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namor nie

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12.04.2007
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namor nie

Irr- & Wittümer und sonstiges Gewürm
namor nie

Der erste Satz, wen’s da nicht hält, der ist nicht mehr zu halten


Wittiber kennt’s Leben wie die Welt.

Der zwote Absatz oder Drei Folgesätze

Die Welt kennt Wittiber –
als einen angesehenen älteren Herrn, der still und bescheiden seiner Rente lebt. -

Bis er sich eines Tages in seiner Biografie verläuft und sich fragt, ob er hier noch richtig sei.

Nun hat er’s satt, allein zu sein.

Dritter Absatz, Sätze vier effeff. Ende des ersten Kapitels
(Anmerkung der Authentisten, dass der Autor gerade mal bis drei zählen könne)​

Sollte Wittiber kein moderner Mensch sein?, fragt sich alle Welt.

Sicherlich ist er weder Homo erectus noch Neandertaler. Aber selbst wenn Wittiber nicht mit der Zeit ginge, ist Wittiber doch fraglos ein Homo sapiens sapiens, dass der Homo oeconomicus besorgt fragt: Weiß Wittiber denn nicht um den Vorteil, souverän einem Haushalt vorzustehn?, und ein unbedarfter Zeitgeist säuselt: Wie'n Monarch – und sei das Reich noch so winzig!

Aber Wittiber will kein König sein. Nicht einmal Baron! Ist weder von Adel noch edel und lässt den Zeitgeist wehen, wie und wo der will.

Gestern. Zwotes Kapitel

Wittiber hat gestern Bob Dylan näseln und nölen hören.

Weihnachtslieder!

Selbst ich versteh’s nicht.

Wie unzeitgemäß, Herr Wittiber!

Unter der Jauche der besten aller Welten muss einem ja die Nasenschleimhaut reißen. Wittiber aber platzt zudem neben dem Trommelfell der Kragen.

Genug des Kitsch’ und der Singlebells.

Selbst im Hospital gibt’s keine White Christmas mehr.
Der Anästhetiker gibt sich grau.
Knochenbrecher – je nach Konfession – grün oder blau.
Altertümer und Innere geben sich noch für weiße Weihnacht her.

Gestern Mittag. Kapitel drei

Es reift in Wittiber der Entschluss, der ihn die halbe Rente kosten wird.

Was der gute Mann weiß, kennt er doch das Missverhältnis grenzenlosen Bedürfnisses zu knappen Mitteln. Wozu hätt’ man eines ökonomischen Studiums bedurft, wenn man kein Talent hat, andere übern Tisch zu ziehn?

Rechnen kann er, der Wittiber!
Den Kopf hat er sein Leben lang geschult.
Wissen und Fähigkeit führen den spitzen Bleistift wie eine Klinge.

Und Wittiber kalkuliert scharf.
Er verachtet jede Approximation und wird kein billiges Angebot des Fernen Ostens nehmen, mag es noch so gefügig sein.

Ihn widert Babysprache an:
Aa, ma, pa, pi, tei-tei, oh la-la, waddehaddedudeda.

Pidgin trägt er mit Humor und Witz.
Kreolisch hinwiederum bewundert er:
Aus nichts eine Sprache bilden führe zurück zu den Ursprüngen.

Also nimmt Wittiber nicht das erstbeste Angebot.
Allzu billig und somit verdächtig.
Kinderarbeit aus dem Osten.
Aber immer hinter Indien.
Wittiber ist doch nicht blöd!
Und doch erhält Wittiber ein Angebot, das er annimmt.

Was in der Folge ein ein-eindeutig vollständiges Kapitel ergibt …

Bedacht.

Gesagt.

Getan!

Ficken bis der Arzt kommt.

… und schon finden wir uns im fünften Kapitel

Inmitten der Nacht dräut’s ihn.

Kein Schlaf wär’ mehr zu finden.

Es drängt ihn aus dem Ehebett.

