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Nausikaa

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15.06.2016
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Nausikaa

Manchmal, in stürmischen Nächten, wenn der Westwind das Meer mit Gewalt an die Felsen drückt, liege ich wach und lausche. Während die Brandung unterhalb meiner Hütte hämmert, als wolle sie ein Stück aus der Insel heraus meißeln, und ich darauf warte, dass der Sturm meine halbzerfallene Behausung von den Klippen fegt, gleiten meine Gedanken zurück zu dem Fremden, den uns der Westwind vor mehr als dreißig Jahren in einer ähnlichen Nacht vor die Füße spülte.

Ich war damals noch ein Kind, vierzehnjährig, alt genug, um die Wäscherinnen an die Flussmündung zu begleiten, aber noch so kindisch, dass ich unter die Ladung schmutzigen Leinens einen Ball schmuggeln musste. Dann, als wir alle darauf warteten, dass die Wäsche trocknete, trotzte ich den Mägden ein Fangspiel ab. Wir liefen den Strand auf und ab und warfen uns den Ball zu. Fing eine ihn nicht, musste sie den Namen ihres Liebsten rufen. Ich achtete darauf, den Ball zu fangen, weil es für mich nichts zu rufen gab.
Später lobten sie meinen Mut, da ich nicht kreischend fortrannte wie die anderen Frauen, als der Fremde, nur mit einem belaubten Zweig dürftig verhüllt und halb mit Schlick bedeckt, durch das Unterholz brach. Aber es war weniger Mut als vielmehr eine seltsame Faszination, die mich wie angewurzelt an meinem Platz hielt. Trotz des erbärmlichen Zustands, in dem er sich befand, zerzaust, verdreckt und völlig erschöpft, erschien mir dieser Mann keinesfalls als das Ungeheuer, für das ihn meine Gefährtinnen hielten. Er war schön, in einer Art, wie ich es weder von den Kriegern am Hofe meines Vaters kannte noch von den Priestern, mit denen sich meine Mutter ständig besprach. Er ließ sich in einiger Entfernung von mir auf die Knie fallen und rief mir etwas von einem Schiffbruch zu, den er erlitten habe. Dann fragte er nach dem Namen unserer Insel.
Ich reckte mich zur vollen Länge meiner vierzehn Jahre und antwortete so hoheitsvoll wie möglich „Du bist auf Scheria, Fremder, und sprichst mit Nausikaa, der Tochter Alkinoos’, des Königs der Phäaken.“ Nach seinem Namen zu fragen vergaß ich, weil mittlerweile die Wäscherinnen zurückgekommen waren und uns tuschelnd und kichernd umstanden. Ich ließ ihm Kleidung bringen – frische Wäsche hatten wir reichlich – und gab ihm von unserem Proviant zu essen. Und während er ausgehungert aß, konnte ich mich nicht satt sehen: Ich war ein Kind.

Er durfte uns auf unserem Heimweg begleiten, aber wir ließen ihn am Rand des Wäldchens zurück, von wo wir den Blick auf den weiß schimmernden Palastkomplex inmitten blühender Gärten genossen. Da war ich zuhause, aber wie mir meine Begleiterinnen zugeraunt hatten, war es unmöglich, ihn bis dorthin mitzunehmen, ohne dass sich die Stadtbewohner die Mäuler zerrissen hätten. Also beschrieb ich ihm nur den Weg durch die Stadt und die ungefähre Lage des Teils des Palastes, in dem sich meine Eltern in den frühen Nachmittagsstunden aufzuhalten pflegten; dann trennten wir uns.

Den weiteren Tag verbrachte ich damit, mit den anderen Frauen die Wäsche zu sortieren, auf Löcher und eingerissene Nähte zu prüfen, zu flicken, zu pressen, zu falten und vor mich hin zu träumen. Der Duft von frisch gereinigtem Leinen durchzog den Raum und versetzte alle in Hochstimmung. Einige summten leise vor sich hin, alle anderen redeten über das, was am Strand geschehen war. Ein ums andere Mal stieß mich Melete, das Dienstmädchen, das mir am nächsten stand, an und wollte mich in das Gespräch ziehen, aber ich antwortete nur einsilbig. Mein Herz sang - in einer Lautstärke, die alle anderen Geräusche übertönte und auslöschte.
Es fing bereits an zu dämmern und die Frauen, die flickten, rückten immer näher ans Fenster, um das letzte Tageslicht auszunutzen, als ein Raunen durch den Raum ging und die Gespräche verstummten: meine Mutter war eingetreten. Sie stand im Türrahmen, die Hände lose vor dem Schoss, und rief in das angebrochene Schweigen nur halblaut meinen Namen. Sie war es nicht gewohnt, zweimal zu rufen. Ich drückte Melete, der ich beim Zusammenfalten geholfen hatte, meinen Teil des Lakens in die Hand und ging in Richtung der Tür. Meine Mutter drehte sich um und bedeutete mir, ihr zu folgen. Wir blieben einige Schritte weiter stehen, außer Hörweite der dort Beschäftigten.
Meine Mutter lächelte. „Du hast heute eine Bekanntschaft gemacht“, sagte sie. Ich wurde rot und setzte zu sprechen an, aber sie hob die Hand. „Er war diskret genug, dich nicht zu erwähnen, bevor wir allein mit ihm waren und ihn ausdrücklich darauf ansprachen.“
„Woher …?“, setzte ich an und sie lachte.
„Er trug Kleider deines Bruders, die du zum Waschen mitgenommen hattest. Glaubst du, ich erkenne meine eigene Stickerei nicht?“ Dann fuhr sie sehr viel ernster fort: „Dein Vater hat sich jetzt seiner angenommen. Er hält es für ausgeschlossen, einem Schiffbrüchigen die Gastfreundschaft zu versagen, auch wenn Euthanoos“, sie lächelte wieder, diesmal unbewusst, wie sie es immer tat, wenn sie über den Hohepriester sprach, „Schiffbrüchige grundsätzlich für Feinde Poseidons hält. Wie dem auch sei: ich wünsche ausdrücklich, dass du dich von unserem Gast fernhältst. Wenn ihm Kleider geschenkt werden mussten, hast du sicher mehr von ihm gesehen als nötig. Ich erwarte also von dir, dass du, solange er unter uns weilt, die Frauengemächer nicht verlässt."
Ich senkte den Kopf und nickte, nach außen gehorsam, im Herzen widerwillig. Meine Mutter legte nur noch kurz ihre Hand auf meinen Scheitel und verließ mich in Richtung des Hauptgebäudes. Ich blieb zurück, sah zu, wie die Abendschatten die Wand vor mir erklommen und rührte mich erst von der Stelle, als Melete aus der Tür zum Wäscheraum mehrmals nach mir rief.

Der nächste Tag sollte ein Festtag zu Ehren des Gastes sein. Entsprechend groß war die Aufregung und Geschäftigkeit, die jeden im Palast gepackt hatte. Für mich war allerdings keine Tätigkeit vorgesehen und ich war zu keiner Belustigung geladen. Meine fünf Brüder, die mich am Morgen besuchten, erzählten mit leuchtenden Augen von den Spielen, die vom späten Vormittag bis zum Abend stattfinden sollten, und in welchen Wettkämpfen sie antreten durften. So hatte ich wenigstens ein bisschen zu tun, weil dem einen am Festgewand eine Naht aufgegangen, dem anderen das vom älteren Bruder übernommene Sportzeug gekürzt werden musste. Aber dennoch blieben lange Pausen, in denen ich nur still dasaß und sehnsüchtig und neidisch auf die Mägde starrte, die von Zeit zu Zeit erhitzt und erschöpft vom Heranschaffen, Auftragen und Forträumen zurückkehrten. Wie gerne hätte ich mit ihnen getauscht.
Eine Gelegenheit dazu bot sich erst am frühen Abend, kurz bevor das Festmahl beginnen sollte, als eines der Küchenmädchen, Achilina, eine kräftige, grobschlächtige Frau, sich weigerte, den Dienst wiederaufzunehmen, weil sie krank sei. Jemand musste in der Küche Bescheid geben und ich bot mich sogleich dazu an, um einen Vorwand zu haben, trotz ausdrücklichem Verbot nun doch einem gewissen Fremden über den Weg laufen zu können.
Des Ärgers wohl gewahr, der mich erwartete, sollte meine Mutter mich sehen, schlich ich durch die Gänge, wich jedem Schrittgeräusch sorgsam aus und hütete dabei wie einen kostbaren Schatz in Gedanken alles, was ich von unserem geheimnisvollen Gast in Erfahrung hatte bringen können. Viel war es nicht. Seinen Namen konnte mir immer noch niemand verraten, seine Herkunft war völlig unbekannt, obwohl mein Vater – so erzählten es die Aufwärterinnen, die am Vortag in der großen Halle Dienst getan hatten – ihm zugesagt hatte, ihn heimbringen zu lassen. Irgendwann würde der Zielort dieser Reise bekannt werden müssen, um den Kurs und die nötige Proviantierung festlegen zu können. Hier hieß es also nur zu warten. Währenddessen hatte ich an Informationen gesammelt, was ich bekommen konnte, ohne nach außen allzu viel Interesse zu zeigen. Da die Dienerinnen über nichts anderes redeten, wusste ich bald, ohne groß nachzufragen, wo er untergebracht war, was er gefrühstückt hatte, welche Kleidung er trug und vieles mehr, von dem ich heute nicht mehr sagen kann, warum es mich überhaupt interessierte.
Meine Brüder, die mich aus Mitleid oder, um vor mir anzugeben, während des ganzen Tages immer wieder aufgesucht hatten, wussten von der Wurfkraft und Treffsicherheit des Fremden beim Scheibenwurf zu berichten. Insbesondere Laodamas, der älteste, schwärmte von der Besonnenheit und Würde, mit der unser Gast die Provokation der jungen Leute hingenommen hatte und sich nicht zu schade gewesen war, seine Sportlichkeit unter Beweis zu stellen. Dass er dabei als Sieger hervorgegangen war, war für mich so selbstverständlich, dass ich nicht einmal nachgefragt hatte.
Je näher ich meinem Ziel kam, desto voller wurden die Gänge und desto weniger war es möglich, ungesehen zu bleiben, aber ich blieb unbemerkt und unbeachtet. Selbst die Palastwachen hatten alle Wachsamkeit abgelegt und waren schon leicht angetrunken, da sie jede Dienerin, die sie mit einem Weinkrug passieren wollte, festhielten, zwickten und erst von ihr abließen, wenn ihnen ein Schluck aus dem Krug gestattet wurde. Die Dienerinnen quittierten diese Attacken meist mit indigniertem Protest, oftmals aber auch mit einem wohl gelaunten Scherzwort. Niemand schien sich an dieser Pflichtvergessenheit zu stören, alle Vorgesetzten waren entweder bei den Feierlichkeiten auf dem Marktplatz oder in Erwartung der Ehrengäste in der Festhalle versammelt.
Meine Hände waren feucht, mein Mund trocken, als anschwellende Tanzmusik die Ankunft der Prozession ankündigte. Allen voran schritten meine Eltern, so tief im Gespräch miteinander vertieft, dass sie mich tatsächlich übersahen. Dann kam er. Ich nahm allen Mut zusammen und trat einen Schritt vor. Da die Musikanten mit ihren Auloi und Kitharas und die Tänzerinnen mit ihren ausladenden Bewegungen am nicht allzu breiten Eingang zur Halle einen Stau verursachten, war die Prozession kurz ins Stocken geraten und diese Gelegenheit nutzte ich, um ihn eingehend zu mustern. Er war kleiner, als ich ihn in Erinnerung hatte, sein Bart war nun gestutzt, das lange Haar fiel sauber gekämmt seinen Rücken hinunter, er trug ein Gewand meines Vaters und ein ebenfalls geliehener Umhang war mit goldenen Schnallen an seiner linken Schulter festgemacht. Der hinter ihm schreitende blinde Sänger Demodokes, dem der plötzliche Stillstand verborgen geblieben war, stieß ihn mit seiner Leier leicht am Rücken an, was den Fremden aus seiner Versunkenheit riss. Er hob den Kopf, sah mich und lächelte nach einigem Zögern. Ich war mir nicht einmal sicher, ob er mich überhaupt wiedererkannte, also stieß ich mit brennenden Wangen hervor: „Ich hoffe, du wirst dich an mich erinnern, wenn du wieder zu Hause bist, schließlich habe ich dir ja gewissermaßen das Leben gerettet.“
Er zwinkerte. „Nausikaa“, sagte er, „wie könnte ich dich vergessen?“ Er hatte sich meinen Namen gemerkt!

