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Necrophil

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14.03.2003
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Necrophil

Lisa hatte ihren Bruder zeitlebens sehr geliebt. So war sie untröstlich, als er im Alter von dreiundzwanzig Jahren durch einen Autounfall starb. Da ihre Eltern bereits früh gestorben waren, lag es an ihr, der älteren Schwester, das Begräbnis zu organisieren. Zwei Tage nach dem Unglück betrat sie das Büro eines lokalen Bestattungsunternehmens. Obwohl das in Tränen aufgelöste Mädchen kaum in der Lage war, die notwendigen Formalitäten zu klären, fiel ihr doch bereits bei dieser Gelegenheit der dunkelhaarige junge Mann auf, der im Hintergrund an einem PC beschäftigt war, während sie mit dem alten Totengräber die Einzelheiten regelte (kirchliches Begräbnis, großer Grabstein, Beisetzung neben den Eltern, Aufschrift „Durch Gottes unergründlichen Beschluss usw“). Der schlanke Jüngling zog sofort ihre Aufmerksamkeit auf sich durch sein melancholisches, geheimnisvolles Gesicht, den ebenso unmodischen wie niedlichen Schnurrbart und den Blick, den er ihr zuwarf, als sie im Begriff war zu gehen, einen Blick, der tief in ihre Seele zu blicken schien, tiefer noch als ihre Seele überhaupt gründete, so schien es zumindest der leicht romantisch veranlagten Lisa.
Vier Tage später, bei der Beerdigung, sah sie ihn wieder, wie er zusammen mit dem Alten, eine lächerliche Schiebermütze in der Hand mit abwesendem Gesichtsausdruck der Zeremonie beiwohnte. Ihre Trauer um den geliebten Bruder hatte an diesem Tag ihren Höhepunkt erreicht, ja fast schon masochistische Größe angenommen und dennoch fiel ihr Blick mehr als nur einmal auf den seltsamen jungen Mann, der sie bald, was das Alter betraf, an den Verstorbenen, was die Gestalt, an einen Verflossenen erinnerte.