Vorsichtig und ohne Licht schiebt Wittiber sich hinaus, auf dass die Frau, der er seinen Samen wider den Hunger der Welt gespendet hat, weiter schnarche.

Wer, wenn nicht der Hausherr kennt sich in dem dunklen Raum aus?

Wittiber kennt sich hier aus!,
tastet sich vorsichtig mit Hand und Fuß der Tür zum Flur entgegen –
als ihm ein Bein gestellt wird.

Eher nur ein kleiner Fuß.
Zierlich und doch nicht zu berechnen.

Von dem auch abgestreift nur der Pantoffel.
So hübsch wie gefährlich.

Der weilt nicht an seinem angestammten Platz.
Der arme Mann sieht ja nichts!
Zudem kennt er’s nicht, dass etwas sich ihm in den Weg stelle.
Das ist ihm in einem langen Berufsleben nicht widerfahren.

Schon gar nicht, dass ihm Pantoffeln in den Weg gelegt werden.

Das muss einen wie Wittiber verwirren!

So heißt dem Manne die sanfteste Berührung: Straucheln!,
woran er kein’ Gefallen findet, obwohl er fällt.
Dazu entlädt sich der Druck in der Hose.

Also fällt der gestandene Mann gleich dem nassen Sack.
Schwerfällig und zugleich stumm, dem Schicksal ergeben.

Einer beobachtet still den Vorfall.

Kundschaft?
Kundschaft!

Reibt sich die Hände und lächelt verlegen.

Bietet dann doch die Hand, dem Manne aufzuhelfen.
„Komm, Jung, wir gehn nach Haus, Mama und Papa warten schon“,
während Wittiber den Chor der Engel singen hört
"Mama told me not to come",
dabei hat er sein Leben lang geglaubt, Engel sängen Hebräisch und ausnahmsweise Aramäisch! Da hätt' er d'rauf gewettet!

Wittiber denkt, lasse man doch dicke Männer um ihn sein in ruhigem Gemüt, die nachts gut schlafen.

Dem armen Mann ist nicht mehr zu helfen, als das Schnarchen verstummt.
Da hat Wittiber die Hand schon angenommen.

Die Frau im Ehebett angelt nach dem Nachttischlämpchen.
Aber das ist doch niemals die Witib!

Also kann’s kommen: Der Arzt.
Immer zu spät.

Quittung gibt der Streit ums Wittum.

Eine andere Geschichte.

 

Lieber Friedel

Ich guckte zweimal hin, suspekt der Titel, der mir entgegen sprang. Namor, ist das nicht eine amerikanische Comicfigur? Oder vielleicht eher ein getürkter Dialekt? Doch da stand auch eine absolute Verneinung, ein Hinweis auf einen Konflikt? Genug der Herausforderung meiner Neugierde, was das wohl auf sich hat, ich nahm mir den Text zur Brust.

Doch wiederum piekte mich eine Namensgleichheit fremder Feder, der Ludwig Thoma hatte sich doch einen Schwank erlaubt, oder war es ein Roman?

Auf jeden Fall, was du da bietest, ein Lausbubenstreich ist es allemal, den Wittiber zum Pantoffelhelden zu machen. Nur weil er fremd Weibte, gleich ein Himmelfahrtskommando zu arrangieren und die Rechnung den Hinterbliebenen zu präsentieren.

Mit dem Namor nie bereitest du mir aber eine schlaflose Nacht, an der nicht mal die Zenzi schuld hat. - Verflucht, jetzt habe ich es verkehrt rum gelesen, es saust hin und her vorwärts und rückwärts und wieder anders rum, wie soll ich da zur Ruhe kommen.
Da bleibt nur eins, ich schalte den Bildschirm aus und denke mir, der Friedel hat sich da einen Schwank erlaubt, zur Himmelfahrt des Wittiber eine gesellschaftsfähige Intrige.

Hat Spass gemacht, drum gern gelesen.