Als ich eiligst zurück zu den Frauengemächern huschte, war jeder zweite meiner Schritte ein Hüpfer. Und mit meinem Kopf war ich so in den Wolken, dass ich nicht acht gab, wer mir entgegenkam. So stieß ich mit Euthanoos zusammen. Er war, so erfuhr ich später, der Volksversammlung auf dem Marktplatz aus Protest ferngeblieben, wollte es sich aber nicht nehmen lassen, am Gelage teilzunehmen und hastete aus diesem Grund ebenso unaufmerksam durch den Palast wie ich.
Er wusste sicher von meinem Hausarrest, unzweifelhaft hatte meine Mutter sich mit ihrem engsten Vertrauten darüber beraten. Ich stammelte die Ausrede von der wichtigen Botschaft für die Küche, was ihn für den Augenblick dazu brachte, von mir abzulassen und mir den freundlichen Rat zu erteilen, ohne weiteren Verzug in meine Kammer zurückzukehren. „Deine Mutter wird sich freuen, von deinem Pflichtbewusstsein zu hören“, sagte er und ich verstand die Drohung, die in seinen Worten lag.

So hatte ich gleich zwei Gründe, nicht schlafen zu können: meine kindische Schwärmerei für einen Mann, von dem ich nach wie vor nichts wusste, und die nicht minder kindische Angst vor den Folgen meines Ungehorsams. Das Fenster meiner ebenerdigen Kammer zeigte aufs Meer hinaus oder besser gesagt auf die Gartenanlagen, die auf einer Seite von der Palastmauer, von der anderen Seite vom Strand eingegrenzt waren. Und nachdem ich sehr lange am Fenster gestanden und dem Meeresrauschen gelauscht hatte, packte mich ein wilder Trotz. Mehr als bestrafen können sie mich nicht, dachte ich, schwang mich im Nachtgewand durch die Öffnung und ließ mich dann vorsichtig an der Mauer hinab. Es war schon sehr spät, die Musik in der Festhalle war verstummt, der vom Mond beleuchtete Garten war menschenleer. Ich wollte ans Meer, auf das Wasser sehen, das ihn gebracht hatte und wieder forttragen würde.
Vor den Mond hatte sich eine Wolke geschoben, aber ich kannte die Unebenheiten des Bodens, wo der Garten in den Strand mündete, sodass ich, obwohl ich in der Dunkelheit kaum mehr als Schemen erkennen konnte, sicheren Schrittes zum Wasser hinunterging. Umso mehr erschrak ich, als plötzlich ein dunkler Umriss vor mir sich bewegte und mir entgegen sprang. Zur gleichen Zeit brach das Mondlicht zwischen den Wolken hervor, und ich sah die Klinge eines Dolches knapp vor meiner Kehle aufblitzen. Ich schrie nicht, wagte es nicht, mich zu rühren. Vielleicht schloss ich auch die Augen, ich erinnere mich nicht mehr. Irgendwann muss ich sie auf jeden Fall wieder geöffnet haben, denn ich sah wie die Klinge nach unten wegrutschte und in den Boden vor meinen Füßen gestoßen wurde. Als ich an den Beinen des Mannes vor mir hochsah, blickte ich in die dunkelbraunen, fast schwarzen Augen des Fremden. Er musterte mich weniger besorgt oder entschuldigend als vielmehr ärgerlich.
„Nausikaa? Was tust du hier?“, fragte er. „Bist du verrückt, dich so anzuschleichen? Ich hätte dich töten können.“ Dann wandte er sich bitter lachend ab und hockte sich wieder auf den Sand. „Kommst du etwa auch, um eine Geschichte zu hören? Ihr seid alle wild auf Geschichten, ihr Phäaken, nicht wahr?“, murmelte er. Ich antwortete nicht und blieb stehen, da er wieder den Knauf des nun halbvergrabenen Messers mit einer Hand umfasste. Er sah mich kurz über die Schulter an und nickte dann stumm eine Einladung, mich neben ihn zu setzen. Die nahm ich an und versuchte dabei, das Zittern in meinen Knien so gut es ging zu verbergen. Dann starrten wir beide eine Weile aufs Meer hinaus.
„Kannst du auch nicht schlafen? Vermisst du dein Zuhause?“ wagte ich schließlich leise zu fragen. Und dann neugierig: „Ist es weit bis dahin?“
Er schwieg. „Sie sind alle tot“, sagte er unvermittelt, als ich schon aufgehört hatte, mit einer Antwort zu rechnen. „Alle, die mit mir aus Ithaka ausfuhren. Ich habe keinen zurückgebracht. Wie kann ich dann selbst zurück? Was soll ich ihren Müttern, Bräuten, Kindern erzählen? Geschichten? Meine Heldentaten?“ Wieder das bittere Lachen. Dann wandte er sich mir heftig zu und ich konnte in seinem Gesicht nur das Weiß in seinen Augen und seine Zähne erkennen. „Ich will dir eine Geschichte erzählen, kleine Phäakin, meine größte Heldentat. Nicht einmal dein Vater und sein ganzer Hofstaat wissen davon. Denen habe ich viel erzählt heute Nacht, aber nicht alles, nicht das.
Denk dir eine Stadt wie die eure, aber umgeben von Weizenfeldern, schön, stolz, reich, und dann stell sie dir brennend vor. Die Flammen verzehren schon die Unterstadt, Winde tosen heiß, Menschen schreien, flüchten, werden niedergemacht, trampeln sich gegenseitig nieder, aber die Zitadelle steht noch, da muss ich hinauf. Die Stufen sind schlüpfrig vom Blut, es klebt bis in Mannshöhe an den Wänden. Wer von den Verteidigern überhaupt noch lebt, wälzt sich stöhnend darin. Wir stechen nieder, was sich rührt, es ist nicht mehr viel. In den dunkelsten Ecken kreischen Frauen, keuchen Männer stoßweise, du willst nicht wissen, was da geschieht, ich werde nicht darüber sprechen. Ich nehme eine Gruppe meiner Leute immer weiter hinauf, wir stoßen kaum auf Widerstand, Aias und Diomedes waren vor uns da. Aber sie haben nicht gesucht, was ich suche. Was ich finden muss, damit es ein Ende hat, damit es in zwanzig Jahren nicht wieder aufs Neue beginnt.“
Er hielt inne, atmete tief durch. „Ich wollte nicht mit, weißt du. Ich wollte den Ruhm nicht und nicht die Beute, sollten sie mich für wahnsinnig halten, dass mir der Felsbrocken, den ich mein Königreich nenne, und die paar Ziegen darauf wichtiger waren, aber sie glaubten mir den Wahnsinn nicht, den ich ihnen vorspielte. Sie lachten, als sie mich durchschauten. Sie hielten es für einen Scherz. Und ich spielte mit und ließ sie mich mitzerren. Manchmal wird man aus Feigheit zum Helden.“
Während er sprach, hatte er den Dolch aus dem Boden gezogen und damit gedankenverloren Zeichen in den felsigen Untergrund geritzt.
„Und dann“, fuhr er fort, „saß ich zehn Jahre vor dieser Stadt und sah meinen Leuten beim Verrecken zu. Und glaub mir, die meisten starben nicht im Kampf vor Troja. Und die wenigsten davon als Helden. Sie wurden einfach niedergemacht, weil sie nicht schnell genug rannten, keine Streitwagen hatten und ihre Wämse aus Leder und die Schilde nur aus Holz waren. Andere gingen an Krankheiten ein in der sumpfigen Kloake, die wir Lager nannten. Und am Hunger, in jedem Winter, wenn die Winde uns am Auslaufen hinderten und wir keine Beute machen konnten. Oder sie starben in Scharmützeln mit Leuten, die uns nichts Schlimmeres getan hatten, als in der Nähe zu wohnen und noch etwas zu besitzen, das wir brauchen konnten. Dieser lausige Krieg machte Raubmörder aus meinen Männern, Viehdiebe, Piraten. Und lass mir dir erzählen, was er aus mir machte.“
Er verstummte. Unweit der Stelle, an der wir saßen, kämpfte sich eine Krabbe an Land. Während ich darauf wartete, dass er weitererzählte, beobachtete ich das Tier, wie es quälend langsam den gepanzerten Leib in unsere Richtung schob.
Schließlich redete er wieder: „Denn ich finde, was ich suche. Eine Frau und ihr Kind. Sie sind bis an den Rand der Zitadelle geflüchtet, da, wo die Mauer viele Seilmaße über der Unterstadt aufragt. Ich sage den Männern, sie sollen die Frau festhalten und mir das Kind bringen. Ich halte das Kind und ziehe mein Schwert. Die Frau schreit wie ein Tier, vielleicht auch, weil jetzt einer meiner Männer auf ihr liegt. Das Kind ist still. Es ist ein Junge, nicht viel älter als ein Jahr, nicht viel jünger als mein eigener Sohn es war, als ich ihn zurücklassen musste. Es sieht mit großen Augen auf meinen Brustschild, in dem sich die Flammen, die in der Unterstadt lodern, rot schimmernd widerspiegeln. Und ich halte das Schwert, bis meine Faust verkrampft, und schaffe es nicht, es zu heben. Aber ich weiß, der Junge, den ich halte, der jetzt mit seinen kleinen Händen nach dem Widerschein der Flammen hascht, ist der künftige Herrscher der Stadt, die ich gerade zerstören half. Und meine Männer wissen es. Und die, die nicht gerade mit der Frau beschäftigt sind, warten darauf, dass ich tue, was ich tun muss. Ich sehe sie schlucken, als ich das Schwert wieder in die Scheide stoße.“
Die Krabbe war uns mittlerweile so nahegekommen, dass er sie spielerisch mit dem Dolch berühren konnte, um ihren Kurs zu ändern. Und das tat er, wieder und wieder, während er sagte: „Und ich nehme das Kind und werfe es im Bogen über die Zinnen, hinunter in die Unterstadt, dort, wo das Feuer am lautesten brüllt. Ich sehe ihm nicht nach. Nicht nötig, bei der Höhe und den Flammen. Und keine Ahnung, was aus der Frau geworden ist, ob sie noch lebte, als meine Männer mit ihr fertig waren.“
Er zuckte die Schultern und fuhr fort, mit der Krabbe zu spielen, bis ich es nicht mehr mit ansehen konnte, aufsprang und das Tier ergriff. Es zwickte mich mit seiner Schere, dass meine Hand blutete, aber der Schmerz war fast eine Erleichterung. Ich warf es in weitem Bogen zurück ins Meer und dann schauderte es mich.
Der Fremde schien von all dem nichts mitbekommen zu haben, denn er sprach einfach weiter aufs Meer hinaus: „Ich konnte keinen zurückbringen. Denn es ging ja weiter, immer weiter. Keine Stadt auf dem Rückweg war vor uns sicher. Wir hatten uns so daran gewöhnt, zu nehmen, was wir brauchten, zu zerstören, was wir nicht mitnehmen konnten, zu töten, wer uns zum Rächer werden drohte. Wie hätte ich so etwas, uns, mich, in unsere friedliche Heimat zurücktragen dürfen? Nicht die Sirenen oder Zyklopen, nicht Scylla und Charybdis, Kirke oder Kalypso, die Ungeheuer, die uns davon abhielten, nach Hause zurückzukehren, das waren wir selbst. Wie kann ich da zurück?“
Dabei sah er mich so verloren an, dass die eisige Taubheit, mit der ich seine Geschichte angehört hatte, wieder einer warmen Zärtlichkeit wich.
„Dann bleib doch hier“, brach es aus mir heraus. „Bleib doch bei mir.“
Ich weiß nicht, was ich als Reaktion auf dieses Angebot erwartet hatte, aber hätte er den Dolch, den er immer noch in Händen hielt, in mein Herz gestoßen, es hätte nicht mehr schmerzen können, als was dann folgte: In seinen Blick trat eine Mischung aus Verachtung und Spott.
„Du bist ein Kind und noch dazu ein dummes“, sagte er. „Ist das die Art, wie sich die Phäakinnen Männer besorgen? Hast du nicht zugehört? Ich habe Frau und Kind daheim. Und ich bin schon viel zu lange fortgeblieben.“ Und er fügte aufreizend gönnerhaft hinzu: „Geh ins Bett, du bekommst sonst noch Ärger.“
Bebend ging ich einige Schritte den Strand hinauf. Dann drehte ich mich um und schrie ihm zu: „Woher willst du denn wissen, dass deine Frau und dein Kind überhaupt noch am Leben sind? Vielleicht sind sie ja längst tot. Verdient hättest du es. Ich wünsche es dir.“