Sie nahm ihr Leben wieder auf, mehr schlecht als recht. Ihre Arbeit als Verkäuferin in einem Geschäft für Herrenmode hatte schon lange jeden Reiz verloren, jetzt aber, da ihr die einzige Person, die ihr in ihrem stetig trostloser werdenden Leben etwas bedeutet hatte, genommen worden war, wurde jeder Tag zur Qual. Sie focht nutzlose Streitigkeiten mit ihren eitlen Kolleginnen aus, zerstörte die wenigen oberflächlichen Freundschaften, die ihr geblieben waren, ja verlor gar beinahe ihren Job durch gedankenlose, beleidigende Bemerkungen gegenüber Kunden. Wie sie es stets in Krisenzeiten zu tun pflegte, flüchtete sie in die Fantasiewelten der Bücher, der Filme, der Musik. Doch auch diese Hilfsmittel nutzten sich dieses Mal schnell ab. Mit Schrecken bemerkte sie an sich bald erste Anzeichen einer Depression, einer Krankheit, vor der sie sich über alles fürchtete.
In diesem beklagenswerten Zustand befand sich Lisa, als an einem Vormittag im Herbst, mehr als drei Monate nach dem Tod ihres Bruders, der junge Mann aus dem Bestattungsinstitut das Modegeschäft betrat. Er wollte ein neues Hemd kaufen, hatte im Schaufenster bereits eines mit rot-weißen Karos entdeckt, welches sie ihm aber schnell ausredete. Kariert könne sie seinem Typ gar nicht empfehlen, er solle sich doch an die einfarbigen halten, da könne er nicht falsch liegen, sie hätte da ein weinrotes, das hervorragen mit seiner Haarfarbe harmoniere und so weiter. Er ließ sich gerne überreden und legte überhaupt eine derart charmante Schüchternheit an den Tag, dass sie ihn, ehe sie sich’s versah, schon zu einem Kaffee am selben Nachmittag eingeladen hatte, was er dankend annahm. Dies war nun gar nicht ihre Art und lässt darauf schließen, dass ihre Vereinsamung oder vielleicht eher die Angst vor einer Depression, bereits ein beachtliches Ausmaß erreicht hatte. Allerdings war dieser leicht skurile schlanke Jüngling auch ziemlich genau ihr Typ.
Mit gemischten Gefühlen begab sie sich einige Stunden später zu dem Rendevouz. Während sie einige Cappuchinos tranken, kam die anfangs etwas träge Unterhaltung stetig besser in Schwung. Er hieß Matthias, erfuhr sie, war vierundzwanzig Jahre alt und arbeitete, wie sie bereits vermutet hatte, als Assistent in einem Bestattungsinstitut. Auf die Frage, wieso er ausgerechnet diese zweifellos seltsame Beschäftigung gewählt habe, antwortete er mit einem kleinen Lächeln, jede Arbeit habe ihren eigenen Reiz. Sie unterhielten sich drei Stunden lang über dies und das. Matthias erwies sich als ein hochgebildeter, einfühlsamer, tiefsinniger Mann mit beeindruckendem Bücherwissen, was auf Lisa, die begeisterte Leserin, einen besonders starken Eindruck machte. Die Bücher freilich, die sie bisher vorgezogen hatte, wurden von ihm in der Luft zerrissen, als „Modeschund“ und „Trivialliteratur“ geschmäht, freilich ohne jede böse Absicht.
Sie sahen sich bald wieder. Eine völlig neue Welt eröffnete sich ihr, jeden Tag mehr, eine Welt voller Gedanken, Philosophien, Träume, im Mittelpunkt immer er, Matthias. Sie trafen sich nun mehrmals wöchentlich, er führte sie in bisher unbekannte Regionen des Geistes, sie las Bücher über Bücher und je weiter sie sich diesem Neuen öffnete, desto deutlicher spürte sie, dass ihr Leben endlich doch noch eine Wendung zum Guten nahm.
Doch wer war dieser Mann, dem sie dies verdankte, wer war dieser sonderbare Totengräber mit dem melancholischem Gesicht, der Worte fand, die sie am Stellen berührten, deren Existenz sie bisher nicht einmal erahnt hatte? Annäherungsversuche seinerseits blieben völlig aus und doch glaubte Lisa in manchem Blick, den er ihr zuwarf, ein sorgsam verborgenes Verlangen zu erkennen. Vielleicht nur eine Wunschvorstellung ihrerseits, wer weiß. Andererseits hatte er keinerlei feste Bindung (sie hatte ihn direkt darauf angesprochen), was war also sein Problem? Je genauer sie ihn kennen lernte, desto geheimnisvoller erschien ihr sein Charakter. War er schwul? Oder ein derart vergeistigter Mensch, dass er sexuelle Bindungen gar nicht benötigte? Oder lag es gar an ihr? Trotz ihrer stark ausgeprägten Selbstzweifel war sie sich über ihre körperlichen Vorzüge stets bewusst gewesen, dennoch war es wohl dieser letzte Gedanke, der sie dazu bewog, ihm nachzuspionieren.
Spätestens an diesem Punkt musste sie erkennen, dass sie sich ernsthaft in Matthias verliebt hatte und natürlich hätte sie ihm daraufhin genau dies auch gestehen sollen. Doch die Gedanken der Menschen sind verschroben, weshalb die Erkenntnis ihrer Liebe sie nur in ihrem Spionageplan bestärkte, da sie, wie sie sich einredete „nicht ins offene Messer laufen“ wollte.

Also begann sie damit, ihn nach Feierabend zu beobachten. Die ersten drei Tage konnte sie keine Besonderheiten feststellen. Ihr Zielobjekt verrichtete tagsüber seine Arbeit, danach fuhr es entweder in seine kleine Wohnung und las oder traf sich mit einer jungen Frau, die, wie Lisa immer wieder erfreut feststellte, überaus glücklich zu sein schien. Die ersten Nächte schlief Matthias allein zu hause oder die Beobachterin, die ihren Porsche unter einer Straßenlaterne geparkt hatte, vermutete dies zumindest.
In der vierten Nacht jedoch öffnete sich kurz vor Mitternacht seine Wohnungstür und er verließ das Haus zu Fuß. Lisa folgte ihm so unauffällig sie eben konnte durch einen Park, über mehrere Straßen bis er in einem kleinen Gebäude verschwand, in dem sie seinen Arbeitsplatz, das Bestattungsinstitut, erkannte. Dies war immerhin hinreichend geheimnisvoll, um das arme Mädchen davon zu überzeugen, dass ihre Spionageaktivität berechtigt gewesen war, doch nun musste sie diese auch konsequent zu Ende führen. Sie umkreiste das Haus mit der Aufschrift „Gruber Bestattungen“ mehrmals, sah allerdings alle Fenster durch schwere Vorhänge geschützt und wäre beinahe wieder auf die Strasse zurückgekehrt, hätte sie nicht auf der Rückseite des Gebäudes ein leises Geräusch, ähnlich dem Verrücken eines Stuhles vernommen. Nach genauerer Untersuchung entdeckte sie knapp über dem Boden ein kleines Kellerfenster aus undurchsichtigem Plexiglas, das einige Zentimeter weit geöffnet war.

