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Narzerners reflexive Libido
Narzerners reflexive Libido (überarbeitet)
Narzerner brach im Laufe dieser Nacht auf. Ganz unvorhergesehen, und ohne noch weiter darüber nachzudenken. Er hielt es einfach nicht mehr länger aus und konnte an nichts anderes mehr denken, als zu handeln.
Als er eben noch in der kleinen Küche seines recht schäbigen Appartements saß, mit einem gläsernen, runden Aschenbecher vor sich auf dem Tisch platziert, und noch einige letzte Züge aus seiner fast abgebrannten, qualmenden Kippe zog, dachte er daran, was er für diesen besonderen Tag, nein: diese besondere Nacht, am Besten anziehen sollte. Etwas feierliches, dem Anlass entsprechendes sollte es schon sein. Soweit seine doch eher bescheidene Garderobe diese besondere Ausnahme für ihn zu erlauben vermochte.
Er machte einen nervösen Eindruck. Seine Stirn wurde feucht. Das schien ihm jedoch nicht aufzufallen. Zu sehr hing er wohl seinen ernsten Gedanken nach und zu sehr war er von seinem immer wieder revidierten Plan für heute Nacht davon abgelenkt. Erst als der Schweiß in seinem Gesicht die Brille auf seiner Nase entlang zu gleiten veranlasste, konnte er nicht mehr anders, als diese, wenn auch sichtlich affektiert und angespannt, wieder nach oben zu seinem Nasenansatz zurückzuschieben. Er schien seine eigene Reaktion gar nicht zu bemerken.
Seine persönlichen Agenten, die ihn in den letzten Tagen und Nächten nun häufiger als sonst besuchten, manchesmal gleich mehrere von ihnen auf einmal, drängten ihn in letzter Zeit immer nachdrücklicher, endlich zur Ausführung seines Auftrages zu schreiten. Sie beschrieben ihm haarklein, was er zu tun hatte. Es sollte ja schließlich nicht daran scheitern, dass er zum entscheidenden Zeitpunkt seiner Tat nicht wüsste, was zu tun sei - wie sie ihm gegenüber immer wieder betonten. Er brauche auch keine unnötige Angst zu haben - meinte dazu gelegentlich der eine oder andere von ihnen. Wenn er sich nur immer ganz genau daran hielte, was sie ihm mitteilten, könne praktisch gar nichts schief gehen - versicherten sie ihm nachdrücklich.
Narzerner stand auf, drückte erst im Stehen noch seine Zigarettenkippe aus und begab sich aufgrund seiner Angespanntheit eher ungeschickt und fahrig in Richtung seines Schlafraumes, in dem sich sein Kleiderschrank befand. Ohne sich mehr Zeit als nötig zu lassen, holte er nach und nach seine feinsten Kleidungsstücke aus dem Schrank und zog diese daraufhin recht zügig an: ein altes, burgunderfarbenes Hemd, eine dunkelgrüne Stoffhose, sein einziger, im Laufe der Jahre schon recht abgewetzter Smoking - dessen Kragen bereits ein Brandloch aufwies, das er während des Ankleidens allerdings nicht zu bemerken schien -, und zuletzt seine dunkelbraunen Lederhalbschuhe.
Als Narzerner dann zu sich meinte, für sein geplantes Vorhaben ausreichend adrett und passend gekleidet zu sein, ging er daraufhin zielstrebig zu seiner Wohnungstür, holte dort noch seinen langen, dunklen Mantel, der neben seiner Wohnungstür hing, hervor, öffnete die Türe, ging nach draußen und verschloss diese sorgsam hinter sich. Den Mantel zog er erst während des Hinabsteigens der Stufen des Treppenhauses in diesem Anwesen an. Kurz darauf erreichte er den Hauseingang und ging hinaus.
Draußen lief er eilig zu seinem in der Nähe parkenden Wagen und stieg ein. Vor seinen Augen spulte sich in diesem Moment wie auf eine Anordnung folgend ein lückenlos erscheinender, jedoch recht kurzer, innerer Film ab. Und als dieser sein Ende erreichte, lief er wieder von Neuem ab. Und als auch dieser zweite Ablauf sein Ende erreichte, fing er wieder von Neuem an. Und immer wieder von Neuem. Dieser bemühte sich, Narzerner exakte Instruktionen für sein in Kürze stattfindendes Vorhaben zu liefern und bei Bedarf diverse Hinweise einzuflechten oder ihn in seinem momentanen Handeln zu korrigieren. Er fuhr los.
Als er ankam parkte er seinen Wagen unmittelbar vor dem Eingang des Hauses, das er als sein Ziel verstand. Er stieg aus und warf die Wagentür hinter sich zu. Den schmalen Weg zum Eingang des Hauses legte er in kürzester Zeit zurück. Je weiter er jetzt ging, desto hastiger und unachtsamer wurde er. Seine Muskeln verkrampften sich, konnten bald nur noch fest vorgeplante Bewegungen ausführen.