Es verging lange keine Nacht, in der ich nicht bittere Tränen der Reue über meine unbedachten Worte vergoss. Denn was danach geschah, erschien meinem kindlichen Sinn wie eine Strafe. In jener Nacht aber fielen nur Tränen des verletzten Stolzes über die Zurückweisung, die ich erfahren hatte. Ich weiß nicht mehr, wie ich zurück in die Kammer kam, ich blieb aber den ganzen nächsten Tag über freiwillig dort und erst, als es hieß, das Schiff nach Ithaka sei zum Lossegeln bereit und der Gast an Bord, mit allen Schätzen, die man für ihn zusammengetragen hatte, da ließ ich mich von meinen Brüdern zum Hafen ziehen, um an dem Rest der Feierlichkeiten teilzuhaben, die zum Abschied stattfanden.
Es war für lange Zeit das letzte Mal, dass wir Phäaken mit Freude und in Einigkeit an der Kaimauer standen, als wir mit unserem Gesang unseren Landsleuten eine gute Reise und gesegnete Heimkehr wünschten.

Sie kehrten nie zurück. Sie mussten bereits auf der Rückreise gewesen sein, als der Seeboden bebte, das Meer sich aufbäumte und sie verschlang, denn wie wir später erfuhren, hatte unser Gast seine Heimatinsel noch wohlbehalten erreicht.

 

Hallo Ella Fitz

Herzlich willkommen bei den Wortkriegern! Du hast dich ja schon mit Kommentaren zu anderen Geschichten eingeführt, sehr schön!

Ich gehe mal durch den Text und formuliere mein Resümee am Ende des Kommentars.

Manchmal, in stürmischen Nächten, wenn der Westwind das Meer mit Gewalt an die Felsen drückt, liege ich wach und lausche. Während die Brandung dann unterhalb meiner Hütte hämmert, als wolle sie ein Stück aus der Insel heraus meißeln, und ich darauf warte, dass der Sturm meine halbzerfallene Behausung von den Klippen fegt, gleiten meine Gedanken zurück zu dem Fremden, den uns der Westwind vor dreiunddreißig Jahren in einer ähnlichen Nacht vor die Füße spülte und dessen Ankunft, wie ich heute weiß, der Anfang von unserem Ende war.

Nach diesem Abschnitt weiss ich, dass ich den Text zu Ende lesen werde. Sprachlich sehr elegant, klassisch wohlgeformte Sätze, inhaltlich bin ich eingestimmt und gespannt. Sehr schöner Einstieg. Höchstens das „dann“ scheint mir ein unnötiges Füllwort zu sein.

aber es war weniger Mut als vielmehr eine seltsame Faszination, die mich wie angewurzelt an meinem Platz hielt. Nicht, dass ich noch nie einen nackten Mann gesehen hätte, ich war immerhin die Schwester von fünf Brüdern; es war also nicht so sehr anatomisches Interesse, das mich fesselte.

Erscheint mir redundant, so ein „Habt ihr verstanden?“-Nachsatz

einen Ball unter die Ladung von schmutzigem Leinen zu schmuggeln und auf ein Spiel mit ihnen zu bestehen

Welche Ballspiele kennen die Phäaken? Also hier dachte ich noch, die Geschichte spiele im Jetzt.

Er ließ sich in einiger Entfernung von mir auf die Knie fallen und rief mir etwas von einem Schiffbruch zu, den er erlitten hätte.

habe

Wo heute das Auge nur auf von Unkraut überwucherte Ruinen fällt, bot sich damals von dort ein Blick auf schmucke Fischerhütten

Kann weg

Dort war ich zuhause, aber nach allem, was mir meine Begleiterinnen den ganzen Weg über zugeraunt hatten, war es wohl unmöglich, ihn bis dorthin mitzunehmen, ohne dass sich die Stadtbewohner die Mäuler zerrissen hätten.

Das fand ich etwas zäh, vom Duktus her, ich denke, das Fettmarkierte kann weg. Auch inhaltlich: Die Begleiterinnen werden ja nicht den ganzen Weg brauchen, um der Prota das klar zu machen. Auch habe ich mich gefragt, ob sie mit vierzehn nicht selbst drauf kommen könnte.

Den weiteren Tag verbrachte ich wie nach jedem Waschtag damit, mit den anderen Frauen die Wäsche zu sortieren, auf Löcher und eingerissene Nähte zu prüfen, zu flicken, zu pressen, zu falten und vor mich hin zu träumen. Der Duft von frisch gewaschenem Leinen durchzog den Raum und versetzte alle in Hochstimmung. Einige summten leise vor sich hin, alle anderen redeten über das, was am Strand geschehen war. Ein ums andere Mal stieß mich Melete, das Dienstmädchen, das mir am nächsten stand, an und wollte mich in das Gespräch ziehen, aber ich antwortete nur einsilbig. Mein Herz sang - in einer Lautstärke, die alle anderen Geräusche übertönte und auslöschte.

Sehr schöne Passage. Ich weiss auch nicht, einerseits hast du dieses Antikisierende drin, andererseits liest sich das sehr flüssig, mir gefällts.

Meine Mutter drehte sich um und winkte mir, ihr zu folgen.