Durch diesen Spalt blickte sie in den Aufbahrungsraum, der von einer Energiesparlampe spärlich beleuchtet wurde. Mitten im Zimmer lag eine offensichtlich tote junge Frau nackt auf einem metallenen Tisch. Der ebenfalls nackte Matthias beugte sich über sie, streichelte ihre vollen Brüste, liebkoste ihr langes, blondes Haar, küsste sie auf die Lippen, de Hals, den restlichen Körper.
Nun würde man wohl erwarten, dass Lisa erschrocken den Blick abwendet, halb von Sinnen nach Hause stolpert, den perversen Totengräber sofort aus ihrem Gedächtnis streicht und einen Rechtsanwalt heiratet. In der Tat schloss sie zuerst die Augen, bekämpfte den Drang, wild loszukreischen, setzte sich einige Minuten ins Gras, dann jedoch wendete sie sich wieder dem Geschehen in dem kleinen Raum zu, wo das Vorspiel, wie sie mit wachsender Erregung bemerkte, vorüber war. Beim Einbalsamieren werden die Muskeln der Verstorbenen einzeln gelockert, was geradezu unwahrscheinliche Möglichkeiten eröffnet, wovon sich eine im nassen Rasen kniende Herrenmodeverkäuferin in jener Nacht ausgiebig überzeugte.

Am nächsten Tag trafen sie sich wieder zum Kaffee. Lisa suchte an Matthias Anzeichen für die Geschehnisse der letzten Nacht, fand ihn jedoch unverändert, höchstens etwas aufmerksamer, freundlicher als an anderen Tagen.
Was aber bewog sie, den Kontakt aufrecht zu erhalten? Vielleicht bloße Neugierde, der Reiz des Außergewöhnlichen, möglicherweise ihre eigene Morbidität, schon immer latent, seit dem Tod ihres Bruders zunehmend akut, ganz sicher die Einsamkeit und die Angst, den einzigen Lichtblick in ihrem misslungenen Leben zu verlieren, jenen Mann auf den sie all ihre Hoffnungen gesetzt hatte und den sie nicht wegen einer solchen Lappalie aufgeben konnte. Jedenfalls behielt sie nicht nur die Verabredungen bei, die tiefsinnigen Gespräche, die oberflächlich betrachtet rein platonische Freundschaft sondern auch die nächtlichen Rendevouz im Bestattungsinstitut, wo sie beide, getrennt durch ein Plexiglasfenster, auf jeweils eigene Art Befriedigung erlangten. Diese Form der sexuellen Beziehung, die nur von einer Seite in ihrer vollen Tragweite durchschaut wurde, mag zwar abstoßend erscheinen, doch ist sie auch nicht abartiger als manche kirchlich abgesegnete Ehe und vielleicht hätten sich beide Seiten auf Dauer damit arrangieren können, ohne darüber hinaus gehende Bedürfnisse.
Zwei Monate lang lief dieses Verhältnis wie geschmiert, ein- bis zweimal pro Woche machten sich die beiden auf den Weg zu einer dritten, die sicher nichts dagegen einzuwenden hatte, mit ihrem entseelten Körper zwei einsame Menschen etwas glücklicher zu machen. Wenn sie sich am nächsten Tag mit Matthias traf, erschien es Lisa stets so, als läge über ihren Gesprächen eine geheime, unausgesprochene Übereinstimmung, stärker als alles was sie bisher erlebt hatte. Die Müdigkeit, die sie vormittags im Geschäft nach ihren nächtlichen Abenteuern überfiel war ein kleiner Preis, den zu zahlen sie gern bereit war.

