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Nachtschmetterlinge
NACHTSCHMETTERLINGE
Langsam stiegen sie auf den Dachboden. Mit ihren Taschenlampen leuchteten sie in den Raum. Alles war voller Staub und Gerümpel. Spinnen wiechen zurück, als Lichtstrahlen sie zufällig streiften. Es waren vier junge Menschen. „Kommt, da hinten!“ sagte Roger leise zu den anderen. Vorsichtig bewegte er sich über das morsche Holz. Zögernd folgten ihm die anderen. Schließlich waren sie an einem alten großen Schrank angelangt. Melissa sah Roger fragend an. Der drehte sich zu den anderen um. „Hier ist es passiert. Hier hat sich der alte Johnsen erhangen, im Schrank.“ „Du machst den Mädchen Angst, Roger!“ sagte Trevor. Er selbst fühlte ein wenig Unbehagen, seit sie das seit Jahren verlassene Grundstück der Familie Johnsen betreten hatten. „Hast du etwa Schiß, Lowerty?“ fragte Roger. Trevor sah ihn wütend an und sagte: „Halt die Klappe, Bone! Ich hab kein Schiß, klar!“ Etwas knarrte. Trevor und die Mädchen, Melissa und Diane, zuckten zusammen. „Da ist doch bloß was umgefallen!“ sagte Roger. Dann packte er einen der Türgriffe und wollte den Schrank öffnen. „Nein!“ sagte mit leicht hysterischer Stimme Diane. „Nein, laß uns gehen. Ich habe Angst.“ Roger schüttelte mit dem Kopf. „Unsinn, glaubt ihr wirklich, daß da drinn noch irgendwas rumhängt? Vielleicht sogar Johnsen selbst?“ Dann öffnete er die Tür. Es war dunkel im Inneren des Schrankes. Alle vier hoben langsam ihre Taschenlampen. Im Schrank hing Johnsen. Ungläubig sahen sie in das tote Gesicht, sahen die geschlossenen Augen, sahen die Würmer, die sich durch das Gesicht fraßen. „Das kann nicht sein!“ flüsterte Roger. Der Leichnam drehte sich wie von Geisterhand zu ihnen. Zitternd standen sie da. Plötzlich öffneten sich Johnsens Augen. Melissa schrie und rannte davon. „Weg hier!“ schrie Trevor und packte Diane. „Roger, komm schon!“ Alle vier verließen panikartig das alte Haus und rannten zum Tor. Es war zu. „Wieso ist das Scheißtor auf einmal zu?“ schrie Diane. „Großer Gott, seht doch nur.“ sagte Trevor und deutete zum Haus. In einigen Räumen war das Licht angegangen und schemenhaft konnte man eine Gestalt sehen, die sich durch die Zimmer bewegte. „Es ist er, es ist Johnsen!“ schrie Melissa. Roger begann das Tor hinaufzuklettern. „Los, über das Tor!“ Als er fast oben war, schrie er plötzlich auf und fiel zu Boden. Trevor half ihm auf. „Roger?“ „Strom! Das Tor steht unter Strom!“ sagte er. „Wir müssen einen anderen Weg finden.“ Sie rannten die Mauer entlang, die das Grundstück umgab. „Roger, ich werde dich umbringen, wenn wir hier draußen sind!“ keuchte Trevor. „Roger?“ Er blieb stehen. Die Mädchen rannten weiter. „Wartet! Roger ist weg.“ Sie rannten weiter. „Halt! Diane!“ Hinter ihm hörte er ein Geräusch. „Verdammt nochmal, Roger, du elender Scheißkerl!“ sagte er und drehte sich um. Doch es war nicht Roger, der vor ihm stand. Das letzte, was Trevor durch den Kopf ging war: Bitte laß es schnell vorbei sein. Eine riesige Pranke durchbohrte seinen Körper. Blut schoß aus seinem Mund. Dann wurde ihm der Kopf abgerissen. Melissa und Diane fanden keinen Ausweg, das Grundstück zu verlassen. „Was jetzt?“ „Ich weiß nicht.“ Sie hatten sich an den Händen gefaßt. Es war dunkel, sie konnten kaum was sehen. Dann hörten sie wieder dieses Knarren, wie vorhin auf dem Dachboden. „Diane?“ Melissa hatte sich an Diane geklammert. Sie hörte plötzlich ein dumpfes Geräusch. „Diane?“ Sie zog Diane zu sich ran. Eine warme Flüssigkeit lief an ihr herunter. Als Melissa bemerkte, daß Diane kopflos in ihren Armen lag, wurde sie ohnmächtig. Zwei schmächtige Hände packten sie an den Füßen und schleifte sie zurück in das Haus. Die Lichter in den Räumen waren ausgegangen. Mit einem lauten Quitschen öffnete sich das Tor. Es herrschte eine unheimliche Stille, nur unterbrochen von den einzelnen Rufen der mächtigen Eulen, die hier in der Gegend weit verbreitet waren.
Little Utah war für zwei Sachen bekannt. Da waren zum einen die Eulen, die dafür sorgten, daß die Bewohner von Little Utah gut vom Tourismus leben konnten. Und zum anderen war da die unglaublich geringe Verbrechensrate in den letzten Jahren. Clive Digger dachte selig an die Zeiten zurück, als ein weggeworfenes Radio irgendwo im Wald für polizeiliche Aktivitäten sorgte. Doch mit der Ruhe war es seit einigen Monaten vorbei. Das Verschwinden von gut einem Dutzend Menschen in Little Utah war nicht ohne Auswirkungen an ihnen vorbeigegangen. Immer weniger Touristen waren bereit, ihren Urlaub ausgerechnet irgendwo in den Rockys zu verbringen, auf die Gefahr hin, spurlos zu verschwinden. Die Presse hatte ihren Teil dazu beigetragen, aus dem ehemals beschaulichen Städtchen einen Ort des Grauens zu machen. Clive hatte sich eine Zigarette angezündet. Vor drei Tagen hatten aufgeregte Eltern eine Vermißtenanzeige bei ihm aufgegeben. Vier Jugendliche seien verschwunden. Die Eltern hatten gesagt, daß Diane, Melissa, Trevor und Roger in der Nähe des Johnsen Grundstücks campen wollten. Digger war dagewesen. Er hatte sich sogar im Haus umgesehen. Aber er hatte nichts finden können. Das Haus war leer, nichts deutete darauf hin, daß die Jugendlichen sich hier aufgehalten hatten. Außerhalb des Hauses scheuchte Digger nur einige Vögel auf, als er den Boden entlang der Mauer absuchte. Nein, hier waren sie nicht gewesen! Er hatte unverrichteter Dinge wieder zurückfahren müssen. Und wie bei den anderen Fällen auch hatte er den besorgten Eltern nur zusichern können, alles Menschenmögliche zu tun, um die Kinder zu finden. Clive zog an der Zigarette. Eigentlich hatte er seiner Frau versprochen, mit dem Rauchen aufzuhören. Er sah sich die Fotos der Vermißten an. Es ergab keinen Sinn. Wer auch immer dahinter steckte, folgte keiner eigenen Linie. Mal waren es Jugendliche, ein anderes Mal waren es zwei Rentner, dann wieder eine Angestellte des örtlichen Krämerladens. Clive öffnete das Fenster. Nicht eine einzige Spur hast du, dachte er. Die Tür des Büros öffnete sich. „Ich bin hier hinten.“ sagte Clive laut. Eine Stimme rief: „Clive?“ Scheiße, Marge. Schnell warf er die Zigarette aus dem Fenster. Seine Frau betrat den hinteren Teil des Büros. „Clive Digger, habe ich Sie beim Rauchen erwischt?“ Er senkte schuldbewußt seinen Kopf. „In allen Punkten der Anklage schuldig!“ Marge umarmte ihn, er gab ihr einen Kuß auf die Wange. Sie sah die Fotos an der Wand. „Es nimmt dich ganz schön mit, oder?“ „Ja, Marge. Vier Jugendliche vor drei Tagen. Ich weiß nicht, was ich machen soll. Ich habe keine Spur, weder von den Entführten, geschweige denn von den Tätern.“ „Du gehst davon aus, daß sie entführt worden sind?“ „Ja, alles andere wäre ein selten großer Zufall!“ „Und wenn es Zufall wäre?“ „Marge!“ „Ich meine ja nur, was, wenn sie sich alle in den Bergen verlaufen hätten. Nachts ist es dort sehr kalt, Clive.“ Er sah seine Frau an. „Ach Marge, laß es. Glaub mir, es handelt sich bei jedem der Vermißten um einen Entführungsfall.“ Marge holte ein Päckchen aus ihrer Tasche. „Hier ist dein Lunch. Komm nicht zu spät nach Hause.“ Sie sah ihn an. „In den letzten Wochen ist deine Seite des Bettes recht kalt geworden. Und ich... ich fühle mich ein wenig vernachlässigt.“ Clive umarmte sie. „Alles wird gut, Schatz. Nur ist es momentan leider so, daß ich zu sehr beschäftigt bin.“ „Hast du Hilfe angefordert?“ Er sah sie fragend an. „Jemanden aus der Stadt? Das FBI vielleicht?“ sagte Marge. „Ach Marge!“ Sie wollte ihm wirklich helfen, mit all ihren Ratschlägen. Digger dachte nach. Vielleicht würde ein Anruf ja nicht schaden.
„Captain, das ist ein ziemlich mieser Witz, oder?“ „Nein, Mister. Die Kacke haben Sie sich selbst vorzuwerfen. Ihre ‚Großtat‘ verschafft Ihnen einen erholsamen Aufenthalt in Little Utah, irgendwo in den Rocky Mountains.“ Der Raum des Captains war voll mit Zigarettenqualm. Parker hustete. „Wann hören Sie endlich mit der Scheiße auf, Sir?“ „Halten Sie die Klappe, Parker!“ sagte Captain Tripplefood, ein würdiger Vertreter derer, die beim FBI die Karriereleiter hinauf gefallen waren. „Und was soll ich in, äh...“ „Little Utah, Parker. Zwölf Vermißte in den letzten vier Monaten. Keine Anzeichen einer Entführung, keine Leichen in der unmittelbaren Umgebung. Ich habe sofort an Sie gedacht, als uns der örtliche Sheriff um Hilfe bat.“ „Den Scheiß können Sie sich sparen.“ sagte Parker und stand auf. Er ging zur Tür und öffnete sie. „Alle Unterlagen liegen auf Ihrem Schreibtisch.“ sagte Tripplefood. „Ja, schon klar.“ „Ach, Cole?“ Parker blieb stehen und sah den Captain an. „Ja?“ „Cole, ich hoffe, Sie wissen, daß ich das nicht gern mache. Aber wenn Sie den Fall nicht übernehmen, dann muß ich Sie vom Dienst suspendieren.“ „Keine Angst, Bruce.“ sagte Parker. „Ehe Sie mich suspendieren, bekommt Ihre Frau ein Kind von mir.“ Er zwinkerte Tripplefood zu und verließ das Zimmer. Der Captain schrie ihm hinterher. „Vermasseln Sie es nicht, Parker!“ Doch das hörte Cole schon gar nicht mehr. Parker nahm die Unterlagen und steckte sie in seine Tasche. Er ging nach Hause. Er hatte kein Auto, hier in der Großstadt war es sinnlos, sich mit einem Auto fortzubewegen. Ständiger Stau und Unfälle an jeder großen Kreuzung machten das Fahren zu einer Herausforderung für die eigenen Nerven. Zu Hause angekommen genehmigte sich Parker als erstes einen großen Schluck aus der Flasche Jack Daniels, bevor er sich die Unterlagen ansah. Scheiße, dachte er, Little Utah. Er begann zu lesen. Viertausend Einwohner, Tourismusbranche. Oh Gott, ein Kaff voller Bauern! Dann sah er sich die Fotos der Vermißten an. Einige Jugendliche, mehrere Erwachsene, zwei Rentner. Hm, kein konkretes Muster bei der Auswahl der Opfer. In unregelmäßigen Abständen vermißt beziehungsweise entführt. Was Parker auffiel, waren die Angaben der Hinterbliebenen. Hatte der Sheriff in Little Utah das übersehen? Wahrscheinlich war es ein Trottel. Ein fetter, ständig Kekse fressender Blödmann, dachte Parker. Wie konnte man das denn übersehen. Auf einer Karte waren die Punkte vermerkt worden, an denen man das letzte Mal etwas von den Vermißten gehört oder gesehen hatte. Und innerhalb der markierten Punkte lag etwas, ein großes Anwesen. Parker hatte den entsprechenden Eintrag gefunden. ‚Johnsen‘ las er. Hm, wenn du dich anstrengst, bist du in vier Tagen wieder zu Hause, dachte er. Wieder hier in der Scheißstadt. Er nahm einen Schluck aus der Flasche.
Sheriff Digger kam sich irgendwie bescheuert vor, als er den Anruf tätigte. Ständig wurde er weitervermittelt. Nach endlosen Minuten hatte er endlich einen gewissen Captain Bruce Tripplefood am anderen Ende der Leitung, der ihm versprach, behilflich zu sein. „Sie bekommen meinen besten Mann, Mister Digger!“ sagte Tripplefood. „Sie werden schon sehen, in Nullkommanichts sind Ihre Probleme gelöst, Mister Digger.“ Clive kam es vor, als ob Tripplefood sich bei ihm einschleimte, um ihm diesen Cole Parker schmackhaft zu machen. „Wenn dieser Parker so gut ist, warum betrauen Sie ihn dann mit diesem Fall?“ wollte Clive wissen. „Digger, vertrauen Sie mir. Wir haben hier jede Menge äußerst hervorragende Mitarbeiter. Außerdem ist Parker ein Spezialist in Sachen Entführung.“ „Aha, und wann wird er hier ankommen?“ „Morgen wird er sich auf den Weg nach Little Utah machen, Mister Digger. Sie werden schon sehen, alles wird gut.“ „Dann haben Sie vielen Dank, Mister Tripplefood.“ „Keine Ursache!“ „Ja, danke. Auf Wiederhören.“ Clive legte auf. Als er nach Hause kam, erzählte er Marge von dem Telefonat. „Ist doch großartig, Clive. Das FBI hilft dir.“ „Marge?“ „Schatz?“ „Tripplefood hat diesen Parker dermaßen gelobt, kein normaler Vorgesetzter würde dies machen. Es sei denn...“ „Es sei denn?“ „Es sei denn, er will diesen Parker loswerden.“ Marge seufzte.
Jamie Duke war ein Einzelgänger, wie er im Buche stand. Keine Freunde, schweigsam und mürrisch, nicht gern gesehen. Dennoch schleppte er seinen alten Körper einmal die Woche runter ins Tal, um Einkäufe zu erledigen. Keiner konnte genau sagen, mit was Duke sein Geld verdiente. Manche meinten, er wäre ein Wilderer und würde die Pelze der Grizzlybären irgendwo für teures Geld verkaufen. Andere wiederum dachten, Duke hatte ein kleines Vermögen geerbt, und da er recht anspruchslos war, würde er eben damit über die Runden kommen. Im Grunde genommen war es den meisten Einwohnern Little Utahs egal. Was interessierte sie schon ein alter kleiner Mann, der oben in den Bergen wohnte. Wie gesagt, einmal die Woche kam Jamie Duke in die Stadt, immer am Mittwoch. Donovan schaute aus dem Fenster seines kleinen Ladens. Es war Donnerstag, und Jamie war noch nicht dagewesen. „Da kannst du soviel lachen, wie du willst, Aretha!“ sagte er zu seiner Frau. „Auch wenn der alte Duke ein Verrückter ist, ich mache mir Sorgen!“ „Warum? Duke ist ein Idiot!“ „Kann sein, trotzdem. Irgendwas stimmt da nicht.“ sagte Donovan. „Ob er auch verschwunden ist?“ fragte er Aretha. „Wen interessiert das schon!“ „Mich interessiert es. Er ist bis jetzt immer mittwochs bei uns gewesen und hat eingekauft.“ „Dann geh doch zum Sheriff. Sag Digger, daß du deinen alten Kumpel Duke vermißt!“ „Er ist nicht mein Kumpel, Aretha!“ erwiderte Donovan verärgert. Aber er würde trotzdem zu Digger gehen. Selbst Duke hatte es verdient, nicht völlig unbeachtet zu sein. Und wenn es nur Donovan wäre, der sich Sorgen um ihn machte. Sie fanden Duke in der Nähe des Johnsen Grundstücks, zumindest das, was von Jamie Duke noch übrig war. Digger ließ das abgerissene Bein ins Krankenhaus zur Untersuchung bringen. Die zerfetzte Bekleidung, unter anderem Jamie Dukes unverwechselbares graublaues Stirnband, packte er in einige Beutel. Das war also Opfer Nummer Dreizehn. Jamie Duke, der Dorftrottel! Clive sah zum Anwesen und murmelte: „Schon wieder beim Johnsen Anwesen. Verdammt!“ Dann meldete sich James über Funk. „James, was gibt es?“ Aus dem Funkgerät rauschte es: „Er ist da. Der Typ vom FBI!“ „Bin unterwegs.“ Clive fuhr zurück in die Stadt.