Das klingt seltsam. Vielleicht: „bedeutete mir, …“

Niemand schien sich an dieser Pflichtvergessenheit zu stören, alle Vorgesetzten waren wohl entweder noch bei den Feierlichkeiten auf dem Marktplatz oder in Erwartung der Ehrengäste bereits in der Festhalle versammelt.

Kann weg, denn andere Möglichkeiten gibt es ja kaum.

dessen Herkunft mir aber unbekannt war, war

Kann weg. Und unschöne Doppelung.

und ich verstand es als die Drohung als die es gemeint war.

unschön

Ich wollte ans Meer, auf das Wasser sehen, das ihn gebracht hatte und wieder forttragen würde.

Das konnte ich nicht so ganz nachvollziehen, die Begründung erscheint mir da etwas an den Haaren herbeigezogen.

"Kommst du etwa auch, um eine Geschichte zu hören? Ihr seid alle wild auf Geschichten, ihr Phäaken, nicht wahr?" murmelte er.

Und der gute Odysseus erzählt ja auch gerne und viel. :)

Und die, die nicht gerade mit der Frau beschäftigt sind, warten darauf, dass ich tue, was ich weiß und sie wissen, dass ich tun muss.

Das ist irgendwie verknotet.

Es verging lange keine Nacht, in der ich mich nicht fragte, wenn ich an all dies zurückdachte, ob dass, was einige Tage später das Unglück in Form einer Flutwelle über uns hereinbrechen ließ und was Euthanoos schamlos als Zorn seines Gottes deklarierte und ihm letztendlich als Rechtfertigung für seine Exzesse diente, nicht vielmehr eine Strafe für diesen unbedachten, im kindlichen Zorn dahingesagten Fluch war, und lange habe ich dann bittere Tränen der Reue vergossen.

Ach, nimm es mir nicht übel, aber da war ich ein wenig enttäuscht. Der erste Abschnitt ist da vielversprechender: Die Ankunft des Fremden ist der Anfang von unserem Ende. Da vermute ich natürlich eine stärkere Kausalität, einen engeren Zusammenhang als diesen Fluch.

Also, ich habe das gerne gelesen. Du erzählst uns eine Episode der Odyssee aus der Perspektive einer Beteiligten, das ergibt so eine, wie ich finde, ganz spannende Mischung von Klassischem und Modernem, das ist zuweilen richtig witzig, wie das naiv verliebte Mädchen mit dem Odysseus anzubandeln versucht. Also die Konstellation ist witzig, inhaltlich finde ich das eine ernste Sache, das hat schon was, denn dieser Mann ist ein vom Krieg traumatisierter Mann – ich musste das mit dem Astyanax googeln, da hab‘ ich noch nie davon gehört, krasse Story. Du lieferst auch hier Innenperspektive.

Den Spannungsbogen fand ich gut, der Text kann sehr lange vom ersten Abschnitt zehren. Vielleicht gibt es etwas Kürzungpotential bei der Szene, bevor und nachdem sie sich zum Fest wegschleicht, die ist sehr detailreich und es geschieht nicht wahnsinnig viel, da hat auf jeden Fall meine Aufmerksamkeit etwas nachgelassen – vielleicht aber auch einfach, weil ich müde bin.

Und das Ende, wie gesagt, ich hätte mir da noch etwas Knackigeres gewünscht, einen engeren Zusammenhang zwischen dem Auftauchen des Fremden und dem späteren Untergang, vielleicht auch einen grösseren Konflikt zwischen den beiden.

Ich kenn mich bei solchen Geschichten überhaupt nicht aus, übrigens. Also kann ich auch nicht so recht beurteilen, wie das aufgenommen wird, wenn du dich plotmässig so stark an die klassischen Vorlagen hältst, vom Westwind bis zum Astyanax.

Aber mit hat’s gefallen.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 

Hallo Ella Fitz,

ich schließe mich Peeperkorn an, auch mich hat der Einstieg gekriegt. Das ist klassisch geschrieben, liest sich geschmeidig und sehr rund. Es beginnt ein wenig wie eine Abenteuergeschichte. Oder eine Gruselgeschichte. Könnte beides sein. Ich musste unwillkürlich an Robinson Crusoe denken :)
Das "dann" würde ich ebenfalls streichen, ohne klingt es glatter.

Nach dem zweiten Absatz ist mir eins klar: Deine Schreibe erinnert mich an klassische Romane, an alte Abenteuergeschichten. Lange, verschachtelte Sätze, die du aber durchaus im Griff hast.

Und während er ausgehungert aß, konnte ich mich nicht satt sehen.*
Ich war ein Kind.
Warum das Sternchen nach "sehen"? Und warum der nachgeschobene Satz "Ich war ein Kind."? Den würde ich streichen. Dann klingt der vorherige viel mehr nach. Man hat das junge Mädchen vor Augen, wie sie fasziniert den Fremden beobachtet, der Essen in sich reinschaufelt.

Mein Herz sang - in einer Lautstärke, die alle anderen Geräusche übertönte und auslöschte.*
Auch hier wieder das Sternchen. Ist das aus Versehen passiert oder hat das einen Sinn, den ich nicht verstehe? Später kommt das auch noch häufiger vor ...

Wie gerne hätte ich mit der geringsten von ihnen getauscht.
Das klingt vielleicht nur in meinen Ohren komisch, aber das tut es. Warum nicht einfach: "Wie gerne hätte ich mit einer von ihnen getauscht"?

Ich wollte ans Meer, auf das Wasser sehen, das ihn gebracht hatte und wieder forttragen würde.
Schöner Satz!

"Ich wollte nicht mit, weißt du. Ich wollte den Ruhm nicht und nicht die Beute, sollten sie mich für wahnsinnig halten, dass mir der Felsbrocken, den ich mein Königreich nenne, und die paar Ziegen darauf wichtiger waren, aber sie glaubten mir den Wahnsinn nicht, den ich ihnen vorspielte. Sie lachten, als sie mich durchschauten. Sie hielten es für einen Scherz. Und ich spielte mit und ließ sie mich mitzerren. Manchmal wird man aus Feigheit zum Helden."
Hier bin ich rausgekommen. Das verstehe ich schlichtweg nicht.

Es verging lange keine Nacht, in der ich mich nicht fragte, wenn ich an all dies zurückdachte, ob dass, was einige Tage später das Unglück in Form einer Flutwelle über uns hereinbrechen ließ
- das

Ich muss sagen, ich mag solche historischen Abenteuergeschichten nicht sonderlich. Keine Ahnung warum, irgendwie les ich das einfach nicht gerne. ABER! Deine Art zu schreiben hat mich eingewickelt. Die Sätze sind teilweise zwar sehr lang und ausformuliert, aber sie sind gut formuliert und deswegen macht es Spaß sie zu lesen. Die Dialoge haben mir gefallen. Sie klingen der zeitlichen Epoche angemessen, ohne gestelzt daher zu kommen. Das hast du meiner Meinung nach wirklich gut gemacht.

In der Szene, in der das Mädchen zurückgewiesen wird, musste ich kurz an "Abbitte" denken. Nur kurz. So in dem Zusammenhang: "Was verletzter Mädchenstolz alles anrichten kann."

Habe ich gerne gelesen.
Liebe Grüße
RinaWu

 

Hallo Peeperkorn und RinaWu,

allerherzlichsten Dank für die Kommentare. Das ist genau die Art von konstruktiver Kritik, auf die ich gehofft hatte. Auch gerade die Löschvorschläge. Ich werde hier nochmals mit feinem Kamm durchgehen und versuchen, weitere Füllwörter aufzuspüren.
Dass euch der Stil gefällt, erleichtert mich ungemein. Das wäre am schwersten zu ändern. Es könnte an der einen oder anderen Stelle auch etwas weniger gestelzt sein. Auch da habe ich eure Vorschläge gerne angenommen.
Aber ganz besonders wichtig ist mir, lieber Peeperkorn, deine völlig berechtigte Anmerkung, dass ich mein am Anfang gegebenes Versprechen nicht einhalte. Es steckten schon mal mehr Hinweise darauf, welches Unglück den Phäaken widerfährt, in der Geschichte drin, allerdings hat es den Erzählfluss so gestört, dass ich fast alles, bis auf Euthanoos und die Schuldgefühle des Fluches wegen, rausgeworfen habe. Gut zu wissen, dass ich damit beim Leser nicht durchkomme. Da muss ich mir jetzt etwas einfallen lassen. Vielleicht mehr darauf bauen, dass die Geschichte ja nicht von der Vierzehnjährigen erzählt wird, sondern ihrem deutlich älteren Alter Ego in der halbzerfallenen Hütte.

Was die Sternchen betrifft: das ist ein Übertragungsfehler aus OpenOffice gewesen, irgendwie reagiert die Forumssoftware auf bedingte Trennstriche und auf Leerzeichen vor Absatzmarken seltsam. Da werde ich jetzt ein Auge drauf behalten. Danke für den Hinweis.

Dann mach ich mich jetzt mal ans weitere Überarbeitung. :)

(und hoffe, ich darf euch irgendwann auch mit "Kirke" und "Kalypso" kommen.)

Viele Grüße
Ella Fitz

 

Hallo Ella Fitz,

ich habe mit großem Interesse deine Geschichte von Nausikaa gelesen. Ich fand schon den Roman von Robert Graves, Nausikaa und die Freier (1956) sehr spannend, weil er der patriarchalischen griechischen Welt eine selbstbewusste Frauenfigur entgegenstellt. Ich nehme an, du kennst diesen Roman. Der Autor ist ein sehr bekannter britischer Schriftsteller, der in der Antike zu Hause ist.

Auch deine kleine Nausikaa hat einen eigenen Kopf. Allerdings, und da gebe ich den anderen Kommentatoren Recht, kann sie ihre zunehmende Reife nicht so recht zur Geltung bringen, weil das Ende ihrer Insel sehr unvermittelt eintritt. Aber da hast du ja eventuell schon eine Lösung gefunden. Ein ritardanto wäre also nicht verkehrt.