Eines Tages jedoch eröffnete ihr Matthias, dass er vorhabe, in eine größere Stadt umzuziehen, um ein eigenes Beerdigungsinstitut zu übernehmen. ‚Da hast Du natürlich eine größere Auswahl’ hätte sie beinahe gebrüllt, doch sie hielt sich zurück, konnte ihn nicht aufgeben, musste nun doch den Schritt tun, den er nicht tun wollte und sie inzwischen fast auch nicht mehr, lud ihn also für denselben Abend in ihre Wohnung ein. Er nahm dankend an.
Nun hatte sie sich durchaus Gedanken gemacht über seine Veranlagung, über ihre eigene, über die Zukunft mit diesem Mann, über so vieles, das nun noch einmal durch ihren Kopf gegangen war während dem Abendessen bevor sie ihn später bei einem Glas Wein direkt ansprach.
„Matthias, ich möchte mit Dir zusammen sein. Ich möchte mit Dir schlafen.“
„Was? Das geht nicht. Du verstehst es nicht. Ich wollte, aber ich kann nicht. Das wäre nicht richtig.“
„Wieso? Andere tun es auch.“
„Das meine ich nicht. Ich kann nicht. Glaube mir, es ist besser so. Du weißt nicht alles über mich.“ Er wendete sein Gesicht ab.
„Das stimmt nicht“, entgegnete Lisa, sich an ihn schmiegend, „ich weiß alles.“
„Alles?“
„Ja, alles. Ich bin Dir gefolgt, ich habe zugeschaut. Nicht nur einmal.“
„Du hast ... was?“
„Ja, ich habe lange darüber nachgedacht. Zuerst war ich entsetzt. Aber jetzt ist es in Ordnung. Wirklich! Es gefällt mir, was ich gesehen habe.“
„Dir gefällt es? Und Du willst, dass ich jetzt mit Dir schlafe?“
„Natürlich! Ich will, dass Du so mit mir schläfst, wie Du mit den anderen geschlafen hast.“
„Genau so?“
„Ja. Ich liebe Dich.“
„Ich kann es nicht glauben. Gibt es wirklich so eine Frau?“
„Ja. Sie sitzt neben Dir.“

Sie nahm ihn an der Hand und führte ihn ins Schlafzimmer. Langsam zog sie ihre Kleider aus, legte sich aufs Bett.
Er sagte: „Ich komme gleich wieder“ und verließ das Zimmer.
Sie drehte sich auf den Bauch, schloss die Augen und war so glücklich wie noch nie in ihrem Leben. Sie dachte an die Nacht, die vor ihr lag, ihre erste echte Liebesnacht mit Matthias, an all die folgenden Nächte und an die Tage.
Doch tief in ihrem Inneren, weit entfernt von der Bewusstseinsgrenze wusste sie, dass ihr Liebhaber nicht den Raum verlassen hatte, um sich die Hände zu waschen. Sie wusste, er war in die Küche gegangen und würde mit einem scharfen Messer zurückkommen.
Und noch tiefer in ihrem Inneren freute sie sich auf das, was dann geschehen würde.

 

Hi,

Deine Geschichte hat es ja ganz schön in sich. :sconf: ;)
Ich finde sie recht interesant, aber einige Sachen sind mir aufgefallen.

(auch das erschien der verblendeten Lisa durchaus möglich)
Diese Einschübe hören sich mE Oberlehrerhaft an. :teach:
die Beobachterin, die ihren Porsche unter einer Straßenlaterne geparkt hatte,
Ist Drogenhandel ein Hobby von ihr, oder war ihr toter Bruder steinreich?
Sie wusste, er war in die Küche gegangen und würde mit einem scharfen Messer zurückkommen.Und noch tiefer in ihrem Inneren freute sie sich auf das, was dann geschehen würde.
Irgendwie glaube ich Ihr das nicht, vielleicht solltest du schon vorher schon mal erwähnen das sie lebensmüde ist.

Wuff

 

Hi Gaspode!
Danke für Deine Kritik. Die erste Stelle, die Du angesprochen hast, habe ich weggekürzt, da sie bei näherer Betrachtung tatsächlich etwas daneben ist.
Zu dem Porsche: das ist natürlich etwas unglaubwürdig aber ihr Bruder ist ja bei einem Autounfall ums Leben gekommen und ich will zeigen, dass Lisa (wie ihre ganze Familie) unter der harmlosen Oberfläche von einem aufregenden Leben träumt (und sich deshalb auch auf die Affäre einlässt).
Was den Schluss angeht: sie will sich nicht bewusst umbringen, ihre morbiden und suizidalen Gedanken sind nur unterbewusst.