„Fuck! Fuck! Verdammter Tripplefood. Du blödes Arschloch!“ Parker war wütend, sehr wütend! Er hatte sich verfahren. Er befand sich überall, nur nicht da, wo er laut Karte sein sollte. Er hatte sich einen Wagen gemietet und war früh losgefahren. Als er endlich aus der Großstadt raus war, fingen die Probleme erst richtig an. Zu wenig Benzin im Tank, die Klimaanlage war defekt. Und vor ihm lagen gut fünfhundert Meilen trostlose Leere. Und dann hatte er sich verfahren. Wahrscheinlich war er in Gedanken versunken gewesen und hatte die falsche Abfahrt genommen. „Fuck!“ schrie er noch einmal. Er sah sich um. In weiter Ferne sah er einen Laster auf sich zukommen. Gott sei Dank, dachte er. Als der Laster nach gut zehn Minuten endlich da war, stellte Parker mit Freude fest, daß es sich um einen Laster aus Little Utah handelte. „Ich werde Ihnen einfach folgen, Sir. Und vielen Dank auch!“ Er setzte sich hinter das Steuer des Wagens. Man, da hab ich ja noch mal Glück gehabt, sagte er zu sich. Der Laster vor ihm fuhr los. Parker beschleunigte, und mußte nach wenigen Metern erkennen, daß er die momentane Geschwindigkeit von zwanzig Stundenkilometern wohl nicht überschreiten würde. „Fuck!“
Digger sah den Mietwagen vor seinem Büro. Gehobene Mittelklasse. Er holte noch einmal tief Luft und öffnete dann die Tür. Drinnen stand ein Mann und studierte die Karte, die neben dem Wasserspender hang. „Sind Sie Parker?“ „Ja Sir, Sheriff. Cole Parker, FBI.“ „Ich bin Clive Digger. Haben Sie also doch noch hierher gefunden?“ Parker winkte ab. „Sprechen wir nicht darüber.“ Dann deutete er auf die Karte. „Das Grundstück der Johnsens, hat man es untersucht?“ „Bitte?“ „Die Vermißten, Sheriff, hat man dort nach ihnen gesucht?“ „Ja, das habe ich. Agent Parker, das Johnsen Anwesen ist seit mehr als zwanzig Jahren unbewohnt.“ Parker sah Digger erstaunt an und sagte: „Das wußte ich nicht.“ „Vielleicht sollten wir erst einmal einen Kaffee trinken, was meinen Sie?“ Parker lächelte. „Nein danke!“ Sie saßen im hinteren Teil des Büros. Parker sah sich die Bilder an der Wand an. „Ist das Ihre Frau dort auf dem Bild?“ „Ja, Marge. Sind Sie verheiratet?“ „Nein.“ Digger trank einen Schluck aus der Tasse. „Jemals daran gedacht, zu heiraten?“ Parker schüttelte mit dem Kopf und sagte: „Mir ist die richtige einfach noch nicht über den Weg gelaufen.“ „Verstehe.“ Digger stand auf und holte einige Unterlagen, die er Parker gab. „Das sind die Akten über die vermißten Personen.“ „Ja, die habe ich schon gelesen. Falls es sich wirklich um Entführungen handelt, so scheinen der oder die Täter sich die Opfer willkürlich auszusuchen.“ „Ja, darauf bin ich auch schon gekommen.“ „Das einzige, was die Fälle miteinander verbindet, ist die Tatsache, daß die Aussagen über den letzten Verbleib oder die gefundenen Kleidungsreste das Johnsen Anwesen betrifft. Wenn man sich die Karte betrachtet, ergeben die zwölf...“ „Es sind dreizehn, Agent Parker. Vorhin hat man die Überreste des alten Jamie Duke gefunden!“ „Okay, die bisher dreizehn bekannten Fälle bilden eine Art Kreis, in dessen Mittelpunkt besagtes Grundstück liegt.“ Parker fuhr mit seinem Finger auf der Karte um das Grundstück herum. „Es ist der Mittelpunkt. Sheriff?“ „Ja?“ „Selbst wenn das Anwesen unbewohnt ist, so scheint es doch auf gewisse Weise eine Bedeutung zu spielen.“ „Für wen?“ „Für den Täter.“ „Oder die Täter.“ „Ja genau, oder die Täter.“ Das Telefon klingelte. „Entschuldigung, Mister Parker.“ sagte Clive und nahm ab. „Sheriff Digger? Marge!“ Während Digger telefonierte, sah sich Parker um. Er mußte zugeben, daß Digger seinem Klischee eines typischen Dorfpolizisten nicht entsprach. Er hatte weder Donuts im Büro gesehen, geschweige denn irgendwelchen Kram, den man in so einem Kaff sammelte, wenn man hier leben würde. Gott, wie kann man das nur hier aushalten? „Parker?“ „Was? Hier... Sheriff!“ „Meine Frau hat Sie zum Essen eingeladen.“ „Oh, danke, aber...“ „Da gibt es kein Aber, Agent Parker.“ „Tja, dann bleibt mir wohl nichts anderes übrig, oder?“ fragte er Digger. Der lächelte ihn an. „Sie werden es überleben!“ „Na, da bin ich ja beruhigt.“ Sie verließen das Büro. „Was ich Sie schon die ganze Zeit fragen wollte, Sheriff. Ist die Eule hier irgendein Wappentier, oder so etwas ähnliches?“ Auf dem Weg zu Diggers Haus waren sie an einem Schaukasten vorbeigegangen, in dem zahlreiche Puppen und Spielwaren lagen. Und fast jedes hatte etwas mit Eulen zu tun. „Oh, wir haben hier in der Gegend von Little Utah eine besondere Spezies von Eulen. Übernatürlich groß. Ich glaube, es ist sogar die größte ihrer Art weltweit.“ „Aha.“ „Bis vor kurzem haben wir hier vom Tourismus gelebt. Aber seit den Geschehnissen... Sehen Sie selbst.“ Parker sah viele Läden mit der Aufschrift ‚Geschlossen‘. „Tut mir leid.“ „Sie können doch nichts dafür.“ Sie gingen weiter.
Sie öffnete langsam ihre Augen. Etwas streifte ihr Gesicht. Laut schrie sie auf. Es hatte sich angefühlt, als ob Federn sie berührt hatten. Wo bin ich, durchfuhr es Melissa. Dann hatte sie sich an das helle Licht gewöhnt. Sie befand sich in einem Keller, soviel stand fest. Sie sah die alte Holztreppe, die nach oben führte. Langsam kroch sie auf die Treppe zu. Irgendwas fehlte ihr, aber Melissa wußte noch nicht, was es war. Und dann sah sie die Eulen, welche auf den vielen Holzbalken saßen, die in der Mitte des Kellers befestigt waren. Die Eulen sahen sie stumm an, vereinzelt flatterte eine Eule auf einen anderen Balken, doch es war still. Unheimlich still. Melissa kroch weiter auf die Treppe zu. Dann hörte sie das Hämmern und Brüllen. Unter Schmerzen drehte sie sich um. Sie sah die Tür, die zu einem anderen Raum führte. Und in dessen innerem brüllte ein Etwas, das gegen die Tür schlug. Immer und immer wieder. Die Tür war aus Eisen, doch unter jedem Schlag verbiegte sie sich. Melissa begann zu weinen. Was geschieht hier mit mir? Als sie die erste Stufe der Treppe erreicht hatte, sah sie nach oben. Ihr kam es vor, als ob die Treppe im Nichts enden würde. Sie nahm all ihren Mut zusammen und begann, die Treppe zu erklimmen. Ihre Hand ertastete eine Stufe nach der anderen, während sie sich mit ihren Beinen abstieß. Plötzlich öffnete sich die Tür am Ende der Kellertreppe. Melissa sah nach oben. Eine Gestalt kam die Treppe hinunter. Schritt für Schritt, den gleichen Rhythmus beibehaltend. Tapp. Tapp. Tapp. Tapp. Die Treppe knarrte. Melissa ließ die Stufen los und rutsche zurück auf den kalten Boden. Die Gestalt kam immer näher. Sie stellte fest, daß das Brüllen und Hämmern im anderen Raum aufgehört hatte. Stattdessen hörte sie winselnde Klagelaute. Wie von einem Hund, durchfuhr es sie. Die Eulen saßen weiterhin teilnahmslos auf den Balken. Unter ihnen schleppte sich Melissa in eine Ecke des Kellers. Die Gestalt kam nun auf sie zu. Dann beugte sich etwas zu ihr herunter. Melissa sah in ein Gesicht und begann zu schreien. Jetzt wurden die Eulen unruhig, und auch das Etwas im anderen Raum begann wieder zu brüllen. Melissa sah in ein Gesicht, welches nur noch aus einer fleischigen Masse bestand. Große blutunterlaufende Augen sahen sie an. Die Zunge wurde nur noch von einigen Sehnen und Muskeln festgehalten und eine nach Fäulnis riechende Stimme krächzte zu ihr: „Siehst du? Alles wird gut. Alles hat seinen Platz.“ Die Gestalt warf etwas zu Boden. Sofort stürzten sich die Eulen darauf. Trotz ihres Ekels sah Melissa hin. Es war ein menschlicher Arm, den die Eulen gierig zerfleischten. Oh mein Gott, dachte Melissa. Ein quälender Schmerz durchfuhr ihren Körper. Und dann wußte sie auch, was ihr die ganze Zeit gefehlt hatte. Man hatte den Stumpf nur notdürftig verbunden, gerade so, daß sie nicht verblutete. Die Eulen fraßen ihren linken Arm. Die Gestalt sagte zu ihr: „Alles wird gut.“ Melissa konnte nicht mehr. Die Gestalt stand auf und ging zur Tür, die zu dem anderen Raum führte. „Nein, bitte nicht.“ flüsterte Melissa. Doch es war zu spät. Als die Gestalt, dieser Dämon, die Tür öffnete, raste das Etwas auf Melissa zu. Ihr einziger Trost war, daß sie sofort tot war und nichts spürte. Ihr Körper wurde zerissen. Die Eulen flogen wild durcheinander. Die Gestalt zog an einem Hebel und mehrere Fenster öffneten sich. Die Eulen flogen nach draußen. „Fliegt, meine Freunde! Fliegt!“ schrie die Gestalt. Als sich keine Eule mehr im Keller befand, sah die Gestalt zu den Überresten von Melissa. „Alles wird gut!“ Das Etwas, welches Melissa zerfleischt hatte, trottete langsam wieder zurück in seinen Raum. Hinter ihm schloß die Gestalt die verbeulte Tür aus Eisen. Noch einmal murmelte die Gestalt: „Alles wird gut.“ Es ging die Treppe nach oben. Im Keller brannte noch immer das Licht. Insekten begannen sich im Keller auszubreiten. Sie wollten nur eins: Melissas Blut, welches den Boden des Kellers bedeckte. Die Gestalt kam nach kurzer Zeit mit einem Eimer Wasser und einem Mob zurück und sang leise vor sich hin, während sie den Boden säuberte.
Parker war nervös. Es ging ihm immer so, wenn er sich unbehaglich fühlte. Seine Hände zitterten und er brachte kaum ein Wort hervor. Clive und Marge bemerkten das Zittern, ließen sich aber nichts anmerken. Um die Situation zu entspannen, fragte Marge Parker: „Und? In der Stadt läuft alles?“ Parker war ihr für diese Frage dankbar. Sein Herz raste nicht mehr so wild und er holte tief Luft. „Nein, Miss Digger. Die Stadt ist nicht mehr das, was sie früher einmal war. Wie ich sie als Kind in Erinnerung hatte.“ Er schaute sie verlegen an. „Während des Krieges war ich in Frankreich stationiert.“ „Waren Sie dabei? Bei der Landung in der...“ „Ja, ich war beim D-Day dabei. Wir waren mit die ersten, die aus den Booten sprangen. Wie ich es geschafft habe, dem ganzen Gemetzel zu entgehen, weiß ich bis heute nicht. Nun, wir haben die Bresche für die nachfolgenden Truppen geschlagen. Und letztendlich haben wir den Krieg gewonnen.“ Niemand sagte etwas. Nach einer Weile sagte Clive: „Wenn wir nicht aufpassen, wird es einen neuen, schlimmeren Krieg geben.“ Marge sah ihn strafend an, doch Parker entgegnete: „Sie meinen die Sache mit Kuba letzten Jahres?“ „Ja.“ „Die Russen haben die Raketen wieder außer Landes geschafft. Es wird keinen neuen Krieg geben, jedenfalls keinen, der mit Atombomben geführt wird.“ „Warum sind Sie sich da so sicher?“ „Na überlegen Sie doch mal, Mister Digger. Was wäre denn, wenn es wirklich passieren würde?“ Clive sah Parker an und nickte anschließend. „Sie haben Recht, Parker. Nichts würde so einen Wahnsinn überleben.“ „Ich sage immer: Laßt sie doch ihre Drohgebärden machen. Beide Länder sind klug genug, den roten Knopf nicht zu drücken.“ Marge nahm einen Schluck Wein zu sich. „Und wenn es doch einmal so kommen wird? Wenn die Kommunisten uns angreifen?“ fragte sie Parker. „Wenn die Russen uns, oder wir die Russen angreifen sollten, Miss Digger, dann wird das geteilte Deutschland das Schlachtfeld sein. Weil dort beide Systeme direkt aufeinander treffen. Und wir hier in Amerika, wir haben genug Zeit, um uns eine Kugel durch den Kopf zu jagen.“ Marge stand auf und ging nach draußen. Clive goß Parker noch etwas Bier in das Glas. „Warum sagen Sie das?“ „Sie hat mich gefragt.“ „Hätten Sie es nicht ein wenig... freundlicher ausdrücken können? Nicht so drastisch, so mit Bestimmtheit, als ob wir überhaupt keine Wahl hätten.“ „Sie haben Recht, Sheriff. Verzeihung.“ Clive sagte nichts und trank einen großen Schluck Bier. Als er das Glas wieder absetzte, kam Marge zurück. Sie hatte leicht gerötete Augen. „Alles in Ordnung, Schatz?“ fragte er ein wenig besorgt. „Ja Schatz, ich hatte nur etwas im Auge. Geht schon wieder.“ Parker räusperte sich und sagte: „Wenn ich etwas falsches gesagt habe, dann tut mir das leid, Miss Digger.“ „Wirklich, Mister Parker, alles in Ordnung.“ Marge lächelte bereits wieder. „Gut.“ sagte Clive und stand auf. „Wollen wir ins Arbeitszimmer gehen und die Fälle durchsprechen, Parker?“ Der nickte und stand auf. „Ja, gute Idee.“ Sie gingen aus dem Eßzimmer. Marge begann den Tisch abzuräumen.
Clive hatte den Whiskey aus der Schrankwand geholt. „Selbstgebrannter?“ wollte Parker wissen. „Ich sag Ihnen mal was. Sie verraten mir, warum Sie abgeschweift haben, als es um die Stadt ging, und ich werde Ihnen anschließend verraten, wo Sie den besten Whiskey im Umkreis von dreihundert Meilen bekommen können. Okay?“ Parker nahm das Glas und leerte es mit einem Zug. Er hustete ein wenig. Dann schluckte er und sagte: „Aber es müßten schon zwei Flaschen sein, Digger!“ Der nickte. Parker fing an zu erzählen: „1948 bin ich zurückgekehrt. Nichts in meiner Stadt war mehr so, wie vor meiner Einberufung. Kriminalität gab es schon vorher. Aber nicht in solchen Ausmaßen. Erschwerend für meine Eingewöhnung kam hinzu, das meine Verlobte einen anderen geheiratet hatte, als das Gerücht aufkam, ich sei irgendwo am Rhein gefallen. Ich glaube, sie weiß bis heute nicht, daß ich noch am Leben bin.“ „Ist das der Grund, warum Sie danach nie wieder...“ „Ja, kann sein. Es war ein ziemlicher Schock für mich. Nach einigen Wochen hatte ich mich soweit im Griff, daß ich mir Arbeit zu suchen begann. Und wie es der Zufall wollte, bin ich bei der Polizei gelandet. Hab mich schnell hochgearbeitet. Vor acht Jahren habe ich mich dann beim FBI beworben. Sie haben mich auf der Stelle genommen. Man könnte denken, ein gutes Leben, nicht wahr? Doch nicht, wenn man seinen Dienst in dieser Stadt verrichtet. Wissen Sie noch, was los was, als McCarthy mit der Verfolgung begann?“ Digger nickte. „Ich mußte Unschuldige festnehmen, nur weil sie von den eigenen Nachbarn als Kommunisten angezeigt wurden, Digger. Ich mußte Freunde ins Gefängnis stecken. Zu der Zeit etwa begann ich die Stadt zu hassen. „Warum sind Sie nicht weggezogen?“ „Ich weiß es nicht. Etwas hielt mich dort. Sind Sie schon Ihr ganzes Leben hier, Digger?“ „Nein, Marge und ich sind 1950 nach Little Utah gekommen.“ „Und hat Sie nichts dazu bewegen können, dort zu bleiben? Dort, woher Sie kamen?“ „Vielleicht unsere Freunde. Ja, die ersten Monate waren hart. Ständig mußte ich an sie denken. Und Marge auch. Aber mit der Zeit vergißt man sie.“ „Ich konnte das nicht. Viele meiner Freunde sind gegangen. Ich blieb, in der Hoffnung, das einige auch bleiben würden. Doch seit zwei Jahren weiß ich, daß ich einsam bin, wenn ich vom Dienst komme, daß da keiner ist, mit dem ich mich treffen könnte, oder wenigstens reden, egal was. Sie sind alle weg, Digger.“ Parker goß sich das Glas bis zum Rand voll. „Was ist denn mit Ihren Kollegen beim FBI?“ fragte Digger behutsam. Parker winkte ab. „Das ist nicht so einfach. Die meisten haben Familie, und mit den anderen kann ich nichts anfangen. Es ist so schwierig für mich.“ „Ich verstehe langsam.“ sagte Digger. Parker sah ihn erstaunt an. „Was verstehen Sie?“ „Warum Tripplefood Sie geschickt hat. Er wollte Sie aus der Stadt raushaben, nicht wahr?“ „Wegen dem, was ich Ihnen gerade erzählt habe? Nein, das ist eine völlig andere Sache. Eine Art Strafaktion von Tripplefood mir gegenüber.“ „Strafaktion?“ „Das geht Sie nichts an. Jetzt wissen Sie, daß ich nicht freiwillig hier bin.“ Parkers Glas war schon wieder leer. Digger schenkte nach. Als Marge mitten in der Nacht wach wurde, lag Clive nicht neben ihr. Leise ging sie ins Arbeitszimmer und sah die beiden Männer in den Stühlen schlafen. Sie holte zwei Decken und deckte Clive und Parker damit zu. Sie roch den Whiskey in Clives Atem, als sie ihm einen Kuß gab. Sie schüttelte den Kopf und ging wieder ins Schlafzimmer. Am nächsten Morgen saßen Digger und Parker am Tisch im Eßzimmer und hielten sich die Schädel, während Marge ihnen einen starken Kaffee servierte. „Oh nein, danke, Miss Digger, aber ich mag keinen Kaffee.“ brummte Parker. Marge sah ihn erstaunt an, doch Clive sagte ungerührt: „Gut, bleibt mehr für mich übrig.“ „Wollen Sie gar nichts trinken?“ fragte Marge. Parker schüttelte mit dem Kopf. „Nein, nur sterben.“ Marge lachte laut auf. Dann lachten sie alle drei. „Ich würde mir heute gern das Johnsen Grundstück ansehen, Digger.“ sagte Parker. „Kein Problem.“ erwiderte Clive. „Nur noch den einen Kaffee, okay?“
Sie waren auf dem Weg ins Büro. Sie hatten den Wagen genommen, es waren zwar bloß wenige Minuten vom Haus des Sheriffs bis zu seinem Büro, aber Parker hatte darauf bestanden. „Geht es Ihnen gut?“ „Haben wir die Flasche leergemacht?“ „Ja.“ sagte Clive und lächelte. „Können Sie überhaupt fahren?“ „Niemand wird uns hier anhalten, Parker.“ „Ach ja, Sie sind der Sheriff.“ Plötzlich sprang ein Kind auf die Straße, direkt vor den Wagen. „Großer Gott!“ schrie Clive, riß das Lenkrad um und trat mit voller Kraft auf die Bremsen. Die Reifen quitschten, der Wagen drehte sich und schließlich blieben sie stehen. „Parker?“ schrie Clive und sah sich nach Parker um. Der hielt sich den Mund zu und stieg schnell aus dem Wagen. Na wenigstens ist ihm nur schlecht, dachte Clive. Dann machte er die Tür auf. Großer Gott, dachte er noch einmal. Mitten auf der Straße stand ein kleiner Junge. „Junge, geht es dir gut?“ rief ihm Clive zu. Aus den Augenwinkeln sah er, wie Parker sich hinter dem Wagen erhob und sich den Mund abwischte. „Bleiben Sie hier!“ sagte Clive zu ihm und ging langsam auf den Jungen zu. „Was ist denn in Sie gefahren?“ fragte Parker. Der Sheriff hatte ohne Grund und völlig unerwartet gebremst und dabei den Wagen ins Schleudern gebracht. „Sheriff?“ Er sah, wie Digger sich vom Wagen entfernte. „Digger!“ Doch der Sheriff hörte ihn offenbar nicht. Clive hatte den Jungen erreicht. „Junge, geht es dir gut?“ fragte er erneut. Er berührte den Jungen an der Schulter und drehte ihn zu sich um. Erst jetzt bemerkte er, daß der Junge kaum was anhatte, nur einige Lumpen bedeckten den schmächtigen Körper. Und dann sah Clive die blutenden Narben, die am ganzen Körper waren. „Junge, wer...“ Der Junge sah ihn an. Clive schrie entsetzt auf. Schnell drehte er sich zu Parker um und schrie ihm zu: „Rufen Sie einen Krankenwagen!“ Parker sah ihn fragend an: „Haben Sie sich verletzt?“ „Parker, einen Krankenwagen! Der Junge braucht sofort Hilfe!“ Parker schüttelte mit dem Kopf. Der Sheriff war verrückt geworden. „Welcher Junge, verdammt nochmal!“ schrie er zu Digger und ging auf ihn zu. „Na der Junge hier!“ rief Clive und drehte sich wieder zu dem Jungen um. Doch der Junge war verschwunden. „Was zur Hölle geht hier vor.“ sagte er leise. Parkers Hand berührte ihn, Clive zuckte zusammen und schrie auf. „Sheriff, was ist mit Ihnen. Sie sehen aus, als hätten Sie einen... einen Geist gesehen.“ sagte Parker. „Der Junge stand hier, Parker. Wir hätten ihn beinahe überfahren.“ stammelte Clive und fiel auf die Knie. Parker half ihm wieder auf. „Da war kein Junge, Sheriff.“ sagte er behutsam zu Digger. „Vielleicht eine Luftspiegelung, irgend was. Oder es war der Whiskey.“ Clive schon Parker von sich weg. „Ich bin nicht verrückt, Parker!“ Er hatte den Jungen gesehen, mit den blutenden Narben. Und mit dem Gesicht, das nur aus einer fleischigen Masse mit zwei klagenden Augen bestand. Er hatte sich wieder beruhigt. „Aber vielleicht haben Sie Recht, und es war nur eine Laune der Natur.“ sagte er und ging zum Wagen. „Oder der Whiskey.“ Clive stieg in das Auto. „Ja, vermutlich der Whiskey.“ murmelte Parker und ging ebenfalls zum Wagen. Als er einsteigen wollte, wurde er von etwas geblendet. Da auf der Straße lag etwas. „Einen Moment noch.“ sagte er zu Digger und ging zu dem glitzernden Ding. Es war eine Anstecknadel, wie sie Kinder oft trugen. Er steckte sie ein. „Haben Sie etwas gefunden?“ fragte Digger. „Hm, nur eine Anstecknadel, wie sie Kinder oft tragen.“ „Hm, Kinder, was?“ sagte Digger und fuhr los. Parker sah aus dem Fenster. „Sehen Sie!“ sagte er und deutete zu einem kleinen Wäldchen. Ein riesiger Schwarm Vögel flog über den Bäumen. „Das sind Eulen!“ sagte Clive und kümmerte sich nicht weiter darum. Er dachte an etwas anderes. „Eulen.“ flüsterte Parker. Ich wußte nicht, daß sie wirklich so groß sind, dachte er.