Ambiente und Sprache passen mMn sehr gut zur antiken Welt, soweit wir das aus der Forschung wissen können. Ich glaube, die Begeisterung für diese Zeit hat dich ein wenig verführt, möglichst viel von dem historischen Wissen an den Leser weiterzugeben. Da solltest du die Kürzungsvorschlägen unbedingt annehmen.
Mir ist noch in Erinnerung, dass die griechische Antike bei den Althistorikern als das "nächste Fremde" galt. Und wenn ich mir überlege, wieviel davon in unseren Sprachgebrauch aus den griechischen Göttersagen übergegangen ist! Gerade heute habe ich in meiner Tageszeitung die Bezeichnungen "Sisyphusarbeit" und "Ödipuskomlex" gefunden. Und die Geschichte von Ikarus kennen auch viele:D.

Daneben gibt es auch Bezüge in deiner Geschichte, die zeitlos sind. Dazu gehören leider auch die Greueltaten im Krieg.
Ich wünsche dir Erfolg auch für deine Projekte. Das Zeitlose herausarbeiten wäre bestimmt eine lohnende Herausforderung.

Freundliche Grüße
wieselmaus

 

Hallo wieselmaus,

nee, zu meiner Schande muss ich gestehen, dass mir Robert Graves als Quelle bislang völlig entgangen war. Wäre sicher gut, dass mal nachzuholen. Danke für den Tipp.

Und stimmt, ich hatte gerade zu Beginn mich ziemlich tief in die Recherche gewühlt, über den Zusammenbruch der mykenischen Kultur, die dunklen Jahrhunderte und die Seevölker oder die dorische Wanderung als ihre mögliche Ursachen etc. Woran es halt bislang gehapert hat, ist, dieses Wissen so in die Geschichte zu verschränken, dass es noch lesbar bleibt und meine eigentliche Absicht, nämlich meine persönliche Meinung über Odysseus loszuwerden, nicht ganz verdeckt wird. Nausikaa sollte da eigentlich nur als Zeugin fungieren, aber ich sehe ein, dass eine gewisse Entwicklung, sprich Reifung von ihr zu erwarten sein dürfte.
Ja, ich sehe sie immer mehr aus dem "Off" Auskunft darüber geben, was danach passiert, warum es passiert ist und was es mit ihr gemacht hat. Puh, mal sehen.

Auf jeden Fall interessante Anregung. Vielen Dank dafür.

Viele Grüße
Ella Fitz

 

Hallo Ella Fitz,

da sich meine Anmerkungen größtenteils mit denen von Peeperkorn decken, hinterlasse ich dir einfach mal einen anderen Kommentar.

Mein Pseudonym setzt sich aus den Namen meiner liebsten Autoren zusammen - Jack London und Karl Ove Knausgard.

Ersterer hat zu Lebzeiten nicht nur den Norden bereist, sondern auch so manches Meer überquert. Gerade die Südsee hatte es ihm angetan, wie man zahlreichen seiner Geschichten entnehmen kann, in denen er etliche Inseln und ihre Bewohner brillant beschreibt. Dein einleitender Absatz hat mich an ihn erinnert und mir sehr gut gefallen. Das gilt auch für den Rest der Geschichte! Obwohl du in einem ganz anderen Stil schreibst, musste ich die ganze Zeit an Jack denken. Versteh das bitte als Lob!

Dein Stil erinnert mich an Knausgard, der ebenso wie ich (und offensichtlich auch du) ein Faible für lange, verschachtelte Sätze hat. Du kannst so schreiben - ich habe deine längeren Sätze überwiegend verstanden und gerne gelesen -, bist aber halt (noch) kein Knausgard. Daher würde ich dir empfehlen, (anders, als er es handhabt), sofern es sich denn anbietet, auch mal auf folgende Symbole zurückzugreifen: "- ... -" und ";". Gerade das altbewährte Semikolon kann die Übersicht und somit auch das Verständis des Lesers wahren bzw. fördern.

Ich hoffe, das Lob, der eigentliche Grund, warum ich den Kommentar verfasst habe, ist zu dir vorgedrungen.

Liebe Grüße,
JackOve

 

Doch, doch, lieber JackOve, das Lob ist angekommen. Danke schön!

Und ja, ich muss da nochmal ran, auch an die Schachtelsätze. Und ob da eine veränderte Zeichensetzung ausreicht, bin ich mir gar nicht so sicher.

Sinn der Aktion, euch diesen Text zuzumuten, waren genau solche Rückmeldungen. Ob sich die Mühe überhaupt lohnt (deshalb ist auch das Lob so wichtig!) und wo noch Probleme liegen (deshalb meine Freude über jede Kritik).

Aber dass ich da noch Arbeit vor mir habe, ist völlig klar.

Herzliche Grüße
Ella Fitz

 

"...
Und Nausikaa trat zum lieben Vater, und sagte:
Lieber Papa, laß mir doch einen Wagen bespannen,
Hoch, mit hurtigen Rädern; damit ich die kostbare Kleidung,
Die mir im Schmutze liegt, an den Strom hinfahre zum Waschen.

60 Denn dir selber geziemt es, mit reinen Gewanden bekleidet
In der Ratsversammlung der hohen Phäaken zu sitzen.
Und es wohnen im Haus auch fünf erwachsene Söhne,
Zween von ihnen vermählt, und drei noch blühende Knaben;
Diese wollen beständig mit reiner Wäsche sich schmücken,
Wenn sie zum Reigen gehn; und es kommt doch alles auf mich an.
..."
Odyssee, sechster Gesang, Verse 57 bis 65 nach Voß, 1760​

Alles schon gesagt,

liebe Ella Fitz,
und damit erst einmal herzlich willkommen hierorts auch von mir!

Selten einen solchen Start hierselbst erlebt und nach der geringen Fehlerquote erst einmal nachgeschaut und festgestellt: Da hat jemand noch richtig unter der grammatischen Knute die Muttersprache erlernt und doch nicht das Inhaltliche vernachlässigt und kurz die halbe Stunde vor Deiner Geschichte rausgesucht ..., dass ich mich nachher nicht zurückhalten kann, was nach Deiner Geschichte geschehen wird.

Das erste ist weniger ein Fehler, die meisten wählen den einfachsten Weg, Sätze zu bilden, und da passiert es eben immer wieder mit den schwachen Klammern.

Er war schön, in einer Art, wie ich es weder von den Kriegern am Hofe meines Vaters noch von den Priestern, mit denen meine Mutter ständig konferierte, kannte.
Die Klammer lässt sich durch einfaches Möbelrücken vermeiden
Er war schön, in einer Art, wie ich es weder von den Kriegern am Hofe meines Vaters [kannte,] noch von den Priestern, mit denen meine Mutter ständig konferierte[...].

Er ließ sich in einiger Entfernung von mir auf die Knie fallen und rief mir etwas von einem Schiffbruch zu, den er erlitten habe. Dann fragte er nach dem Namen unserer Insel. Ich reckte mich zur vollen Länge meiner vierzehn Jahre und antwortete so hoheitsvoll wie möglich „Du bist auf Scheria, Fremder, und sprichst mit Nausikaa, der Tochter Alkinoos’, des Königs der Phäaken.“
Vielleicht könntestu hier den Namen des Urgroßvaters der N. einfügen: Poseidon, der Gott, der oft genug aus Gegnerschaft zu Odysseus mit seinem Dreizack die Meere aufwühlt und so die Heimkehr erschwert, dass die Tat des Alkinoos, den Schiffbrüchigen heimzubringen wie ein versöhnlicher Akt wirken muss-

Hier muss ein Komma gesetzt werden, weil die Infinitivgruppe von einem Substantiv abhängig ist, dem Namen,

Nach seinem Namen zu fragen[,] vergaß ich, weil …
hier ein Komma am Ende des Relativsatzes und „vor“ verlangt den Dativ (wo ist?)
Sie stand im Türrahmen, die Hände lose vor de[m] Schoss gelegt[,] und rief in das angebrochene Schweigen nur halblaut meinen Namen.
Einleuchtender und leichter zu erkennen wäre es, wenn statt des gelegt sein (und somit des Verbs legen) das andere Partizip "legend" oder noch deutlicher das Verb liegen gebraucht würde: Liegen lose vor dem Schoß.

So, wie Du hier die Auslassungspunkte eingesetzt hast, behaupten sie, es fehlte am vorhergehenden Wort wenigstens ein Buchstabe (da wäre dann ein Apostroph sicherlich einfacher). Besser also Freizeichen

"Woher[...]..." setzte ich an und sie lachte.

Hier fällstu einmal ins Beamtendeutsch
..., ihm seine Rückbringung in die Heimat zugesagt hatte.
Besser „ihm zugesagt hatten, ihn heimzubringen“.

Hier ist m. E. „der Älteste“ schlicht und einfach als Attribut „der älteste“ [Bruder] anzusehen und darum klein zu schreiben

Insbesondere Laodamas, der Älteste, schwärmte …

Eine historische Frage, nicht so schlimm, wie die Armbanduhr an der Päpstin im Film, aber immerhin, ob es in der Bronzezeit schon ein
Nachthemd
gab?

Denen habe ich viel erzählt heute [N]acht, aber nicht alles, nicht das.

Hier ist m. E. das Verb „ritzen“ falsch gewählt, ist es doch eine Intensivbildung des „reißen“ und einen „Ritz“ findestu in Fels und Stein, aber nicht, wenn sie durch Regen und Wind zu Sand abgeschliffen sind. Wie dem Ritz ritzen, so entspricht zeichnen dem Zeichen (malen wäre wiederum eine Übertreibung, weil mehr als zeichnen)
Zeichen in den feuchten Sand geritzt.

... und ihre Wämse und Schilde nur aus Leder waren …
Da wäre ich mir nicht so sicher.
Sicherlich wird Leder und Fell wie Stoff verwendet werden. Die Helme z. B. waren anfangs bei Griechen und Römern aus Fell, dann aus Bronze, wie dann auch Brustpanzer und scharfe Waffen. Die Schilde waren aus Holz (von Leder evtl. bespannt).
Es gibt eine andere Quelle aus der Bronzezeit und vor allem der Völkerwanderung, welche durch die Seevölker ausgelöst wurde, und in der das historische Troia endgültig von der Landkarte verschwand: Die Erzählung von David und Goliath!, die auf die merkwürdige Sitte hinweist, durch den Zweikampf von ausgewählten Leuten das große Schlachten zu vermeiden, um genügend Arbeitskräfte – und seien es Sklaven – zu erhalten. Vor Troia kam es nach Homer zu einem ähnlichen Zweikampf, dem zwischen Achill und Hektor. Die an sich vernünftige Regel wurde gebrochen, als der Leichnam missbraucht und so der größte Held Troias noch im Tode gedemütigt wurde.