Schöne Grüsse und guten Auffahrtstag, aber Vorsicht, der Pantoffeln wegen

Anakreon

 
Zuletzt bearbeitet:

Ich guckte zweimal hin,
ist,

lieber Anakreon.

keine schlechte Arbeitsweise, wie ich als Kraus-Geschädigter und J. P. Friedrich Richter Befallener gelernt habe. Der gute erste Eindruck beweist ja an sich nix, schon gar nicht beim Fährten-LESEN. Dass es wieder einmal eine schlaflose Nacht gegeben hat - das tut mir leid. Ich hoffe, Du konntest Dich trotz allem ausschlafen. Aber angeblich brauchen wir Älteren ja weniger Schlaf, dafür mehr Feuchtigkeit, und das find ich ganz in Ordnung. Schlafen werden wir letztlich lang und tief genug, wie nun der Wittiber auch. An die Romanfigur Ludwig Thomas hatte ich gar nicht gedacht, was aber nicht unbedingt schadet - wie auch der Hinweis in Ordnung geht.

Der (Teil-)Titel hantiert einfach nur mit dem Klangbild und ist tatsächlich nicht mal ein Spiegelbild und nur eine Umkehrung.

Und so gilt denn auch:

der Friedel hat sich da einen Schwank erlaubt, zur Himmelfahrt des Wittiber eine gesellschaftsfähige Intrige

Danke fürs Lesen & Kommentieren. Schön, dass es Spaß gemacht hat.

Aus'm Vattertach grüßt der

Friedel

 

Hallo Friedrichard,

ich mag ja die Spielereien, die du mit der Sprache anstellst, obwohl man manchmal vor lauter Details das Ganze aus den Augen verliert. Diesmal ist der Text schlank und der Handlungsverlauf leicht zu erkennen. Die Kapiteleinteilung mochte ich auch, das letzte Kapitel an sich nicht so. Den Schluss hab ich auch nicht verstanden, also "was" schon, "wer", "wieso" nicht so.

Zeug zwischendurch:

Selbst ich versteh’s nicht.
Du hast öfter einen etwas geltungsbedürftigen Erzähler. ;)

So heißt dem Manne die sanfteste Berührung: Straucheln!,
woran er kein’ Gefallen findet, obwohl er fällt.
Der Sprachwitz zündet hier nicht so, finde ich. Das "obwohl" lenkt davon ab, dass es sich um verquerte Sprachlogik handelt. Aber vielleicht sage ich das nur deswegen, weil ich 2 mal hinsehen musste.

Ich habe übrigens auch nicht viel geschlafen und in den wenigen Schlafstunden habe ich auch unruhig geträumt. Aber mir geht es gut und die öffentlichen Verkehrsmittel fahren hier zuverlässig.


Gruß
Kasimir

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Friedrichard,

da ist jemand, der will nicht mehr allein sein, sucht sich eine, vielleicht aus dem Katalog, nicht die Erstbeste, um nicht mehr die ungeteilte Verantwortung für sein Home ist sein Castle haben zu müssen. Verläuft sich in seiner (erdichteten) Lebensgeschichte wie später in seinem eigenen Haus und stirbt daran, über das unbekannte Hindernis stolpernd - so wie es sein Name voraussagt? Moment, tut der Name das?
Wittiber, das ist ein Neologismus, der Witwer bedeuten will / könnte.
zum Schluß: Wer da im Bett der Wittib liegt, das wird tatsächlich nicht deutlich, jemand, den die Engelein im Tausch gleich haben aus dem Himmel fallen lassen oder ihre androgynen Brüderschwestern von unten nach oben gehoben. nun, wer erwartete hier Eindeutigkeit. aber Aramäisch, dem Wort könntest du einen zweiten Blick widmen.

schönes Weakend,
Kubus

 

Hoppla. zuerst fürchtete ich bei den Beiträgen in der Summe inflationäre Verhältnisse für meine Verhältnisse bis ich die Verdoppelung mit dem Abschluss

(gerne löschen! Danke.)
erspähte. Und weil's so schön ist, beginn ich quasi wie in der Fortsetzung zu Anakreons Beitrag mit dem Hauptdarsteller,

