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Nasse Schuhe
Nasse Schuhe
Verschlafen wie immer. Gestern viel getrunken, nicht das erste Mal. Kater fällt aus. Und während ich das Ticket löse, was ich im Übrigen selten tue, wird mir bewusst, dies könnte das letzte Mal sein. Der Regen fällt auf den Asphalt. Nicht deprimierend, es macht mich nur nachdenklich. Die Schuhe sind nass, aber das waren sie gestern schon. Kein schönes Gefühl.
Halsschmerzen. Zu viel geraucht in letzter Zeit? Diese Frage stelle ich mir selbst, dann stecke ich mir die nächste Zigarette an. „Vernunft“? – ein Begriff, der für mich schon immer einen leicht negativen Beigeschmack hatte. Einsteigen, die Bahn ist wieder voll. Aber wenigstens warm hier. Es gibt nicht immer nur Schwarz und Weiß. Endlich ein Sitzplatz und ich schaue aus dem Fenster. Die Scheibe ist angelaufen. Am Platz vor mir hat sie jemand abgewischt, damit er oder sie freie Sicht hat.
Vermutlich eines dieser Schulkinder, die um diese Uhrzeit immer mit fahren. Einer der Gründe, weshalb ich mein Ticket nicht löse, denn keiner möchte eine Bahn voller Kinder kontrollieren. Das weiß ich. Hat ja auch immer geklappt, nur vor exakt zwei Wochen wurde ich erwischt, aber es war Nachmittag und ich habe versucht zu schlafen. Muss das Geld heute noch überweisen. Vierzig Euro – scheint eine Menge Geld zu sein. Aber das habe ich durch Schwarzfahren schon längst gut gemacht. Deshalb fühle ich mich nicht bestohlen. Endhaltestelle- und jetzt muss ich noch eine viertel Stunde laufen. Es fahren auch Busse, aber wenn man kein Ticket hat, meidet man lieber das Risiko erwischt zu werden. Heute habe ich eines. Und doch entscheide ich mich dafür, die Strecke zu Fuß fort zu setzen. Es regnet immer noch und ich trete fast in jede Pfütze, die auf dem Weg liegt. Ein Auto fährt vorbei und die Wasseransammlung auf der Straße ergießt sich über mich. Man kennt diese Szene aus Filmen. War sicher keine Absicht und wenn doch, dann hat er noch etwas zu lachen, bevor es wieder in den tristen Alltag geht. Ich fange spontan an zu pfeifen. Man sollte meinen, dass ich gute Laune habe, aber in Wahrheit ist es Gleichgültigkeit. Eines meiner Lieblingsgefühle. Und während ich darüber nachdenke, bekomme ich gute Laune.
Angekommen und viel zu spät. Die Lehrerin stellt eine Frage und ich beantworte sie richtig. Sie hat keine Ahnung und diskutiert mit mir. Irgendwann bricht sie ab. Sie fühlt sich von dem Langschläfer aus dem Konzept gebracht. Ihre Stimme ist penetrant und sie legt mir einen Text mit dem Titel „Die Zwerge“ auf den Platz. Interessiert mich nicht und ich schreibe weiter. Verliere die Lust, Entscheidung steht fest, versuche mir einen guten Schlusssatz einfallen zu lassen und mache stattdessen einen Punkt.