Zyklo[p]en

"Dann bleib doch hier", brach es aus mir heraus. "Bleib doch bei mir."
So ruft das Mädchen und fleht den großen Odysseus an – vergeblich, wie wir wissen.

Was nicht verschwiegen werden darf – zurück in Ithaka richtet er ein Gemetzel unter den Freiern seiner Gemahlin Penelope an, formal, die Frau zu verteidigen, faktisch, seine Herrschaft zu sichern.
Doch auch ein Gerücht gibt es über Dich, Nausikaa: Telemach, Sohn des Odysseus, wird kommen und ihr werdet Mann und Weib und euer Sohn wird Persepolis gründen, wo man an Tag-und-Nachtgleiche den Frühling feiern wird. Hier verbinden sich die griechischen mit den persischen Mythen.

Gern gelesen vom

Friedel,

der auch den Namen Graves in der dt.-engl. Schreibweise Robert Ranke-Graves hier einbringen will, hat der doch neben historischen Romanen sich intensiv mit der griechischen Mythologie beschäftigt, sie mit ethnologischen Mitteln zu deuten versucht.

 

Hallo Friedrichard,

einiges von dem, was du gefunden hast, ob schwache Klammern, Kommafehler oder gar den Zyklopen, hätte ich bei etwas sorgfältiger Überarbeitung eigentlich selbst finden müssen. Ich bin dir sehr dankbar, aber auch etwas beschämt.

Beim Rest deiner Anmerkungen bin ich noch am Grübeln:

Vielleicht könntestu hier den Namen des Urgroßvaters der N. einfügen: Poseidon, der Gott, der oft genug aus Gegnerschaft zu Odysseus mit seinem Dreizack die Meere aufwühlt und so die Heimkehr erschwert, dass die Tat des Alkinoos, den Schiffbrüchigen heimzubringen wie ein versöhnlicher Akt wirken muss-
Auf jeden Fall muss Poseidon in die Geschichte (wieder) stärker rein, und die Verwandtschaft als Motiv für Alkinoos' Hilfsbereitschaft zu sehen, ist ein schöner Gedanke. Für mich war allerdings die Mutter mit ihrem Verbündeten/Geliebten Euthanoos als Hohepriester Poseidons mehr das konservative Element, mit ihrem Verharren bei den Naturgöttern, während sich der Vater als Progressiver mehr dem Neuen öffnet, in der Gestalt von Odysseus, der ja laut Homer in enger Beziehung zu Athene steht, die eine neue, abstraktere Form der Göttlichkeit verkörpert. Was dann die von mir noch näher zu beschreibende Katastrophe auslöst. Da brauche ich jetzt aber sicher noch etwas Zeit für.
Hier ist m. E. das Verb „ritzen“ falsch gewählt, ist es doch eine Intensivbildung des „reißen“ und einen „Ritz“ findestu in Fels und Stein, aber nicht, wenn sie durch Regen und Wind zu Sand abgeschliffen sind. Wie dem Ritz ritzen, so entspricht zeichnen dem Zeichen (malen wäre wiederum eine Übertreibung, weil mehr als zeichnen)
Laut Wiktionary bedeutet ritzen "mithilfe eines spitzen Gegenstandes in einer Fläche Vertiefungen anbringen". Bei trockenem, losen Sand würde das Wort wirklich nicht funktionieren, aber ich stelle mir hier den Strand in direkter Nähe zum Wasser vor, wo der Sand noch feucht und geglättet ist von der letzten Flut. Ich hätte halt gerne die Schärfe des Dolchs noch im Hinterkopf des Lesers gelassen. Möglicherweise lasse ich sie nach deiner Anmerkung aber auch auf felsigem Untergrund sitzen (wer sitzt schon gerne in nassem Sand?). Meine Güte, an was man alles denken muss...
... und ihre Wämse und Schilde nur aus Leder waren …
Da wäre ich mir nicht so sicher.
Sicherlich wird Leder und Fell wie Stoff verwendet werden. Die Helme z. B. waren anfangs bei Griechen und Römern aus Fell, dann aus Bronze, wie dann auch Brustpanzer und scharfe Waffen. Die Schilde waren aus Holz (von Leder evtl. bespannt).
Ist schon etwas her, aber ich bilde mir ein, gerade die Frage der Bekleidung und Bewaffnung recherchiert zu haben. Natürlich sind nicht alle Quellen gleich zuverlässig. Noch dazu: Odysseus spricht hier. Da scheue ich mich etwas, ihn statt von Leder von "lederbezogenem Holz" sprechen zu lassen. "... und ihre Wämse nur aus Leder und ihre Schilde nur aus Holz waren ..."?, ach herrje, eigentlich sollten meine Sätze doch kürzer werden und nicht länger.
Was nicht verschwiegen werden darf – zurück in Ithaka richtet er ein Gemetzel unter den Freiern seiner Gemahlin Penelope an, formal, die Frau zu verteidigen, faktisch, seine Herrschaft zu sichern.
Doch auch ein Gerücht gibt es über Dich, Nausikaa: Telemach, Sohn des Odysseus, wird kommen und ihr werdet Mann und Weib und euer Sohn wird Persepolis gründen, wo man an Tag-und-Nachtgleiche den Frühling feiern wird. Hier verbinden sich die griechischen mit den persischen Mythen.
Das Gemetzel wird sicher nicht verschwiegen werden, es sollen in dem von mir geplanten Zyklus alle Frauen der Odyssee irgendwann zu Wort kommen. Penelope wird auch darunter sein.
Und ja, das Telemach-Gerücht war mir bekannt, aber meine Nausikaa hat ein entsprechendes Heiratsangebot aus Ithaka entrüstet abgelehnt und stattdessen den Reeder geheiratet, dessen Söhne auf dem Schiff umgekommen waren, das Odysseus nach Ithaka zurückgebracht hatte. Denn sonst würde sie auf die Geschichte ja nicht aus einer halbzerfallenen Hütte, sondern aus dem Palast in Ithaka zurückblicken, wäre also vom Unglück verschont geblieben.

Nur mal so ganz am Rande: natürlich ist mir klar, dass ich nicht die erste bin, die sich der Geschichte annimmt. Und besonders originell ist es auch nicht, die griechischen Sagen (oder Bibelgeschichten oder die Edda) nachzuerzählen. Es hat mal als Schreibübung angefangen und das wird es fürs erste auch wohl bleiben. Um so mehr Dank für die Mühe, die ihr euch alle macht.

Dann mach ich mich mal ans Werk.

Viele viele Grüße
Ella Fitz

 

Ich war damals fast noch ein Kind, nein, nicht fast, ich war ein Kind, vierzehnjährig, alt genug, um die Wäscherinnen an die Flussmündung zu begleiten, aber so kindlich, einen Ball unter die Ladung von schmutzigem Leinen zu schmuggeln und auf ein Fangspiel mit ihnen zu bestehen, während wir alle darauf warteten, dass die Wäsche trocknete.

Hallo,

diesen Satz nehme ich mal ganz kurz exemplarisch raus, weil es da noch so einige in diesem Text gibt. Zuerst - ich finde die correctio auch sehr gut, die Verneinung, habe die oft benutzt, mache das aber mittlerweile nicht mehr, weil es eine Instanz ist, die den Leser vom Geschehen und auch vom Erzähler trennt. Der Erzähler hat es nicht nötig, sich zu vergewissern. Gerade bei solchen archaischen Texten wirkt das so, als ob der Autor da etwas verstecken möchte.

Dann der Satz an sich. Megalanges Monster. Man KANN das machen. Es ist aber nicht leserfreundlich. Und die Information, die du da verpackst, diese Ballspielsache, wie toll wäre es, wenn du das szenisch erzählst? Überhaupt - immer dann, wenn da Dialoge sind, dann rollt es, das habe ich auch interessiert gelesen. Die riesigen Prosablöcke - die habe ich geskippt. Zu viel "tell." Ich weiß nicht, ich fände so ein Thema mal geil zu lesen, wenn du das Elmore Leonard-mässig aufziehst, so mit viel Dialogen und fast paced. Dann bist du in den Figuren, die erzählen, die zeigen ihren Charakter, manifestieren die Zeit, in der das spielt. Ich fände das viel interessanter.

Also, schreiben kannst du auf jeden Fall, das mal vorneweg.

Gruss, Jimmy

 

Nur mal so ganz am Rande: natürlich ist mir klar, dass ich nicht die erste bin, die sich der Geschichte annimmt. Und besonders originell ist es auch nicht, die griechischen Sagen (oder Bibelgeschichten oder die Edda) nachzuerzählen.

Als 1967 die Beatles via Satellit in alle Haushalte kamen,

liebe Ella,

hörte der nachpubertäre Freatle einen Vers hinein, den es - wie er später merkte - gar nicht in All You Need Is Love gibt, aber passte: Nothing you can say that isn't said, was man großzügig übersetzen kann, es gebe nix Neues auf der Welt, alles muss immer wieder neu entdeckt werden und tatsächlich ist ja auch alles Erkennen ein Wiedererkennen, Wahrnehmen nix anderes als ein für-wahr-nehmen.

Auf jeden Fall weiß ich, dass wir viel Spaß miteinander haben werden, schon allein weil ich immer "gerald" ans Fitz hänge, und die Lisa ohne Gerald ja auch nicht zu verachten ist.