Ihr Lieben!,

denn,

lieber Kubus,

die Nacherzählung ist so korrekt, wie der Hinweis zur aramäischen Sprache,

aber da liegstu nun richtig falsch (abgesehn vom Thoma-Titel & Namen)

Wittiber, das ist ein Neologismus, der Witwer bedeuten will.
Gleichgültig, wie Thoma zum Wittiber gelangte, hat hier vor Ort die Namensgebung einen ganz besonderen Weg in den Ursachen zu dieser kleinen Geschichte gefunden:

Wittum ist ein uralter Begriff für den der Witwe zustehenden Besitz („Erbe“). Witib ist ein (lt. Duden) veralteter Ausdruck für Witwe, wobei es auch die Variante Witfrau gibt/gab. Im bayrischen Sprachraum (also auch österr.) hat sich kurz für den Witmann der Wittiber gehalten, ein schöner Begriff – wie ich finde. Bergig bleibt's. Nun machen wir einen Sprung zum Tor des Sauerlandes, der zweitgriechischsten Stadt der Beerde (den Titel trägt z. Z. mein Wohnort):

In Hagen wurde in diesen Tagen eine Mumie in einer versifften Wohnung gefunden.
Warum verwende ich nicht das Possessivpronomen? Die Wohnung war zu Lebzeiten der toten Frau sicherlich ihre Wohnung. Nach bürgerlichem Recht werden trotz aller christlich geprägter Weltanschauung Leichen zur Sache.
Eine Sache kann bestenfalls Eigentum sein, also auch besessen werden, niemals aber „besitzen“, schon gar nicht mehr besessen sein.
Vier oder fünf Jahre lang hat die Frau, die mit 66 Jahren verstarb, und was von ihr übriggeblieben ist von aller Welt unbemerkt in der Wohnung gelegen, bis eben in diesen Tagen eine Bande von Kriminellen die Wohnungstür aufbrach, freilich nicht aus Nächstenliebe und die Frau zu besuchen …

Kurz darauf wurde – wie passend zum Ereignis – eine Studie über das Single-Unwesen veröffentlicht, die eigentlich nur belegt, dass die realen sozialen Netzwerke, sprich diverse (Seil)–schaften wie Verwandt-, Freund-, Bekannt-, Nachbarschaft zugrunde gehen, eine ehemals solidarische Gesellschaft versumpft in der Vereinzelung.
Solidarität ist nix anderes als das, was Luther weiland mit Nächstenliebe übersetzt hat, die ja auch dem Fernsten gelten sollte.
Erst kommt der soziale, dann der natürliche Tod …

Wiederum passend dazu ist im aktuellen Zeitmagazin eine kleine Serie über unser ach so modernes und humanes Gesundheits-, insbesondere Krankenhauswesen erschienen, in dem es inzwischen eher um die „Gesundheit“ der Finanzen als der Konsumenten, pardon, Patienten geht. Eine Tendenz, die bereits mit den ersten Budgetierungsversuchen zu Herrn Blüms Zeiten begonnen hat und noch nicht ans Ende der Geschäftstüchtigkeit gelangt ist,

womit ich zu Dir,

lieber Kasimir,

kommen will.

Diesmal ist der Text schlank und der Handlungsverlauf leicht zu erkennen.
Es wäre schön, wenn man dies von der Hagener Geschichte und dann der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung sagen könnte. Vielleicht hat die Erläuterung der alten Bezeichnungen ein wenig Licht ins dunkle Ende gebracht, denn - nun auch noch mal zu Kubus - es ist wurscht, wer da im Ehebett liegt, ob Thai oder vom Straßenstrich, egal!, die Witwe ist es nicht.

Du hast öfter einen etwas geltungsbedürftigen Erzähler.
Stimmt, aber in romantischer Ironie lass ich schon mal die Einmischung des Publikums zu. Und der ERrzähler ersetzt es - er ist Erzähler, Hörer & sein eigener Sekretär, Lektor und Konsument (wenn schon nicht Käufer des Werkchens).