 
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Hi peking,
willkommen in Horror! :baddevil:

Im Großen und Ganzen ist Deine Geschichte solide geschrieben, abgesehen von ein paar Kleinigkeiten bewegst Du Dich sicher durch die konfuse Welt von Rechtschreibung und Zeichensetzung:

als er im Alter von dreiundzwanzig durch einen
Eine der Kleinigkeiten, die mir während dem Lesen auffielen, ist hier z.B. das fehlende Wort "Jahren".
flüchtete sie in die Fantasiewelten der Bücher, der Filme der Musik.
Jau, u.a. fehlt hier ein Komma.

Ich denke, Du schreibst schon länger. Man kann bei Dir eine gewisse Routine feststellen. Allerdings fehlt es Dir meiner bescheidenen Meinung nach etwas an Innovation. Sprachlich gibt es z.B nichts auszusetzten, aber in dieser Beziehung sticht Deine Geschichte auch nicht unbedingt heraus; sie unterscheidet sich einfach nicht von anderen Stories.
Besonders aufgefallen sind mir auch Deine Figuren, sorry, aber da hast Du wirklich tief in die Klischeekiste gelangt. Z.B. der männliche Protagonist:

der dunkelhaarige junge Mann [...] Der schlanke Jüngling [...] melancholisches, geheimnisvolles Gesicht [...] einen Blick, der tief in ihre Seele zu blicken schien, tiefer noch als ihre Seele überhaupt gründete [...]
Diese Beschreibung habe ich ja nie zuvor gehört. :dozey: Der geheimnisvolle Totengräber, der sich in seiner Freizeit an Leichen vergeht, ist mitunter eine der typischen Gestalten in der Horrorliteratur. Und auch die junge Frau, die nach dem Verlust eines geliebten Menschen in tiefe Depressionen verfällt und dann durch eben solche Typen nie geahnte Vorlieben und somit das Leben neu entdeckt, ist abgelutscht.

Deine Geschichte ist übrigens auch wegen dem Thema, bzw. dessen Umsetzung, bei mir persönlich durchgefallen. Nicht weil mich Geschichten über Nekrophelie nicht interessieren, aber diese Einschübe des Erzählers fallen sehr unangenehm auf. Ich glaube, insgesamt treten drei von diesen stilistischen Brüchen auf, und besonders der eine beschäftigt mich:

Diese Form der sexuellen Beziehung, die nur von einer Seite in ihrer vollen Tragweite durchschaut wurde, mag zwar abstoßend erscheinen, doch ist sie auch nicht abartiger als manche kirchlich abgesegnete Ehe
Vielleicht könntest Du mir diesen Punkt näher erklären?
Ich weiß nicht, ob Du Dir darüber bewusst bist, dass diese Aussage sehr strange wirkt. Es klingt einfach danach, als ob das Deine persönliche Meinung ist und Du Nekrophelie gutheißt. Es liegt mir fern, Autoren solche Sachen zu unterstellen, aber weil Du das erzählerisch ganz anders darstellst, scheint mir hier fast die Hauptaussage der Geschichte zu liegen.
Daher empfehle ich Dir eine Überarbeitung, Du musst ja nicht unbedingt eine Kritik einbauen, schließlich sind wir in Horror, aber etwas distanziertere Äußerungen des Erzählers (oder gar keine) sind ratsam. Ich denke, es ist auch Dir lieber, wenn manche Passagen nicht mehr zweideutig oder mißverständlich sind.

Das hab ich ganz vergessen:
Wo siehst Du eigentlich den Horror dieser Geschichte? Wolltest Du den allein durch die sexuellen Vorlieben der Protagonisten aufbauen? Wenn ja, ist Dir dies in meinen Augen leider nicht gelungen. Es langt nicht, nur irgendeine schockiernde Neuigkeit einfließen zu lassen, um den Leser zu gruseln. Auch die letzte Wendung schockiert eingesessene Horrorleser nicht wirklich. Das wichtigste Element in dieser Literaturgattung ist Spannung, davon konnte ich hier leider nichts finden. Natürlich kommt es auch darauf an, ob Du Horror im Kopf oder nur Ekel erzeugen wolltest. Zweiteres wird meistens durch explizite Schilderugen erreicht, wobei ich Dir davon gerade bei diesem Thema, aber auch überhaupt, abraten möchte. Die Geschichte, die im Gedächtnis des Lesers bleibt, ist auf eine "leise" Art unheimlich.