Während er hastig weiter lief, die Klinke der offenen Eingangstür zu dem Anwesen herunterriss, um diese zu öffnen, und in das Haus hinein preschte, blieb ihm bald nichts anderes mehr als die besinnungslose Kenntnis, längst zu einem bloßen Zuschauer seiner eigenen Handlungen degradiert worden zu sein. Degradiert von seinen zahllosen, stillen Agenten, die ihn in seinem Geiste begleiteten und jetzt nicht mehr aus den Augen verloren.
Oben im sechsten Stockwerk angelangt (er nahm die Treppen, denn der erst noch anzufordernde Aufzug wurde ihm nicht erlaubt) eilte er ohne die geringste Verzögerung oder einem Anflug von Zweifel sofort nach links in einen endlos langen, unbeleuchteten Gang. Seine mechanisierten, entfremdeten Bewegungsabläufe wiesen ihm selbst im Dunklen gewissenhaft seinen ihm vorherbestimmten Weg.
Er gelangte zu einer Tür in diesem Gang. Es war seine Tür. Narzerner erkannte sein Ziel.
Zu seiner Überraschung erschien ihm diese jetzt schmucklos und ordinär, so gewöhnlich wie jede andere Türe auch. Ganz anders, als er es eigentlich erwartete. Er fragte sich, wofür er sich eigentlich so vornehm gekleidet hatte.
Unzählige formlose Bilder und Gedanken durchschossen plötzlich seinen Kopf wie Kugeln aus einem fremden Gewehrlauf. Sie trafen und verließen ihn sofort wieder. So schnell, dass sie ihm keine Zeit ließen, sie ordnen zu können. Alles was er aus diesem diffusen Kaleidoskop der Gedanken zu erkennen vermochte, war das Bild eines fest verschlossenen, großen Tores, das es zu öffnen galt. Jetzt.
Die Tür in dem Gang öffnete sich von selbst. Zunächst nur einen Spalt weit, dann langsam und gleichmäßig immer weiter. Narzerner wusste exakt, was er zu tun hatte.
Von schwachem, inneren Deckenlicht dieser Wohnung seinen Augen anvertraut, erkannte Narzerner neben der inzwischen fast völlig offenen Türe eine hoch gewachsene, blonde, gut aussehende Frau jüngeren Alters mit verschlafenen Augen. Sie war barfüßig und trug nichts weiter als einen eher nachlässig zusammengeschnürten, leicht beige farbenen Morgenmantel an ihrem Körper. Narzerner glaubte in diesem Moment, ohne Weiteres durch ihren Mantel hindurch sehen zu können.
Die Frau, die Narzerner noch nie in ihrem Leben gesehen hatte (und auch Narzerner erkannte diese Frau in keinem Falle), fiel fast rückwärts über ihre eigenen Beine, als dieser jetzt plötzlich ohne Zögern oder einer zuvor entgegneten Warnung auf sie zu schritt und damit unvermittelt in ihre Wohnung eindrang. Er schloss gewissenhaft die Türe hinter sich.
Die Frau machte einen benommenen und schläfrigen Eindruck auf ihn. Ihre Reaktionen erschienen ihm nur wenig kontrolliert.
Ihre langen Haare waren ungeordnet und fielen ihr ins Gesicht.
Stille breitete sich in dieser Wohnung aus. Die Frau versuchte ihre Anspannung zu verbergen. Narzerner positionierte sich vor ihr in einer Art wie es die Helden in alten Western zu tun pflegten. Breitbeinig und mit seinem langen, dunklen Mantel glaubte er keine schlechte Figur zu machen. Sie standen sich jetzt unmittelbar gegenüber.
Narzerner griff bedeutsam und mechanisch in die linke Tasche seines Mantels und ertastete dort mit einer Hand ein Wärme ausbreitendes, organisches Instrument, das er daraufhin ergriff und hervorzuholen begann. Seine andere Hand führte er synchron dazu in seine rechte Manteltasche und ertastete auch dort ein Wärme ausbreitendes, organisches Objekt, das allerdings eine andere Form als das Instrument in seiner anderen Hand aufwies.
Die Frau vor ihm wankte währenddessen wie benommen von einer Stelle auf die andere, schien aber dennoch bereits um ein Vielfaches aufmerksamer das Geschehen zu verfolgen als noch kurz zuvor. Eine leichte Angst schien sie angespannt und stumm werden zu lassen. Sie bewegte sich jetzt nicht mehr, sondern beobachtete nur noch leise. Beobachtete den Vorgang, in dem der Mann vor ihr ein eigenartiges, lang gestrecktes Instrument aus seiner Manteltasche hervorholte, dessen Lauf die Form, die Farbe und die Wärme eines Phallus besaß. Und an dessen Ansatz ein kleiner, knöcherner Abzug auf seine Betätigung wartete. Der Mann hielt sein Instrument fest entschlossen in seiner Hand.
Aus seiner anderen Manteltasche sah die Frau ihn einen kleinen, dünnwandigen, in zwei gleich große Kammern unterteilten, organischen Beutel hervorholen. Er erschien ihr unwillkürlich wie eine Art Magazin für das Instrument in seiner anderen Hand. Sie bemerkte eigenständige Bewegungen dieses Beutels: Er zog sich ähnlich einem Herzmuskel in kurzen, periodischen Abständen mal bis zur Hälfte seines entspannten Volumens zusammen und ebenso bald daraufhin erschlaffte er wieder.
