ( oder auch nicht! ) usw.
warum gibt es in Deinem Text kein wirkliches allwissendes Element?
Will den Leser nicht bei der Hand nehmen (s.o.), wollte damit erreichen, dass er sich durch eigene Überlegung eine Meinung / Sicht oder was auch immer bildet, sich damit auseinandersetzt.
Ganz in die Hose ist das ja schon nicht gegangen, du fragtest ja nach der Masse der Leute. Allerdings - sicher auch meine Schuld - darf man nicht sklavisch eine "reinrassige" KG erwarten, was sonst passiert, hab ich ja grad erfahren :eek1:
Also,
was meinste?

para

 

Hiya Steffen,

klar, als Parabel funktioniert's wohl so...da hält mich nur meine allgemeine Abneigung Parabeln gegenüber davon ab, den Text wirklich zu mögen...extrem subjektiv, I know ;)

Du kriegst die Antworten nicht geliefert, musst sie selber finden... schlimm?
Ganz im Gegenteil...aber in dem Text sind aufgrund seines universellen Charakters ja keine detaillierten Antworten zu finden...

Will den Leser nicht bei der Hand nehmen (s.o.), wollte damit erreichen, dass er sich durch eigene Überlegung eine Meinung / Sicht oder was auch immer bildet, sich damit auseinandersetzt.
Ein allwissender Erzähler nimmt den Leser nicht automatisch bei der Hand... das ist ja gerade die Kunst ;)

Mein Problem mit dem Text ist folgendes: Texte mit allgemeinem, universellen Charakter gibt es zu jedem Thema...bringen mich nicht mehr zum Nachdenken...ein origineller, einzigartiger Text mit gleichem Motiv und gleicher Intention aber eben einzigartig, authentisch, sowohl in der Verarbeitung der Thematik als auch in der Wahl der Stilmittel...der würde mich zum Reflektieren bringen, sogar zwingen, wenn er gut gemacht ist...

Klar geht der Text, so wie er jetzt hier steht, in Ordnung... aber er bewegt nicht, greift nicht, setzt sich nicht fest.

Just sayin'.
Grüße,
San

 

Hm.

klar, als Parabel funktioniert's wohl so...da hält mich nur meine allgemeine Abneigung Parabeln gegenüber davon ab, den Text wirklich zu mögen...extrem subjektiv, I know
Geht mir an sich genauso, es ist meine Erste gewesen ( und die Letzte? )
Ganz im Gegenteil...aber in dem Text sind aufgrund seines universellen Charakters ja keine detaillierten Antworten zu finden...
Da muss ich mich wehren... natürlich ist das Problem ausgreifend, so wie es sich auf ein wohlbekanntes und millionenfach vorhandenes Problem bezieht. Dass die Antwort, die du
gefunden hast, nicht detailiert ist, liegt wohl daran (?).
Ein allwissender Erzähler nimmt den Leser nicht automatisch bei der Hand... das ist ja gerade die Kunst
Hast recht.
Leider muss ich mir Zeit nehmen, eine KG draus zu spinnen, stehe kurz vor meinen Prüfungen und muss reinhauen ( zu faul gewesen )... falls du irgendwelche spontanen Einfälle für die "Verpackung" hast, wär ich dir natürlich dankbar.

:read: (fast) alles über Brecht,Funktionen und amerikanische Großstädte lernend, Steffen :read:

 

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