Sie hatten das Büro erreicht. Billy kam auf sie zugerannt. „Endlich Sheriff.“ Er roch den Whiskey. Doch das war er von Digger gewöhnt. „Es ist wieder einer verschwunden, Sheriff!“ „Was sagts du da Billy? Wann?“ „Gestern, ich habe versucht, Sie zu erreichen, aber...“ „Um wen handelt es sich?“ wollte Parker wissen. Billy sah ihn mißtrauisch an. „Das ist Agent Cole Parker, FBI. Sag ihm, was du bisher weißt, Billy!“ sagte Digger. „Nun, Sheriff..., Agent Parker. Der kleine Brendan, von der Falls Farm. Er ist gestern abend nicht nach Hause gekommen, Sheriff.“ „Die Eltern?“ „Sind bereits da, Sheriff. Sie warten im Büro.“ „Okay.“ Digger sah Parker an. Der nickte. Beide wollten das Büro betreten, doch sie wurden von Billy aufgehalten. Parker war leicht verärgert und herrschte Billy an. „Was soll das?“ Billy streckte ihm einen Kaugummi entgegen. „Ich dachte nur, wegen Ihrem Atem.“ sagte Billy leise. Digger klopfte ihm auf die Schulter. „Danke Billy.“ Er nahm den Kaugummi und brach ihn in zwei Hälften, eine davon gab er Parker. Dann betraten sie das Büro. Zuvor hatte Digger Parker gewarnt: „Setzen Sie ihnen nicht allzu sehr zu, Parker. Die Eltern von Brendan sind mit Sicherheit äußerst verzweifelt. Verstehen Sie?“ Parker sagte nichts. Digger deutete dies als ein Ja. Die Eltern von Brendan Falls brachten zunächst kein Wort hervor, als Parker begann, ihnen Fragen zu stellen. „Was soll ich Ihnen sagen, Agent. Es... es war wie immer.“ flüsterte Elijah Falls. Seine Frau begann wieder zu weinen. Parker sah zu Digger. „Digger?“ Der Sheriff rieb sich die Augen und sagte freundlich zu Elijah: „Wann haben Sie denn Brendan das letzte Mal gesehen?“ „Er ist gestern nachmittag mit Victory ausgeritten.“ „Ist Victory ein Freund von Brendan?“ fragte Parker. „Ja, es ist Brendans Lieblingspferd. Er hat es jeden Tag geritten. Normalerweise kam Brendan immer pünktlich zum Abendessen zurück. Aber gestern... Claire und ich haben vergeblich auf ihn gewartet. Wie haben gedacht, er hat sich verirrt. Doch dann kam Victory ohne ihn zurück auf die Farm. Wir haben dann sofort die Polizei alarmiert. Wegen den Vorfällen, wegen den anderen Vermißten in den letzten Monaten.“ Claire schluchzte und sagte dann leise: „Wir hätten ihn niemals gehen lassen dürfen, Elijah. Ich werde mir das niemals verzeihen können.“ Sie drückte ihren Mann von sich und stand auf. „Brendan ist tot, Clive. Richtig?“ Clive ging auf sie zu und legte ihr einen Arm auf die Schulter. Elijah hielt sich die Hände vor sein Gesicht und begann nun ebenfalls zu weinen. „Claire.“ sagte Digger. „Es ist noch viel zu früh, um aufzugeben. Das müssen Sie mir glauben. Wir suchen nach Brendan. Wir werden ihn finden.“ Er sah zu Parker, der schüttelte leicht den Kopf und sah verärgert aus. „Am besten, ihr fahrt zurück auf die Farm und ruht euch erst einmal aus. Ich werde mich morgen melden.“ Clive lächelte Claire an. „Wir werden ihn finden.“ „Ja.“ sagte Elijah, der sich vom Stuhl erhoben hatte. „Komm Claire, wir fahren nach Hause.“ Claire weinte wieder. „Vielleicht, vielleicht könnte ich seine Sammlung Anstecker säubern, Elijah.“ „Komm Claire, wir fahren heim.“ Elijah und Claire Falls verließen das Büro. „Sie hätten das nicht sagen dürfen, Digger.“ „Was nicht sagen.“ Parker fuhr sich durch das Haar. „Das Sie den Jungen finden werden. Was, wenn wir kein Glück haben? Hm?“ „Was hätte ich denn sonst sagen sollen.“ „Ich... ich weiß es nicht.“ Parker blieb vor der Karte stehen. „Die Falls Farm liegt nördlich. Auf keinen Fall ist der Junge dort in der Nähe verschwunden. Das Schema würde nicht passen, die Farm liegt außerhalb des Kreises.“ Parker hatte seine Hände in die Hosentaschen gesteckt. „Au! Verdammt!“ fluchte er und schüttelte die linke Hand. „Parker, was ist los?“ fragte Digger. „Ich habe mich gestochen, an dieser verdammten... Anstecknadel!“ Er sah Digger an. „Eine Anstecknadel. Die habe ich vorhin auf der Straße gefunden, da wo Sie angeblich diesen Jungen...“ „Fahren wir!“ rief Digger und rannte nach draußen. Parker folgte ihm. „Die Karte.“ sagte Parker. „Wir brauchen die Karte.“ Er rannte wieder ins Büro. Einige Sekunden später fuhren sie los, zu der Stelle, an der Digger einen seiner merkwürdigsten Momente seines Lebens erlebt hatte.
In der Tat war Brendan Falls wie jeden Tag mit Victory in das nahe gelegene Tal am Fuße der Berge geritten. Wie jeden Tag hatte er sich mit dem Versprechen von seinen Eltern verabschiedet, pünktlich zum Abendessen wieder heim zu sein. Doch als er auf dem Rücken des Pferdes saß, ihm der Gegenwind die Haare zersauste, konnte er noch nicht wissen, daß er dieses Versprechen nicht einhalten würde. Er war im Tal angekommen. Brendan stieg von Victory ab. „Ist es nicht schön hier, Victory?“ Das Pferd schnaubte. „Ja, du bist mein bester Freund.“ Plötzlich ging das Pferd einige Schritte zurück. „He, was hast du, hm?“ fragte Brendan das Pferd. Er spürte plötzlich einen Windstoß, der über seinen Kopf fegte. Victory bockte auf und wieherte. „Victory, du machst mir Angst!“ rief Brendan und ging langsam auf das Pferd zu. „Victory?“ Und auf einmal packten scharfe Krallen seine Schultern. Brendan schrie vor Schmerzen auf. Er wurde in die Luft gehoben. Er sah nach oben und erkannte eine riesige Eule, welche ihn gepackt hatte. Die scharfen Krallen hatten sich bis zu den Schulterknochen durch das Fleisch gegruben. „Victory!“ schrie Brendan völlig verängstigt. Die Eule beugte sich mit ihrem Kopf nach unten und riß mit dem Schnabel Brendans Zunge heraus. Der Junge drohte nun an seinem eigenen Blut zu ersticken. Er fiel in eine gnädige Ohnmacht. Victory war der Eule, war Brendan hinterher galoppiert. Doch kurz bevor das Pferd den Wald erreicht hatte, blieb es stehen. Es sah, wie sich der Vogel mit dem Jungen immer mehr von ihm entfernte. Doch dort im Wald war etwas, wovor das Pferd Angst hatte. Etwas Böses, ein Raubtier. Verängstigt trat Victory den Heimweg an, zur Falls Farm. Das Pferd hatte Glück gehabt. Hätte es noch einige Sekunden länger gezögert, wäre es aus dem Wald hervorgeprescht und hätte das Tier getötet. Jetzt rannte es tiefer in den Wald hinein. Über dem Wald flog die Eule. Sie hatte kein Problem, einen zehnjährigen kräftig gebauten Jungen zu tragen. Die Eule war riesig. Unter ihr rannte ein tobendes Etwas mit lautem Brüllen und Fauchen durch den Wald. Beide hatten das gleiche Ziel. Als Victory die Falls Farm erreicht hatte, als Brendans Eltern verzweifelt begannen nach ihrem Sohn zu rufen, als Parker von seinen Erlebnissen im Krieg erzählte, zu diesem Zeitpunkt fiel Brendan die Kellertreppe runter und stieß hart auf den kalten Boden auf. Über ihm saßen Unmengen von großen Eulen auf den Holzbalken, die unter dem Gewicht fast zu bersten schienen. Brendan hatte wieder das Bewußtsein erlangt. Er hörte unheimliche Geräusche aus dem Nebenraum, der hinter der verbeulten Eisentür lag. Es waren zornige Schreie von einem Tier. Eine Eule stürzte sich auf den Jungen und fuhr ihm mit ihren Krallen über den Rücken. Er versuchte zu schreien, brachte aber nur ein Winseln hervor. Er spuckte Blut. Dann öffnete sich oben eine Tür und jemand stieg die Stufen hinab. Das letzte in seinem Leben, was Brendan zu hören bekam, war ein krächzendes „Alles wird gut!“. Dann wurde die Eisentür geöffnet. Sekunden später war Brendan endlich tot. Sekunden später flogen die Eulen aus dem Keller raus in die Dunkelheit. Sekunden später hatten die Falls die Polizei verständigt.
„Sind Sie sicher, daß es hier war?“ fragte Parker. „Ja, sehen Sie.“ Digger deutete zum Straßenrand. Ein Teil von Parkers Erbrochenem lag dort. „Oh, nun gut.“ sagte Parker. Sie standen auf der Straße. „Und jetzt?“ „Die Anstecknadel lag hier auf der Straße, Sheriff. Wir müssen die Büsche absuchen.“ Digger murmelte etwas. „Was sagten Sie?“ „Ich habe nur eben nachgedacht.“ „An was?“ „Der Junge, den ich beinahe überfahren hätte.“ Parker verdrehte die Augen. „Nein, Parker! Hören Sie mir doch mal zu. Was, wenn es eine Art Vorahnung war. Eine Art Vision vom Tod des Jungen, falls er wirklich tot sein sollte. Ich weiß, das hört sich bescheuert an, aber... was, wenn es das wirklich gibt?“ „Sie meinen Geister, Erscheinungen, Visionen?“ „Ja, Parker. Großer Gott! Und ich habe den Falls ein Versprechen gegeben.“ Sie suchten weiter. „Glauben Sie denn daran?“ wollte Parker wissen. „Wollen Sie eine ehrliche Antwort?“ „Ja.“ „Manchmal schon.“ „So? Wann denn?“ „Immer wenn ich die Eulen sehe. Es sind geheimnisvolle Tiere. Und sie sind so groß. Vor einigen Jahren hat man in den Bergen einen Kadaver gefunden. Acht Meter Spannweite!“ „Acht Meter?“ Parker wurde etwas mulmig. Das muß ein Monster gewesen sein, dachte er. Er ging weiter. „Schon was gefunden?“ „Nein.“ entgegnete Digger. „Sind Sie sich sicher, hier etwas zu finden?“ „Claire Falls hat von einer Sammlung Anstecker gesprochen.“ „Viele tragen Anstecker.“ „Aber nicht solche hier!“ Er zeigte Digger die Anstecknadel. „Die sind speziell für Kinder.“ sagte er. Sie gingen weiter. „Von was ernähren sich diese Rieseneulen eigentlich?“ wollte Parker wissen. „Mäuse, Marder und manchmal auch kleinere Vögel.“ „Also Fleisch?“ „Ja, Parker. Fleisch. Was wollen Sie damit sagen?“ „Ich meine nur...“, weiter kam er nicht. „Digger! Schnell, hierher!“ rief er. Digger rannte zu ihm. „Haben Sie was gefunden. „Ja, habe ich.“ Sie standen vor einem Turnschuh, an dem Blut klebte. „Haben Sie die Karte?“ Digger breitete die Karte auf der Straße aus. Parker holte einen Stift aus seiner Tasche. „Wo sind wir? Hier?“ Digger nickte. Parker machte ein Kreuz. „Es paßt.“ sagte er zum Sheriff. „Der Kreis wird nicht gestört.“ Sie standen wieder auf. Digger ging zurück zum Wagen und holte eine Plastiktüte. „Was sollen wir den Eltern sagen?“ „Die Wahrheit.“ sagte Parker. Digger nickte und verständigte Gruber über Funk. „Ja, James. Bringen Sie es ihnen schonend bei, okay?“ „Was ist da hinter dem Wald?“ fragte Parker. „Das Johnsen Grundstück!“ sagte Digger. „Wir fahren jetzt dahin!“ Parker und Digger stiegen wieder in den Wagen und fuhren los. Auf dem Weg zum Grundstück fragte Parker: „Können Sie mir was über die Johnsens erzählen?“ „Ja.“ sagte Digger. Er schluckte schwer. „Ja, kann ich.“
„Die Johnsens waren Emigranten aus Polen, die im späten neunzehnten Jahrundert nach Amerika ausgewandert waren. Es war wohl die Tatsache, daß sie Juden waren, die sie zu solch einem Schritt bewegt hatten. Aber in der alten Heimat wurden sie gehaßt. Und ehe sie von einem wütenden Mob gelyncht würden, versuchten sie ihr Glück in der neuen Welt. Wie so viele vor und nach ihnen auch. Als sie in Boston ankamen, hatten sie außer dem, was sie anhatten, nichts. Ein windiger Geschäftsmann legte ihnen nahe, ihren polnischen Namen Josowskiak gegen einen leichteren einzutauschen. Nach und nach begannen Kazimir und Helena Johnsen, wie sie sich jetzt nannten, einige Brocken Englisch zu lernen. In den ersten Jahren war es eine schwierige Zeit. Er schlug sich als Schuldeneintreiber durch, während sie für die reichen Amerikaner die Wäsche wusch. Eisern sparten sie jeden Penny. Sich selbst gönnten sie nur das Nötigste, gerade das, was sie zum Leben brauchten. Irgendwann hatten sie genug Geld, um der schrecklichen Ostküste Amerikas zu entkommen. Sie brachen nach Westen auf, um dort ihr Glück zu versuchen. Schließlich landeten sie nach einer langen Odyssee in Little Utah, einem kleinen Goldgräberstädtchen in den Rocky Mountains. Vielleicht war es Glück, vielleicht war es auch Schicksal. Viele hatten versucht, den Bergen das Gold zu entwenden. Viele waren kläglich gescheitert. Nicht aber Kazimir Johnsen. Er fand eine gewaltige Goldader. Von nun an war es vorbei mit dem mühseligen Leben. Kazimir und Helena hatten Geld im Überfluß. Sie kauften sich ein Grundstück und errichteten ein ansehnliches Herrenhaus, wie es in Little Utah zuvor noch keiner gesehen hatte. Sie konnten sich von ihrem Geld alles kaufen, was sie wollten. Ihr größter Wunsch jedoch blieb ihnen versagt. Sie blieben kinderlos. Die Ärzte hatten den Verdacht, daß es die ätzenden Dämpfe der Bleichmittel waren, mit denen Helena in der Bostoner Wäscherei gearbeitet hatte, doch hinter vorgehaltener Hand sagte man, daß Kazimir Johnsens Sperma so armselig wie die kargen Landschaften im Norden war. Die Johnsens hatten alles, was sie wollten, nur kein Kind. Diese Erkenntnis trieb Helena in die Hände zwielichtiger Gestalten, welche ihr für teures Geld allerhand Wundermittel verkauften. Doch es nützte nichts. Alle Anstrengungen blieben erfolglos. Als letzten Ausweg adoptierten sie das Kind einer Bettlerin. Den Preis, den Kazimir dafür zahlte, weiß bis zum heutigen Zeitpunkt niemand. Doch nun hatten sie einen Sohn, den sie Kevin nannten. Kevin wuchs als glückliches Kind auf, und die Tatsache, daß er weder seiner Mutter, noch seinem Vater ähnelte, hinderte ihn nicht daran, seine Eltern abgöttisch zu lieben. Sie gaben ihm alles, was er wollte. Spielzeug, teure Kleidung, einfach alles. Als der Junge achtzehn Jahre alt war, starb völlig unerwartet Helena. Kazimir nahm das ziemlich mit. Er hatte nie den Tod seiner geliebten Frau überwunden. Für viele war es nicht gerade überraschend gewesen, als ihn Kevin eines Morgens mit aufgeschnittenen Pulsadern in der Badewanne fand.“ „Was hat das mit dem hier zu tun?“ fragte Parker. „Sie lassen mich ja nicht ausreden.“ sagte Digger. Sie hatten den Wald erreicht. „Okay, erzählen Sie weiter!“ „Kevin Johnsen war jetzt allein. Er hatte ein riesiges Vermögen, ein beeindruckendes Grundstück. Aber dennoch war er allein. Er war es schon immer gewesen, abgesehen von seinen Stiefeltern Helena und Kazimir Johnsen. Sie können sich bestimmt vorstellen, daß Kevin äußerst verzweifelt war. Das Dienstpersonal versuchte alles, um den jungen Mann ein von Zweifeln geplagtes Leben so einfach wie möglich zu machen, doch Kevin begann sich den anderen über zu isolieren. Nach und nach verließen die Angestellten das Johnsen Grundstück. In der Stadt sagte man sich, daß Kevin verrückt geworden war, besonders, als das mit den Eulen los ging.