Zitat:
So heißt dem Manne die sanfteste Berührung: Straucheln!,
woran er kein’ Gefallen findet, obwohl er fällt.
Der Sprachwitz zündet hier nicht so, finde ich.
Ich denk drüber nach ... aber, das mit dem zwomal hinsehn ist an sich nicht das schlechteste (s. vorherigen Beitrag).

Aber mir geht es gut und die öffentlichen Verkehrsmittel fahren hier zuverlässig.
Hier an sich auch, sieht man davon ab, dass man sich inzwischen an der Infrastruktur "kaputt"sparen wird und die Fahrpläne ausdünnt, dass ich demnächst die dreißig Kilometer bis Düsseldorf in zwei Stunden ÖPNV oder mit dem Fahrrad abgurk ... was mich an meine alten Emsländischen Verhältnisse erinnern will ... Transrapidteststrecke, aber zwei Stunden ÖPNV zur holländischen Grenze ...

Dank Euch, fürs Lesen & Kommentieren, bisschen Geheimnis sollte noch bleiben ...

Gruß

Friedel

 

Hallo Friedrichard,

namor niek, das (späte) Leben deines Herrn Wittiber, dafür ein lebendiger kleiner Text, zusätzlich aufgelockert durch viel, viel weißen Raum. Also Platz zum zwischen den Zeilen lesen.

Dieses ironische Aufbrechen der Literarizität, das auch vor deiner Person nicht haltmacht

(Anmerkung der Authentisten, dass der Autor gerade mal bis drei zählen könne)
widerspricht zwar meinem Hang zum Eskapismus, ist aber dein Markenzeichen und sorgt dafür, dass man eine Geschichte, deren Handlung trivial erscheint, schmunzelnd und nachdenklich liest. Auf jeden Fall ein willkommener Urlaub vom literarisch Immergleichen. Man bekommt selbst Lust, mit der Sprache so umherzuspringen, wie du es vormachst. Und du hast bewiesen, dass man mit der Enter-Taste unkonventionell umgehen kann, ohne sich zu blamieren, wie es zuweilen gealterten Preis-, Bart- und Pfeifenträgern widerfährt.

Vorerst hab ich nichts weiter zu meckern.

Grüße,
Meridian

 

Grüß Dich, Meridian,

schön, dass Du in die kleine Geschichte hineingefunden hast, trotz Deines Hanges, die zudem noch Lust nicht nur auf mehr, sondern des Selbermachens weckt. Aber wenn ich Dir jetzt verrate, dass der alternde Vollbartträger (Karlchen Marx lässt grüßen) hier weder raucht noch wert auf Preise legt, den von Dir gezeichneten aber durchaus verehrt (vor wenigen Tagen han ich an anderer Stelle auf eine Episode in der Rättin hingewiesen) und irren können wir uns alle (wobei GG sich eben nicht irrt, es halt nur ungeschickt ausdrückt; einzig Humor, Witz und/oder Ironie vermisse ich bei ihm, dass es kein Gedicht ist, weiß GG selbst).


Vorerst hab ich nichts weiter zu meckern.
Was mich beruhigt undvorerst sowenig wie später beunruhigt.

Dank Dir fürs Lesen & Kommentieren und
ein schönes Spiel heut abend (mödge der Bessere gewinnen) & ein schönes Wochenende. Ich hätt' für mein' Teil noch'n bissken von'ner Kalten Sophie ...

Friedel

 

Kasimir schrieb vor vier Tage:

Zitat:
So heißt dem Manne die sanfteste Berührung: Straucheln!,
woran er kein’ Gefallen findet, obwohl er fällt.
Der Sprachwitz zündet hier nicht so, finde ich. Das "obwohl" lenkt davon ab, dass es sich um verquerte Sprachlogik handelt. Aber vielleicht sage ich das nur deswegen, weil ich 2 mal hinsehen musste.
und ich sagte zu, darüber nachzudenken, was nun am Beispiel des Zitates geschehen ist.