 

Hallo Peking,

Nicht schlecht, über weite Strecken gut geschrieben. Die Dinge, die Bibliothekar beanstandet hat, sehe ich auch so, so dass ich mich hier nicht wiederholen möchte.

Beim Einbalsamieren werden die Muskeln der Verstorbenen einzeln gelockert, was geradezu unwahrscheinliche Möglichkeiten eröffnet, wovon sich eine im nassen Rasen kniende Herrenmodeverkäuferin in jener Nacht ausgiebig überzeugte.
> Was sind das für unwahrscheinliche Möglichkeiten?!

Sehr gefallen hat mir das nächtliche Nachspionieren der Verkäuferin, ohne dass sie all zu entsetzt ist, da sieht man auf welch fatale Art sie verliebt ist.
Ich hätte mir ein anderes Ende gewünscht, obwohl dieses natürlich funktioniert.

Vor ein paar Jahren gab es im Kino mal eine Nekrophilie-Liebesgeschichte ziemlich schräger Film, ohne Geschmacklosigkeiten, Titel ist mir entfallen, irgendwas mit "kissed".

Pe

 

Danke für Eure ausführlichen Kritiken. Ich schreibe in der Tat noch nicht allzu lang, die Routine kommt höchstens von Schulaufsätzen und ähnlichem.
Ich wollte mit dieser Geschichte sicher kein Plädoyer für Necrophilie halten, nichts läge mir ferner, aber immerhin ist es an sich nichts, womit man anderen Menschen wehtut, was man ja nicht von jeder Form der Beziehung sagen kann. Ob die Geschichte thematisch ganz zu Horror passt, kann ich nicht sagen, aber wohin sonst?
Die Figuren (vor allem der Mann) sind natürlich sehr klischeehaft, das gebe ich zu. Hoffentlich mache ich das beim nächsten Versuch besser.
Was die unwahrscheinlichen Möglichkeiten angeht, die petdays angesprochen hat, so bin ich natürlich auf Spekulationen angewiesen. Da ich aber Medizin studiere weiß ich aus dem Prepkurt, dass das mit dem Einbalsamieren schon stimmt und dann passive Beweglichkeit noch vorhanden ist, aktive jedoch nicht mehr.

 

Ich wollte mit dieser Geschichte sicher kein Plädoyer für Necrophilie halten, nichts läge mir ferner, aber immerhin ist es an sich nichts, womit man anderen Menschen wehtut, was man ja nicht von jeder Form der Beziehung sagen kann.
Hm, wirklich schlimm findest Du das scheinbar nicht, oder? Vielleicht auch daher das scheinbare Gutheißen.

Allerdings hast Du hier einen dicken Denkfehler, Nekrophelie kannst Du einfach nicht mit Beziehungen vergleichen; eine Beziehung beruht auf Gegenseitigkeit, auf Geben und Nehmen und vielem mehr. Und all das findest Du bei Nekrophelie nicht, da wird ohne Rücksicht auf Verluste ganz egoistisch das eigene Bedürfnis vorangestellt; solange man Befriedigung erhält, ist es egal, dass man einen Körper mißbraucht, Hinterbliebene verletzt, etc. pp. Als Mediziner wirst Du sicher rationaler über Leichen denken wie ich, aber für mich sind das eben keine Fleischhaufen oder Dinge, über die man frei verfügen kann.

 

Wie bereits gesagt, liegt es mir fern, Necrophilie zu verteidigen und wenn eine mir nahestehende Person nach ihrem Tod missbraucht würde, wäre ich wahrscheinlich genauso schockiert wie jeder andere. Trotzdem denke ich, dass man so etwas nicht mit pädophilen Praktiken oder auch Vergewaltigungen gleichsetzen kann, da es objektiv niemandem weh tut. Das solche Dinge religiöse oder moralische Ablehnung hervorrufen, ist eine ganz andere Sache.
Ich denke, damit können wir das Thema begraben (oh je)

 

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