“ Digger hatte angehalten. „Parker!“ sagte er. „Ja?“ „Ich will Ihnen mal was über diese Eulen erzählen.“ Er schaute aus dem Fenster des Wagens. „Es sind wilde, ja beinahe böse Tiere, unsere Eulen.“ Er hielt einen Moment lang inne. Parker sagte nichts. Dann fuhr Digger fort. „Teilweise sind die Biester so groß, daß sie das Vieh von den Bauern angreifen. Parker, die Eulen hier sind nicht so wie die anderen. Sie haben vorhin gefragt, was sie fressen.“ „Ja, habe ich.“ „Man erzählt sich, daß manchmal auch...“ Parker sah Digger entsetzt an. „Nein, das glaube ich nicht!“ „Vorhin haben Sie daran gedacht, oder nicht?“ „Aber es war nur ein Gedanke, Sheriff!“ „Wir haben in den vergangenen zwanzig Jahren fünf Menschen durch die Eulen verloren.“ Parker schloß die Augen. Sie greifen Menschen an, sagte er zu sich. „Ich weiß, was Sie jetzt denken, Parker.“ „Warum haben Sie das nicht schon früher gesagt. Daß tatsächlich die Eulen dahinter stecken könnten.“ Digger hustete. „Nun, vielleicht hilft es Ihnen, uns weiter, wenn ich den Rest der Geschichte erzählen würde.“ „Ich bitte darum!“ sagte Parker. „Als nur noch Kevin Johnsen das Anwesen bewohnte, wurde es eine Zeit lang still um ihn. Doch dann kamen plötzlich die Eulen. Zuerst waren es nur wenige gewesen. Mit der Zeit wurden es immer mehr. Die Leute in Little Utah begannen sich natürlich zu fragen, woher diese... Monster kamen.“ Parker sah Digger an und fragte: „Johnsen?“ Digger nickte. „Viele glauben, daß Kevin die Eulen gezüchtet hatte. Es ist ein weit verbreitetes Gerücht, daß er im Zusammenhang mit den Eulen stand.“ „Was denken Sie?“ fragte Parker. „Ich weiß nicht, ob Kevin Johnsen wirklich diese Eulen erschaffen hat. Eines Tages waren sie plötzlich da. Und Little Utah hatte seine Touristenattraktion.“ Digger sah Parker an. „Alles in Ordnung mit Ihnen, Parker?“ „Nein, die Geschichte klingt viel zu verrückt.“ Digger fuhr wieder weiter, sie hatten den Wald beinahe durchquert. „Parker, was verrückt ist, daß sich Kevin einige Monate später im Schrank aufgehangen hat, einfach so. Keiner weiß wirklich, warum er es getan hat.“ „Sheriff?“ „Ja?“ „Woher wissen Sie das alles, daß Kevin Johnsen für die Eulen verantwortlich ist... sein könnte.“ „Nun, ich weiß es nicht mit hundertprozentiger Wahrscheinlichkeit, aber hier und da schnappt man das eine oder andere Gerücht auf. Den Rest reimt man sich zusammen.“ „Ich verstehe.“ sagte Parker und sah wieder aus dem Wagenfenster. „Haben Sie den Leichnam von Johnsen gefunden?“ „Nein, ich bin erst seit 1950 hier, aber das sagte ich Ihnen gestern schon.“ „Ach ja, das hatte ich vergessen.“ Endlich hatten sie den Wald hinter sich. Parker war froh. Er hatte die ganze Zeit das Gefühl gehabt, beobachtet zu werden. Er wußte nicht, von wem oder von was, aber er hatte Digger nichts gesagt. Vor ihnen lag das Johnsen Grundstück. „Haben Sie Ihre Waffe dabei, Sheriff?“ fragte Parker. Clive sah ihn verwundert an und sagte etwas mißtrauisch: „Selbstverständlich.“ „Gut, ich habe meine bei Ihnen im Haus vergessen.“ „Großartig!“ sagte Digger.
Er hatte den Polizeiwagen des Sheriffs den ganzen Weg lang verfolgt. Unauffällig hatte er sich am Straßenrand entlang geschlichen, wissend um den Schutz der dichten Büsche und der großen Bäume, die fast kein Tageslicht durchließen, so nahe standen sie beisammen. Für einen kurzen Augenblick hatte er den Atem angehalten, als er fest der Meinung war, von Agent Cole Parker, der bei Digger im Wagen saß, entdeckt worden zu sein. Agent Cole Parker hatte in seine Richtung gesehen. Er wagte es nicht, auch nur einen Muskel zu bewegen. Doch sie waren weiter gefahren. Er wußte, wo sie hinwollten. Er mußte vor ihnen da sein. Er mußte die Kinder schützen. Er holte tief Luft und begann zu rennen. Einige Sekunden später hatte er den Polizeiwagen mit Clive und Cole überholt. Er lief durch den Wald. Als er das Grundstück erreicht hatte, begann er mit den Maßnahmen, die ihn und seine Kinder vor den Zugriff der beiden Männer schützen würden.
„Wir sind da, Parker.“ sagte Digger und stieg aus dem Wagen. Sie hatten vor dem großen Tor gehalten. Parker stieg ebenfalls aus. „Wow!“ murmelte er. „Was sagten Sie?“ wollte Digger wissen. „Die Johnsens müssen wirklich reich gewesen sein.“ sagte Parker. „Ob irgendwo noch etwas von dem Gold versteckt ist?“ „Wenn Sie danach suchen wollen, bitte sehr.“ sagte Clive und zuckte mit den Schultern. „Aber Sie werden garantiert nichts finden.“ „Ach nein?“ „Sie wären nicht der erste, der es versuchen würde.“ „Zwecklos?“ „Ja, tut mir leid.“ Parker winkte ab und sah zu dem Grundstück. Es war ein Schloß. Die Zeit war zwar nicht spurlos an dem Gemäuer vorbei gegangen, aber mit etwas Phantasie konnte sich jeder vorstellen, wie es hier einmal ausgesehen haben mußte, als hier noch Menschen gewohnt hatten. „Eines haben Sie mir immer noch nicht gesagt, Digger.“ „Was denn?“ „Warum haben Sie ihren Verdacht nicht schon früher geäußert. Das die Eulen es waren... Ich meine, sein könnten.“ „Die hätten mich doch für verrückt erklärt.“ „War Ihnen Ihr eigenes Ansehen wichtiger als das Leben anderer?“ „Das ist nicht fair, Parker!“ sagte Clive und öffnete das Tor. „Es war doch nur ein Verdacht von mir gewesen!“ „Man hätte Ihrem Verdacht nachgehen können, vielleicht müßte ich dann gar nicht hier sein!“ sagte Parker und ging durch das Tor. „Sie können mich mal, Parker!“ „Ja Sheriff, aber erst, wenn das hier alles erledigt ist, okay? Bis dahin schlage ich einen Waffenstillstand vor. Was meinen Sie?“ Digger war immer noch sauer auf Parker. Was bildete sich dieser Großstadtarsch ein? Aber was sollte er machen? Ihm blieb nichts anderes übrig. „Na gut, Parker. Vielleicht könnten wir das Thema später mit einem Glas Whiskey klären.“ „Einverstanden.“ „Hand drauf!“ Beide gaben sich die Hand. „Sollen wir getrennt suchen?“ wollte Digger wissen. Parker schüttelte den Kopf und sagte: „Nein! Wir bleiben zusammen!“ Digger nickte. „Gut. Fangen wir mit dem Haus an.“ Sie betraten das Johnsen Haus. Parker sagte leise zu Digger: „Sie haben es schon einmal durchsucht?“ „Ja, aber ich habe nichts finden können.“ „Hm.“ Sie standen in einer großen Halle. Jeweils links und rechts von ihnen befanden sich mächtige Treppen, die zu den oberen Etagen führten. „Wow!“ sagte Parker erneut, dieses Mal etwas lauter. „Ziemlich beeindruckend, nicht wahr?“ sagte Digger. Parker konnte nur nicken. Er hatte noch nie so etwas Überwältigendes gesehen. Riesige Kronleuchter zierten die Decke der Halle. Antike Büsten standen an den Wänden. Er konnte sich vorstellen, daß teure Teppiche aus dem Orient den Boden bedeckten und unerschwingliche Gemälde an den Wänden hangen. „Was für eine Verschwendung.“ sagte er trocken. „Neidisch?“ „Wer wäre das nicht? Man, wenn ich da an meine Wohnung in der Stadt denke. Den einzigen Luxus, den ich mir bisher geleistet habe, war eine alte Schrankwand aus Frankreich. Und hier?“ Er sah sich um. „Alles ist verfallen, mit Staub und Dreck bedeckt. Und trotzdem kann man den Reichtum spüren, der hier einmal geherrscht hat. Wow.“ „Nun kriegen Sie sich mal wieder ein, Parker.“ sagte Digger verärgert und ging eine der Treppen hinauf. „Wo wollen Sie hin, Digger?“ „Ins Dachgeschoß.“ Parker sah ihn fragend an. „Da hat sich Johnsen erhangen, Parker. Ich dachte, Sie wollten es sich vielleicht einmal ansehen.“ Parker lächelte. „Ja, gute Idee!“ Sie gingen nach oben.
Unten im Keller saßen die Eulen dicht gedrängt aneinander. Er hatte Mühe, sie zu beruhigen. „Seid leise, meine Freunde. Seid bitte leise.“ sagte er immer wieder, während er mit seinen Händen durch das Gefieder der Eulen strich. „Bald sind sie weg.“ In dem Raum hinter der stark verbeulten Eisentür hörte er den anderen fauchen. Er wird uns noch verraten, dachte er. „Ich muß euch für einen kleinen Moment allein lassen.“ sagte er zu den Eulen. Die Vögel blieben stumm. Er öffnete die Eisentür. Als er sie durchschritten hatte, schloß er sie hinter sich.
Parker und Digger standen vor dem Schrank. „Da drinnen hat er sich erhängt.“ sagte Clive. Parker öffnete die Schranktüren. Mit den Taschenlampen erhellten sie das Innere. „Leer.“ sagte Parker. „Was haben Sie erwartet? Daß Kevin Ihnen zuzwinkert?“ fragte Digger. „Weiß nicht, vielleicht?“ „Ich dachte, Sie glauben nicht an Geister.“ „Eigentlich nicht.“ Plötzlich hörten sie ein Geräusch. „Was war das?“ „Es kam von unten!“ Sie rannten nach unten. In der großen Halle angekommen blieben sie stehen. „Hören Sie etwas?“ fragte Parker. Digger verneinte. Doch dann ertönte erneut dieses Geräusch. „Gibt es hier eine Art... Keller?“ fragte Parker. „Ja.“ sagte Digger. „Aber den habe ich beim letzten Mal schon durchsucht und...“ „Lassen Sie mich raten! Und nichts finden können!“ „In die Richtung, Parker!“ Wenige Augenblicke hatten sie die Kellertür erreicht. Digger zog seine Waffe und nickte Parker zu. Der machte die Tür auf. „Gehen Sie voran!“ sagte Parker leise. Der Sheriff ging langsam die Treppe runter. Parker suchte nach einem Lichtschalter, fand aber keinen. „Verdammt, es ist viel zu dunkel hier!“ „Seien Sie ruhig, Parker!“ Dann standen sie in dem Keller. „Können Sie irgendwas sehen?“ „Nein, aber warten Sie einen Moment!“ Digger entfernte sich. „Digger, wo wollen Sie hin?“ Parker wurde nervös. Ich kann nichts sehen, dachte er. „Ich hab was gefunden, Parker!“ sagte Digger. Sekunden später ging das Licht an. Mehrere alte Glühbirnen erhellten den Keller. Sie sahen sich um. „Sieht verlassen aus, oder?“ Parker nickte. „Ja, hier war schon lange keiner mehr.“
Das Tier begann zu knurren und er hatte einige Mühe, es daran zu hindern, zornig gegen die Stahltür zu springen. „Bald werden sie wieder weg sein. Vertraue mir, bald sind sie nicht mehr da. Sie werden uns nicht finden. Du mußt nur leise sein, wie die Eulen.“ Er kraulte dem Tier den Nacken. „Die Eulen haben auch Angst. Wie du und ich. Doch sie sind still. Kannst du nicht auch still sein? Wir haben es bald überstanden!“ Das Tier knurrte erneut. Doch dann kauerte es sich zu Boden und gab keinen Ton mehr von sich. „Brav!“ sagte er und streichelte dem Tier das dreckige, verfilzte Fell.
„Wahrscheinlich war es eine von den Ratten. Sehen Sie?“ sagte Digger und zeigte in eine Ecke. „Ja, widerlich.“ sagte Parker und rümpfte die Nase. Er haßte Ratten. Und dort in der schmutzigen Ecke tummelten sich etwa dreißig von denen. „Einfach widerlich!“ sagte er noch einmal. Er nahm ein Stück Holz und warf es in den Pulk. Die Ratten rannten davon und versteckten sich in den zahlreichen Nischen, die es in dem Keller gab. „Gehen wir wieder nach oben.“ sagte Parker. „Das Haus ist viel zu groß, als daß es zwei Männer gründlich durchsuchen könnten.“ sagte er, als sie wieder oben waren. „Fordern Sie Verstärkung an!“ Parker rieb sich die Augen. „Sheriff?“ „Ja?“ „Können wir am Wagen auf die anderen warten?“ Parker sah sich um. „Alles hier ist so verfallen, und dennoch...“ „Was ist los?“ wollte Digger wissen. „Ich fühle mich beobachtet.“ sagte Parker. „Seit wir in den Wald gefahren sind.“ „Ach wirklich? Mir ist nichts aufgefallen, Parker.“ „Können wir draußen warten?“ Digger sah, wir Parker plötzlich anfing, zu zittern. „Alles in Ordnung mit Ihnen?“ „Nein, ich... raus! Ich muß hier raus!“ Parker hob seinen Kopf und sah zur Decke. Dann öffnete er seinen Mund. Großer Gott, dachte Digger. Gleich fängt er an zu schreien. Doch ohnen einen einzigen Laut von sich zu geben, fiel Parker um. Digger kniete sich zu ihm nieder, öffnete Parkers Mund und schob die Zunge nach vorne, damit Parker nicht zu ersticken drohte. Dann hob Digger ihn auf und verließ das Haus. Am Wagen angekommen, legte er Parker auf die Rückbank. „Daß Sie mir ja am Leben bleiben, Agent Parker!“ Er nahm das Funkgerät. „Billy?“ Es rauschte. „Billy, kannst du mich hören?“ Er erhielt keine Antwort. Er wechselte die Frequenz. „Hier spricht Sheriff Clive Digger. Kann mich jemand hören?“ Endlich meldete sich einer seiner Leute. „Gruber hier, Sheriff!“ „James, wo sind Sie?“ „Im Büro, Sheriff.“ „Gut, schnappen Sie sich zehn Leute und ein paar Freiwillige. Kommt dann schnell zum alten Johnsen Haus. Und, Gruber?“ „Ja?“ „Bringt den Doktor mit!“ Er schaltete das Funkgerät ab und sah zu Parker. Der war immer noch bewußtlos. Möchte wissen, was mit ihm los ist, dachte Digger.
Das Tier begann zu zittern. Er wußte, lange würde er den Jagdtrieb nicht mehr unterdrücken können, doch noch waren sie nicht weg. Im Gegenteil, es waren noch mehr angekommen. Manchmal konnte er sie klar und deutlich hören, wenn sie direkt über ihm, dem Tier und den Eulen standen. „Du mußt durchhalten!“ sagte er zu dem Tier. Er sah in dessen Augen. Er konnte sehen, wie wütend und gierig diese Augen waren. „Halte durch!“ Doch langsam dämmerte ihm, daß er der brutalen Wildheit des Tieres nichts entgegen zu setzen hatte. Das Tier begann wieder zu knurren. „Dann muß es so sein.“ sagte er und zog sich die Maske vom Gesicht. Blut tropfte auf den Boden des Kellers. „Alles wird gut.“ krächzte er zu dem Tier und ließ es los. Das Tier sprang auf und knurrte lauter. Er öffnete die Stahltür. Die Eulen begannen wild umher zu fliegen, als sie ihn in seiner wahren Gestalt erkannten. Er ging zu dem Hebel. Bevor er ihn tätigte, bemerkte er die Überreste des kleinen Jungen, einige Fetzen Kleidung und vereinzelte Haare lagen in einer Lache aus Blut und Erbrochenem. Er hatte vergessen, sauber zu machen. „Alles wird gut!“ schrie er und öffnete die Fenster. Das Tier im Nebenraum brüllte auf und sprang aus einem der Fenster. Die Eulen flogen ebenfalls in die Nacht hinaus. „Fliegt meine Freunde, fliegt!“ schrie er. Und dann war die Hölle los.