So heißt dem Manne die sanfteste Berührung: Straucheln!,
woran er kein’ Gefallen findet, obwohl er fällt.
Schon dieser einzelne Satz zeigt exemplarisch, dass nicht nur mit der Schriftsprache gespielt wird -

in Gegensätzen wie der sanften Berührung und dem Straucheln;
im Gefallen gegenüber dem ungefälligen fallen -,

sondern auch das gesprochene Wort klingen soll, soll ein Text doch i. d. R. auch vorgetragen werden (können) - eben seine älteste Funktion erfüllen. Noch bevor der Fall vollzogen ist, steckt schon der Schmerzensschrei im Wort „Straucheln“, vom schlichten"so" an sind die verwunderten Interjektionen gegenwärtig.

Alternativ wäre unter vorgegebener Prämisse die Teilung der Subjunktion möglich. Spalten wir also die Subjunktion in seine Vor- und Nachsilbe:

Die Präposition / das Adverb „ob“ wird heutigentags äußerst selten selbständig verwendet und ist mit „offen / über“ verwandt. Gleichwohl ist es durch Substantivierung seines Komparativs „obere“ immer noch vom Oberen bis zur Obrigkeit geläufig.

Das Adverb „wohl“ hat seine Quelle im „wollen“ und bedeutet „erwünscht“, was in Substantivierungen wie „Wohlergehen“ deutlich hervortritt, aber auch in der „Wollust“ zu finden ist.

Die Subjunktion (die schon einen Gegensatz ausdrückt des Nebensatzes zum Hauptsatz, ohne die Katastrophe verhindern zu können) wird nun ersetzt, wobei die Selbstlautung erhalten bleibt, der Widerspruch aber gesteigert und de Nebensatz in den Konjunktiv mutiert:

…,
woran er kein’ Gefallen findet, ob er wohl falle –

was durchaus korrekt ist, womit die Szene geradezu religiös überhöht wird: bevor etwas ist / wird, muss es möglich sein (Paul Tillich hat da sein ganzes theologische Gebäude auf Potenzialität und Aktualität aufgebaut). Der Appendix wird nun noch ironischer, als er ohnehin unter der Subjunktion schon ist: Ob Wittiber über Wollust und eigenem Wohlergehen falle …?,

wobei in der Lesung der Appendix Lutherisch-Biblisch der Art

…, „und“ ob er er ([gleich]wohl) falle
oder als Hilfeschrei daherkommen
… „und“ ob!, er wohl fällt.

Es darf davon ausgegangen werden, dass dieses nicht alle Variationen über diesen einen einzigen „Neben“satz sind. So ließe sich ein Bezug der Junktion zur Logik ziehen - was wir aber heute einmal unterschlagen wollen.

Wat nu?, fragt der Niederrheiner & Ruhr(s)pöttler. Und so sehen wir mit MRR und Kasimir betroffen, der Vorhang zu und alle Fragen offen ...

Gruß

Friedel

 

Hey Friedrichard,

die Nacherzählung ist so korrekt, wie der Hinweis zur aramäischen Sprache,

Setzen, eins? ;)

Nun machen wir einen Sprung zum Tor des Sauerlandes, der zweitgriechischsten Stadt der Beerde (den Titel trägt z. Z. mein Wohnort):

Hahaha, ich hab da letztens was schönes gelesen, über die seltsame deutsche Lust, sich als wiedergeborene klassische Griechen zu verstehen. so haben wir dann einen Wettbewerb im Griechischsein in einer Gegend wie dem Sauerland, die bei mir wenigstens eher ungriechische Assoziationen hervorruft. eher so bodenständige, derbe. schade, in dem Gelesenen waren zwei, drei tolle Sätze. keiner fällt mir ein.