Der Mann führte behutsam diesen Magazin-Beutel an das phallische, warme Instrument in seiner linken Hand und ließ beide Objekte durch eine kurze, einstudierte Handbewegung in Sekunden miteinander verwachsen. Daraufhin schritt er ohne Zögern auf die Frau vor ihm zu und hielt ihr das Instrument unmittelbar vor ihren Mund. Ihre Augen weiteten sich. Sie sah ihn an. Entschlossenheit und Zorn stachen ihr aus seinen Augen entgegen. Dann blickte sie kurz zu seinem Instrument vor ihr und bemerkte dabei, dass dieses an seiner Mündung feucht wurde. Eine helle weiße Flüssigkeit benetzte die Spitze des Laufes. Sie entschloss sich, ihren Mund zu öffnen.
Narzerner ließ sofort sein Instrument in sie eindringen. Plötzlich erschien ihm jetzt alles wie eine Art Hinrichtung. Er erschrak kurz bei diesem Gedanken, seine Hände begannen zu zittern. Die Stimmen seiner Agenten, denen er sich so ergab, ließen ihm jedoch keine Gelegenheit zur Besinnung. Entschlossen und breitbeinig stand er vor ihr, bedeutete ihr jetzt, sich vor ihm auf den Boden zu knien. Auch das war Teil seines Auftrages. Sein langer, dunkler Mantel deckte die Frau jetzt beinahe ganz zu. Und die schließlich letzte Instruktion lautete: Zu schießen, sobald sein Zielsubjekt dazu bereit war. Er drückte auf den Abzug.
Doch nichts geschah. Das beutelförmige Magazin entlud sich nicht. Er versuchte es sofort noch einmal. Doch auch mit dem zweiten Versuch behielt das Magazin seinen dickflüssigen, weißen Inhalt für sich.
Irritiert nahm er sein Instrument aus dem Mund der Frau. Er wusste mit einem Male nicht mehr, was er zu tun hatte. Der Plan, den er bis jetzt so minutiös eingehalten hatte, konnte ihm keine Antworten mehr liefern, denn er war abgelaufen. Auch seine Agenten waren mit einem Male nicht mehr aufzufinden. Er dachte daran, sie um Rat zu fragen. Doch sie verschwanden offenbar kurz zuvor.
Narzerner drückte jetzt in seiner Verzweiflung nochmals den Abzug seines phallischen Instrumentes, und daraufhin immer wieder und wieder. Dabei konnte er seine jetzt eintretende Ungeschicktheit und Nervosität nicht mehr länger verbergen. Wahllos fuchtelte er nun mit seinem Instrument in der Luft herum und versuchte dabei alle möglichen Handgriffe, die ihm einfielen, um das Instrument zur Entladung zu veranlassen. Doch nichts geschah, so sehr er sich bemühte.
Für ihn völlig unvermittelt brach die noch immer vor ihm knieende Frau jetzt in schallendes Gelächter aus. Ihre Angst schien wie verflogen zu sein. Sie griff sich an den Kopf, in ihre Haare, und ihre Augen zeigten jetzt nichts anderes mehr als kindliches Staunen.
Narzerner beruhigte sich langsam. Niedergeschlagen fiel er seinerseits auf die Knie und dachte mit gesenktem Kopf nach, was er noch tun könne. In seinen Ohren hallte das helle Lachen der Frau. Dann fiel ihm ein, dass ihm noch eine letzte, noch nicht genutzte Möglichkeit blieb. Er führte kurz entschlossen sein Instrument, das er noch immer fest in seiner Hand hielt, an seinen eigenen Mund, öffnete diesen und schob es langsam und sorgfältig hinein. Dann schloss er seinen Mund wieder gerade so weit, dass dieser sein phallisches Instrument vollständig umfasste.
Als er jetzt erneut den knöchernen Abzug an seinem Instrument zudrückte, zog sich daraufhin unvorbereitet ruckartig der angewachsene Beutel unter dem Instrument eng zusammen und aus der kleinen, spaltförmigen Öffnung des langen, dicken Laufes strömte eine Flut dicker, weißer Flüssigkeit unmittelbar in seinen Mund hinein. Narzerner war so überrascht von diesem Vorgang, dass er dabei rückwärts auf den Boden hinter ihm fiel.
Die weiße Flüssigkeit wie den Lauf behielt er noch eine Weile in seinem Mund, während das Lachen der Frau inzwischen etwas verhaltener wurde. Schließlich zog er langsam den Lauf wieder aus seinem Mund heraus und schluckte die dickliche Flüssigkeit in mehreren Schüben seinen Rachen hinunter. Seinen Griff um das Instrument lockerte er jetzt langsam. Er starrte die Decke über sich an und glaubte, dass diese sich jetzt eigentlich jeden Moment aus ihrer Verankerung lösen und auf ihn niederfallen müsste. Jedenfalls wäre das ein durchaus gut gewählter Zeitpunkt, wie er fand. Genau: Jetzt!
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