„Wie geht es ihm, Doktor?“ wollte Digger wissen, als Parker untersucht wurde. „Nur ein kleiner Schwächeanfall, das haben wir gleich. Etwas Riechsalz, und Agent Parker kommt wieder zu sich.“ „Okay, machen Sie es so.“ sagte Digger. Der Doktor ging zu seinem Wagen, um das Riechsalz zu holen. „Gruber?“ schrie Digger. Einer der Männer kam auf ihn zugerannt. „Sheriff, wir haben nichts gefunden, gar nichts.“ „Verdammt!“ sagte Digger verärgert. „Was sollen wir jetzt machen, Sheriff?“ „Sucht weiter, irgendwas muß doch hier sein.“ Sie hatten jeden einzelnen Raum des Johnsen Hauses durchsucht. Doch wie Gruber es schon sagte, sie hatten nichts finden können, keinen einzigen Hinweis darauf, daß der oder die Täter sich hier aufgehalten hatten. So ein Mist, dachte Digger. Jetzt stehen wir wieder bei Null da. „Na gut, Gruber. Sie haben gehört, was ich gesagt habe. Suchen Sie weiter!“ „Sir, ich...“ „Sie durchsuchen eben ein zweites Mal dieses verdammte Haus, ist das klar!“ schrie ihn Digger an. Gruber zuckte resignierend mit seinen Schultern. „Wenn Sie es so wollen, aber was...“ Digger unterbrach ihn. „Ruhig, Gruber. Hören Sie das?“ Alle blieben wie angewurzelt stehen. Plötzlich begann die Erde zu vibrieren und ein lautes Geräusch, welches sie nicht definieren konnten, kam direkt auf sie zu. „Was ist das? Ein Erdbeben?“ schrie Gruber zu Digger. „Nein, James, ich fürchte... ich glaube, es ist kein Erdbeben.“ Und dann sahen sie, wie die Eulen aus dem Nichts über sie hinwegflogen. „Großer Gott.“ murmelte Gruber und sah voller Furcht zum Sheriff. Digger zog seine Waffe und brüllte so laut, wie er es bei dem Lärm, den die Eulen verursachten, konnte zu den anderen: „Erschießen! Erschießt sie!“ Keine der riesigen Eulen versuchte auch nur ansatzweise, ihnen Schaden zuzufügen. Einer der Freiwilligen kam auf Digger zugerannt und schrie aufgeregt: „Digger, sollen wir wirklich auf sie schießen?“ Digger sah den Mann an. Es war Gerald Hawke, ein Angestellter der Bank. Clive sah zu den Eulen. „Gerald?“ „Clive?“ „Erschießt sie!“ Dann zielte Clive auf eine Eule und drückte ab. Als der Schuß den Lärm durchbrach, griffen die Eulen an. Mit ihren scharfen Schnäbeln und Krallen fuhren sie den vielen Männern durch das Fleisch. Aber nach und nach fielen immer mehr der Eulen tot oder verletzt zu Boden. Digger hielt sich eine blutende Wunde am Arm, die ihm eines dieser Biester zugefügt hatte. Langsam bekamen sie die Lage in den Griff. Eine Eule stürzte sich auf ihn und packte sich seinen Kopf. Digger wurde in die Luft gehoben. Die Krallen durchbohrten seine Wangen. „Nein!“ schrie er, hielt seine Waffe nach oben und drückte ab. Die Eule schrie auf und fiel mit ihm runter. Im Sturz drehten sie sich, so daß Digger auf dem Vogel landete, als sie auf die harten Steine krachten, welche das Johnsen Grundstück zierten. „Blöder Vögel!“ stöhnte Digger, als er sich unter Schmerzen von der Eule rollte. Sie war monströs. Allein der Kopf war so groß wie das Rad eines Autos, stellte Digger fest. Doch auf das, was in den nächsten Minuten folgen sollte, war er selbst in seinen kühnsten Träumen nicht vorbereitet. „Rennt um euer Leben!“ hörte er. Andere schrien: „Lauft weg!“ Digger suchte nach seiner Waffe. „Nein!“ stöhnte er. „Nein, nicht weglaufen!“ Digger versuchte aufzustehen. Unter Qualen lief er zu den anderen. Als er endlich bei ihnen war, fiel er wieder zu Boden. Es sah dieses gewaltige Tier, was auf sie zukam. „Schießt!“ flüsterte er. „So schießt doch endlich!“ Zitternd hob Digger die Waffe. Er schoß, doch das Tier war fast bei ihnen angelangt. Er schoß noch einmal, wieder keine Wirkung. „Schießt doch endlich!“ sagte Digger. Er spürte, wie das Blut aus seinem Mund lief. „Erschießt dieses Ding.“ Erneut schoß er auf das Tier. Warum machen die anderen nichts, durchfuhr es ihn. Waren sie bereits alle tot? War er der einzige Überlebende? Zumindest bis zu diesem Moment? Er sah, wie das Tier vor ihm hielt. „Was bist du?“ fragte Digger und sah das Tier an. Seine Schmerzen hatte er völlig verdrängt. Stattdessen zwang er sich, seinen Körper aufrecht zu richten. Digger kniete nun vor dem Tier. Er blutete stark, er wußte, daß er sich mehrere Knochen gebrochen hatte. Das Tier sah ihn an. Digger sah in die Augen des Tieres. „Warst du es?“ schrie Digger es an. „Hast du es getan, du Mistvieh!“ Er schaute kurz auf seine Waffe. Nur noch ein einziger Schuß, sagte er zu sich. Das Tier setzte zum Sprung an. Digger hob mit letzter Kraft seine Waffe. Als das Tier sprang, hörte Digger jemanden hinter sich sagen: „Jetzt.“ Das Tier sprang direkt auf Digger zu. Er drückte ab, und verfehlte das Ziel. Er schloß die Augen. Er dachte noch einmal zurück an die Zeit, als er Marge kennen und lieben gelernt hatte, als er mit ihr hier in Little Utah ein neues Leben begann, an die vielen glücklichen Momente. Er hatte mit seinem Leben abgeschlossen. Und dann fiel das Tier vor ihm auf den Boden. Digger öffnete seine Augen. Vor ihm lag es, tot. Dann sagte eine Stimme zu ihm: „Es ist tot, Sheriff! Alles in Ordnung?“ Die Stimme kam von weit entfernt. Gruber sah zu dem Leichnam des Tieres. „Es ist vorbei, Sheriff! Das Monster ist tot!“ Digger sah Gruber an. „Vorbei?“ „Ja, Sheriff. Auch die restlichen Eulen sind verschwunden.“ Er sah den Sheriff an. „Sheriff?“ Digger wurde ohnmächtig. Gruber sah sich um und schrie: „Doktor?“
Er hatte mitansehen müssen, wie das Tier von ihnen erschossen wurde. Er zwang sich, seine Tränen zu unterdrücken. Überall hörte er die klagenden Rufe seiner gefiederten Freunde. Doch er konnte nichts tun. Zu nahe waren ihm die Menschen gekommen. Für eine Weile würde er sich zurückziehen, neue Kräfte sammeln. Doch noch galt es, eine einzige Sache zu regeln. Leise und unbemerkt kletterte er auf einen der großen Bäume und hangelte sich dann elegant immer tiefer in den Wald hinein. Seine Wut war nahezu grenzenlos. Ganz besonders auf die beiden Männer, die das Haus durchsucht hatten. Als das Tier, als die Eulen starben, in dem Moment hatte er Rache geschworen. Blutige Rache.
Stunden später erwachte Digger. Er hatte große Schmerzen. Er spürte den Verband um seinen Kopf. Sein rechtes Bein war geschient worden, und da er nur schwer atmen konnte, nahm er an, daß er sich einige Rippen gebrochen hatte. Eine Stimme sagte zu ihm: „Gut geschlafen, Digger?“ Er konnte nur mühsam lächeln. „Sie hätten dabei sein sollen. Ein Alptraum.“ sagte er leise zu Parker. „Das kann ich mir gut vorstellen.“ entgegnete Parker ernst. „Ich habe die toten Eulen gesehen. Und dieses... Monster. Keiner weiß, was für eine Tierart das war. Was glauben Sie, ein Wolf?“ „Möglich. Vielleicht eine Mutation oder so was ähnliches.“ Parker deutete aus dem Fenster. „Sehen Sie mal.“ Digger drehte langsam seinen Kopf in die Richtung des Fensters. Er sah dichten und dunklen Rauch hinter dem Wald. „Was ist passiert?“ „Die Kadaver werden gerade verbrannt, Sheriff.“ Sie sagten eine Weile nichts, beobachteten nur, wie der Rauch vom Wind in die Stadt getrieben wurde. Überall wird Asche liegen, dachte Digger. „Was ist mit Ihnen vorhin im Haus passiert? Lag es an den Ratten?“ Parker schüttelte den Kopf. Er nahm sich einen Stuhl und setzte sich zu Digger an das Bett. „Nein, nicht wegen den Ratten.“ Er sah Digger an. Der konnte erkennen, wie sehr Parker mit sich kämpfte, die richtigen Worte zum Ausdruck zu bringen. „Sagen Sie es einfach!“ „Also gut.“ Er sah zu Boden. „Ich habe Ihnen nicht alles über mich erzählt.“ sagte Parker. „Das hat auch keiner verlangt.“ „Es ist, glaube ich, trotzdem besser, wenn Sie es von mir erfahren, und nicht von Tripplefood oder sonst einem Idioten, der davon weiß.“ Parker schluckte und sagte dann: „Ich wollte Ihnen sagen, weswegen ich hier bin, Sheriff.“ Es wurde unheimlich still im Zimmer 313 des Little Utah Hospitals. „Sie sagten gestern was von einer Art Strafe“ sagte Digger. „Sie müssen wissen, daß ich ein ungeduldiger und aufbrausender Mensch bin, Digger. Ich denke, diese doch unschönen Eigenschaften habe ich bekommen, als ich beim FBI angefangen habe. Am Anfang, wenn man noch ganz frisch ist, gerade von der Akademie kommt, da wird man des öfteren mit Fällen betraut, die nicht in der Zeitung stehen. Mord an einer afroamerikanischen Prostituierten in der ärmsten Gegend der Stadt. Die Zusammenarbeit mit der Polizei gestaltet sich schwierig, da man sich gegenseitig nicht respektiert. Ich habe in meinen ersten Jahren viele solcher Fälle übernehmen müssen. Sie können sich nicht vorstellen, wieviel Leid und Elend ich gesehen habe. Und jeden Tag wurde ich ungeduldiger, wurde ich aufbrausender. Und jeden weiteren Tag haßte ich es, in dieser Stadt zu sein.“ Parker hielt für einen Moment inne. Digger sah die Tränen in Parkers Augen, sagte aber nichts. „Es war im Oktober 1961, als die Mauer in Berlin schon stand, da ist es passiert, Digger.“ Parker sah Digger an. „Wollen Sie es wissen?“ „Was ist passiert?“ „Mit der Zeit , wenn ein Tag dem anderen, ein Fall dem anderen immer mehr ähnelt, wenn man abstumpft, dann ist man nur noch einen winzigen Schritt von der Gleichgültigkeit entfernt. Es geschah an einem Nachmittag. Zuvor hatten wir zwei Wochen lang einen bekannten Drogendealer observiert. Wir warteten darauf, daß er sich mit seinen Zulieferern traf. Wir hatten vor, diesen Drogenring zu zerschlagen. Dann fuhren mehrere Wagen vor. Ein richtiger Menschenauflauf, Digger. Alle waren da: Kunden, Dealer, Lieferanten. Heute weiß ich, daß ich damals sehr wütend geworden bin. Ich konnte nicht glauben, mit was für einer Kaltschnäuzigkeit die das durchziehen wollten. Auf offener Straße. Als ich den Mann erkannte, den wir verfolgt hatten, bin ich ausgerastet. Ich zog meine Waffe und eröffnete das Feuer. Die anderen vom FBI taten es mir gleich. Wir haben unsere Magazine leergeschossen. Als der Pulverdampf weg war, wir uns etwas beruhigt hatten, sahen wir, was wir angerichtet hatten.“ Cole stand auf und ging zum Fenster. Er lehnte seinen Kopf gegen die Fensterscheibe. „Es waren keine Kunden, Digger. Keine Lieferanten. Es war die Familie des Dealers. Und sie hatten mit der Sache nichts zu tun. Wir... ich habe sie auf dem Gewissen.“ „Was ist dann passiert?“ „Tripplefood und einige andere von meinen Vorgesetzten waren nicht gerade erfreut über diesen Vorfall. Aber alle Beteiligten wurden freigesprochen. Das Gericht nannte es ‚Unglückliche Umstände‘. Der einzige, der richtig den Arsch voll gekriegt hat, war der Agent, der nicht herausgefunden hatte, daß der Dealer eine Familie hatte. Wir sind immer davon ausgegangen, daß das Schwein allein lebte, keine Verwandten mehr hatte.“ Parker drehte sich zu Digger um. „Deshalb bin ich hier, Digger. Seit ich diesen... unverzeihlichen Fehler gemacht habe, bleibt mir gar nichts anderes mehr übrig, als die Fälle zu übernehmen, die sonst keiner haben will. Tripplefood mag es vielleicht bedauern, aber auch er hat keine andere Wahl. Er ist ein Arschloch. Aber in gewisser Weise mein einziger Verbündeter, den ich in der Stadt noch habe. Tja, jetzt wissen Sie es.“ Er sah zu Digger. Wieder lag für eine Weile Schweigen in der Luft. „Haben Sie aus Überzeugung gehandelt?“ fragte Clive. „Was?“ „Waren Sie sich absolut sicher, daß es Verbrecher waren.“ „Ja, in diesem Moment war ich fest überzeugt gewesen.“ Digger stöhnte. Der Verband in seinem Gesicht war verrutscht. „Gehen Sie einen Arzt holen, Parker.“ „Okay.“ Parker öffnete die Tür, und drehte sich noch einmal zu Digger um. „Ich bin kein schlechter Mensch, Sheriff.“ Dann ging er.
Digger schrie auf. Die ganze Zeit lang hatte er die Schmerzen verdrängt, als Parker ihm von den Vorfällen in der Stadt erzählte. Mit seiner gesunden Hand hielt sich Clive ein Kissen vor das Gesicht, um die Lautstärke seiner Schreie ein wenig abzudämpfen. Der Verband rieb an den Verletzungen, die ihm die Eule zugefügt hatte. Dann war endlich der Doktor da, um ihm zu helfen. Während seine Wunden gereinigt und die Verbände gewechselt wurden, dachte Digger über Parker nach. Mit Sicherheit war er kein schlechter Mensch. Er hatte so vieles durchmachen müssen, dachte Digger. Der Krieg, die Stadt, die zunehmende Vereinsamung. Ob ich es so lange durchgehalten hätte, fragte sich Digger. Der Doktor war fertig. „Das wäre geschafft, Sheriff.“ „Danke, Chris.“ „Ich habe Ihnen zu danken, Clive. Endlich hat der Spuk ein Ende.“ Der Doktor stand auf. „Ach Chris?“ „Ja?“ „Ist Agent Parker noch da?“ „Er wartet draußen.“ „Schicken Sie ihn rein, ja?“ „Mach ich.“ Der Doktor verließ das Zimmer, kurze Zeit später kam Parker rein. „Alles in Ordnung?“ fragte er. „Ja.“ sagte Digger. „Parker, ich danke Ihnen für Ihre Offenheit. Es ist Ihnen schwer gefallen, das habe ich Ihnen ansehen können, die ganze Zeit lang. Und ich mache Ihnen keinen Vorwurf dafür, daß das FBI schlampig arbeitet. Ich werde Ihnen nie unterstellen, in dieser Angelegenheit einen Fehler gemacht zu haben. Haben Sie verstanden?“ „Ja... Danke.“ „Und jetzt sagen Sie mir endlich, warum Sie im Haus bewußtlos geworden sind.“ „Der Arzt meinte, es wäre ein Schwächeanfall gewesen.“ „Man, ich habe mir Sorgen gemacht.“ Parker sagte nichts. Digger lächelte und fragte Parker: „War Marge schon hier?“ „Heute früh.“ „Sie ist nach Hause gefahren?“ „Ja.“ „Das sieht ihr ähnlich.“ brummte Digger leicht verärgert. „Können Sie mir einen Gefallen tun, Parker?“ „Sprechen Sie.“ „Können Sie Marge hier ins Krankenhaus bringen?“ „Natürlich.“ „Noch etwas, Parker. Billy Gertz, einer von den Polizisten, er... Könnten Sie nach ihm sehen? Ich habe ihn seit gestern morgen nicht mehr gesehen. Es liegt auf dem Weg zu unserem Haus. Nur ein kleiner Umweg.“ „Sie mögen diesen Billy, oder?“ „Für Marge und mich ist er fast wie ein Sohn, den wir niemals hatten.“ „Sagen Sie mir, wie ich am besten zu ihm komme.“ Als Parker schließlich das Hospital verlassen hatte und zum Büro des Sheriffs ging, wo sein Mietwagen stand, war Digger wieder in einen unruhigen Schlaf gefallen.