Wittum ist ein uralter Begriff für den der Witwe zustehenden Besitz („Erbe“). Witib ist ein (lt. Duden) veralteter Ausdruck für Witwe, wobei es auch die Variante Witfrau gibt/gab. Im bayrischen Sprachraum (also auch österr.) hat sich kurz für den Witmann der Wittiber gehalten, ein schöner Begriff – wie ich finde.

stimme zu. und interessante kleine Etymologie. immer gern gelesen!
vor ein paar Tagen hatten wir einen neuseeländischen Linguistik-Prof bei uns im Café, der hatte eine faszinierende Frage, die dir sicherlich auch gefallen wird. und zwar woher das Wort 'Rathaus' stammt - er brachte den Ort für die Lokalpolitiker mit dem englischen 'Rat' zusammen. :D Yes, das war stark. wir haben noch einige andere faszinierende Themen auf den Tisch gebracht und hätten fast den Ursprung der Sprache selbst verortet, aber dann musste ich ins Joch des Service zurück.

eine Studie über das Single-Unwesen veröffentlicht, die eigentlich nur belegt, dass die realen sozialen Netzwerke, sprich diverse (Seil)–schaften wie Verwandt-, Freund-, Bekannt-, Nachbarschaft zugrunde gehen, eine ehemals solidarische Gesellschaft versumpft in der Vereinzelung.

Ja genau, deswegen wollt' ich ursprünglich überhaupt antworten.
Sauviele Singles, besonders auch in der Stadt Hamburg mit einer schon obszönen Anzahl attraktiver Menschen. die - auf ewiger Suche sich befinden? einfach nicht zusammenfinden? jedenfalls: Befund bestätigt.
Aber Vereinzelung erlebe ich überhaupt nicht, ganz im Gegenteil, viele pflegen sehr dichte und weit aufgespannte soziale Netze, die trotz relativ häufig und schnell wechselnder Umfelder (zB Job- oder Studienplatzwechsel, Umzug aus Liebe oder Leidenschaft oder Neugier etc) durchaus solidarisch wirken und in der Not als echte Haltestellen sich erweisen.
Virtualität nimmt zwar einen immer größeren Raum ein bei den allermeisten meines Alters, wird aber von den wenigsten gegen die Realität eingetauscht werden - als relativer Stellenwert in Freizeit zB. vllt ja in der nächsten Generation, bei den echten Digital Natives. mit geileren Compis und besseren virtuellen Realitäten, täuschenderen Illusionen.

ist ja ein großes Thema. dazu wollt' ich unbedingt noch etwas sagen, weil es so anders ist in meinen Augen. ich belasse es auch bei dem einen Beitrag, ohne die Krücke des Pseudobezugs zur Geschichte. es sei mir bitte ausnahmsweise nachgesehen.

Lieber Gruß,
Kubus

 

Na, da muss ich wohl mal in Eurem Café vorbeischauen,

lieber Kubus,

wenn

vor ein paar Tagen hatten wir einen neuseeländischen Linguistik-Prof bei uns im Café, der hatte eine faszinierende Frage, die dir sicherlich auch gefallen wird. und zwar woher das Wort 'Rathaus' stammt - er brachte den Ort für die Lokalpolitiker mit dem englischen 'Rat' zusammen.

Nun lege ich getrost Hot Rats auf von Frank Zappa (Sänger übrigens Captain Beefheart).

Aber im Ernst: das Rathaus i. d. S. gibt's schon in den Städten des antiken Griechenlands und hier ist es der Ort, wo der MagistRAT getagt hat. Hier gab's immer schon ein Rätesystem, wenn auch von 1919 nur die Betriebsräte übriggeblieben sind - und die mit gebremstem Schaum. War ja selbst ein'.

Komme auf jeden Fall vorbei, wenn Zappa & Beefheart noch mal gemeinsam auftreten ...

Gruß

Friedel

 

*Buzzer*
@Kubus/Friedel: Bitte bei der Geschichte bleiben, für Mitgliedertreffen gibt's einen eigenen Thread, für Geplänkel PMs!

 

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