Gruß und schönes Wochenende vom

Friedel

 

Hallo, jimmysalaryman,

jetzt, wo der Satz so einsam und schutzlos da rumsteht, kann ich nicht umhin, dir zuzustimmen: er ist monströs. Wurde geändert. Allerdings sollte auch nicht vergessen werden, und deswegen eigentlich die Correctio, an der ich jetzt aber auch nicht übertrieben hänge und deshalb rausgeschmissen habe: die Geschichte wird nicht von der 14jährigen Nausikaa erzählt, sondern von der 47jährigen, die da wachliegt und zurückdenkt. In den ersten Fassungen wimmelte es daher im ganzen Text von diesen "Heute weiß ich, wie es wirklich war"-Einschüben, die ich aber im Nachgang beim Überarbeiten fast sämtlich entfernt habe, weil sie mich selber nervten.
Jetzt überlege ich gerade, ob sie wieder rein müssten, um zu erklären, was es mit dem "Anfang von unserem Ende" auf sich hat, oder ob ich nicht einfach nach dem letzten Absatz noch ein Stück Rahmenhandlung packen soll, die das alles erklärt. Viel geballtes "tell" dann zum Schluss statt verstreut mittendrin. Bin mir da selbst noch nicht einig.
Will sagen: es spricht viel für deinen Vorschlag, es unmittelbarer und szenischer zu schildern. Man könnte das ganze auch in die Neuzeit verlegen, traumatisierte und gestrandete Kriegsveteranen gibt es wohl mehr als genug derzeit.
Auf jeden Fall danke für deine Anmerkungen, sie stoßen nicht auf taube Ohren.

Und Friedrichard, ich teile deine Erwartungshaltung, was den Spaß betrifft. :D

Viele Grüße
Ella Fitz

 

Hallo maria.meerhaba,

herzlichen Dank für die kritischen Anmerkungen. Dass auch du auf die Diskrepanz zwischen der Andeutung "dessen Ankunft, wie ich heute weiß, der Anfang von unserem Ende war." und dem doch recht harmlosen Ende hinweist, hat mich jetzt dazu bewogen, diesen Satzteil einfach herauszuwerfen.
Ich war da wohl einfach zu ehrgeizig (oder vermessen), in die Geschichte auch noch das Ende der mykenischen Hochkultur einbauen zu wollen.

Auch deine Anregung, den Satz"Später lobte man meinen Mut, weil ich nicht kreischend fortrannte wie die anderen Frauen, als der Fremde, nur mit einem belaubten Zweig dürftig verhüllt und halb mit Schlick bedeckt, durch das Unterholz brach, aber es war weniger Mut als vielmehr eine seltsame Faszination, die mich wie angewurzelt an meinem Platz hielt." in zwei Teile zu teilen, war hilfreich und habe ich gern aufgegriffen.

Was ich nicht uneingeschränkt teilen kann, ist deine Abneigung gegen die zweite Hälfte der Geschichte, bzw. Odysseus' Monolog. Denn eigentlich ist das der Kern der Geschichte, nach all der Schwärmerei und kindlicher Heldenverehrung erfährt Nausikaa, was sich hinter ihrem Helden tatsächlich verbirgt. Es soll ernüchtern. Wobei ich eingestehen muss, dass ich vielleicht nicht gut genug auf die Ernüchterung hinarbeite. Weiß aber auch nicht, wie ich das tun kann.

Deshalb lasse ich die Geschichte jetzt erst mal so stehen und dann wohl noch mal für ein paar Monate ruhen. Ganz zum Schluss, wenn alle fünf Teile des Zyklus fertig sind, muss ich eh noch mal an alle ran, um Redundanzen zu entfernen. Dann wird vielleicht auch der Monolog deutlich kürzer.

Bis dahin bedanke ich mich bei allen für die aufopfernde Textarbeit, das hat mich wirklich sehr viel weiter gebracht.

Viele Grüße
Ella Fitz

 

Hallo Ella Fitz,

nach der Odyssee ist das nun eine Geschichte nach meinem Geschmack :thumbsup:

Ich habe jetzt die Kommentare nicht gelesen und kenne auch nicht die ursrünglichen, unbearbeitetn Versionen und steige Mal sofort ein.

Ich achtete darauf, den Ball zu fangen, weil es für mich nichts zu rufen gab.
Sehr schön. Obwohl, sie (oder er?) ist ja erst 14.

Er war schön, in einer Art, wie ich es weder von den Kriegern am Hofe meines Vaters kannte noch von den Priestern, mit denen sich meine Mutter ständig besprach.
Hier baust du ganz elegant ein, in welcher Zeit und Umgebung etwa die Story spielt.

Er durfte uns auf unserem Heimweg begleiten, aber wir ließen ihn am Rand des Wäldchens zurück, das unsere Stadt vom Fluss abgrenzte. Von dort bot sich ein Blick auf schmucke Fischerhütten, stolze Handelshäuser und nicht zuletzt auf den weiß schimmernden Palastkomplex inmitten blühender Gärten.
„Von dort bot sich ein Blick…“: Das mit „sich“ klingt mir ein klein wenig zu beschreibend, nicht personell genug.
Ich hätte geschrieben: „Ich genoss den Blick auf die schmucken …“

Den weiteren Tag verbrachte ich wie nach jedem Waschtag damit, mit den anderen Frauen die Wäsche zu sortieren, auf Löcher und eingerissene Nähte zu prüfen, zu flicken, zu pressen, zu falten und vor mich hin zu träumen.
Der „Waschtag“ klingt hier fehl am Platz (der Tag ist ja noch nicht vorbei) und „…tag“ ist auch noch doppelt.
Vielleicht so. „Den weiteren Tag verbrachte ich wie nach jeder Wäsche / Gang zur Flussmündung damit ..:“

Sie war es nicht gewohnt, zweimal zu rufen.
Sehr gut. Das sagt viel über die Mutter und das Mädchen aus.

Ich drückte Melete, mit der ich Wäsche zusammengefaltet hatte, meinen Teil des Lakens in die Hand und ging in Richtung der Tür.
Mir persönlich kommt in dem Absatz zu oft „Wäsche“ vor. Hier kannst du es einfach streichen; es verliert nichts.
„Ich drückte Melete meinen Teil des Lakens in die Hand, den ich gerade mit ihr zusammenfalten wollte und ging in Richtung der Tür.“ (ist jetzt nicht so schön, aber so ähnlich meine ich).

Wir blieben einige Schritte vom Wäscheraum entfernt stehen, außer Hörweite der dort Beschäftigten.
Hier auch wieder „Wäsche“
„Wir blieben außer Hörweite vor der Tür stehen.“ (So ungefähr, nur dass nicht schon wieder „Wäsche“ kommt.)

Ich senkte den Kopf und nickte, nach außen gehorsam, im Herzen widerwillig.
Sehr schön.

Meine Brüder, die mich am Morgen besuchten, erzählten mit leuchtenden Augen von den Spielen,
So hatte ich wenigstens ein bisschen zu tun, weil dem einen am Festgewand eine Naht aufgegangen, dem anderen das vom älteren Bruder übernommene Sportzeug gekürzt werden musste.
Der “eine” ist der ältere, der “andere” der jüngere?
Oder ist „der ältere“ ein Dritter?
Ich weiß, ist pingelig, aber man könnte auch direkt schreiben „meine beiden Brüder“.

Denn es war natürlich notwendig, in der Küche Bescheid zu geben, und da alle anderen Frauen mehr als genug zu tun hatten, war es doch nur naheliegend, dass ich als die einzige Unbeschäftigte im ganzen Haushalt zu diesem Botengang aufbrach. So legte ich es mir zurecht für den Fall, dass mich jemand außerhalb der Frauengemächer sehen sollte, bevor ich mein Ziel erreicht hatte. Und das Ziel war nicht, dem Koch die schlechte Nachricht zu überbringen, dass ihm zum Gemüseputzen
Ich höre immer nur Küche, Haushalt, Gemüse …
Die arme (Prinzessin? Habe gegoogelt und gesehen, dass es eine griechischen Mythologie ist. Schon wieder reingefallen … Im Neudeutsch würde man sagen „FanFiction“) Nausikaa tut mir leid.

Man könnte die Story an einigen Stellen leicht raffen.
Mir persönlich sind die Teile mit Wäsche und Küche etwas zu lang.
Auch hier ein Satz, den man kürzen konnte, da sich vieles wiederholt:

Da der Fremde Tagesgespräch war und die Dienerinnen über nichts anderes redeten, wusste ich bald, ohne groß nachzufragen, wo er untergebracht war, was er gefrühstückt hatte, welche Kleidung für ihn herausgesucht worden war und vieles mehr, von dem ich heute nicht mehr sagen kann, warum es mich überhaupt interessierte.
Tagesgespräch z.B. ist schon vorher so ähnlich genannt worden.

Ich schlich also durch die Gänge, wich jedem Schrittgeräusch sorgsam aus und hütete dabei wie einen kostbaren Schatz in Gedanken alles, was ich von unserem geheimnisvollen Gast in Erfahrung hatte bringen können.
Wieso schlich sie? Hält sie sich an verbotenen Orten auf? Das geht nicht so aus dem Text hervor.

Insbesondere Laodamas, der älteste, schwärmte von der Besonnenheit und Würde, mit der unser Gast die Provokation der jungen Leute hingenommen hatte und sich dennoch nicht zu schade gewesen war, seine Sportlichkeit unter Beweis zu stellen.
„Der älteste“. Aha. Doch mindestens drei Brüder, sonst würdest du ja sagen “der ältere”. Sorry, aber ich möchte nicht erst die Mythologie gelesen haben, um das zu wissen.
„Dennoch“ ist hier vielleicht entbehrlich.

Je näher ich der Festhalle kam, desto voller wurden die Gänge
kehrte ich in den Gang vor der Festhalle zurück
Das wiederholt sich zu oft.

Da die Musikanten mit ihren Instrumenten und die Tänzerinnen mit ihren ausladenden Bewegungen
Die Tänzerinnen beschreibst du ausreichend – nur: Welche Instrumente spielen die Musiker denn?

die Ankunft der Prozession ankündigte
war die Prozession kurz ins Stocken geraten
Hier wiederholt es sich auch zu schnell nacheinander.

direkt hinter den Musikanten und Tänzerinnen, schritten meine Eltern, so tief im Gespräch miteinander vertieft, dass sie mich tatsächlich übersahen. Dann kam er. Ich nahm allen Mut zusammen und trat einen Schritt vor. Da die Musikanten mit ihren Instrumenten und die Tänzerinnen
Wiederholung.

und hastete aus diesem Grund ebenso unaufmerksam durch den Palast wie ich.*
Was macht das Sternchen da am Ende? Hattest du da eine Fußnote geplant?

und ich verstand die Drohung, die in seinen Worten lag.
Schöne Formulierung.