Parker setzte sich in den Wagen. Bevor er losfuhr, dacht er noch einmal über die Dinge nach, die in der Nacht passiert waren. Digger hatte mit seinem Verdacht Recht gehabt, die Eulen hatten es getan. Und dieser riesige Wolf, oder was auch immer das war. „Ach Digger!“ fluchte Parker leise. „Hätten Sie es nur eher gesagt.“ Er fuhr los. Aber niemand, eingeschlossen er selbst, hatte ernsthaft daran gedacht, daß hinter den... Hm, sie sind wahrscheinlich alle tot. Konnte man es Mord nennen? Haben die Eulen und das Tier in voller Absicht getötet? Das haben sie, dachte er. Weil es eben Tiere waren, und keine Menschen. Eine gewisse Intelligenz mußte vorhanden gewesen sein, immerhin hatten sie sich in dem geheimen Keller versteckt, der in den Grundrissen des Johnsen Anwesens nirgends verzeichnet war. Als Parker durch die ersten Schüße aufgeweckt wurde, hatte er die blutige Treibjagd durch die Fensterscheiben des Polizeiwagens beobachten können. Er hatte gesehen, wie Digger von der Eule angegriffen wurde, hatte gesehen, wie die Männer den Wolf mit Kugeln durchsiebten, als dieser den Sheriff beinahe erreicht hatte. Als Digger schließlich in Ohnmacht fiel, stieg er aus. „Elender Feigling!“ sagte er zu sich. Dann hatte er das Haus erreicht, in dem Billy wohnte. Sieht ziemlich alt aus, dachte Parker, als das Haus betrat. Wohnt außer Billy sonst keiner hier? Nur das Namensschild von William Gertz hatte er an der Eingangstür gesehen. Dritter Stock. Er ging die Treppe hoch. Die alten Holzbalken knarrten. Mit jedem Schritt, den Parker tätigte, fiel der Putz von den Wänden. Und es war dunkel, das Licht funktionierte nicht. Ich haße Dunkelheit, dachte Cole. Dann stand er vor der Tür von Billy Gertz. Hm, keine Klingel. Er klopfte. „William Gertz? Agent Cole Parker. Digger schickt mich, um nach Ihnen zu sehen.“ Keine Reaktion. Er klopfte erneut, dieses Mal etwas kräftiger. Beim zweiten Schlag ging die Tür auf. „Hallo? Billy?“ Nichts. Schließlich betrat er die Wohnung. Die Fenster standen offen, so daß die Sonne das Zimmer erhellte, in dem Billy... hauste. Großer Gott, dachte Parker. Außer einem Bett und einem kleinen Schrank gab es nichts weiter. Nun, wenn man tonnenweise Müll und Dreck als nichts bezeichnen konnte. Parker hörte ein Geräusch. Schnell zog er die Waffe, die er von einem der Polizisten erhalten hatte. Das Geräusch hatte sich angehört, als ob jemand gehustet hatte. „Billy?“ Dann hörte er wieder das Husten. Es kam von der anderen Seite der Wand. Parker kämpfte sich durch den Abfall und legte das Ohr an die Wand. Ja, eindeutig. Jemand befindet sich hinter der Wand. Er tastete die Mauer ab. Dann hatte er die Stelle gefunden. Er nahm Anlauf und krachte mit voller Wucht in einen Nebenraum. Parker stand vom Boden auf und sah sich um. Was zur Hölle war das hier? An den Wänden hingen Zeitungsberichte. Er konnte nur schwer erkennen, was da stand, der Raum hatte keine Fenster. Offenbar hingen die Berichte mit den Menschen zusammen, die den Tieren zum Opfer gefallen waren. Hinter ihm hörte er das Geräusch. Parker drehte sich um und zog die Waffe. Vor ihm hing etwas von der Decke. Oh mein Gott, durchfuhr es Parker, als er erkannte, was da hing. Wieder das Husten. „Ich helfe Ihnen! Warten Sie!“ Es war ein Mensch mit einem Strick um den Hals, der dort hang. Parker sprang zu ihm und hob ihn an. Er ließ sofort wieder los. „Verdammt!“ Er mußte erkennen, daß es sich nicht um einen Menschen handelte. Das ganze Ding steht unter Strom! Wenn ich nur mehr sehen könnte. Parker begann die Wand einzutreten, damit das Tageslicht auch dieses Zimmer erhellen konnte. Nach einigen Minuten hatte er es geschafft. Er sah zu dem Ding am Seil und mußte unwillkürlich lächeln. Er erkannte auf Anhieb, daß es sich um eine Puppe handelte. In regelmäßigen Abständen öffnete die Puppe die Augen. Sie drehte sich langsam um ihre eigene Achse. Einige Würmer bedeckten das Gesicht. Sie muß offenbar mit einer Art Motor ausgestattet sein, dachte er. Und das ‚Husten‘ wurde durch die Elektronik verursacht. Vielleicht ist sie defekt, dachte er. Dann sah er sich weiter um. Nur noch ein kleiner Tisch stand an der Wand. Was haben wir denn hier? Erde lag auf dem Tisch, viele Steine und... Federn? Parker nahm eine der Federn. Er hatte so etwas schon gesehen. Es war die Feder von einer der Rieseneulen. Erst jetzt bemerkte Parker, daß er in einer Lache aus Blut stand. Er schrie auf und sprang entsetzt zurück. „Was zur Hölle...“ Er hörte, wie jemand die Treppe heraufkam. Parker steckte die Feder in seine Tasche und richtete die Waffe auf die Tür. Billy betrat das Zimmer und sah, wie Parker mit der Waffe auf ihn zielte. „Parker? Was machen Sie hier?“ „Das will ich gerne von Ihnen hören, Gertz. Was ist das da alles in dem Zimmer hinter der Wand?“ „Oh, Sie haben es entdeckt?“ sagte Billy enttäuscht. „Dann ist es ja gar kein Geheimnis mehr.“ „Gertz!“ „Und... Sie haben ja fast die ganze Wand kaputt gemacht. Das war nicht nett von Ihnen!“ Parker hielt die Waffe nach oben und drückte ab. „Beim nächsten Mal schieß ich Ihnen in Ihr verdammtes Bein, wenn Sie mir nicht auf der Stelle sagen, was das zu bedeuten hat. Die Puppe, die Zeitungsberichte, das Blut dort auf dem Boden. Gertz, ich warne Sie!“ Billy ging langsam in das kleine Zimmer. „Ja, ich habe jeden Bericht gesammelt, der in den Zeitungen stand.“ Er sah Parker an und sagte: „Wegen den vielen Spekulationen, die gemacht wurden. War es ein Mensch?“ Er tat so, als ob er auf Parker zuspringen wollte. „Oder war es ein Tier? Eine Bestie?“ „Hände hoch!“ befahl Parker. „Was immer Sie von mir verlangen, Agent Parker!“ sagte Billy und fing an zu lachen. „William Gertz, ich verhafte Sie wegen dreizehnfachen Mordes. Sie Bastard!“ „Oh, Sie glauben, ich habe es getan? Ich soll dem alten Duke den Körper zerissen haben? Der armen Melissa soll ich den Kopf abgetrennt haben? Dem kleinen Brendan soll ich das Gesicht zerfleischt haben? Glauben Sie das wirklich, Agent Parker?“ Billy lachte weiter. „Sehen Sie mich doch an. Ich habe doch gar nicht die Kraft, die Macht dazu.“ „Vielleicht nicht die Kraft, es selbst zu tun. Aber die Macht, andere es tun zu lassen. Sie hatten Macht über die Eulen, über den Wolf. Irgendwie hatten Sie es geschafft, die Kontrolle über diese Tiere zu erhalten.“ Billy hörte auf zu lachen. „Ist es so, Gertz? Ist das hier so was ähnliches wie Zauberei, Voodoo?“ schrie Parker ihn an. „Reden Sie, oder ich schwöre Ihnen bei Gott, Sie werden dieses Haus nicht lebend verlassen!“ „Aber Sie doch auch nicht, Agent Parker.“ Dann faßte sich Billy hinter die Ohren und zog sich die Maske vom Gesicht. Parker schrie auf. „Alles wird gut!“ krächzte Billy und ging auf Parker los. „Nein! Bleib stehen!“ schrie Parker. Dann feuerte er. Doch die Kugeln schienen Billy nichts auszumachen. Schließlich stand er vor Parker. Der sah in das Gesicht, in die blutige Masse mit den zwei Augen und der herunterhängenden Zunge. „Was bist du?“ „Dein Ende!“ krächzte Billy und umfaßte mit beiden Händen Parkers Hals. Billy drückte zu. Langsam bekam Parker keine Luft mehr. Verzweifelt schlug er auf Billy ein. Den störten die Schläge nicht. Gnadenlos würgte er Parker. Doch noch hatte Cole nicht aufgegeben. Er nahm all seine Kraft zusammen, hob Billy an und schleppte sich zum Fenster. „Was hast du vor?“ krächzte Billy und ließ für einen winzigen Augenblick den Würgegriff locker. Diesen Moment nutzte Parker, schlug Billy´s Hände von seinem Hals weg und schleuderte ihn mit einem gewaltigen Schrei aus dem Fenster. Dann brach er zusammen. Er hörte den dumpfen Aufprall, als Billy drei Stockwerke tiefer auf den Boden aufschlug. „Scheißkerl!“ sagte Parker. Er konnte kaum Luft holen und der Hals schmerzte. Mühsam erhob er sich und sah aus dem Fenster. Doch da lag kein Billy. Das kann nicht sein, dachte er. Plötzlich hörte er das Lachen. Er sah zur Straße. Dort stand Billy und lachte ihn aus. Dann kletterte Billy auf einen der Bäume und sprang von einem Baum zum anderen die Straße runter. „Oh nein!“ flüsterte Parker und schleppte sich zum Wagen. Auf dem Weg zu Diggers Haus betete Parker darum, daß er vor Billy da war, um Marge vor dieser alptraumhaften Kreatur zu schützen. Er lächelte gequält. Schützen, wie denn? Das Ding kann durch keine Kugel aufgehalten werden, es überlebt einen Sturz aus dem dritten Stock. Großer Gott! Er hoffte, vor Billy da zu sein, dann könnte er mit Marge fliehen. Er wünschte, Clive wäre jetzt bei ihm.
Marge war sofort in das Hospital geeilt, als sie den Anruf von Gruber erhalten hatte. Sie hatte sich die Tränen nicht verdrücken können, als sie Clive im Krankenbett mit den Verletzungen sah. Parker hatte sie ein wenig getröstet. „Wird er es überleben?“ hatte sie Parker gefragt. „Der Doktor sagt, er wird wieder ganz der Alte. Nur die Narben werden bleiben.“ Sie gab Clive einen sanften Kuß auf die Stirn. „Ich kann hier nicht warten, Mister Parker.“ „Was haben Sie vor?“ „Ich werde nach Hause gehen, mich ablenken. Ich kann hier nicht einfach nur da sitzen und nichts tun.“ Parker hatte versprochen, sie sofort zu benachrichtigen, wenn Clive wieder bei Bewußtsein war. Es war nun später Nachmittag, und Parker hatte sich noch immer nicht gemeldet. Marge war verzweifelt. Sie hatte es nicht gewagt, im Hospital anzurufen. Was, wenn... Plötzlich hörte sie das Hupen eines Autos draußen vor dem Haus. Und eine Stimme schrie: „Marge?“ Das ist Parker, dachte sie. Verwundert und ein wenig verängstigt ging sie nach draußen.
Parker machte eine Vollbremsung, als er endlich das Haus der Diggers erreicht hatte. Hoffentlich ist es noch nicht zu spät, dachte er. Warum hast du Idiot auch nicht angerufen, als Digger wieder das Bewußtsein erlangt hatte! Er drückte mehrmals die Hupe und sprang aus dem Wagen. „Marge!“ schrie er. Die Haustür öffnete sich. Er ging runter auf die Knie und zog seine Waffe. Dann erkannte er, daß es Marge war. Er stand auf und lief auf sie zu. „Gott sei dank, Sie leben noch!“ „Parker, was ist denn los? Wie geht es Clive?“ Parker packte sie an den Händen und zog sie zum Wagen. „Clive geht es gut, Miss Digger. Kommen Sie, wir müssen hier weg!“ „Parker, ich...“ „Keine Zeit, Marge, schnell!“ Erst jetzt bemerkte sie das Blut an Parkers Kleidung, das verschwitzte Gesicht mit einigen Schürfwunden. Sie riß sich los und blieb stehen. „Was ist los!“ Parker sah sie verzweifelt an. „Ich werde es Ihnen unterwegs erklären, aber wir müssen...“ Er sah in Marges Augen. Und dann wußte er, daß er zu spät gekommen war. Er bekam einen Schlag in den Rücken und fiel schmerzhaft zu Boden. Dann fing Marge an zu schreien. Parler lag noch immer auf dem Boden und mußte mit ansehen, wie Billy sich Marge packte und weglief, in den Wald hinein. „Nein!“ schrie Parker, quälte sich auf die Beine und rannte den beiden hinterher.
Als Parker den Wald betrat, hörte er nur noch sein pochendes Herz und seinen keuchenden Atem. Sonst hörte er nichts, keine Vögel, gar nichts. Obwohl es noch hell war, konnte er fast nichts sehen. Wo sind sie? Er wußte es nicht. Dann vernahm er einen leisen Schrei. Welche Richtung? Er schloß die Augen. Kommen Sie schon Marge, versuchen Sie es. Er konzentrierte sich und kurze Zeit später hörte er sie erneut schreien. Er rannte los, tiefer in den Wald hinein. Es fiel ihm schwer, das Tempo zu halten, der Kampf mit Billy war nicht spurlos an ihm vorbeigegangen. Aprupt blieb Parker stehen. Er stand vor einem großen Baum. Kein einziges Blatt hing an den Ästen. Diese Tatsache hatte ihn nicht veranlaßt, die Verfolgung plötzlich zu unterbrechen. Aber auf einem der Äste saß eine der Rieseneulen und sah ihn stumm an. Parker richtete die Waffe auf sie. Doch irgendwie schaffte er es nicht, den Vogel zu erschießen. Stattdessen steckte er die Waffe wieder ein. Er dachte nach. Dann ging er auf die Eule zu. Diese blieb auf dem Ast sitzen. Parker holte die Feder aus seiner Tasche und hielt sie der Eule entgegen. „Kannst du mir helfen? Weißt du, wo sie sind?“ fragte er die Eule. Tief im Inneren wußte er, daß es lächerlich war, aber trotzdem stand er nun vor der Eule, mit der Feder in der Hand. Die Eule schien direkt durch ihn hindurchzusehen. Parker kam ihr immer näher. „Kannst du mir helfen?“ fragte er wieder. Jetzt war er direkt unter dem Ast. Das ist absolut verrückt, dachte Parker. Er schloß wieder seine Augen. Zwecklos, du hast sie verloren. Plötzlich spürte er, wie etwas vor ihm auf dem Waldboden landete. Er öffnete die Augen. Vor ihm stand die Eule. Sie war so groß wie er. Er fiel auf die Knie und streckte der Eule die Feder entgegen. Er senkte seinen Kopf und flüsterte: „Ich bitte dich.“ Die Eule nahm mit ihrem Schnabel die Feder aus Parkers Hand und flog zu einem der anderen Bäume. Parker stand auf und sah den Vogel fragend an. Wartet sie darauf, daß ich ihr folge? Er ging zu dem Baum. Als er angekommen war, flog die Eule wieder zu einem der anderen Bäume. „Danke!“ sagte Parker und folgte der Eule. Parker wußte nicht, wie lange er der Eule schon folgte. Der Wald schien unendlich groß zu sein. Die Eule war wieder auf einem der Bäume gelandet. Parker lief zu ihr. Doch dieses Mal blieb sie sitzen. „Sind sie hier?“ fragte Paker. Die Eule drehte ihren Kopf in die Richtung, die für Parker bedeutete, noch tiefer in den Wald zu gehen. „Da lang?“ Die Eule zeigte wieder in die Richtung. „Also gut.“ sagte Parker und ging weiter. Nach einigen Schritten drehte er sich zur Eule um. Die saß auf einem Ast und sah ihn mit ihren großen Augen an. „Danke!“ flüsterte Parker. Er zog seine Waffe und kämpfte sich weiter durch den Wald. Und plötzlich hatte er den Wald verlassen und stand auf einer Lichtung. Vor sich sah er einen kleinen Felsen. Mit einem Eingang.
Gruber klopfte an die Tür des Krankenzimmers. „Kommen Sie rein!“ rief Clive. Gruber betrat das Zimmer. Er humpelte leicht. „Und?“ Gruber schüttelte den Kopf. „Sheriff, ich...“ „James, sagen Sie mir, was los ist.“ „Wir haben den Wagen von Parker vor Ihrem Haus gefunden. Nur den Wagen.“ „Marge?“ „Nichts. Weder Marge noch Parker. Sie scheinen wie vom Erdboden verschwunden zu sein.“ Clive stöhnte. Gruber setzte sich auf den Stuhl, der an Diggers Krankenbett stand. „Wir haben Marge und Parker bis zum Wald verfolgen können. Danach verlieren sich ihre Spuren. Sheriff?“ „Ja?“ „Wir haben auch eine dritte Spur entdeckt. Konnten bisher aber noch nicht rausfinden, ob es sich dabei um einen Menschen oder ein Tier handelt. Jedenfalls sind Marge und der Fremde eng beieinander gewesen und Parker muß sie verfolgt haben. So in etwa stellen wir uns das vor.“ Clive nickte. Nach einer Weile fragte er: „Und Billy?“ „Auch nichts. Wir waren in seiner Wohnung. Sie können sich nicht vorstellen, was für ein Chaos dort herrschte. Da muß ein Kampf stattgefunden haben. Wir fanden einige Patronenhülsen von der Waffe, die Boyles Parker gegeben hatte. Und wir fanden Blut in einem, nun... Nebenzimmer. Clive, an den Wänden hangen Artikel von den Entführungsfällen. Auf einem Tisch lagen Erde, Steine und das hier.“ Er hielt eine einen Plastikbeutel hoch. „Großer Gott!“ sagte Digger und nahm den Beutel. Darin befand sich eine Feder von einer der Rieseneulen. „Das ist aber noch nicht alles.“ sagte Gruber. „An einem Seil baumelte eine Puppe.“ „Eine Puppe?“ „So ein mechanisches Teil. Und sie sah aus wie der alte Kevin Johnsen.“ Clive sah ihn entsetzt an und fragte nach: „Wie wer?“ „Wie der alte Johnsen, Clive.“ sagte Gruber. „Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich glaube, daß durchaus Billy was damit zu tun haben könnte.“ „Billy?“ stammelte Clive. „Aber wie in Gottes Namen? Wie?“ „Keine Ahnung, vielleicht...“ Gruber sah Digger an. „Nein, hören Sie auf, James. Glauben Sie wirklich...“ „Sie waren doch gestern Nacht mit dabei, oder?“ „Ja, war ich.“ „Seit dieser Nacht weiß ich nicht mehr, an was ich noch glauben soll. Alles scheint möglich zu sein.“ sagte Gruber. „Nur mal angenommen, Billy würde dahinter stecken. Wie hat er die Kontrolle über die Tiere erhalten?“ „Auf dem Tisch lagen diese Federn, Steine und Erde. Vielleicht hat es irgendwas mit Zauberei zu tun, Beschwörungen oder sonst was.“ „Dann könnte die dritte Spur zu Billy gehören, die Sie bei meinem Haus gefunden haben.“ „Ja, möglich.“ Gruber und Digger sahen aus dem Fenster. „Dann ist Parker also meine letzte Chance?“ fragte Clive. Er schloß seine Augen. Bring sie zurück!
