Ne Wintergeschichte
Manchmal könnte ich weinen, wenn es draußen leise schneit. Oder regnet, oder hagelt – ist doch egal.
Wenn die graue Welt graue Worte murmelt und ich allein hier sitze, dann könnte ich leise weinen.
Denke - denke viel zu viel und viel zu oft. Gedanken legen schwere Steine auf meinen Kopf. Will mich ausruhen von dem ganzen die Gedanken durch die rote Luft wandern lassen, will nur meinen Gott verdammten Frieden haben – sonst doch nichts – und den Schnee draußen leise fallen hören. Meine Gedanken verwehen lassen – von einem lieben Wind will ich getragen werden und ich will fliegen, hinauf zu den Wolken, sie, die weiße, dichte Wolle pflücken, aus ihr ein weiches Kissen für meinen schweren Kopf stopfen.
Will nur das Eine, mehr auch nicht, Flügel will ich haben – so elegante – und meinen Verstand im Computer langsam runterfahren und ihn verfließen lassen in dem Fass voll Rum.
Dann könnt ich den Schnee leise fallen hören – in eine weiße Winternacht fallen sanft warme Träume nieder, die von Kinderhänden zu Schneemännern aufgetürmt werden, welche dann da herrisch, friedlich, nett im Vorgarten den Frühling fürchten.
Kann aber nicht fliegen, ich spüre:
ich klebe hier unten an der Erde fest und kann nicht wegkommen aus dem ganzen harten Lärm hier oben in meinem Kopf. Vor lauter Lärm bin ich taub geworden für den Schnee und bin matter, als die tote Fliege da auf dem Fensterbrett. Die wollte wohl auch den weißen Schnee da draußen auf dem grauen Pflaster liegen sehen – die Arme wollt durchs Fenster sehn. Gestern hat sie noch fröhlich oder traurig rumgesummt – heut nervt sie mich nicht mehr.
Vielleicht hat sie ja das Weiß da draußen gesehen, ist vor lauter Glück abgesoffen im Whiskey, den ich sauf um mir trunken Flügel – so elegante – zu konstruieren.
Oh, liebe Flasche Rum, guter Freund, ich mach dich auf und trink dich aus – dann flattere ich ein bisschen herum und schau mal hier und schau mal da, werd irgendwann wieder niedersinken und mich in eine tiefe, schwarze Leere tunken lassen.
Oh, liebe Flasche Rum, guter Freund, Zug für Zug werd ich endlich dumm, ein Esel, der durch den Schnee rumrennt.
Noch ein bisschen, komm, noch ein bisschen geht noch, sei nicht so – och, schon leer und im Keller ist auch nichts mehr.
Ach Scheiße! Nicht betrunken, noch nicht mal leicht torkelnd, ach Mist! Und es ist schon fünf Uhr, der Tag gähnt schon – wie kann ich jetzt nicht lallend durch die Straßen stolpern? Nachmittags um Fünf!
Oh, verdammter Rum, verdammter Whiskey! Was geht ihr leer? Jetzt muss ich da auch noch raus, ne wirklich, und da draußen schneits natürlich – echt wunderbar! Toller Scherz! Wisst ihr beiden Doofköppe denn nicht, wie kalt es da draußen ist? Und die dummen Menschen – kann doch nicht nüchtern ins Plus reinwanken, was soll man da nur von mir denken?
Dann könnt ich mich im Schaufenster auch noch spiegeln und mich sehn – och nö! Verdammter Alkohol, was gehst du aus? Draußen ist es so bitter kalt – keiner da, der mich jetzt von Innen meine löchrige Seele wärmt! Wat für ein scheiß Zeugs, ehrlich ey, wat für ein scheiß Zeugs!