Er schwieg. „Sie sind alle tot.“ sagte er unvermittelt,
Er schwieg. „Sie sind alle tot“, sagte er unvermittelt,

Er zuckte die Schultern und fuhr fort, mit der Krabbe zu spielen, bis ich es nicht mehr mit ansehen konnte, aufsprang und das Tier ergriff. Es zwickte mich mit seiner Schere, dass meine Hand blutete, aber der Schmerz war fast eine Erleichterung. Ich warf es in weitem Bogen zurück ins Meer und dann schauderte es mich.
Sehr schön.

Der Monolog des Fremden ist mir viel zu lang. Jetzt, wo ich weiß, dass eine Mythologie das Vorbild ist, klingt es für mich, als würde hier alles „Historisches“ aufgelistet, was den Kampf betrifft. Kann mich auch täuschen, da ich nicht zwischen Sage und deiner Story unterscheiden kann.

Du schreibst schön.
Auch ohne den Hintergrund würde die Story sehr gut funktionieren, wenn man an einigen Stellen noch am Schräubchen dreht.
Würde mich freuen, wenn du auch Mal eine Fantasygeschichte mit eigenen Figuren und eigener Handlung schreiben würdest.
Sehr gerne gelesen.

Liebe Grüße,
GoMusic

 

Hallo GoMusic,

die Bezeichnung "Fanfiction" für meine Geschichte ist vielleicht berechtigt, aber grausam finde ich sie trotzdem. :(

Ist Christa Wolfs "Kassandra" Homer-Fanfiction? John Updikes "Gertrude und Claudius" Shakespeare-Fanfiction? Shakespeares "Cymbeline" Boccaccio-Fanfiction? Was ich sagen will: die Angewohnheit, Figuren und Handlung aus Werken früherer (und besserer) Meister zu übernehmen, ist so alt wie die Literatur selbst.

Sorry, das musste mal raus. :D

Ansonsten sind alle deine Anmerkungen gerechtfertigt und die Kürzungsvorschläge sind Gold wert. Herzlichsten Dank. Ich bin die Liste durch und habe nichts gefunden, was ich nicht von Herzen bejahen konnte und auch gleich umgesetzt habe.
Damit, dass der Monolog zu lang ist, stehst du nicht alleine (s. a. den Kommentar von maria.meerhaba weiter oben). Aber hier halte ich mich an meinen Vorsatz, die Sache ruhen zu lassen, bis ich alle fünf Storys zusammen habe. Also sei gewarnt: um Geschichten von mir, die "Kalypso", "Hekabe" und "Penelope" heißen werden, mach besser einen großen Bogen. ;)

Und wenn ich das erst aus meinem System habe, dann kriegt ihr sicher auch mal was anderes zu lesen. Aber ob das dann was total eigenes ist? Heißt es nicht, es gäbe sowieso nur 7 verschiedene Archetypen von Geschichten, die wir unendlich wiederholen?

Danke fürs (gerne) lesen.
Viele Grüße
Ella Fitz

 

Hallo Ella Fitz

nur mal kurz:

Also sei gewarnt: um Geschichten von mir, die "Kalypso", "Hekabe" und "Penelope" heißen werden,
Wieso nicht "Medea"? Da wäre so viel an Schmerz und Liebe möglich. (gibt es einen tollen Film von Pasolini)

Deine Geschichte habe ich bisher nur überflogen... Der Stil erinnert mich sehr an Christa Wolfs "Kassandra", du schreibst an mehreren Stellen ... das Kind, ein Kind usw., bei ihr heißt es Hektor, das Tier, das Vieh... starkes Stilmittel...
Und wenn ich schon dabei bin. Was ist das mit dem 14-jährigen Mädchen, das du als Kind bezeichnest. In der Antike war eine 14-Jährige durchaus kein Kind mehr und hat sich selbst auch nicht so empfunden. Zumindest nach allem, was man weiß.

viele Grüße
(vielleicht später mehr)
Isegrims

 

Hallo Isegrims,

Wieso nicht "Medea"? Da wäre so viel an Schmerz und Liebe möglich. (gibt es einen tollen Film von Pasolini)

Tja, Medea ist halt keine Gestalt aus der Odyssee, und ich fürchte, wenn ich jetzt noch mehr griechische Sagenkreise anschleppe, kriege ich wirklich Ärger mit GoMusic. :lol:

Und wenn ich schon dabei bin. Was ist das mit dem 14-jährigen Mädchen, das du als Kind bezeichnest. In der Antike war eine 14-Jährige durchaus kein Kind mehr und hat sich selbst auch nicht so empfunden. Zumindest nach allem, was man weiß.
Tatsächlich steht Nausikaa an der Schwelle zur Frau, ist aber noch unverheiratet (möglicherweise auch nur, weil Könige wählerischer bei der Auswahl der Schwiegersöhne sind). Und vielleicht auch aufgrund ihres familiären Status noch ein wenig unschuldiger als andere Mädchen ihres Alters. Wenn du aber auf das "Ich war ein Kind." anspielst: Hier spricht die "alte" Nausikaa über ihr jüngeres Ich und meint eher damit: "ich war naiv und hatte keine Ahnung, was hinter der Fassade eines schönen Mannes stecken kann." Sie erfährt es dann im weiteren Verlauf.

Danke fürs Lesen und viele Grüße
Ella Fitz

 

Hallo Ella Fitz,

ich habe mir die anderen Kommentare nicht durchgelesen und es kann sein, dass ich dir in meinem Beitrag nichts neues erzähle. Zumindest bin ich auf diese Art unbeeinflusst, von dem was andere vor mir über deine Geschichte gesagt haben. Meine Kommentare sind zum größten Teil direkt beim Lesen entstanden.

Erster Absatz:
Schöner Einstieg, ich mache es mir schon gemütlich und möchte direkt eine Kerze anzünden und mich in einer Decke wärmen. (Es ist taghell und die Temperatur liegt bei 27°C – ich lass das mal lieber)

Zweiter Absatz:
Ok, die Protagonistin ist eingeführt. Eine gewisse Spannung ist auch schon da, denn vermutlich führt uns die Geschichte zur Ursache dessen, warum die hochwohlgeborene Nausikaa 30Jahre später in einer halbzerfallenen Hütte lebt.

Dritter und Vierter Absatz:
Die Vorboten eines Konflikts und irgendwie kommt mir das jetzt alles bekannt vor, ich hatte schon bei Nausikaa irgendwas Griechisches im Kopf aber ich weiß es noch nicht hundertprozentig.

Was danach kommt:
Die Beschreibung der Geschehnisse gefällt mir, alles liest sich leicht und unbeschwert, die Bilder entstehen im Kopf und die Handlung wird nicht langweilig. Einmal benutzt du

mit indigniertem Protest
das Fremdwort sticht aus dem Text heraus und passt nicht zur übrigen verwendeten Sprache, ich finde das solltest du ändern.

Der angedeutete Konflikt, die junge Liebe, der sich die Eltern, oder der Priester in den Weg stellen bleibt aus. Stattdessen kommt der Zufall ins Spiel und Nausikaa trifft Odysseus am Strand, wo sie ihm ihre Liebe gesteht und zurückgewiesen wird.

Zusammengefasst – Junges Mädchen trifft fremden, anziehenden Mann und nimmt ihn mit nachhause, die Eltern mögen ihn, aber verbieten ihrer Tochter den Umgang. Trotz ihrer Mühe ihm Nahe zukommen, gelingt es ihr nicht. Durch Zufall trifft sie ihn am Strand, wo sie ihm anbietet bei ihr zu bleiben. Er lehnt ab und fährt wieder.

Das ist nicht besonders spannend, obwohl du so gut schreiben kannst, ich denke aber mit wenigen Änderungen kannst du da schon wesentlich mehr rausholen.

z.B.:
Ersten Absatz weglassen – der hat keinerlei Bewandtnis was die Handlung angeht.

Den Zufall weglassen – Der macht alles was am Ende passiert so beliebig.
Gib Nausikaa ruhig mehr Charakter, lass sie ihn obsessiv verfolgen, den Priester belügen, ihre Eltern hintergehen, ein Kätzchen vergiften, nur für diesen Moment mit ihm, der dann wirklich das Größte für sie ist. So groß, dass sie, wenn er sie zurückweist richtig tief fällt. Tief genug um aus Rache Poseidon darauf Aufmerksam zu machen, wen die Phäten da nachhause bringen, was letztendlich dazu führt, dass der ihr Volk schrecklich bestraft. (Aus Schmach und Schande zieht sie als Einsiedler an die Steilküste – falls der erste Absatz unbedingt bleiben soll ;) )

Also schreiberisch finde ich die Geschichte wirklich gut, dramaturgisch lässt sich da noch einiges dran machen.

Schöne Grüße
Lem Pala

 

Hallo Lem Pala,

meinen aufrichtigen Dank für diesen Vorschlag:

Lem Pala schrieb:
Ersten Absatz weglassen – der hat keinerlei Bewandtnis was die Handlung angeht.

Das wollte mir bislang keiner sagen und ich hätte es auch nicht hören mögen, weil der Absatz ja so schöööön ist. Auch jetzt bin ich noch etwas geschockt.
Aber je länger ich darüber nachdenke, desto klarer wird es mir: der Absatz ist wirklich das Problem. Er verspricht etwas, was die Geschichte im nachhinein nicht hält, und er hat mich dazu verführt, diesen Erzählton einer ältlichen Frau zu wählen, die die Erlebnisse ihres Jugend-Ichs aus ferner Vergangenheit noch einmal rekapituliert. Statt die Sicht und die Sprechweise der rebellischen Göre zu wählen, die ganz im Hier und Jetzt verankert ist und sich keine Gedanken darüber macht, was danach passiert. (Und Priester belügt und Kätzchen vergiftet. :D)
Ich arbeite zwar gerade schon wieder an etwas anderem, aber sobald ich das eingetütet habe, werde ich mich dieser Geschichte hier wieder widmen.
Bis dahin sei lieb bedankt und herzlichst gegrüßt
Ella Fitz

 

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