Parker stand vor dem Eingang. Eine Höhle, dachte er. Schon wieder Dunkelheit, stöhnte er. Er holte noch einmal tief Luft und betrat die Höhle. Zuvor riß er sich einen Faden aus seiner Jacke und befestigte ihn an einem kleinen Felsvorsprung nahe des Einganges. „Mit etwas Glück findest du damit wieder hier raus.“ sagte Parker zu sich. Dann betrat er die Höhle. Er tastete sich an der Felswand entlang. Er spürte, daß er immer tiefer ging. Hinter ihm war der Eingang verschwunden. Dunkelheit umgab ihm und für einen kurzen Moment verspürte er Panik. Er ballte die Fäuste zusammen und beruhigte sich wieder. Langsam ging er weiter, Schritt für Schritt. Irgendwann gab Parker es auf, die Schritte zu zählen. Dann riß der Faden. Fieberhaft suchte er auf dem Boden nach ihm. Gott sei Dank. Er hatte ihn finden können. Er riß ein weiteres Stück von seiner Jacke und knotete die beiden Enden zusammen. Er hob seinen Kopf und sah es. In weiter Ferne, so schätzte er, sah er ein leuchtendes Schimmern. Licht! Er stand auf und stieß sich den Kopf. Verdammt! Er unterdrückte einen Schmerzensschrei. Er kroch weiter, dem schimmernden Etwas entgegen. Endlich hatte er es erreicht. Vor ihm erstreckte sich eine große Gruft, die von einem leuchtenden Nebel erhellt wurde, der über den Boden schwebte. Parker sah sich um. Überall lagen Knochen. Parker schluckte. Es waren Menschenknochen. Er kroch weiter und versteckte sich hinter einem großen Stein. Er riß den Faden ab und legte einen hellen Stein auf dessen Ende. Plötzlich hörte er ein Wimmern. Er lugte hinter dem Fels hervor. Im hinteren Teil der Gruft sah er einen großen Steinquader, auf dem... Großer Gott, Marge! Dann hörte Parker die Stimme von Billy. Er wagte sich noch ein Stückchen weiter vor. Auf dem Quader lag Marge. Sie war an Händen und Füßen gefesselt und sie war nackt. Dann sah Parker Billy. Er war ebenfalls nackt. Was ist das da auf seinem Rücken, dachte Parker. Fell? Billy ging zu Marge. Er murmelte etwas, was Parker nicht verstehen konnte. Hinter dem Quader sah Parker ein gigantisches Skelett einer Eule. Er schätzte die Größe auf mindestens zehn Meter. Er beobachtete weiter, während er langsam die Waffe aus seiner Jacke nahm. Billy ging einmal um den Quader herum und blieb vor dem Skelett stehen. „Fünfzehn und einer!“ krächzte er und deutete auf Marger. Fünfzehn, dachte Parker. Fünfzehn Tote? Dann begriff er. Billy meinte Marge. Sie sollte Nummer Fünfzehn werden. Und einer? Meinte Billy sich selbst? „Fünfzehn und einer.“ hörte Parker wieder Billy sagen. Dann sah er, wie Billy ein Messer hob. Nein! Er sprang hinter dem Stein hervor und schrie: „Billy!“ Marge sah Parker. Er ist hier! Parker kam auf sie zu. Er war nur noch wenige Schritte vom Quader, von Marge entfernt. Billy nahm das Messer herunter und sah Parker ungläubig an. Wie hatte der den Weg in die Gruft gefunden? „Du kommst zu spät! Du kannst es nicht mehr aufhalten!“ schrie Billy und wandte sich Marge zu. Er wollte ihr das Messer in den Bauch rammen. Parker schoß. Durch den Aufprall der Kugeln wurde Billy etwas zurückgeschleudert. Parker sprang und stieß Billy zu Boden. Verzweifelt versuchte Marge, sich von den Fesseln zu befreien. Doch die Knoten der Seile waren zu eng geschnürt. Parker und Billy wälzten sich auf dem Boden. Parker sah das Blut, welches aus Billys Schußwunden floß. Ist er hier drinnen verletzbar? Er gab Billy einen Schlag ins Gesicht. Der stöhnte auf. Durch den Schlag löste sich die Maske ein wenig von Billys Gesicht. Sofort wurde er wieder stärker und warf Parker durch die Luft. Parker landete unsanft. Doch Billy nahm die Maske nicht ab. Er zog sie sich wieder vollständig über. Mußte er sie aufbehalten, um was auch immer durchzuführen? Parker suchte nach seiner Waffe. Sie lag wenige Meter von ihm entfernt. Billy hatte das Messer wieder aufgehoben, das er während des Kampfes verloren hatte und ging wieder zu Marge. Ein zweites Mal hob er das Messer und wollte zustechen. Doch Parker war schneller. Er hatte auf Billys Kopf gezielt, aber trotzdem vorbei geschossen. Billy schrie auf und fiel zu Boden. Er hielt sich das Bein. Parker hatte eine Ader getroffen. Das Blut schoß aus Billys Bein. Parker rappelte sich auf und rannte zu Marge. Er befreite sie von ihren Fesseln. Marge fiel Parker um den Hals. „Danke, Cole. Danke.“ Sie weinte. „Schnell, wir müssen hier raus, Marge.“ Er wickelte seine Jacke um ihren nackten Körper. „Kommen Sie, da hinten.“ In der Nähe des weißen Steins am Eingang lag Billy und rührte sich nicht. Er lag mit dem Gesicht auf dem Boden. Langsam gingen Marge und Parker an ihm vorbei. „Ist er tot?“ fragte Marge. „Weiter!“ sagte Parker. Dann hatten sie den Ausgang erreicht. Parker warf den weißen Stein weg und zeigte Marge den Faden. „Damit werden wir hier rauskommen!“ Sie wollten gerade gehen, als sie hinter sich Gelächter hörten. Sie drehten sich um. Marge schrie auf. Vor ihnen stand Billy. Er hatte keine Maske mehr auf. „Wo wollt ihr denn hin?“ krächzte Billy und lachte erneut. „Gehen Sie Marge, gehen Sie.“ sagte Parker leise zu Marge. „Aber... Was ist...?“ „Marge, wenn Sie nicht gehen, werden wir beide sterben. Gehen Sie, na los.“ Er sah zu Billy. „Ich werde versuchen, ihn wenigsten ein bißchen aufzuhalten.“ „Nein, Parker.“ Marge sah den Blick in Parkers Augen. Nichts hätte ihn dazu gebracht, die Gruft zu verlassen. Sie gab ihm einen Kuß. „Wir werden auf Sie warten.“ Dann nahm sie den Faden und lief durch den Ausgang. Billy lief vor Parker auf und ab. „Glaubst du, sie entkommt mir? Und wenn, auch egal. Denn weißt du, alles wird gut.“ „Das habe ich schon einmal gehört.“ „Ist das so.“ Billy blieb stehen. „Du wirst es nicht aufhalten können. Fünfzehn und einer!“ „Bist du der eine?“ „Vielleicht ja? Vielleicht nein? Aber du wirst Nummer Fünfzehn sein!“ Dann stürzte sich Billy auf Parker.
Marge war mehrmals hingefallen und hatte sich die Knie aufgeschlagen. Trotz der Schmerzen rannte sie weiter, den Faden fest in der Hand haltend. Dann konnte sie das Tageslicht sehen. Es blendete sie. Taumelnd lief sie auf den hellen Punkt zu, der vor ihr lag und mit jedem Schritt, den sie tat, größer und größer wurde. Und dann stand sie auf der Lichtung. Sie sah sich um. Wo war sie? In welche Richtung sollte sie laufen. Dann sah sie plötzlich eine Eule, die einige Meter vor ihr auf einem Baum saß. Marge schrie auf. Die Eule hatte eine Feder im Schnabel. Die Eule sah Marge an. Und als ob irgendwas sie zwang, ging Marge auf die Eule zu. Als sie den Wald fast erreicht hatte, begann die Erde zu beben. Marge fiel zu Boden. Mit Entsetzen sah sie, wie der Felsen in der Erde versank. Dann war es auch schon wieder vorbei. Marge stand auf. „Parker?“ schrie sie. „Parker!“ Sie wußte, daß es zwecklos war. Hinter sich hörte sie die Eule. Sie drehte sich um. Die Eule flog zu einem anderen Baum. Zögernd folgte ihr Marge. Und so wie die Eule Parker zur Lichtung geführt hatte, so führte sie jetzt Marge aus dem Wald heraus. Stunden später hatte Marge das Haus erreicht. Mit letzter Kraft schleppte sie sich zum Telefon.
„Bist du der eine?“ fragte Parker Billy und warf die Waffe weg. Sie würde nicht viel nützen. Billy lächelte. Zumindest glaubte dies Parker in dem Klumpen Fleich zu erkennen, der auf Billys Hals saß. „Vielleicht ja? Vielleicht nein? Aber du wirst Nummer Fünfzehn sein.“ krächzte Billy und griff an. Mit unglaublicher Wucht prallte er auf Parker. Sie knallten gegen die felsige Wand. Parker schrie vor Schmerzen auf. Er gab Billy mit dem Knie einen Tritt in den Unterleib, doch ohne Wirkung. Billy stemmte Parker die Wand hoch. „Du könntest einen schnellen Tot haben.“ Parker keuchte. „Leck mich!“ „Niemals!“ schrie Billy und warf Parker an die gegenüber liegende Wand der Gruft. Parker hörte, wie einige seiner Knochen brachen. Er kam fast um vor Schmerzen. Das wirst du so oder so, sagte er zu sich. Er war nicht mehr in der Lage, Widerstand zu leisten. Hilflos sah er, wie Billy das Messer vom Boden nahm und auf ihn zukam. „Zeit zu sterben!“ krächzte Billy. Parker schloß die Augen. „Sieh mich an, Nummer Fünfzehn!“ Billy schob gewaltsam die Augenlider von Parker hoch. „Ich habe dir doch gesagt, was ich bin.“ Er sah Parker an. „Du widerliches Monster.“ keuchte Parker. Er versuchte Billy ins Gesicht zu spucken, aber es gelang ihm nicht. Blut lief aus seinem Mund. Billy hielt Parker das Messer an die Kehle. Parker spürte die scharfe Klinge auf seiner Haut. Es war wohl der Mut der Gleichgültigkeit. Wie in Trance packte Parker die Zunge von Billy und riß sie ab. Billy fiel nach hinten um brüllte aus Leibeskräften. Parker hielt den blutenden Muskel in seiner Hand und lächelte. Wenn schon sterben, dann mit einer gewissen Genugtuung. „Schön, dich leiden zu sehen.“ flüsterte er. Billy erhob sich wieder. „Sie sehen gut aus, Sir!“ sagte Parker lächelnd. Billy lallte etwas. Parker konnte sich gut vorstellen, daß es was mit ihm zu tun hatte. Billy drückte Parker auf den Boden. Sein Gesicht beugte sich über Parker. Blut tropfte auf dessen Gesicht. Billy würde nun endgültig den Tod dieses Menschen herbeiführen. Er setzte die Klinge wieder an Parkers Hals. Und dann fielen aus irgendeinem Grund Felsbrocken von der Decke. Billy wollte gerade zustechen, als er über sich etwas hörte. Er sah nach oben und schrie. Für Parker war es eine Mischung aus Wut und Angst. Er sah ebenfalls nach oben. Über ihnen löste sich ein mächtige Felsbrocken und fiel auf sie runter. Direkt vor Parker krachte der Brocken zu Boden und begrub Billy unter sich. Es war vorbei. Parker sah, wie Blut unter dem Stein hervorlief. Er lachte. Es war ein leicht hysterisches Lachen.
Als das Beben vorbei war, ging die Notbeleuchtung im Hospital an. Digger war aus dem Bett gefallen.
„Gruber?“ „Warten Sie, ich helfe Ihnen!“ Gruber half dem Sheriff auf die Beine. „Geht es Ihnen gut, Sheriff?“ „Den Umständen entsprechend, danke.“ Eine Krankenschwester kam aufgeregt in das Zimmer. „Bei Ihnen alles in Ordnung?“ Digger und Gruber nickten. Die Krankenschwester verließ wieder das Zimmer. „Ein Erdbeben? Hier?“ „Ja, James, ich weiß.“ Stunden später hatte sich die Situation in dem kleinen Städtchen wieder etwas entspannt. Gruber war den Ordnungskräften zu Hilfe geeilt. Digger mußte auf Anordnung der Ärzte im Hospital bleiben. Er verfluchte sie. Und er dachte an Marge. Ob er sie jemals wieder in seinen Armen halten, ihren Körper spüren würde? Und dann teilte ihm einer der Ärzte mit, daß Marge angerufen hatte.
„Wo ist sie? Ich will sie sehen!“ schrie Digger, als er aus dem Wagen ausstieg. Er sah einen Krankenwagen. Er packte einen der Ärzte. „Wo ist Marge?“ „Sie ist im Haus, Sheriff.“ Digger wollte weiter, doch der Arzt hielt ihn zurück. „Sheriff, Marge sieht sehr mitgenommen aus.“ Digger nickte. „Ich muß sie sehen!“ „Sie wird in Ihrem Wohnzimmer behandelt.“ „Ja, danke.“ Dann stand Clive im Wohnzimmer. Marge lag auf der Couch. Sie war wach und als sie Clive sah, fing sie an zu weinen. Clive setzte sich zu ihr auf die Couch. „Ich bin bei dir, Schatz!“ Sie umarmten sich. „Parker ist tot!“ sagte Marge. „Was?“ „Er ist tot. Er ist in der... Höhle zurückgeblieben. Als ich draußen war, stürzte der Felsen in sich zusammen, Clive, es war so schrecklich.“ Digger streichelte ihr über das Gesicht. „Was ist genau passiert?“ Marge hatte sich etwas beruhigt und begann, Clive zu erzählen, was geschehen war. Als sie fertig war, verließen sie ihre Kräfte. Clive schrie zu einem der Ärzte. „Kommen Sie her, sie ist ohnmächtig geworden.“ Marge wurde wieder behandelt. Clive stand auf und ging nach draußen. Das Gehen fiel ihm schwer, es bereitete ihm noch Schmerzen. Er sah Gruber. „James!“ schrie er. „James, hier bin ich!“ Gruber kam angerannt. „Sheriff, geht es Marge gut?“ „Ja, die Ärzte kümmern sich um sie.“ „Gut.“ „James, besorgen Sie sich zehn Männer, Taschenlampen und so weiter. Wir müssen Parker suchen.“ „Parker?“ „Er hat Marge das Leben gerettet.“ „Okay.“ sagte Gruber. „James, noch etwas!“ „Sheriff?“ „Ausreichend Munition!“ „Ja.“ Gruber ging. Digger sah zu dem Wald. Er schwor sich, alles zu versuchen, um Cole Parker zu finden.
Parker sah sich um. Die Gruft wurde immer noch von dem Nebel erhellt. Er kroch von dem Felsen weg, welcher Billy erschlagen hatte. Parker war fest davon überzeugt, jeden Moment die Stimme von Billy zu hören. Der Ausgang war von mehreren großen Steinen blockiert. Großartig, dachte Parker. Dann sah er seine Waffe. Was war da eben passiert? Ein Erdbeben? Er faßte sich an den Hals. Die scharfe Klinge des Messers hatte ihm einen kleinen Schnitt zugefügt. Er spürte, wie Blut seinen Hals herunterlief. Gar nicht daran denken! Er war bei der Waffe angelangt und überprüfte sie. Ein einziger Schuß war ihm noch geblieben. Wenn du hier nicht rausfindest, wird es wenigstens schnell vorbei sein. Die Schmerzen waren unerträglich. Billy hatte ihm übel zugesetzt. Parker wußte, daß er sich beide Beine gebrochen hatte. Nicht einmal laufen kannst du, dachte er. Er war am blockierten Ausgang angekommen. Zwecklos! Er versuchte, einen der Steine zu bewegen. Das kannst du vergessen! Parker lehnte sich an die Felswand. Hoffentlich hat es Marge geschafft! Hoffentlich ist es jetzt endgültig vorbei. Er sah zu dem Skelett der Rieseneule. Es war in sich zusammengestürzt. Parker sah genauer hin. Da in der Wand war ein zweiter Ausgang. Das Skelett hatte ihn vorher verborgen. Es ist einen Versuch wert, sagte sich Parker und ignorierte die Schmerzen, als er sich qualvoll zu diesem zweiten Ausgang kämpfte.
Gruber wies den anderen an, stehen zu bleiben. „Seid still, Leute!“ sagte er. „Was ist los, Gruber?“ „Ruhe!“ Er hatte etwas gesehen, vor ihnen auf den Bäumen. Er zog seine Waffe. „Bleibt hier!“ befahl er und ging langsam vorwärts. Er war sich sicher, da in den Bäumen war etwas. Dann sah er die Eule. Er hob die Waffe und zielte. Verdammtes Mistvieh! Er wollte abdrücken, doch dann bemerkte er, daß die Eule etwas in ihrem Schnabel hatte. Was war das? Eine Feder! Was zur Hölle... Er schüttelte den Kopf! „Verdammtes Mistvieh!“ flüsterte Gruber und wollte auf die Eule schießen. Doch diese flog zu einem anderen Baum. Gruber ließ die Waffe sinken. Anscheinend hatte die Eule überhaupt keine Angst vor ihnen. Warum auch, dachte er. Sie ist riesig. Er ging weiter. Als er die Eule fast erreicht hatte, flog diese wieder zum nächsten Baum. Will sie uns den Weg weisen? Er sah die Eule an. Später gab Gruber an, instinktiv gehandelt zu haben. Er wußte nicht warum, aber er und die anderen begannen der Eule zu folgen. Und irgendwann hatten sie die Lichtung erreicht. Gruber drehte sich zu der Eule um. Aber sie war nicht mehr da. Sie begannen die Lichtung abzusuchen, nach irgendeinem Hinweis, daß Parker hier irgendwo war. Daß Parker noch lebte. Sie fanden nichts. Keinen Felsen, nichts. Nichts deutete darauf hin, daß hier auf der Lichtung ein Felsen stand, oder etwas ähnliches. Das Gras sah aus, als ob es seit Jahren ohne störende Einflüße wuchs. „Hier ist nichts.“ sagte einer der Männer zu Gruber. „Ja.“ sagte James. „Hier war noch nie etwas. Vielleicht hat Miss Digger das Beben den Rest gegeben.“ Er zündete sich eine Zigarette an. „Parker ist nicht hier.“ Wie sehr er sich irrte...
Parker hatte den anderen Ausgang erreicht. Es ging tiefer nach unten. War ja klar, dachte Parker. Was hast du erwartet? Er schob sich weiter nach vorne. Dann gab unter ihm der Boden nach und er stürzte einige Meter in die Tiefe. „Oh Gott!“ schrie er, als er aufschlug. Er zwang sich, seinen Kopf anzuheben. Vor ihm lag ein Tunnel. Am Ende des Tunnels sah er Licht. Und was kommt jetzt, fragte er sich. Er kroch in den Tunnel. Es dauerte eine kleine Ewigkeit, bis er ihn durchquert hatte. Der Tunnel endete an einem steilen Abgrund. Er befand sich auf einem kleinen Felsvorsprung in einer gigantischen Halle. Er sah nach unten. Er konnte nicht erkennen, wie tief es war. Über ihm, es waren etwa zwanzig Meter, wölbte sich die Kuppel. Wer hat das gebaut? Dann hörte er von unten ein Geräusch, ein lautes Brüllen. Und es kam zu ihm nach oben. Parker war nicht mehr in der Lage, sich zu bewegen. Mit letzter Kraft schob er sich soweit vor, daß er über den Rand sehen konnte. Fassungslos sah er, was da unter wildem Geschrei auf ihn zukam, was da ohne Mühe die Wand hochkletterte. Es war das Tier. Nein, dachte Parker. Es war ein weiteres Tier. Wieviele gibt es von denen? Wo kommen die her? Das Tier hatte Parker erreicht. Es konnte Parkers Angst spüren. Doch es tat ihm nichts. Es sah Parker in die Augen. Dem Blick konnte Parker nichts standhalten und wurde bewußtlos. Behutsam packte das Tier Parker mit seinem mächtigen Maul und lief die Wand wieder herunter. Unten angekommen legte es Parker auf den Boden und ging einige Meter zurück. Das Tier begann zu winseln. Oben, direkt unterhalb der Kuppel löste sich ein Schatten und flog stumm nach unten. Das Tier sah nach oben und begann zu zittern. Der Schatten kam immer näher. Schließlich landete etwas direkt vor Parker. Das Tier zeigte eine Geste der Demut. Das Etwas nahm es wohlwollend zur Kenntnis und deutete dem Tier an, sich zu entfernen. Schnell verzog sich das Tier in eine der dunklen Ecken und blieb regungslos und stumm sitzen, während es das, was nun passieren würde, mit wachsamen Augen verfolgte.
Digger war bei Marge im Haus geblieben. Er saß bei ihr auf dem Bett und hielt ihre Hand gedrückt. Sie schlief. Als Gruber mit den anderen vor einigen Stunden losgegangen war, um nach Parker zu suchen, hatte Clive die Ärzte und die restlichen Polizisten gebeten, ihn mit Marge alleine zu lassen. Falls es Marge schlechter gehen sollte, würde er einen der Ärzte rufen. Als sie weg waren, trug er Marge ins Schlafzimmer und legte sie vorsichtig ins Bett. Er wich nicht von ihrer Seite, obwohl er Hunger hatte, und schrecklichen Durst. Clive saß neben seiner schlafenden Frau auf dem Bett. Er dachte an Parker, an das, was Marge erzählt hatte. Und er dachte an Billy. Er war wie ein Sohn für uns. Er hat mit uns gegeßen, er hat in diesem Haus geschlafen. Die ganze Zeit lang, all die Jahre waren wir mit ihm befreundet. Digger schloß die Augen und begann leise zu weinen. Warum nur, Billy? Was hat dich dazu getrieben. War er von Anfang an das Monster. Ist er selbst von irgendwas... verflucht worden? Clive schoßen viele Fragen durch den Kopf. Das wird nicht spurlos an uns vorrüber gehen, dachte er und sah zu Marge. Gut, daß sie schläft. Dann hörte er draußen Stimmen. Gruber! Sie waren zurück. Leise stand er auf, nahm Parkers Jacke und verließ das Schlafzimmer. Er eilte die Treppe herunter, um den anderen die Tür zu öffnen. Draußen standen Gruber und die anderen. „Habt ihr ihn gefunden?“ fragte Clive. Er sah in die Gesichter. „James?“ Gruber hustete und klopfte sich etwas Staub von seiner Jacke. „Nichts.“ sagte er trocken. „Nichts? Ich verstehe nicht.“ „Wir haben die Lichtung gefunden, von der Marge erzählt hatte. Nur Wiese.“ „Kein Felsen.“ „Nein. Da hat auch nie einer gestanden. Das Gras wächst dort seit Jahren. Clive, tut mir leid, aber Parker ist weg.“ Er kam einen Schritt auf Clive zu und sagte leise: „Clive, Sie wissen, daß ich Marge respektiere und ihr Wort niemals in Frage stellen würde. Aber angesichts der Umstände können wir nicht die Tatsache verbergen, daß... nun...“ „Wollen Sie damit andeuten, daß meine Frau den Verstand verloren hat? James, sie hatte Parkers Jacke an. An ihren Händen und Füßen sind Spuren von Seilen.“ „Mag ja alles sein, Clive. Aber wie gesagt, da war kein Felsen. Und keine Spur von Parker. Ach... da war diese Eule.“ „Eine Eule?“ „Ja, merkwürdig, Ich hatte den Eindruck, als ob sie uns den Weg gewiesen hätte.“ Gruber winkte ab. „Naja, die Eule war dann auch plötzlich wieder verschwunden. Ich weiß auch nicht.“ Clive sah Gruber an. „Danke, James. Das ihr es wenigstens versucht habt. Geht nach Hause. Wir können jetzt nur darauf hoffen, daß wir das ganze Chaos hier so schnell wie möglich hinter uns lassen.“ „Sie kommen zurecht, Sheriff?“ „Ja, James, danke.“ Clive ging wieder in das Haus zurück. Die anderen fuhren nach Hause. Clive machte sich ein Sandwich und nahm sich eine Flasche Bier. Er warf Parkers Jacke über einen der Stühle. Dabei fiel etwas aus Parkers Innentasche. Clive stutzte und stellte sein Bier und das Sandwich auf den Küchentisch. Dann bückte er sich. Er stöhnte ein wenig, als ihm der Schmerz durch den Rücken fuhr. Es war ein Foto. Clive hob es auf und sah es sich an. Er setzte sich auf einen Stuhl. Auf dem Foto war das Gesicht einer Frau abgebildet. Clive mußte sich eingestehen, daß die Frau wunderschön war. Sie hatte ein schmales Gesicht und langes, dunkles Haar. Clive bemerkte den traurigen Blick in ihren Augen. Er drehte das Foto um. Auf der Rückseite stand etwas. ‚Für Cole. Alanis.‘ Wer zum Teufel war Alanis. Parkers frühere Verlobte? Eine Bekanntschaft aus der Stadt? Parker hatte nichts von einer Alanis erzählt. Oder hatte es Clive schon wieder vergessen? Außer dem Foto war nichts weiter in der Jacke gewesen. Clive trank einen Schluck Bier. Er sah das Foto an. Als er das Sandwich aufgegessen hatte stellte er die halbvolle Flasche in den Kühlschrank. Er sah noch einmal zu dem Foto von Alanis, welches auf dem Küchentisch lag. Ob wir Parker jemals wiedersehen werden? Er hoffte es. Dann machte er das Licht aus und ging nach oben ins Schlafzimmer. Er zog sich aus und legte sich neben Marge. „Ich liebe dich!“ sagte er leise und gab ihr einen Kuß. Dann fiel er in einen festen, tiefen und traumlosen Schlaf.
Parker schrie auf und öffnete die Augen. „Wo bin ich?“ Dann fiel es ihm wieder ein. Der Kampf mit Billy, das Erdbeben, die Halle und... Er schluckte schwer, dieses Tier. Es war still. Er hörte nichts, nur sich selbst atmen. Er lag mit dem Rücken auf den Boden. Er hatte das Gefühl, nicht alleine zu sein. Er drehte seinen Kopf ein wenig. Er war von sich selbst überrascht, mit was für einer Gelassenheit, ja beinahe Selbstverständlichkeit er die Tatsache aufnahm, daß vor ihm eine Eule saß. Sie unterschied sich radikal von den anderen der Rieseneulen, die er gesehen hatte. Sie war gut viermal so groß wie das Skelett in der Gruft, hatte ein schneeweißes Gefieder. Und... er wußte es nicht genau, aber als er in das Gesicht der Eule sah, hatte er den Eindruck, etwas Menschliches zu erkennen. Waren es die Augen, die ihn fast liebevoll ansahen? Er hörte ein Geräusch. Es war noch jemand hier. Da hinter der Eule, da war noch etwas. Langsam gewöhnten sich seine Augen an die Dunkelheit. Ihm fiel ein, daß es oben in der Nähe der Kuppel heller war. Es war das Tier. Hat das Tier mich hier runter gebracht? Die Eule drehte ihren Kopf zu dem Tier. Sofort begab sich das Tier wieder in die Ecke. Kontrolliert sie das Tier? Parker fiel es schwer, aber er versuchte, der Eule etwas zu sagen. Und die Eule sprach zu ihm.
Parker: Was bist du?
Eule: Ich bin ohne Namen.
Parker: Wo bin ich?
Eule: In meinem Reich.
Parker: Dein Reich?
Eule: Mein Reich! Noch nie hat es ein Mensch geschafft, bis hierher vorzudringen.
Parker: Was bist du?
Eule: Ich bin dein Anfang. Und dein Ende.
Parker: Der Anfang?
Eule: Ich habe dir neues Leben eingehaucht. Dich aus deiner Trostlosigkeit gerissen.
Parker: Was?
Eule: Ich gab dir eine neue Chance. Die Möglichkeit, alles hinter dir zu lassen.
Parker: Du hast mir, hast uns nur Grauen gegeben. All die toten Menschen...
Eule: Jeder stirbt. Selbst ich. Was dich, was euch so geängstigt hat, war nur die Art, wie diese Menschen gestorben sind.
Parker: Hattest du die Kontrolle über Billy?
Eule: Er war mein Werkzeug in eurer Welt da oben. Nicht einen einzigen Augenblick hat er selbständig gehandelt. All seine Taten ließ ich ihn begehen.
Parker: Aber warum? Was haben dir die Menschen getan?
Eule: Nichts. Ich hege keinen Groll gegen euch. Aber meine Kinder brauchen Nahrung. So wie jedes Lebewesen.
Parker: Deine Kinder? Du meinst diese Monster, und die anderen Eulen?
Eule: Ja.
Parker: Aber warum plötzlich so häufig in den letzten Monaten?
Eule: Weil sonst nichts mehr da ist. Du warst doch im Wald. Ist dir nichts aufgefallen?
Parker: Doch, diese unheimliche Stille. Bis auf die... auf euch Eulen.
Eule: Was blieb uns denn anderes übrig? Euch gibt es zur Genüge. Wen kümmern schon zwölf oder dreizehn Menschen.
Parker: Uns kümmert es. Uns ist es nicht gleichgültig, wenn Menschen spurlos verschwinden. Sie haben Familien gehabt.
Eule: Ich habe auch eine Familie.
Parker: Du bist ein Tier!
Eule: Bin ich das, ja? In deinen Augen bin ich nur das Tier. Und trotzdem liegst du verletzt vor mir auf dem Boden und sprichst zu mir. Mit einem Tier!
Parker: Du bist kein gewöhnliches Tier.
Eule: Ja, in der Tat. Ich bin ungewöhnlich. Ich bin mächtig. Und auf euch Menschen angewiesen, so absurd dieser Gedanke auch sein mag.
Parker: Du bist abhängig von uns?
Eule: Ich kann diesen Raum niemals verlassen. Mein ganzes Leben habe ich hier verbracht. Hier bin ich geboren. Hier werde ich eines Tages sterben. Ich brauche einen Menschen, der mir da draußen dient.
Parker: So wie Billy?
Eule: Ja, so wie Billy. Er war mir ein guter Diener in den letzten Monaten gewesen. Aber du hast ihn getötet.
Parker: Das habe ich nicht. Er ist durch das Beben gestorben.
Eule: Das stimmt. Aber immerhin hast du ihm lange genug widerstehen können.
Parker: Was war das für ein Ritual? Was hatte Billy vorgehabt?
Eule: Das war allein seine Entscheidung. Ich brauche so etwas nicht. Es gibt kein ‚Fünfzehn und Einer‘. Er bat darum, ich ließ ihn gewähren.
Parker: Und was hast du jetzt mit mir vor?
Eule: Eine Zeit lang wirst du hier unten bei mir bleiben. Denn du wirst mein neuer Diener sein. Du wirst auf meine Kinder aufpassen. Du wirst verhindern, daß ihnen etwas geschieht.
Parker: Selbst Billy konnte nicht verhindern, daß wir sie getötet haben.
Eule: Das ist Vergangenheit.
Parker: Ich habe keine Wahl, oder?
Eule: Nein! Die hattest du nie. Dein Schicksal hat dich zu mir geführt. Aktzeptiere es!
Parker sah vor sich auf dem Boden eine Maske. Es war so eine, wie Billy sie getragen hatte. Die Maske hatte das Gesicht von Parker. Als ob das alles so geplant war, dachte er. Er sah zur Eule. „Nur zu, setze sie auf.“ sagte sie zu ihm. Parker nahm die Maske in die Hand. Ihm wurde plötzlich heiß, es kam ihm vor, als ob er innerlich verbrannte. Er schrie. Plötzlich waren seine Schmerzen weg. Alles war verheilt. Vorsichtig stand Parker auf. Er hatte die Maske immer noch in der Hand. „Ist es die Maske? Bin ich unverwundbar?“ „Setze sie auf!“ „Und wenn ich es nicht tue?“ „Du wirst!“ „Gib mir noch etwas Zeit.“ sagte er. Die Eule schien zu überlegen und sagte dann: „Also gut, ich gebe dir Gelegenheit, Abschied von deinem kümmerlichen Leben zu nehmen.“
Parker dachte nach. An seine Kindheit in der Stadt. An die Erlebnisse im Krieg. An die Zeiten bei der Polizei, als er dann beim FBI begann. Über den Vorfall mit dem Drogendealer. Über seine Familie, von der er als einziger noch übrig war. Vor allem aber dachte Parker an die Frau auf dem Foto, welches er vor Monaten in einer Bar gefunden hatte. Sie war so schön. Er hatte es behalten, als eine Art Glücksbringer. Eines Nachts war er aufgewacht, hatte sich einen Stift genommen und auf die Rückseite des Fotos ‚Für Cole. Alanis.‘ geschrieben. Er wußte nicht, warum er es getan hatte. Und warum er ausgerechnet auf den Namen Alanis gekommen war. Er dachte an Clive und Marge Digger. Er hatte die Angst in Marges Augen gesehen, als Billy sie mit dem Messer bedroht hatte. Blieb ihm wirklich keine andere Wahl? Er sah die Maske an. Jeder stirbt, dachte Cole. Es kommt nur darauf an, wie man stirbt. Er drehte sich zu der Eule um.
„Hast du dich entschieden?“ fragte die Eule. „Ja, habe ich.“ „Dann setze jetzt die Maske auf.“ Parker lächelte und warf der Eule die Maske vor die Füße. „Du sagtest, ich habe keine Wahl.“ „Was hast du vor?“ Er bemerkte, daß die monotone Stimme der Eule anfing, unruhiger zu werden. Parker zog seine Waffe aus der Hosentasche und hielt sie sich an die Schläfe. „Es gibt immer eine Alternative!“ brüllte er. „Nein!“ schrie die Eule. Das Tier jaulte auf und kam auf Parker zugerannt. „Lieber sterbe ich, als dir zu dienen.“ sagte Parker leise und drückte ab. Das Tier blieb stehen und sah die Eule an. Die Eule gab keinen Ton von sich, aber das Tier spürte die unvorstellbare Wut. Dann flog die Eule wieder zur Kuppel hoch, auf ihren Platz. Ob sie jemals diesen Platz wieder verlassen würde, wußte sie selbst nicht. Das Tier trottete stumm in die Ecke. Es hatte Hunger. Vor ihm lag der Leichnam von Parker. Ängstlich sah das Tier nach oben. Aber die Eule war weg, es konnte sie nicht sehen. Langsam näherte es sich dem toten Körper. Es berührte ihn einige Male mit der Pfote. Dann stillte es seinen Hunger.
Die Suche nach Parker und den anderen Vermißten, die bei dem Erdbeben verschwunden waren, wurde nach drei Wochen offiziell für beendet erklärt. Digger war noch ein paar Mal auf der Lichtung gewesen. Doch wie schon Gruber und die anderen vor ihm, fand er nichts. Langsam kehrte wieder Normalität in das kleine Städtchen ein. Die Eulen waren verschwunden. Die Zeitungen berichteten über kuriose Mutationen der Natur, die Little Utah heimgesucht hatten. Im Grunde genommen versuchten alle, die Vorfälle schnell zu vergessen. Bald redete keiner mehr von diesem verhängnisvollen Sommer des Jahres 1963.
Sie standen vor dem Grabstein. Es regnete und vereinzelt fielen welke Blätter von den Eichen. Marge beugte sich runter und legte eine einzelne Rose auf den Grabstein. Das Foto von Alanis hatten sie einrahmen lassen. Es war am Fuße des Grabsteins befestigt. Sie drückte fest Clives Hand. „Hatte er Familie?“ fragte sie leise. Clive sah sie an. „Nein, hatte er nicht.“ Ein Eichenblatt fiel vor ihnen zu Boden. Clive hob es auf. „Sieh nur Marge!“ sagte er und gab ihr das Blatt. „Es ist noch so... so frisch.“ sagte sie. Dann legte sie es neben die Rose. Dann hörten sie es donnern. Ein Gewitter kündigte sich an. „Komm Marge, wir fahren heim.“ sagte Clive. „Gab es keinen, der ihm nahe stand?“ wollte Marge auf dem Rückweg wissen. „Nicht wirklich.“ sagte Clive. „Ich glaube, er hat nie jemanden so richtig vertraut. Nie jemanden so richtig an sich herangelassen.“ Sie gingen weiter und erreichten den Ausgang des Friedhofes. „Was ist mit der Frau auf dem Foto? Alanis?“ fragte Marge. „Ich weiß es nicht, Schatz. Ich weiß es nicht.“ Als sie in den Wagen steigen wollten, bemerkte Clive, daß Marge wie angewurzelt stehen blieb und mit ängstlichen Augen zum Wald sah. „Schatz?“ fragte er. „Was ist?“ „Clive, ich dachte, ich hätte da etwas gesehen.“ „Im Wald?“ „Ja, eine Eule.“ Clive sagte nichts. Einige Monate waren seit den Geschehnissen von damals vergangen. Er wußte, daß Marge nachts schlecht träumte und immer wieder aus ihrem Schlaf aufschreckte. „Steig ein, Marge.“ sagte er leise zu ihr. „Es gibt keine Eulen mehr.“ Sie stiegen ein und fuhren los. Clive sah noch einmal in den Rückspiegel. Und dann sah er die Eule. Sie flog vom Wald rüber zum Friedhof. Verstohlen wischte er sich eine Träne aus den Augen. Er fuhr mit Marge nach Hause. Er würde Marge vorschlagen, Little Utah zu verlassen. Um irgendwo neu anzufangen.
Die Eule landete auf dem Grabstein und legte mit ihrem Schnabel etwas ab. Dann flog sie wieder weg, in den Wald hinein. Auf dem Grabstein stand: ‚Cole Parker. 1920 – 1963. Wir werden Dich nie vergessen. Danke für Alles. Marge und Clive Digger.‘ Und neben dem Eichenblatt und der Rose lag jetzt auch eine Feder. Es war die Feder einer Eule.
ENDE
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